Adventskalender

Adventskalender
Das Rathaus Hünfeld in der Adventszeit als 'Kalender' hergerichtet
Beispiel eines säkularen Adventskalenders

Ein Adventskalender (in Österreich Adventkalender; auch Weihnachtskalender) gehört seit dem 19. Jahrhundert zum christlichen Brauchtum in der Zeit des Advent. Der Kalender ist in verschiedenen Formen und Ausprägungen verbreitet, zeigt jedoch in der Regel die verbleibenden Tage bis Weihnachten an, beziehungsweise zählt diese ab.

Adventskalender sind entweder religiös, oder inhaltlich säkular gehalten. Religiöse Adventskalender umfassen teilweise den ganzen Zeitraum des christlichen Advent, vom ersten Adventssonntag (der gegebenenfalls auch in den November fallen kann) bis Weihnachten, während säkulare Adventskalender zumeist am 1. Dezember beginnen und am 24. Dezember (Heiligabend) enden.

Aus einem deutschen lutherischen Ursprung heraus, gehören Adventskalender heute weltweit in christlich geprägten Ländern zur Vorbereitung auf das weihnachtliche Geburtstagsfest der 2. Person des christlichen Gottes, Jesus Christus. Ebenso ist eine zunehmende allgemein kommerzielle Vermarktung von Adventskalendern, auch in nicht-christlich geprägten Ländern, zu beobachten.

Im deutschsprachigen Raum erhalten insbesondere Kinder einen Adventskalender. Gleichwohl gibt es auch welche, die eher für Erwachsene konzipiert sind. Im Handel weit verbreitet sind Kalender, die mit weihnachtlichen Motiven gestaltet sind und an denen sich kleine Türen öffnen lassen, hinter denen sich Bilder, Sprüche, Süßigkeiten oder andere Überraschungen befinden. Ebenso werden selbst erstellte Kalender verwendet, denen oft ein ähnliches Prinzip zu Grunde liegt.

Diese Adventskalender sollen, ähnlich wie der Adventskranz, die Wartezeit bis zum Weihnachtsfest verkürzen und die Vorfreude steigern.

Inhaltsverzeichnis

Historisches

Ursprünge

Selbstgemachter Adventskalender

Zunächst war der Adventskalender vor allem Zählhilfe und Zeitmesser. Die eigentlichen Ursprünge lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen; der erste selbstgebastelte Adventskalender stammt vermutlich aus dem Jahr 1851. Die ersten Formen kamen aus dem protestantischen Umfeld. So hängten religiöse Familien nach und nach 24 Bilder an die Wand. Einfacher war eine Variante mit 24 an die Wand oder Tür gemalten Kreidestrichen, bei der die Kinder täglich einen Strich wegwischen durften.[1] Oder es wurden Strohhalme in eine Krippe gelegt, für jeden Tag einer, bis zum Heiligen Abend. Weitere Formen waren die Weihnachtsuhr oder eine Adventskerze, die jeden Tag bis zur nächsten Markierung abgebrannt wurde. Diese Variante war besonders während der Zeit des Nationalsozialismus als Ersatzform des gebräuchlichen Adventskalenders verbreitet.[2] Gleichzeitig stellt das Abbrennen eine skandinavische Tradition dar.

Thomas Mann erwähnt in seinem Roman Buddenbrooks, wie der kleine Hanno „das Nahen der unvergleichlichen Zeit“ auf einem von der Kinderfrau angefertigten Abreißkalender verfolgt.[3]

1900 bis zum Zweiten Weltkrieg

1902 veröffentlichte die Evangelische Buchhandlung in Hamburg den ersten gedruckten Kalender in Form einer Weihnachtsuhr für Kinder.

1903 brachte der Münchner Verleger Gerhard Lang (1881–1974) einen gedruckten Kalender mit dem Titel Im Lande des Christkinds auf den Markt.[4] Er bestand aus einem Bogen mit 24 Bildern zum Ausschneiden und einem Bogen mit 24 Feldern zum Aufkleben. Jeden Tag in der Adventszeit durften die Kinder ein Bild ausschneiden und in ein Feld kleben.

1904 wurde dem Stuttgarter Neuen Tagblatt ein Adventskalender als Präsent beigelegt.

Bis in die 1930er Jahre hinein genoss die lithografische Anstalt von Reichhold & Lang in München den Ruf, die kunstreichsten und fantasievollsten Werke auf diesem Spezialgebiet herauszugeben. Lang kam auf die Idee, da er als Kind eines Pastorenehepaars von der Mutter jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit 24 Gebäckstücke (Wibele) auf einen Karton genäht bekam und ab dem 1. Dezember jeden Tag eines essen durfte.[2]

Lang stellte auch schon eine Art Schokoladen-Adventskalender her, das Christkindleinshaus zum Füllen mit Schokolade.[2]

Nach 1920 verbreiteten sich schließlich Kalender, deren Fensterchen man öffnen konnte. Hinter jedem Fensterchen war auf einer zweiten, angeklebten Papier- oder Pappschicht ein Bild zu sehen.[5]

In der Zeit des Nationalsozialismus im Deutschen Reich rückten die nationalsozialistischen Vorweihnachtskalender, unter dem Hakenkreuz die Wintersonnenwende, statt der Christnacht in den Mittelpunkt. Statt Bildern wurden nun Märchenfiguren und germanische Gottheiten, die völkischen Motive der nordischen Kultur [2], gedruckt.

Nachkriegszeit bis heute

Die heutige am meisten verbreitete Gestalt des konventionellen Adventskalenders geht vermutlich auf einen evangelischen Pfarrer zurück. Er wandelte die Idee von Lang ab und versteckte hinter 24 Türchen Bilder mit Gestalten aus biblischen Geschichten.

Eine flächendeckende Popularität erhielt der Adventskalender ab den 1950er Jahren, als er zum Massenartikel und dementsprechend preisgünstig angeboten wurde. Als Motive dienten hauptsächlich Szenen aus romantisch verschneiten Städtchen. Hinter dem größer gestalteten Fenster des 24. Dezember verbarg sich meist eine Krippenszene. Ab 1958 gab es die ersten mit Schokolade gefüllten Kalender. Bedeutung erhielten aber auch handgemalte Adventskalender von verschiedenen Künstlern wie zum Beispiel die Leipziger Adventskalender.

Hinter der Schokolade war immer noch ein Bild mit einem Motiv aus der Weihnachtsgeschichte verborgen, das bewahrte den Bezug zur Weihnachtszeit. Aktuelle Kalender werden mehr und mehr zu Geschenkverpackungen.

Heute stecken hinter den 24 Türchen eines typischen gekauften Produkts neben den Bildchen oftmals Schokoladenstücke in verschiedenen „weihnachtlichen“ Formen und gar Spielzeug. Immer häufiger findet man selbstgebastelte Kalender mit 24 kleinen Geschenken, die auf verschiedene Weise verpackt sein können.

Seit wenigen Jahren wird ein neues Medium genutzt, um die ursprüngliche Funktion des Adventskalenders, das Abzählen der Tage, mit einer uralten Tradition, dem Erzählen von Geschichten nicht nur für Kinder, zu verbinden. Es werden Hörbücher mit 24 Geschichten publiziert, damit der Zuhörer jeden Tag vom 1. Dezember bis Heiligabend eine Geschichte hören kann. Auch hier herrschen winterliche oder adventliche Motive und Inhalte vor, an Namenstagen wie St. Nikolaus am 6. Dezember wird eine Legende erzählt oder vorgelesen. Bisweilen sind statt Geschichten auch Lieder zu hören.

Der weltgrößte freistehende Adventskalender mit 857 m² steht in Leipzig im Böttchergässchen. Die Kalendertüren sind drei mal zwei Meter groß und werden täglich geöffnet.

Der ursprünglich in Deutschland beheimatete Adventskalender verbreitete sich in den 1950er Jahren auch in anderen Staaten. Hier hatte der Richard Sellmer Verlag Anteil, dem es gelang, eine plötzlich einsetzende Nachfrage aus den USA zu bedienen.

Kommerzielle Globalisierung

Da Adventskalender mittlerweile weltweit vermarktet werden, müssen die Motive auch überall verstanden werden. Statt Maria und Josef finden sich so inzwischen auch Bären oder Bambis. Ebenso stehen Adventskalender im Internet – jedoch häufig eher auf eine erwachsene Zielgruppe ausgerichtet. Verschiedene christliche Organisationen versuchen mit nicht-kommerziellen Adventskalendern auf die ursprüngliche religiös-christliche Bedeutung von Weihnachten hinzuweisen.

Bauten als Adventskalender

Adventskalender am Wallenfels’schen Haus in Gießen
Adventskalender am Rathaus von Gengenbach

In mehreren Städten werden regelmäßig die Fassaden bestimmter Gebäude, oft von Rathäusern, zu großen Adventskalendern umfunktioniert. Ein berühmtes Beispiel dafür ist das Wiener Rathaus, vor dem der Wiener Christkindlmarkt stattfindet. Eine besondere Tradition hat sich in etlichen Städten und Dörfern entwickelt: An den (Werk-)Tagen im Advent bzw. im Dezember geht man (ggf. von einem gemeinsamen Treffpunkt aus) jeweils zu einem Schaufenster, Scheunentor etc., wo ein „Adventstürchen“ gestaltet wurde und eine Geschichte vorgelesen oder erzählt wird. In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg entstand außerdem vor einigen Jahren (ca. 2003) der jährlich stattfindende größte Adventskalender der Welt: Hier öffnete jeden Tag im Advent eine andere Kirche in Württemberg ihre Türen zu einem adventlichen Aktionstag. Das badische Gengenbach wetteifert auch um den Titel des größten Adventskalenders auf engagierte Weise, im Jahr 2007 mit Motiven aus dem Kinderliederbuch des Elsässer Zeichners und Karikaturisten Tomi Ungerer.

Ebenso beansprucht die fränkische Stadt Forchheim den Titel des schönsten Adventskalenders der Welt.[6] Die 24 Türchen werden durch die Hauptpforte sowie 23 Fenster des Fachwerk-Rathauses gebildet. Hinter den Fensterläden, die von den jährlich wechselnden "Weihnachtsengeln" geöffnet werden, verbergen sich weihnachtliche Motive.

Lebendiger Adventskalender

In vielen Teilen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz werden in der Adventszeit im jeweiligen Ort, bzw. einer Siedlung, Fenster mit der entsprechenden Nummer versehen, geschmückt und am Abend beleuchtet. An dem zugeordneten Tag sammeln sich die Gäste vor dem Haus mit diesem Adventsfenster. Es werden Glühwein, Punsch, Brötchen sowie Selbstgebackenes angeboten.

Beim lebendigen Adventskalender, auch begehbarer Adventskalender genannt, trifft sich die Nachbarschaft jeden Adventstag vor einer anderen Tür. Oft wird dabei ein Fenster des Hauses adventlich-weihnachtlich dekoriert. Das vierundzwanzigste Türchen bildet in der Regel die Kirchentür. Diese Feiern können an privaten Wohnhäusern oder auch an z.B. Kindergärten, Krankenhäusern oder Geschäften stattfinden. Die Vorbereitung und Durchführung der Feier liegt in der Verantwortung des jeweiligen Gastgebers.

An den einzelnen Stationen werden vor oder auch in dem Haus Weihnachtslieder gesungen, weihnachtliche Geschichten erzählt und es gibt Zeit für Gespräche. Meist werden Süßigkeiten, Kuchen oder andere Knabbereien, sowie Tee, Punsch oder Glühwein gereicht. Vielfach wird diese Aktion in ökumenischer Partnerschaft zwischen benachbarten katholischen und evangelischen Gemeinden durchgeführt.

In der Schweiz wird diese Art von Adventskalender Adventskalender im Quartier genannt, und in der Regel von einem Verein oder einer Gruppe von befreundeten Frauen organisiert, seltener von einer Kirche.

Literatur

  • Sandra Binder: Wann ist denn endlich Weihnachten? Die Geschichte des ersten Adventskalenders. Holzgerlingen, SCM Hänssler 2009, ISBN 978-3-7751-4899-3
  • Tina Peschel: Adventskalender. Geschichte und Geschichten aus 100 Jahren. Verlag der Kunst, Husum 2009, ISBN 978-3-86530-114-7 (Museum Europäischer Kulturen – Schriftenreihe 7).
  • Esther Gajeck: Adventskalender, von den Anfängen bis zur Gegenwart. Süddeutscher Verlag, München ca.1990, ISBN 3-7991-6422-7
  • Alma Grüßhaber: Treffpunkt Fenster. Den "Lebendigen Adventskalender" gestalten und feiern. Verl. Junge Gemeinde, Leinfelden-Echterdingen 2006, ISBN 978-3-7797-0537-6.

Quellen und Einzelnachweise

  1. Beitrag in der ARTE-Sendung Karambolage vom 4. Dezember 2005
  2. a b c d www.sh-tourist.de – „Bräuche in Schleswig-Holstein“, 14. Dezember 2007
  3. www.mainpost.de – „Erinnerungsreise mit dem Adventskalender“, 14. Dezember 2007
  4. Die Geschichte des Adventskalenders. Sellmer Verlag. abgerufen am 22. Dezember 2009
  5. www.frankfurt-interaktiv.de – „ Adventskalender oder Weihnachtskalender“, 14. Dezember 2007
  6. Adventskalender Forchheim

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Adventskalender – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Weblinks

 Commons: Adventskalender – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks Wikibooks: Adventskalender 2009 – Lern- und Lehrmaterialien

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