Drogenentzug

Drogenentzug
Klassifikation nach ICD-10
F10.3 durch Alkohol
F11.3 Opioide
F12.3 Cannabinoide
F13.3 Sedativa oder Hypnotika
F14.3 Kokain
F15.3 andere Stimulantien einschl. Koffein
F16.3 Halluzinogene
F17.3 Tabak
F18.3 flüchtige Lösungsmittel
F19.3 multiplen Substanzgebrauch und Konsum sonstiger psychotroper Substanzen
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Mit dem Begriff Entzugssyndrom werden all jene körperlichen und psychischen Erscheinungen zusammengefasst, die nach dem Absetzen sog. psychotroper Substanzen auftreten. Dabei hängt die Ausprägung der Symptome von der Art der zuvor verwendeten Substanzen und der Dauer des Substanzgebrauchs ab.

Das bedeutet, dass die Symptome Jugendlicher meist weniger stark ausgeprägt sind. Da sie aber die Entzugssymptome mehr fürchten als ältere Patienten, wird besonders von jugendlichen Abhängigen Druck auf den behandelnden Arzt ausgeübt, Drogenersatzpräparate oder Benzodiazepine zu verordnen.

Nach ICD-10 erfolgt die Einteilung der Abhängigkeit in substanzspezifische Untergruppen (F10-F19), wobei an der vierten Stelle die 3 angegeben wird, wenn es zu einem Entzugssyndrom kommt. Falls mit dem Entzugssyndrom zusätzlich ein Delirium auftritt, wird in der vierten Stelle die 4 eingesetzt (beispielsweise F10.4 bei einem alkoholbedingten Delirium tremens).

Inhaltsverzeichnis

Substanzen

Die wichtigsten Substanzen, bei deren Absetzen Entzugserscheinungen auftreten sind:

  • Alkohol: bei Alkoholikern ist der Glutamat-Haushalt gestört, so dass der Glutamatspiegel nur stimmt, wenn der Abhängige regelmäßig Alkohol trinkt. Siehe auch: Alkoholabhängigkeit
  • Nikotin
  • Opiate und Opioide z. B. Morphin, Codein, Heroin, Methadon: dabei hängt die Heftigkeit der Entzugserscheinungen nicht nur proportional von der Wirkstärke des Stoffes ab, sondern auch von der jeweiligen Wirkdauer: der Methadonentzug ist zwar nicht so intensiv, dauert jedoch 3–6 Wochen an, ein Heroinentzug ist hingegen meist nach 7–10 Tagen überstanden, abgesehen von dem länger andauernden Ungleichgewicht im Endorphinhaushalt des Körpers; Der Entzug von Codein, eigentlich ein relativ schwaches Opiat bzw. Opioid, zählt mit zu den langwierigsten und schlimmsten Entzügen. Er ruft die gleichen Entzugssymptome wie ein Heroinentzug hervor. Allerdings ist der Verlauf des Entzuges abhängig von der Frequenz, der Menge, der Dauer sowie eventuellem Mischkonsum (liegt bei Codein fast immer vor) und der körperlichen Konstitution des Abhängigen.
  • Benzodiazepine z. B. Diazepam (Valium®), Oxazepam, Bromazepam: bei kaltem Entzug von diesen können u. a. epileptische Anfälle auftreten und dieser Entzug verläuft deshalb ohne medizinische Überwachung in seltenen Fällen tödlich.
  • Beim Entzug von Benzodiazepinähnlichen Präparaten sowie bei Medikamentenmissbrauch allgemein können Entzugserscheinungen auftreten, die, je nach Menge und Dauer des vorherigen Konsums, ähnlich deutliche Entzugssymptome haben können.
  • GHB und GBL erzeugen einen ähnlichen Entzug wie Alkohol oder Benzodiazepine.

Bei welchen Gelegenheiten kann ein Entzug auftreten?

Nach Absetzen eines Medikaments kann es zu Absetzerscheinungen kommen. Zur Verhinderung dieser Effekte bedient man sich oftmals des Mittels der Ausschleichung.

Freiwilliger Drogenentzug

Einen plötzlichen Entzug nennt man bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit auch Totalentzug. Sofern der Entziehungswillige standhaft genug ist, kann versucht werden, täglich eine radikale und konsequente Dosisreduzierung durchzuführen. Allerdings ist bei psychischer Abhängigkeit auch die Reduzierung meist keine Hilfe, da sie fast immer in Rückfällen endet.

Ob ein kalter Entzug die höchste Langzeiterfolgsrate besitzt, ist inzwischen umstritten. Neuere medizinische Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Körper des Abhängigen bei jedem abrupten Absetzen der Substanz eine Lernerfahrung macht, die ihn zukünftige Entzüge psychisch und physisch immer schwerer durchleben lassen. Darum gehen neuere Empfehlungen dahin, den Entzugssymptomen möglichst maximal vorzubeugen. Eine neue Entwicklung auf diesem Gebiet ist der „Entzug unter Narkose“ auch bekannt als Turboentzug, FOEN, etc., bei dem der Entzug unter Vollnarkose durchgeführt wird. Diese Form des Entzugs bieten zurzeit nur wenige qualifizierte Kliniken in Deutschland an (CfS-Hannover, Turboentzug). Der Nachteil dieser Methode ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen diese Form der Behandlung nicht bezahlen, obwohl diese Behandlung von den Langzeitergebnissen die besten Resultate liefert.

Therapie

Nach dem Entzug sollte sich unmittelbar eine entsprechende Therapie anschließen, meistens in einer psychosomatischen Klinik. Später sollte der Betroffene in entsprechende Selbsthilfegruppen gehen. Siehe auch Sucht.

Entzugserscheinungen

Die folgenden Symptome können einzeln oder zusammen Anzeichen für einen Entzug sein.

Physische Entzugserscheinungen

Psychische Erscheinungen

Dauer der Symptome

Ein so genannter kalter Heroinentzug, der ohne Verabreichung medikamentöser Hilfen erlebt wird, erstreckt sich meist über etwa 14 Tage. Bei einem kalten Codeinentzug, dessen heftigste Auswirkungen zwar nach sechs bis acht Wochen überwunden scheinen, treten Entzugserscheinungen selbst nach bis zu acht Monaten in verschiedenen Symptomen immer wieder auf. Da bei jedem weiteren Entzug die Wahrnehmungsintensität der Schmerzen zunimmt, treten häufig zunehmend stärkere Entzugsbedingte Angstzustände und Panikanfälle (Entzugsangst) auf. Es ist nicht ratsam einen „kalten Entzug“ ohne ärztliche Hilfe durchzuführen, da die dabei entstehenden Symptomatiken tödlich verlaufen können.

Pathophysiologie

Eine der Hauptursachen für Entzugserscheinungen bei Drogen ist die Verringerung des Niveaus des Botenstoffes Dopamin im Körper, der durch die Endorphin-ähnliche Wirkung vieler Drogen wie Nikotin oder Kokain hervorgerufen wird.

Medikamentöse Entzugsbehandlung

Leichte Entzugserscheinungen

Bewährt haben sich bei leichteren Entzügen:

Schwere Entzugserscheinungen

Bei schwerem Entzug ist eine stationäre Therapie notwendig:

Weitere Möglichkeiten und Probleme

  • Bei Opioid-Abhängigkeit wird versucht, auf Opioide mit geringerem Abhängigkeitspotential, z. B. Methadon aus pharmazeutischer Quelle, umzustellen, siehe Drogensubstitution. Alle Opioide haben aber selbst ein bestimmtes Abhängigkeitspotential.
  • Durch die Anwendung sedierender Medikamente wie Benzodiazepine (Diazepam, Bromazepam oder Flunitrazepam) kann sich die Abhängigkeit auf diese Substanzen verschieben oder es kommt zum sog. Beikonsum.
  • Der Opioid-Entzug kann so unangenehm sein, dass der Abhängige während des Entzuges anfängt, andere psychoaktive Substanzen zu konsumieren, wie z. B. Alkohol, Kokain oder Cannabis.
  • NMDA-Rezeptor-Antagonisten wie Ketamin oder DXM können die Toleranz und damit auch die Schwere der Entzugserscheinungen stark kupieren.
  • Entzug unter Narkose – muss immer unter adäquaten intensivmedizinischen Bedingungen durchgeführt werden. Die Risiken des Entzugs unter Narkose können nur reduziert werden, indem die Narkose unter intensivmedizinischen Bedingungen mit der gleichen Überwachung durchgeführt wird wie dies bei großen Operationen der Fall ist (Intubation und Beatmung, zentralvenöser Zugang, arterieller Zugang, Magensonde, Urinkatheter, EEG-Messung etc.) Diese Bedingungen werden zur Zeit nur von wenigen Zentren (z. B. CfS Hannover) erfüllt. Diese Klinik bietet auch Implantate des Opiatantagonisten Naltrexon an, die unter die Haut gesetzt werden und einen Rückfall verhindern. Die Implantate haben eine Wirkdauer von zwei bis drei Monaten und können dann getauscht werden.

Sonstige Entzugshilfen

  • Sport: Die beste, sicherlich aber auch schwerste Form einen dieser Entzüge kalt zu überstehen, ist eine Hilfe durch körpereigene Endorphine, die bei körperlicher Betätigung, insbesondere bei Ausdauersportarten, ausgeschüttet werden. Je nach körperlicher Konstitution und Dauer der Abhängigkeit des Betroffenen kann versucht werden, den Entzugserscheinungen sofort durch körpereigene Endorphinüberflutung entgegenzutreten. Oft ist der Bewegungsdrang unter Entzug jedoch durch die körperlichen Entzugserscheinungen wie Krämpfe und Störungen der Temperaturregulation stark gedämpft bzw. gehemmt.
  • Hilfreich, vielleicht sogar notwendig, können bei einem kalten Entzug die Zuführung von viel Flüssigkeit zum Beispiel in Form von nicht koffeinhaltigem Tee, die Einnahme von Vitaminen und Mineralstoffen sein.

Anschließende Therapie

Der Entzug ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Diese erfolgt meist in speziellen Sucht-Kliniken (Synanon, Psychosomatische Klinik) und dauert Monate bis Jahre. Um dauerhaft suchtfrei zu bleiben ist meist eine regelmäßige und intensive Mitarbeit in einer Selbsthilfegruppe (Anonyme Alkoholiker, Narcotics Anonymous, etc.) erforderlich.

Siehe auch

Weblinks


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