Diezmo

Diezmo
Zehntabgabe von Bauern bei einem Grundherren

Der Begriff Zehnt, Zehnter, der Zehnte (auch Kirchenzehnter; lat.: decenia, mittelniederdt.: teghede) bezeichnet eine etwa zehnprozentige traditionelle Steuer an eine religiöse (z. B.: Tempel, Kirche) sowie weltliche (König, Grundherr) Institution.

Eine solche Abgabe war bereits im Altertum in verschiedenen Kulturen nicht nur des Orients bekannt und war über das Mittelalter bis in die frühe Neuzeit üblich.

Inhaltsverzeichnis

Der Zehnte im Alten Testament

Bereits der König und Hohepriester Melchisedek erhält von Abraham den Zehnten als freiwillige Abgabe - bereits vor dem mosaischen Gesetz (Gen 14,20).

Das spätere mosaische Gesetz schreibt dann vor, dass die Israeliten dem Herrn einen Zehnten "vom Ertrag des Landes und den Früchten der Bäume" sowie von den Rindern und Schafen geben sollen (Lev 27,30ff). Dieser Zehnte war zum Dank für das gedacht, was Gott einem im Jahr "geschenkt" hat und für den Unterhalt des Stammes Levi, dem der Tempeldienst zugewiesen war und der deshalb keinen Landbesitz hatte. Die Naturalabgabe konnte auch durch eine Geldgabe ersetzt werden, nur musste der Betrag um ein Fünftel höher sein. Grundsätzlich war der Betrag zum Heiligtum zu bringen, aber in jedem dritten Jahr wurde der Zehnte vor Ort den Leviten und Armen zur Verfügung gestellt.

Diese Zehntvorschriften wurden allerdings längst nicht immer und nicht immer vollständig beachtet - oder ins Extreme geführt (die Pharisäer gaben sogar den Zehnten von den Küchenkräutern).

Der Zehnte im Christentum

Viele Gläubige meinen, im Neuen Testament würde von den Christen kein Zehnter gefordert, sondern nur eine freiwillige Unterstützung armer Mitchristen und armer Gemeinden. Dagegen spricht jedoch die Stelle in Mat. 23,23, wo Jesus am Zehnten festhält. Am deutlichsten wird jedoch die Einstellung dazu in 2. Kor 9,7. Paulus zieht hier die freiwilligen Gaben eindeutig den Zwangsabgaben vor. In Matthäus prangerte Jesus lediglich das Verhalten der Pharisäer und Leviten an, die das mosaische Gesetz in allen Buchstaben erfüllten und teilweise noch verschärften, die viel wichtigere Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit aber völlig außer Acht ließen.

Bauern geben einem geistlichen Herren den Zehnt ab

In der Frühzeit des Christentums verlangten verschiedene Kirchenväter von den Gläubigen einen Zehnten auf freiwilliger Basis. Erstmals gesichert in der Vita Severini als Christenpflicht erwähnt, wurde er im 8. Jahrhundert als Zwangsabgabe eingeführt.

In einem Schreiben des Papstes Gregor II. vom 1. Dezember 722 an Bonifatius heißt es:

„Aus den Einkünften der Kirche und den Opfergaben der Gläubigen soll er [Bonifatius] vier Teile machen: Einen davon soll er für sich behalten, den zweiten unter den Geistlichen verteilen, entsprechend ihrem Eifer in der Erfüllung ihrer Pflichten, den dritten Teil soll er an die Armen und Fremden geben, den vierten soll er aber für den Kirchenbau zurücklegen.“

Bonifatiusbriefe

Papst Zacharias schrieb 748 einen Brief an vornehme Franken, in dem der Zehnt als bereits bestehend genannt wurde:

„Was aber die Zehnten der Gläubigen betrifft, die in den Kirchen dargebracht werden, so soll es nicht im Belieben des Gebers liegen, sie zu verteilen. Denn die Satzungen der heiligen Väter bestimmen, dass daraus vom Bischof vier Teile gemacht werden sollen. ... Daraus müssen nämlich die Almosen bereitgestellt werden, daraus muss der Kirchenbau und die Altarausstattung bezahlt werden ...“

Bonifatiusbriefe

Zur Zeit Karls des Großen wurde er gesetzlich bestätigt, und dann vollständig geregelt im Decretum Gratiani um 1140.

Regional unterschiedlich erhielten meist der Bischof, der Pfarrer, die Armen und das Bistum je ein Viertel des Zehents; ab dem 10. Jahrhundert bekam ein Drittel der Pfarrer und zwei Drittel der Bischof, der daraus die Armenfürsorge leisten und für den Bedarf des Bistums (Sachaufwand, fabrica ecclesiae) aufkommen musste.In Schweden galt bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts folgende Zehntaufteilung: Ein Drittel bekam der Priester. Die restlichen zwei Drittel wurden dann abermals gedrittelt für Bischöfe, Kirchenfabrik und Arme.

Durch das Eigenkirchenwesen (Grundherren besaßen Kirchen zu Eigen) und die Klöster als weltliche Grundherren wurde der Zehnte jedoch oft de facto zur weltlichen Abgabe - der Eigenkirchenherr erhielt zwei Drittel, der Pfarrer ein Drittel. Oft wurde der Zehnte auch verpachtet, und der Pächter bekam die Differenz zwischen dem Zehnten und den tatsächlichen Abgaben.

Der Zehnte im Mittelalter

Ehemalige Zehntscheune in Jesberg (Hessen)
Ehemalige Zehntscheune in Kronenburg, Eifel

Der Zehnt im Mittelalter ist eine auf dem Grund liegende Abgabe in Naturalien, die zunächst direkt an den Pfarrer abzuliefern war, aber seit 1200 sich von der Pfarrorganisation weitgehend getrennt hatte. Das Decretum Gratiani zeichnet eine Modellvorstellung des Zehnten. In der Rechtswirklichkeit kann er sich in eine Vielzahl von Teilabgaben aufteilen. Der Zehnt ist in den Quellen zumeist als eine unabhängig von der Erntemenge festgelegte Abgabe dokumentiert. [1] Er betrug je nach Region und Bodenqualität zwischen 30% und weniger als 10% der Ernte.

In Europa wurden zur Aufbewahrung in den Dörfern spezielle große Scheunen, die Zehntscheunen (im alemannischen Sprachraum Zehntscheuern), gebaut, die vielfach nach der Kirche die größten Bauwerke eines Dorfes darstellten. Der Pfarrer oder ein eigener Zehentner (Decimator) hoben den Zehent ein, wobei dieser meist vom Zehentholden selbst an einem Sammelpunkt wie dem Wirtschaftshof der Pfarre oder dem Zehenthof abzuliefern war. Zehntpflichtige Orte oder Höfe wurden auch als Zehntbesitz bezeichnet. Der Zehntbesitz wurde meist durch Kauf, Stiftung oder Schenkung erworben.

Ein einzelnes Kloster, wie Ebstorf in der Lüneburger Heide, konnte über 60 Dörfer im Zehntbesitz haben.

Im Mittelalter wurde der aus dem Alten Testament stammende Zehnt erweitert. Man unterschied zwischen Großzehnt und Kleinzehnt:

  • Der Großzehnt war analog der Bibel auf Getreide und meist Großvieh zu entrichten
  • der Kleinzehnt war zusätzlich auf andere Feldfrüchte als Fruchtzehnt (Küchenkräuter, Obst, Gemüse) und Kleinvieh zu entrichten. Was genau kleinzehntpflichtig war, war örtlich unterschiedlich.

Daneben entwickelten sich weitere Zehntarten, die ebenfalls von Ort zu Ort unterschiedlich erhoben wurden:

  • Der Weinzehnt (auch Nasser Zehnten), auf gekelterte Weine zu entrichten
  • der Heuzehnt, auf geerntetes Heu
  • der Holzzehnt, auf geschlagenes Holz
  • der Fleisch- oder Blutzehnt, auf geschlachtete Tiere bzw. Tierprodukte wie Fleisch, Eier und Milch
  • der Neubruchzehnt oder Novalzehnt (in der Schweiz auch Neugrützehnt), auf Neubruch, das heißt auf durch Rodung nutzbar gemachtes Land.
  • der Bergzehnt im Bergbau

Abschaffung des Zehnten

Nach der Reformation wurde der Zehnte in protestantischen Gebieten der Schweiz verstaatlicht - im Ausgleich dazu übernahm der Staat die finanzielle Verantwortung für die Kirchen. Das gleiche gilt für die skandinavischen Länder unter der Herrschaft Christians III. von Dänemark.

In der Schweiz wurde der Zehnte im 19. Jahrhundert mit der Bildung des modernen Bundesstaats abgeschafft.

Auch in Deutschland hielt sich der Zehnte noch bis ins 19. Jahrhundert. In vielen Fällen war die Abschaffung des Zehnten mit einer Ablösesumme verbunden, die oft zu starker und langer Verschuldung der Bauern führte. Um das nötige Geld zur Verfügung zu stellen, wurden die Sparkassen gegründet, zum Beispiel die Nassauische Landes-Credit-Casse (als Vorgängerin der Nassauischen Sparkasse).

Der Zehnte heute

Die Kirchensteuer beträgt in Baden-Württemberg und Bayern 8%, in den übrigen Bundesländern 9% der Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer. Bei der Berechnung der maßgebenden Kirchensteuer/Lohnsteuer werden allerdings für Kinder grundsätzlich Kinderfreibeträge abgezogen und Einkünfte, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, zu 100% angesetzt.

Viele Freikirchen erwarten von ihren Mitgliedern in der Regel einen Zehnten als freiwillige Abgabe, wobei der tatsächlich gespendete Betrag normalerweise dem Einzelnen überlassen ist.

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) verlangt dagegen den vollen Zehnten vom Ertrag ihrer Mitglieder.

Nachweise

  1. Otto Volk: Wirtschaft und Gesellschaft am Mittelrhein. Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1998, ISBN 3-930221-03-9

Siehe auch

Zehntherrschaft, Zehntscheune, Allmende, Allodifikation, Frondienst, Fronhof, Kommende, Rente, Rittergut, Schultheiß, Stiftung, Vogt

Literatur

  • 'R. Puza: Art. Zehnt', in: Lexikon des Mittelalters, (Stuttgart [1977]-1999) Bd. 9, Sp. 499-501.
  • Briefe des Bonifatius Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters Band IV b. Darmstadt 1968
  • Wolfgang Seegrün: Das Papsttum und Skandinavien.Neumünster 1967.
  • Margit Freifrau von Wintzingerode: Das Zehntwesen im Hochstift Bamberg und Amt Pottenstein vom 15 bis 19. Jahrhundert. Burg Pottenstein: Selbstverlag - Freiherr von Wintzingerodesche Burgverwaltung 1990.
  • Krünitz, Zehent

Weblinks


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