Dokumentarstück

Dokumentarstück

Das dokumentarische Theater behandelt historische oder aktuelle politische oder soziale Ereignisse. Dabei fungieren juristische oder historische Reportagen, Berichte, Dokumente sowie Interviews als Quellen. Obwohl authentisches Material übernommen und in der Regel unverändert wiedergegeben wird, handelt es sich dennoch um eine fiktionale Kunstform. Die schöpferische Leistung des Autors besteht in der Komposition des Roh-Stoffes und in der Konzentration aufs Wesentliche. Unwichtiges wird weggelassen um Aufklärung, Konfrontation und Agitation zu erreichen. Angestrebt wird Realismus, nicht Naturalismus. Der Zweck bzw. das Ziel eines dokumentarischen Theaterstückes ist die politische Aufklärung und die Agitation (oft aber auch die Verurteilung einer der betroffenen Parteien). Zusätzlich wird auf einschüchternde Authentizität wie z. B. genaue Nachbildung von Gerichtssälen etc., verzichtet um den Zuschauer nicht unnötig von den Fakten abzulenken. Diese Form des Theaters entstand in den 1960ern. Zeitgeschichtliche Beispiele sind:

Inhaltsverzeichnis

Aktuelle Vertreter

Eine Renaissance des dokumentarischen Theaters im deutschsprachigen Raum zeichnet sich seit Ende der 90er Jahre ab. Eher in der klassischen Tradition des dokumentarischen Theaters stehen dabei Hans-Werner Kroesinger (* 1962) und Andres Veiel. Veiels Der Kick, dessen Text auf Interviews mit Beteiligten, Angehörigen und Zeugen eines Mordfalls beruht, war 2006 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Beim selben Festival war das Regiekollektiv Rimini Protokoll mit ihrer dokumentarischen Inszenierung nach Schillers Wallenstein zum zweiten Mal vertreten. Die drei Mitglieder des Rimini Protokoll gelten als Begründer einer Renaissance und Neudefinition des dokumentarischen Theaters.

In den Projekten des Rimini Protokolls steht seit Ende der 90er Jahre nicht das recherchierte Material im Vordergrund, sondern die Protagonisten der jeweiligen Ereignisse betreten selbst die Bühne. Im Gegensatz zum Dokumentarfilm produzieren die sogenannten Experten des Alltags ihre Auftritte bei jeder Aufführung neu. Und im Unterschied zum Laienspiel und Amateurtheater versuchen sie nicht, Theater zu spielen: Die darstellenden Personen bewahren sich ihre eigene Authentizität sowie die ihrer Geschichten innerhalb des Kunstrahmens eines Theaters.

Die auch als Experten-Theater bezeichnete junge Spielform des dokumentarischen Theaters wird mittlerweile von einer ganzen Reihe von Gruppen und Autoren-Regisseuren praktiziert. Ein jüngeres Beispiel für die Konfliktpotenziale, die durch den neuen Einzug des Dokumentarischen ins Theater entstehen können, war das Verbot von Volker Löschs Inszenierung von Gerhart Hauptmanns Die Weber im Jahr 2004 am Staatsschauspiel Dresden: In der Inszenierung sollte ein Chor von 33 echten Arbeitslosen mit einer auf ihren eigenen Ängsten und Sorgen basierenden Textcollage auftreten. Der Grund für ein Verbot war der rechtliche Schutz des Originaltextes.

Literatur

  • Brian Barton: Das Dokumentartheater. Metzler (Sammlung Metzler; 232) Stuttgart 1987, ISBN 3-476-10232-7.
  • Sven Hanuschek: Ich nenne das Wahrheitsfindung. Heinar Kipphardts Dramen und ein Konzept des Dokumentartheaters als Historiographie. Aisthesis, Bielefeld 1993.
  • Klaus H. Hilzinger: Die Dramaturgie des dokumentarischen Theaters. Niemeyer, Tübingen 1976, ISBN 3-484-10256-X.

Presse

Siehe auch

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hans Pfeiffer (Schriftsteller) — Hans Pfeiffer (* 22. Februar 1925 in Schweidnitz; † 27. September 1998 in Wurzen bei Leipzig) war ein deutscher Autor, Dramatiker und Erzähler. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 2.1 Kriminalromane …   Deutsch Wikipedia

  • Andres Veiel — (* 16. Oktober 1959 in Stuttgart) ist ein deutscher Dokumentarfilm und Spielfilm Regisseur sowie Drehbuch und Theater Autor. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 2 Auszeichnungen 3 Filmografie …   Deutsch Wikipedia

  • Babette Koblenz — (* 22. August 1956 in Hamburg) ist eine deutsche Komponistin mit Schwerpunkten in der Kammer und Ensemblemusik, dem Musiktheater und so genannter „Dokumentarwerke“. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und ist Mitglied der Freien Akademie der… …   Deutsch Wikipedia

  • Dokumentarisches Theater — Das dokumentarische Theater behandelt historische oder aktuelle politische oder soziale Ereignisse. Dabei fungieren juristische oder historische Reportagen, Berichte, Dokumente sowie Interviews als Quellen. Obwohl authentisches Material… …   Deutsch Wikipedia

  • Dokumentartheater — Das dokumentarische Theater behandelt historische oder aktuelle politische oder soziale Ereignisse. Dabei fungieren juristische oder historische Reportagen, Berichte, Dokumente sowie Interviews als Quellen. Obwohl authentisches Material… …   Deutsch Wikipedia

  • Dokumentationstheater — Das dokumentarische Theater behandelt historische oder aktuelle politische oder soziale Ereignisse. Dabei fungieren juristische oder historische Reportagen, Berichte, Dokumente sowie Interviews als Quellen. Obwohl authentisches Material… …   Deutsch Wikipedia

  • Lene Voigt — um 1910 Lene Voigt (* 2. Mai 1891 in Leipzig als Helene Wagner; † 16. Juli 1962 ebenda) war eine Schriftstellerin und sächsische Mundartdichterin. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Manga Bell — Rudolf Manga Bell Rudolf Manga Bell (* 1873; † 9. August 1914) war König des Duala Volkes in Kamerun zur deutschen Kolonialzeit. Er war Anführer des Widerstandes gegen die Vertreibung der Douala aus ihren angestammten Wohnplätzen.… …   Deutsch Wikipedia

  • Rimini Protokoll — ist der Name, unter dem Helgard Haug (* 1969), Stefan Kaegi (* 1972) und Daniel Wetzel (* 1969) ihre Theater , Performance und Hörspiel Projekte ankündigen und realisieren. Dabei sind Ankündigung und Realisation unabhängig davon, ob die Projekte… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Manga Bell — (* 1873; † 9. August 1914) war König des Duala Volkes in Kamerun zur deutschen Kolonialzeit. Er war Anführer des Widerstandes gegen die Vertreibung der Douala aus ihren angestammten Wohnplätzen. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”