Dirk Bavendamm

Dirk Bavendamm

Dirk Bavendamm (* 20. Mai 1938 in Dresden) ist ein deutscher Historiker und Publizist. Bavendamm ist einer breiteren Öffentlichkeit unter anderem durch eine als Schönschreibung kritisierte Veröffentlichung zur Geschichte des Bertelsmann-Konzerns während der NS-Zeit[1] bekannt geworden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bavendamm wuchs in Reinbek bei Hamburg auf und studierte in Hamburg und Berlin Rechts-, Literatur- und Geschichtswissenschaften. Er promovierte 1967 bei Gerhard Oestreich über ein Thema aus der Hamburger Verfassungsgeschichte zum Dr. phil.[2] Von 1967 bis 1977 arbeitete er als fest angestellter Redakteur und Journalist für die Zeit, die Welt und die Süddeutsche Zeitung. Seit 1980 war er freiberuflich tätig. Bis heute schrieb, übersetzte und betreute Bavendamm etwa zwei Dutzend Bücher in den Bereichen Unternehmens- und Zeitgeschichte. Zu seinen unternehmensgeschichtlichen Auftraggebern zählten Bertelsmann, Woermann, Würth, Oetker und RWE Dea.

Bavendamm erarbeitete auch eine Geschichte seiner Heimatstadt Reinbek sowie, gemeinsam mit der Redaktion, einige Jahrgangschroniken des Dortmunder Chronik-Verlages. 1983 und 1993 veröffentlichte Bavendamm zwei umfangreiche geschichtsrevisionistische Studien über den US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt. Darin legt er den politischen und persönlichen Werdegang Roosevelts dar und konzentriert sich dabei vor allem auf dessen Politik im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges, um dem amerikanischen Präsidenten schließlich eine Mitverantwortung am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zuzuweisen.[3]

Von 1988 bis 1997 leitete er das Bismarck’sche Archiv in Friedrichsruh bis zu dessen Umgründung in eine Bundesstiftung, die heute Otto-von-Bismarck-Stiftung heißt. Von 2002 bis 2004 war er Geschäftsführer der umstrittenen Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft in Hamburg.[4] Bavendamm lebt in Reinbek bei Hamburg.

Bertelsmann und die Unabhängige Historische Kommission

1985 erschien eine von Bertelsmann herausgegebene Konzerngeschichte mit Beiträgen von angesehenen Wissenschaftlern und Autoren wie Walter Kempowski und Kurt Biedenkopf, für die Dirk Bavendamm die redaktionelle Koordination übernommen hatte.[5] Die Autoren stützten sich auf von Bertelsmann zur Verfügung gestellte Materialien. Das Buch stellte Bertelsmann als Widerstandsverlag dar, obwohl das Unternehmen mit der Verlegung von Wehrmachts- und NS-Literatur gute Geschäfte gemacht hatte.[6]

Ende der 1990er Jahre, als der Bertelsmann-Medienkonzern die amerikanische Buchverlagsgruppe Random House übernehmen wollte, in der traditionell viele jüdische Autoren veröffentlichen, mehrten sich vor allem in der amerikanischen Öffentlichkeit Zweifel an der These des Widerstandsverlags im Dritten Reich. Vor allem der jüdische Soziologe Hersch Fischler trat der Behauptung in deutschen und amerikanischen Medien entgegen und kritisierte auch Bavendamm scharf.[7] In der Folge berief Bertelsmann eine Unabhängige Historische Kommission unter dem Vorsitz des bekannten Historikers Saul Friedländer ein. Die Mitarbeiter der Kommission lehnten eine Teilnahme Bavendamms ab. Friedländer kommentierte, Bavendamm habe „nicht die Art von Zeitgeschichte geleistet, die wir machen müssen“.[8]

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung brachte im Blick auf Bertelsmann, den Verlag im Dritten Reich, Anfang 2000 nach der ersten Pressekonferenz der Kommission die anstehende Neubewertung unter die Überschrift „Hitlers bester Lieferant“[9]

Werke

  • Von der Revolution zur Reform. Die Verfassungspolitik des Hamburgischen Senats 1849/50. Duncker & Humblot, Berlin 1969 (Dissertation)
  • Bonn unter Brandt. Fritz Molden, Wien 1971
  • Masanori Nakumura: Operation Heimkehr. Roman. Droemer Knaur, München 1982 (Bearbeiter und Koautor)
  • Roosevelts Weg zum Krieg. Amerikanische Politik 1914–1939. F.H. Herbig, München 1983
  • 150 Jahre Bertelsmann: Die Gründer und ihre Zeit. Eine Geschichtsbetrachtung. In: Bertelsmann Brief. Nr. 116, 1984
  • 1835–1985. 150 Jahre Bertelsmann. Die Geschichte des Verlagsunternehmens in Texten, Bildern und Dokumenten. C. Bertelsmann, München 1985 (Redaktioneller Koordinator)
  • Bertelsmann – Mohn – Seippel. Drei Familien – ein Unternehmen. C. Bertelsmann, München 1986 (Alleinautor)
  • Wagnis Westafrika. 150 Jahre C. Woermann. Hanseatischer Merkur, Hamburg 1987 (Redaktioneller Koordinator und Koautor)
  • Wolf Rüdiger Heß (Hrsg.): Rudolf Heß. Briefe 1908–1933. Mit einer Einführung und Kommentaren von Dirk Bavendamm. Langen Müller, München 1987 (Bearbeiter)
  • Reinbek – eine Stadt zwischen Hamburg und dem Sachsenwald. Rowohlt, Reinbek 1988
  • Roosevelts Krieg. Amerikanische Politik und Strategie 1937–1945. F. H. Herbig, München 1993
  • Reinhold Würth: Erfolgsgeheimnis Führungskultur. Bilanz eines Unternehmers. Campus, Frankfurt a. M./New York 1994 (1995 auch als englische Übersetzung) (Ghostwriter)
  • Ein Erfolgsrezept. Die Geschichte des Familienunternehmens Oetker. Hörnemann, Bielefeld 1996
  • 100 Jahre RWE-DEA. 1899–1999. RWE-DEA, Hamburg 1999 (Redaktioneller Koordinator und Koautor)
  • Der junge Hitler. Korrekturen einer Biographie 1889-1914. Ares-Verlag, Graz 2009

Übersetzungen

  • Robert Scheer: Und brennend stürzen die Vögel vom Himmel. Reagan und der „begrenzte Atomkrieg“. Kindler, München 1983
  • Bruce Nussbaum: Das Ende unserer Zukunft. Revolutionäre Technologien drängen die europäische Wirtschaft ins Abseits. Kindler, München 1984
  • Nicolas Baciu: Verraten und verkauft. Die tragischen Fehler Churchills und Roosevelts in Osteuropa. Universitas, München 1986

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. etwa Christian Mensch, Die Legende vom Widerstand, in: Die Weltwoche 46/2002 vom 14. November 2002.
  2. Kurzer Lebensabriss in buch-arsenal.de
  3. Zum ersten Buch Karl-Heinz Schmick, Rez. Dirk Bavendamm, Roosevelts Weg zum Krieg. Amerikanische Politik 1914–1939, in: Politische Vierteljahresschrift, Juni 1986, S. 57f. (positiv dem revisionistischen Ansatz Bavendamms gegenüber); zum zweiten Buch Manfred Görtemaker, Eine deutsche Kriegsschuldlüge? Bavendamm will Roosevelt für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich machen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. März 1994 (schätzt die Arbeit zwar als interessant, aber sachlich unsauber ein).
  4. Artikel Gesellschaft in Deutschland in der Mitgliederzeitschrift SWG Deutschland-Journal
  5. Bertelsmann (Hrsg.), 1835–1985. 150 Jahre Bertelsmann. Die Geschichte des Verlagsunternehmens in Texten, Bildern und Dokumenten, C. Bertelsmann, München 1985.
  6. Vgl. Christian Mensch, Die Legende vom Widerstand, in: Die Weltwoche 46/2002 vom 14. November 2002. Eine Korrektur der Verlagsgeschichte dann bei Bertelsmann im Dritten Reich. Bericht von Saul Friedländer, Norbert Frei und Trutz Rendtorff, C. Bertelsmann, München 2002, ISBN 3-570-00713-8.
  7. Etwa bei Hersch Fischler, John Friedman, Bertelsmann’s Revisionist, in: The Nation vom 8. November 1999 (englisch).
  8. Zitiert bei Thomas Schuler, „In dieser Dimension überraschend“. Bericht der Historiker-Kommission über Bertelsmann im Dritten Reich, in: Berliner Zeitung vom 18. Januar 2000.
  9. Erwähnung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18. Januar 2000 in Günter Frech: Der Bewußtseinsriese im Internet Archive

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