Afghanistan

Afghanistan
د افغانستان اسلامي جمهوریت
Da Afghānistān Islāmī Dschomhoriyat
(Paschtu)
جمهوری اسلامی افغانستان
Dschomhuri-ye Eslāmi-ye Afghānestān
(Dari)
Islamische Republik Afghanistan
Flagge Afghanistans
Wappen Afghanistans
Flagge Wappen
Amtssprache Paschtu und Dari (Persisch)[1][2][3][4]
Hauptstadt Kabul
Staatsform Präsidialrepublik
Staatsoberhaupt und Regierungschef Präsident Hamid Karzai
Fläche 652.225 km²
Einwohnerzahl 29,8 Mio.[2]
Bevölkerungsdichte 38 Einwohner pro km²
Bruttoinlandsprodukt 16,63 Mrd US$ (2010)[2]
Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner 1000 US$ (2010)[2]
Human Development Index 0,352 (181.)
Währung 1 Afghani = 100 Puls
1 € = 66,22 AFN
100 AFN = 1,51 €
(Stand: 1. Nov 2011)
Nationalhymne Milli Tharana
Zeitzone UTC +4,5
Kfz-Kennzeichen AFG
Internet-TLD .af
Telefonvorwahl +93
Afghanistan in its region.svg
Afghanistan physisch.png

Afghanistan, offiziell Islamische Republik Afghanistan (Paschtu/Dari (Persisch): افغانستان Afghānestān), ist ein Binnenstaat Südasiens an der Schnittstelle von Süd- zu Zentralasien, der an den Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, die Volksrepublik China und Pakistan grenzt. Drei Viertel des Landes bestehen aus schwer zugänglichen Gebirgsregionen.

In den 1990er-Jahren besiegten von Pakistan aus operierende und von den USA und Saudi-Arabien finanzierte Mudschaheddin die von der Sowjetunion gestützte Regierung. Die Aufteilung der Machtbereiche scheiterte jedoch an Rivalitäten; die fundamentalistisch islamisch ausgerichteten Taliban-Milizen kamen an die Macht und setzten eine radikale Interpretation des Islam und insbesondere die Scharia mit aller Härte durch. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA wurde das Taliban-Regime, das Mitgliedern von Terrororganisationen Unterschlupf gewährt hatte, im maßgeblich von den USA geführten Krieg gegen den Terror gestürzt. Das Land ist seit 2004 eine Islamische Republik und verfügt mit Hamid Karzai über einen gewählten Präsidenten, der am 2. November 2009 für eine zweite Amtszeit bestätigt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Namensgebung

Der Name Afghanistan bedeutet wörtlich Land der Afghanen. Das Suffix -stan geht dabei auf den indoiranischen Ausdruck für Platz oder Ort, an dem man steht zurück. Das Wort Afghane ist hierbei nicht im modernen Sinne als Staatsbürger Afghanistans zu verstehen, sondern bezieht sich speziell auf das Volk und auf die Stämme der Paschtunen, die im persischen Sprachraum, länderübergreifend, als Afghanen und im indischen Subkontinent als Pathanen bezeichnet werden.

1801 wurde der Name Afghanistan im anglo-persischen Friedensvertrag im Zusammenhang mit den paschtunischen Siedlungsgebieten zum ersten Mal offiziell erwähnt, nachdem er bereits in den tschagataischsprachigen Memoiren Baburs aus dem 16. Jahrhundert in einem regional begrenztem Sinne und bezogen auf die Paschtunen erwähnt wurde.[5] Erst 1919, mit der vollen Unabhängigkeit Afghanistans vom Britischen Weltreich, wurde der Name offiziell anerkannt und 1936, mit der ersten Konstitution des Landes, etabliert.

Eine sehr alte Bezeichnung für den Großteil des Gebietes ist Kabulistan, die noch im 19. Jahrhundert vom schottischen Geschichtsschreiber Mountstuart Elphinstone als Landesbezeichnung bevorzugt verwendet wurde.[6] Der wohl bekannteste historische Name dieser Region ist Khorasan, der über viele Jahrhunderte hinweg für die islamische und persische Blütezeit stand. Der Norden und Westen des heutigen Afghanistans waren bedeutende Gebiete des historischen Khorasan.

Geographie

Topografie

Landschaft im Nordwesten Afghanistans

Afghanistan ist ein Binnenstaat mit strategischer Bedeutung in der Region. Das Land ist größtenteils Gebirgsland. Weniger als 10 Prozent der Landesfläche liegen unterhalb von 600 m Meereshöhe. Die Gebirge des Hindukusch (bis 7500 m Höhe) und des Sefid Kuh erstrecken sich über weite Teile des 652.090 km² großen Landes.

Im Südwesten befindet sich eine abflusslose Ebene mit dem Hilmendsee an der Grenze zum Iran. Sein wichtigster Zufluss ist der Hilmend, der im Osten des Landes nahe der Hauptstadt Kabul entspringt. Afghanistan besitzt ein kontinentales Klima mit heißen Sommern und sehr kalten Wintern. Afghanistan ist vor allem ein Gebirgsland im östlichen Hochland von Iran. Nur im Norden liegen Ebenen am Amudarja und im Südwesten kleinere wüstenartige Becken. Der Nordosten wird vom Hindukusch durchzogen. Zwischen dem Becken von Kabul und dem nördlichen Landesteil besteht seit 1964 eine winterfeste Straßenverbindung über den Gebirgskamm mit einem fast 3 km langen Tunnel (Salangpass-Straße).

Der südliche Hindukusch fällt steil in die Landschaft Nuristan ab, die teilweise noch von Nadelwäldern bedeckt ist. Die Landschaften zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Khaiberpass an der Grenze zu Pakistan sind der politische und wirtschaftliche Kernraum des Landes. Siedlungskern im westlichen Afghanistan ist die Stadt Herat. Das südliche und südwestliche Afghanistan besteht aus Wüsten und Halbwüsten. Es wird nur vom Hilmend durchflossen, der der längste afghanische Fluss ist. Der Hilmend endet in den Salzseen von Sistan an der Grenze zum Iran. Östlich des Hilmend liegt die Wüste Rigestan („Sandland“) und westlich des Hilmend die vorwiegend aus Schotter und Lehmflächen bestehende Dascht-e Margoh.

Band-e Panir, einer der Band-e-Amir-Seen bei Bamiyan.

Der höchste Punkt des Landes ist der Gipfel des 7485 m hohen Noshak im Hindukusch. In der Flussebene des Amudarja an der Grenze zu Turkmenistan befindet sich mit 285 m über NN die tiefstgelegene Stelle Afghanistans.

Die Band-e-Amir-Seen bei Bamiyan zählen zu den in der westlichen Welt bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Sie sind seit 2009 als erster Nationalpark in Afghanistan ausgewiesen.

Klima

Jahreszeiten: Die winterlichen Westwinde bringen meist mäßige Niederschläge, während die Sommer ausgeprägt trocken sind und nur im äußersten Südosten der Monsun für Regen sorgt. Im Winter sind wegen der großen Höhe des Landes vor allem im Norden gelegentlich auch Schneefälle bis in die Täler möglich. Klimatisch gehört der Süden des Landes bereits zu den wärmeren Subtropen, in denen der Anbau von Dattelpalmen möglich ist, während der Norden eher zur gemäßigten Zone gehört. Im Jahr 2000 hatte die Hälfte der Bevölkerung unter einer der häufig auftretenden schweren Dürren zu leiden.

Ort Tages-/Nachttemperatur im Januar Tages-/Nachttemperatur im Juli
Herat 9 °C/-3 °C 37 °C/21 °C
Kabul 5 °C/-7 °C 32 °C/15 °C
Kandahar 12 °C/0 °C 40 °C/23 °C

Bevölkerung

80 % der Bevölkerung Afghanistans leben auf dem Land und nur 20 % in den Städten. Größere Städte sind Kabul (2,4 Mill. Einwohner; als Agglomeration 4,9 Mill. Ew.), Kandahar (362.000 Ew.), Herat (355.000 Ew.), Mazar-e-Scharif (290.000 Ew.), Dschalalabad (156.000 Ew.) und Kunduz (113.000 Ew.).[7]

Das Bevölkerungswachstum jährlich liegt bei 2,7% (Stand 2009). [8]

Ethnien

Vereinfachte Darstellung der Siedlungsgebiete der größten ethnischen Gruppen Afghanistans
Afghanische Schulkinder in Bagram
Bevölkerungsentwicklung in 1000 Einwohnern

Die Bevölkerung des Landes fühlt sich einer Vielzahl ethnischer Gruppen und Stämme zugehörig, wobei sich aus historischen Gründen die Paschtunen häufig als staatstragendes Volk ansehen. Oftmals leben mehrere Volksgruppen gemischt innerhalb von Siedlungsgebieten, deren Einwohnerzahlen nur geschätzt werden konnten. Die Kategorisierung in ethnische Gruppen ist zudem nicht eindeutig, da sich Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung häufig unterscheiden.

Angaben über Größe und Bevölkerungsanteil der ethnischen Gruppierungen können deswegen nicht als konkrete Werte sondern nur in bestimmten Bereichen gemacht werden. Die folgenden Angaben sind auf die Bevölkerungszahl des Jahres 2009 hochgerechnet.[9]

  • Paschtunen, historisch „Afghanen“, sind die Begründer und Namensgeber des Landes. Sie machen etwa 42 % der Bevölkerung aus. Die zahlenmäßig größten Untergruppen sind die Durrani (Süden und Westen) und die Ghilzai (Osten).[10] Den Paschtunen zugeordnet sind mehrere Nomadenstämme, allen voran die Kuchi mit rund 5 Millionen Menschen. Die Nomaden wurden durch Artikel 14 der afghanischen Verfassung besonders geschützt („Der Staat entwickelt und implementiert wirksame Programme (...) zur Ansiedlung der Nomaden und zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen“) und es wurde ihnen (Kuchi) in Artikel 84 zwei Vertreter in der Meshrano Dschirga zugesagt, die der Präsident ernennt.[11] Außerdem können nach dem Wahlgesetz von 2005 die Kuchi zehn Abgeordnete in die Wolesi Dschirga entsenden.
  • Tadschiken sind mit etwa 27 % die zweitgrößte Gruppe des Landes. „Tadschik“ ist eine generelle Bezeichnung der persischsprachigen Bevölkerung in Afghanistan, oft werden sie auch als „Parsiwan“ („Persischsprecher“) oder, im Osten und Süden, als „Dihgan“ und „Dihwar“ („Dorfbesitzer“, im Sinne von „sesshaft“) bezeichnet.[12] Die Tadschiken bilden keine ethnische Gruppe im engen Sinn, eine erkennbare kulturelle, soziale oder politische Abgrenzung zu anderen Gruppen besteht nicht. Im Westen sind sie die direkte Fortsetzung der persischsprachigen Bevölkerung Irans, im Norden die der persischsprachigen Bevölkerung Zentralasiens. Sie bilden zudem die Mehrheit in den meisten Städten.[12] Der Begriff „Tadschik“ wird meist von anderen als analytischer Terminus für Bevölkerungsgruppen verwendet, die keiner Stammesgesellschaft angehören, Persischsprecher und zumeist sunnitischen Glaubens sind. Auch andere persischsprachige Gruppen, wie die „Qizilbasch“ oder „Aimaken“, identifizieren sich selbst zunehmend als Tadschiken.[13]
  • Hazara, ebenfalls persischsprachig, jedoch größtenteils schiitischen Glaubens, stellen etwa 9 % der Bevölkerung.
  • Usbeken, eines der vielen Turkvölker Zentralasiens, stellen etwa 9 % der Bevölkerung.
  • Daneben existieren noch mehrere kleinere Gruppen von unter anderem Aimaken (4 %), Turkmenen (3 %), Belutschen (< 2 %), Nuristani und zahlreiche weitere Ethnien.

Nach 1992 prägten ethnische Konflikte die Auseinandersetzungen zwischen den Mudschaheddin. Die traditionellen Herrscher Afghanistans waren die Paschtunen, sie bilden auch die große Mehrheit der Taliban-Bewegung. Der Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 gab einer Allianz aus Tadschiken, Hazara und Usbeken die Gelegenheit, ein Abkommen über die Aufteilung der Macht durchzusetzen. Die Paschtunen sehen sich seitdem Vergeltungsangriffen ausgesetzt. Unter den Taliban war es darüber hinaus zu Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten gekommen.

Sprachen

In Afghanistan werden etwa 49 Sprachen[14] und über 200 verschiedene Dialekte gesprochen. Von diesen wurden 1964 durch die große Ratsversammlung Loja Dschirga Persisch („Dari“) und Paschtu als offizielle Landes- und Regierungssprachen (Amtssprachen) im Rahmen der Bestätigung einer neuen Verfassung bestätigt.

Dari (‏درى‎) – die offizielle afghanische Bezeichnung für die Ostdialekte des Persischen und abgeleitet von Fārsī-ye Darbārī, „Persisch des königlichen Hofes“ (persisch ‏دربار‎ – Darbār, „Königshof“)  – ist die Mehrheitssprache[2] und seit dem Mittelalter die dominierende Verwaltungs- und Kultursprache der Region. Die literarische Schriftsprache des Persischen fungiert seit der Staatsgründung Afghanistans als Amts- und Verwaltungssprache. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans (hauptsächlich Tadschiken, Hazara, Aimaken, aber auch sehr viele Paschtunen) spricht einen Dialekt des Persischen als Muttersprache. Persisch ist zudem die Sprache der Bevölkerung der Hauptstadt Kabul, deren Dialekt – umgangssprachlich gleichgesetzt mit Dari – nicht nur als Regierungs- und Wirtschaftssprache, sondern auch als lingua franca zwischen jenen Volksgruppen dient, die nicht eine der beiden Landessprachen als Muttersprache sprechen.[1]

Paschtu, die Sprache der Paschtunen, ist per königlichem Dekret seit 1936 Amtssprache[1] und wird von rund 35 - 55 % der Bevölkerung als Muttersprache gesprochen (Angaben variieren).[1][2] So wird traditionellerweise die Nationalhymne Afghanistans in Paschtu gesungen. Auch militärische Titel sind der Sprache der Paschtunen entnommen. Trotzdem konnte sich Paschtu bisher nicht als Verwaltungssprache durchsetzen und hat diesen Status nur in den paschtunischen Stammesgebieten. Daher wird von anderen Bevölkerungsgruppen Paschtu meist als zweitrangig angesehen, und auch die Frage der Nationalhymne hat immer wieder provokante Diskussionen heraufbeschworen. Jegliche Versuche der Regierung, den Status von Paschtu in der Bevölkerung zu erhöhen, sind bisher im Großen und Ganzen gescheitert.

Moschee in Afghanistan

Daneben sind auch fünf Minderheitensprachen seit 1980 in jenen Regionen als Nationalsprachen anerkannt, in denen diese von der Mehrheit gesprochen werden; die Wichtigste ist dabei Ōzbēkī (Usbekisch). Aber auch Torkmanī (Turkmenisch), Balūčī (Belutschisch), Pašaī (Pashai) und Nūrestānī (Nuristani) (Kati) haben unter Karzai eine Aufwertung erfahren.[1]

Religion

Über 99,9 % der Bevölkerung sind Muslime, davon etwa vier Fünftel meist hanafitische Sunniten und ein Fünftel imamitische Schiiten. Daneben gibt es noch etwa 15.000 Hindus, einige wenige hundert Sikhs und einen letzten bucharischen Juden: Zebulon Simentov. Über die Zahl der Christen ist wenig bekannt.

Der Islam wird je nach ethnischer Gruppe, nach Region und/oder nach Bildungsstand unterschiedlich verstanden und interpretiert. Eine wichtige Rolle spielen bis heute die vorislamischen Bräuche der Bevölkerung, wie zum Beispiel das altiranische Neujahr (Nowroz) nach dem iranischen Kalender oder der Glaube an segenbringenden Weihrauch (Espand), beides zoroastrische Bräuche.

Die Lage der christlichen Minderheit in Afghanistan hatte sich Anfang Juni 2010 zugespitzt, nachdem der private Fernsehsender „Noorin TV“ und andere Kanäle einen Film über die Taufe von Konvertiten ausgestrahlt und ihre Gesichter gezeigt hatten. Danach riefen afghanische Regierungsvertreter dazu auf, „Abtrünnige“ vom Islam mit dem Tode zu bestrafen. Staatspräsident Hamid Karzai wies Regierung und Staatsschutz an, dafür zu sorgen, dass es keine weiteren Übertritte gebe. Der stellvertretende Parlamentspräsident Abdul Satter Khowasi (Kabul) forderte die öffentliche Hinrichtung von Personen, die vom Islam zum Christentum übertreten. Ein Abgeordneter erklärte, die Ermordung von Christen, die zuvor Muslime waren, sei kein Verbrechen. Seither sind zahlreiche christliche Familien untergetaucht oder ins Ausland geflohen. Humanitäre Hilfswerke werden einer strengen staatlichen Kontrolle unterzogen. Zwei, die den Begriff „Kirche“ im Namen tragen, mussten ihre Aktivitäten einstellen – die Norwegische Kirchenhilfe und die US-amerikanische Organisation World Church Services (Kirchliche Weltdienste).[15]

Gesellschaft

Der Islam in Afghanistan ist über die Jahrhunderte von den Afghanen sehr konservativ ausgelegt worden, wobei das Stammesrecht der Paschtunen eine Rolle spielte. Vor allem in Städten und größeren Orten gehen Frauen meist nur mit Ganzschleier (Burka) aus dem Haus. Allerdings wurde sie nur in größeren Städten üblich. Auf dem Land war die Burka nicht üblich, da sie etwa bei der Feldarbeit hinderlich ist. Nur in der kurzen Phase der kommunistischen Regierung 1978 und während deren Unterstützung durch sowjetische Truppen seit 1979 erhielten Frauen teilweise formale Selbstständigkeit, Freiheit und Schulbildung.

Die Taliban verpflichteten Mitte der 1990er-Jahre alle Frauen zum Tragen einer Burka. Bei den Tadschiken und den anderen Volksgruppen war diese Tradition bis dahin nicht weit verbreitet. Die Burka-Pflicht wurde 2001 offiziell wieder aufgehoben, die Burka bleibt jedoch weiterhin die gewöhnliche Kleidung für die meisten Frauen.

Nur wenige Frauen wagen es, sich ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit zu bewegen. Übergriffe gegen Frauen sind in Kabul und anderen größeren Städten nicht selten – obwohl die Lage zumindest hier durch ausländische Truppenpräsenz einigermaßen stabil ist.

Unter den Taliban war Frauen die Berufstätigkeit verboten, auch den Mädchen war es untersagt eine Schule zu besuchen. Da es durch den Krieg allein in Kabul etwa 30.000 Witwen gab, waren diese völlig auf sich allein gestellt. Vielen blieb nichts anderes übrig, als zu betteln.

Bildung

Die Analphabetenrate ist mit zirka 70 % im internationalen Vergleich sehr hoch. Invasion, Bürgerkrieg und die Kulturfeindlichkeit der Taliban ließen große Teile der Bevölkerung ohne jeden Zugang zu Bildung aufwachsen. Besonders betroffen von diesem Ausschluss aus dem Bildungssystem waren Frauen, so dass noch heute zirka 90 % aller Afghaninnen Analphabetinnen sind. Der Analphabetismus ist eines der größten Hindernisse beim Wiederaufbau des Landes. Mit dem Ende des Taliban-Regimes entstanden mit ausländischer Hilfe zahlreiche Schulen mit zum Teil neu ausgebildetem Lehrpersonal, so dass inzwischen ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen, vor allem auch Mädchen, Zugang zu einer Schulbildung haben.[16][17]

In Afghanistan gibt es 13 Universitäten und acht Fachhochschulen[18] sowie 30 private Hochschulen und Fachhochschulen[19] Finanziell gefördert werden lediglich Universitäten und Hochschulen, deren Namen aus den „bisherigen nationalen (...) Fachausdrücken“ bestehen. Der afghanische Staat macht die staatliche Anerkennung und Förderung der Hochschulen und Universitäten des Landes in den nicht-paschtunischen Gebieten von der paschtunischen Benennung der Hochschule abhängig, was legitim ist, da Paschto eine der beiden Amts- und Landessprachen ist. In den paschtunischen Gebieten kann die persische Benennung der Hochschulen jedoch fehlen, ohne dort Sanktionen zu fürchten. Der letzte Absatz des Artikels 16 der Verfassung („die bisherigen nationalen ... und administrativen Fachausdrücke werden beibehalten“ - in Anspielung auf den Status der paschtunischen Sprache als Nationalsprache in der Zeit von Mohammad Zahir Khan, 1933-1973) hebt die vorangegangenen, eigentlich demokratischen Absätze über Sprachenfreiheit wieder auf.[20]

Flüchtlinge

Seit 1980 sind mehr als sechs Millionen Afghanen in die benachbarten islamischen Republiken Pakistan und Iran geflohen. Viele kamen zwar zurück, doch durch die Kämpfe im Jahr 2001 entstand eine neue Flüchtlingswelle; Hunderttausende wurden innerhalb des Landes vertrieben.

Mit 3,2 Millionen Rückkehrern aus Pakistan und 860.000 aus dem Iran hat das UNHCR seit 2002 rund vier Millionen Afghanen bei ihrer Rückkehr ins Heimatland unterstützt. Etwa drei Millionen registrierte Afghanen befinden sich Ende 2007 noch im Exil, davon zirka zwei Millionen in Pakistan, insbesondere in Peschawar, und 910.000 im Iran. Die Aufnahme des Programms der freiwilligen Rückkehr aus Pakistan wird seit März 2008 fortgesetzt.[21]

Geschichte

Hauptartikel: Geschichte Afghanistans

Von der Antike bis zur Neuzeit

In der Antike gehörte das Gebiet des heutigen Afghanistan, das dem Osten des antiken „Aryānām Xšaθra“ entspricht, zum Perserreich. Später entstand in Baktrien ein Griechisch-Baktrisches Königreich, das von den Nachkommen der Truppen Alexanders des Großen regiert wurde, bevor das Gebiet von den Parthern und anschließend vom persischen Sassanidenreich kontrolliert wurde. Nach dem Fall der Sassaniden, im Zuge der Invasion der muslimischen Araber, und dem langsamen Zerfall des Kalifats der Abbasiden, dominierten bis zum Mittelalter persische Lokaldynastien, die dem Kalifat jedoch nominell unterstanden. Der Islam setzte sich dennoch in dieser Region verhältnismäßig langsam durch. Erst gegen Ende des 10. Jahrhundert, mit der Eroberung der Region durch türkische Nomaden und Militärsklaven (unter anderem die Ghaznawiden und Seldschuken), sollen nach einer islamischen Chronik die meisten Einwohner im Raum Ghor (zwischen Herat und Kabul) Muslime gewesen sein. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert stand die Region im Mittelpunkt der Konflikte zwischen den persischen Safawiden im Westen, dem indischen Mogulreich im Südosten und den usbekischen Scheibaniden im Norden.

Aufstieg der Paschtunen

Die Geschichte des modernen Afghanistan ist unzertrennlich mit der nationalen Geschichte der Paschtunen verbunden. Unzählige paschtunische Aufstände gegen die jeweiligen Herrscher (persische Safawiden und indische Mogulen) führten schließlich mit dem Aufstand des Stammes Ghilzai (1719) zum Sturz der Safawiden in Persien (1722). Dieser Sieg der Paschtunen hielt aber nicht lange an. Nur sieben Jahre später wurden sie von Nadir Schah besiegt und zurück nach Kandahar verdrängt. Durch die folgenden Eroberungen Nadir Schahs (1736-1747) erlangte das persische Reich vorübergehend wieder die Gewalt über die Region, die heute Afghanistan heißt. Nach dessen Ermordung übernahm der Stamm der Durranis, die mit Nadir Schah gegen die Ghilzai verbündet waren und unter seinem Befehl kämpften, selbständig die Macht.

Staatsgründung und Namensgebung

Der Paschtune Ahmad Schah Durrani begründete im Jahr 1747 nach dem Tod Nadir Schah Afschars, im Osten seines Reiches, ein selbstständiges, paschtunisches Königreich, das als Vorgänger des modernen Staates Afghanistan betrachtet werden kann. Damit gilt er allgemein als der Begründer Afghanistans. Das von Ahmed Schah Durrani gegründete Reich zerbrach später an inneren Streitigkeiten und Einmischungen von außen. Wenig später geriet Afghanistan in den Einflussbereich der expandierenden Briten. Der Name „Afghanistan“ wurde erst im 19. Jahrhundert eingeführt und erst 1919 als Staatsname etabliert.

Einflussbereich britischer und russischer Interessen

In Afghanistan kollidierten russische und britische Kolonialinteressen (The Great Game). Seit der Aufstellung der Kaiserlich Russischen Marine durch Zar Peter den Großen war es Ziel russischer Expansionspolitik, zum Indischen Ozean vorzustoßen und dort einen eisfreien Hafen zu bauen. Um Russland zuvorzukommen, sollte Afghanistan erobert und als Teil des Britischen Weltreichs an das spätere Britisch-Indien angegliedert werden. Dazu kämpfte 1839–1842 eine große anglo-indische Armee im ersten anglo-afghanischen Krieg gegen einen relativ schlecht ausgerüsteten afghanischen Widerstand. Die Briten konnten zwar das Land besetzen, jedoch nicht ihre Ziele durchsetzen. 1842 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, bei dem die Briten sich bereit erklärten, ihre Truppen zurückzuziehen. Diese wurden jedoch kurz darauf am Khyber-Pass angegriffen und alle Soldaten, darunter 690 britische und 2.840 indische, aber auch 12.000 Zivilisten getötet. Als Reaktion auf diese Niederlage wurde eine Strafexpedition unter Generalmajor George Pollock entsandt, die am 15. September 1842 Kabul einnahm. Schon am 11. Oktober 1842 zogen sich die britischen Truppen aus Kabul und in der Folge aus Afghanistan vollständig zurück. Dieser Krieg hatte zur Folge, dass die britische Kolonialverwaltung lange Zeit keine direkten weiteren Aktionen in Afghanistan unternahm und erschwerte ihre politisch-wirtschaftlichen Bestrebungen wie die Kontrolle der Handelswege in Zentralasien und den von dort versuchten Angriff auf die chinesische Qing-Dynastie. Die Katastrophe in Afghanistan erregte auch viele Inder, da die britisch-indische Armee zu einem großen Teil aus Belutschen bestand.

Angetrieben durch die vorangegangene Demütigung erklärte 1878 die britische Regierung erneut den Krieg gegen Afghanistan. Trotz kleiner militärischer Erfolge der Afghanen im Zweiten Anglo-Afghanischer Krieg, wie bei der Schlacht von Maiwand 1880, wurde der Widerstand von den Briten niedergeschlagen, die Hauptstadt Kabul aus Rache niedergebrannt und eine Marionette als König installiert. Gleichzeitig übernahmen die Briten für die folgenden 40 Jahre die afghanische Außenpolitik. Aufgrund vieler Aufstände in Afghanistan wurde 1893 das Land durch die Durand-Linie von den Briten geteilt und das süd-östliche Gebiet (die heutigen pakistanischen Provinzen NWFP, FATA und ein kleiner Teil Belutschistans) der indischen Kronkolonie einverleibt. Um diese Linie kontrollieren zu können, wurde das aus Afridis einem Paschtunenstamm bestehende Regiment Khyber Rifles im 1880 aufgestellt, da sich nur Einheimische in diesem Gebiet ungehindert bewegen können. Das Regiment besteht auch heute noch als Bestandteil der Pakistanischen Armee.

Gurkhas an der Nordwestfront des 3. Afghanischen Krieges (1923)

Der dritte Anglo-Afghanische-Krieg im Mai 1919 – ein letzter Versuch Afghanistans, sich von den britischen Kolonialbestrebungen zu befreien – führte schließlich durch geschicktes Verhandeln der afghanischen Diplomaten unter Amanullah Khan[22] (die Afghanen drohten den Engländern, sich Russland weiter anzunähern) zum Vertrag von Rawalpindi und am 8. August 1919 zur Anerkennung Afghanistans als souveränen und unabhängigen Staat durch Großbritannien. Somit hatte Afghanistan nach mehr als 60 Jahren britischer Vorherrschaft seine volle Unabhängigkeit erlangt, während ein großer Teil der Gebiete wie Teile der pakistanischen Nordwestprovinz als frontier area auch als tribal area (Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bezeichnet, an die Briten verlorengingen und später dem Staat Pakistan zugesprochen wurde. Das unabhängige Afghanistan bildete einen Puffer zwischen russischen und britischen Interessen. Dies schlug sich auch in der Grenzziehung nieder und ist noch heute am Wakhan-Korridor ersichtlich.

Afghanistan nach der Unabhängigkeit

Seit 1933 bestand mit Mohammed Sahir Schah (Mohammedzai) an der Spitze ein konstitutionelles Königreich. Seit 1946 ist Afghanistan Mitglied der Vereinten Nationen. 1973 stürzte Mohammed Daoud Khan das Königshaus und rief die Republik aus. 1978 übernahmen die von Nur Muhammad Taraki geführte, kommunistisch geprägte Demokratische Volkspartei Afghanistans die Macht in Kabul, rief die Demokratische Volksrepublik Afghanistan aus und versuchte mit sowjetischer Unterstützung eine gesellschaftliche Umgestaltung, z. B. eine Alphabetisierung der Landbevölkerung. Diese stieß in einigen Regionen auf militärischen Widerstand. Mit Einmarsch von Sowjettruppen im Dezember 1979 entwickelte sich der Bürgerkrieg zu einem zehnjährigen Stellvertreterkrieg (siehe Sowjetisch-afghanischer Krieg) zwischen sowjetischer Besatzungsmacht und den von den USA, Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten islamischen Guerillas (Mudschaheddin). Dieser endete schließlich mit dem Abzug der sowjetischen Truppen 1989. Die sowjetisch gestützte Regierung unter Präsident Mohammed Nadschibullah konnte sich noch bis zur Einnahme Kabuls 1992 durch die Mudschahedin halten.[23]

Im April 1992 wurde der Islamische Staat Afghanistan durch die Peshawar Accords gegründet. Gulbuddin Hekmatyar begann mit der Unterstützung Pakistans einen jahrelangen Krieg in Kabul gegen den Islamischen Staat, der weite Teile Kabuls zerstörte.

„Pakistan hatte es auf einen Durchbruch in Zentralasien abgesehen. ... Islamabad wusste, dass die neu ernannten islamischen Regierungsmitglieder [in Afghanistan] ... nicht ihre eigenen nationalen Interessen denen Pakistans unterordnen würden, damit Pakistan seine regionalen Ambitionen erfüllen konnte. ... Ohne die logistische Unterstützung und die Lieferung einer großen Menge an Raketen durch die ISI [pakistanischer Geheimdienst], hätten Hekmatyars Truppen nicht halb Kabul in Beschuss nehmen und zerstören können.[24]

Amin Saikal: Modern Afghanistan: A History of Struggle and Survival (2006)

Zusätzlich kam es zum grausamen Krieg zwischen weiteren befeindeten Milizen. Der Süden Afghanistans war weder unter der Kontrolle der Zentralregierung noch unter der Kontrolle von außen kontrollierter Milizen wie der Hekmatyars. Lokale Milizen- oder Stammesführer beherrschten den Süden. 1994 traten die Taliban in der südlichen Stadt Kandahar erstmals in Erscheinung. Die Taliban-Bewegung stammte ursprünglich aus religiösen Schulen für afghanische Flüchtlinge in Pakistan, die meist von der politischen pakistanischen Partei Jamiat Ulema-e Islam geführt wurden.[25] Im Laufe des Jahres 1994 übernahmen die Taliban die Macht in verschiedenen südlichen und westlichen Provinzen Afghanistans.

Ende 1994 gelang es dem afghanischen Verteidigungsminister Ahmad Shah Massoud Hekmatyar und die verschiedenen Milizen militärisch in Kabul zu besiegen. Die Bombardierung der Hauptstadt wurde gestoppt.[26][27] Massoud initiierte einen landesweiten politischen Prozess mit dem Ziel nationaler Konsolidierung und demokratischen Wahlen. Es fanden drei Konferenzen mit Vertretern aus vielen Teilen Afghanistans statt. Massoud lud die Taliban ein, sich diesem Prozess anzuschließen und sich an der Schaffung von Stabilität zu beteiligen.[28] Die Taliban lehnten ab.[28] Statt einer Demokratie wollten sie ein diktatorisches Emirat errichten.

Anfang 1995 starteten die Taliban großangelegte Bombenkampagnen gegen Kabul.[29] Amnesty International schrieb:

„Dies ist das erste Mal nach einigen Monaten, dass die Zivilisten Kabuls das Ziel von Bombenangriffen wurden, die sich gegen Wohnbezirke in der Stadt richteten.[26]

Amnesty International (1995)

Die Taliban erlitten eine vernichtende Niederlage gegen die Truppen Massouds.[26]

Im September 1996 schließlich hatten sich die Taliban mit militärischer Unterstützung Pakistans und finanziellen Hilfen aus Saudi-Arabien neu formiert. Sie planten eine erneute Großoffensive gegen Kabul. Am 26. September 1996 befahl Massoud einen strategischen Rückzug seiner Truppen in den Norden Afghanistans.[30] Am 27. September 1996 marschierten die Taliban in Kabul ein und errichteten das Islamische Emirat Afghanistan, das lediglich von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt wurde. Die Regierung des Islamischen Staates Afghanistans, zu der der Verteidigungsminister Massoud gehörte, blieb die international anerkannte Regierung Afghanistans (mit Sitz bei den Vereinten Nationen).

Territoriale Kontrolle Afghanistans im Winter 1996: Massoud (blau), Taliban (grün), Dostum (rosa), Hezb-i Wahdat (gelb)
Der Frontverlauf im Jahr 2000: Massoud (blau), Taliban (grün)

Ahmad Shah Massoud und Abdul Rashid Dostum, frühere Gegner, gründeten die Vereinte Front ursprünglich als Reaktion auf massive Talibanoffensiven gegen die Gebiete unter der Kontrolle Massouds auf der einen Seite und die Gebiete unter der Kontrolle Dostums auf der anderen Seite. (siehe Video) Schon bald entwickelte sich aus der Vereinten Front jedoch eine nationale politische Widerstandsbewegung gegen die Taliban.[28] Ahmad Shah Massoud verfolgte das Ziel mit Hilfe der Vereinten Front eine demokratische Staatsform in Afghanistan zu errichten, welche die Vielfältigkeit Afghanistans repräsentieren würde.[28] Der Vereinten Front traten die von den Taliban durch ethnische Säuberungen verfolgte Volksgruppe der Hazara bei, ebenso wie paschtunische anti-Taliban Führer wie der spätere Präsident Hamid Karzai, der aus dem Süden Afghanistans stammt, oder Abdul Qadir. Qadir entsprang einer einflussreichen Familie, die großen Einfluss im paschtunischen Osten Afghanistans um Dschalalabad genoss.

Ahmad Shah Massoud blieb der einzige Kommandeur, der seine Gebiete ab 1998 erfolgreich gegen die Taliban verteidigen konnte. Pakistan intervenierte militärisch auf Seiten der Taliban, konnte jedoch keine Niederlage Massouds herbeiführen. Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf - damals u. a. als Stabschef des Militärs - entsandte zehntausende Pakistaner um an der Seite der Taliban und Al Qaeda gegen die Truppen Massouds zu kämpfen.[28][31][32][33] Insgesamt gehen Schätzungen von 28.000 pakistanischen Staatsbürgern, die innerhalb Afghanistans kämpften, aus.[28] Weitere 3.000 Soldaten auf Seiten der Taliban waren Milizionäre aus arabischen Ländern oder Zentralasien.[34] Von geschätzten 45.000 Soldaten, die gegen die Vereinte Front innerhalb Afghanistans kämpften, waren nur etwa 14.000 Afghanen.[28][34]

Die Taliban verhängten über die Gebiete unter ihrer Kontrolle ihre politische und juristische Interpretation des Islam. Die Hälfte der Bevölkerung, die Frauen, lebten quasi unter Hausarrest.[35] Nach einem Bericht der Vereinten Nationen begingen die Taliban systematische Massaker gegen die Zivilbevölkerung während sie versuchten ihre Kontrolle im Westen und Norden Afghanistans zu konsolidieren.[36][37] Die Vereinten Nationen benannten 15 Massaker in den Jahren 1996 bis 2001.[36][37] Diese seien „höchst systematisch gewesen und alle auf das Verteidigungsministerium [der Taliban] oder Mullah Omar persönlich zurückzuführen.“[36][37] Die sogenannte 055 Brigade Al Qaidas war ebenfalls an Greueltaten gegen die afghanische Zivilbevölkerung beteiligt.[34] Der Bericht der Vereinten Nationen zitiert Zeugenaussagen, die beschreiben, dass arabische Milizionäre lange Messer mit sich trugen, mit denen sie Kehlen aufschnitten und Menschen häuteten.[36][37]

Anfang 2001 wandte die Vereinte Front eine neue Strategie von lokalem militärischem Druck und einer globalen politischen Agenda an.[38] Ressentiments und Widerstand gegen die Taliban, ausgehend von den Wurzeln der afghanischen Gesellschaft, wurden immer stärker. Dies betraf auch die paschtunischen Gebiete.[38] Insgesamt flohen schätzungsweise eine Million Menschen vor den Taliban.[39] Hunderttausende Zivilisten flohen in die Gebiete von Ahmad Shah Massoud.[32][40] Der National Geographic kam in seiner Dokumentation Inside the Taliban zu dem Schluss:

„Das einzige, was zukünftigen Massakern der Taliban im Wege steht, ist Ahmad Shah Massoud.[32]

National Geographic: Inside the Taliban

Im Frühling 2001 sprach Ahmad Shah Massoud vor dem Europäischen Parlament in Brüssel und bat die internationale Gemeinschaft um humanitäre Hilfe für die Menschen Afghanistans.[39] Er erklärte, dass die Taliban und Al Qaeda eine „sehr falsche Interpretation des Islam“ eingeführt hätten und dass die Taliban, wenn sie nicht die Unterstützung Pakistans hätten, ihre militärischen Kampagnen in dem Zeitraum eines Jahres nicht mehr aufrechterhalten könnten.[39] Auf seinem Besuch nach Europa, bei dem ihn die europäische Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine den „Pol der Freiheit in Afghanistan“ nannte, warnte Massoud davor, dass sein Geheimdienst Informationen habe, denen zufolge ein großangelegter Anschlag auf amerikanischem Boden unmittelbar bevorstehe.[41]

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001

Führungsnationen der ISAF-Schutztruppe
Der ehemalige Geheimdienstchef Afghanistans, Amrullah Saleh, prangert Pakistans Rolle bei der Neuformierung und Unterstützung der Taliban an.
Hamid Karzai in traditioneller Kleidung (2010).

Zwei Tage nach der Ermordung Massouds wurden terroristische Anschläge in den USA verübt, die zum Tod von mindestens 2993 Menschen führten und als terroristischer Massenmord angesehen werden.[42][43] Die USA identifizierten Mitglieder der Al-Qaida des aus Saudi-Arabien stammenden Osama bin Laden, die ihre Basis in dem Emirat der Taliban hatte und mit den Taliban verbündet war, als Täter der Terroranschlägen des 11. Septembers 2001.

Daraufhin begannen die USA im Oktober 2001 eine Invasion Afghanistans mit Hilfe eines Militärbündnisses unter ihrer Führung. Die US-Regierung nutzte zur Legitimierung dieser Invasion einen Entschluss des UN-Sicherheitsrats, der ihnen das Recht auf Selbstverteidigung zusprach. Infolge dieser Invasion gelang es, die in den meisten Regionen Afghanistans herrschenden Taliban zu stürzen, wobei die Vereinte Front den Großteil der Bodentruppen stellte.

Im Dezember 2001 trafen sich Führer der Vereinten Front sowie afghanischer Exilgruppen auf der Petersberger Konferenz in Bonn, wo sie sich auf das sogenannte „Petersberger Abkommen“ einigten, das einen Stufenplan zur Demokratisierung des Landes sowie die Bildung einer provisorischen Regierung mit dem Durrani-paschtunischen Stammesführer Hamid Karsai als Vorsitzenden vorsah. Mitglieder der siegreichen Vereinten Front übernahmen Schlüsselpositionen in der neuen Regierung. Außerdem wurde um die Stationierung einer einem Mandat der Vereinten Nationen unterstellten internationalen Truppe ersucht, um die Sicherheit der provisorischen Regierung zu gewährleisten. Diese Aufgabe übernahm die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF.

Die provisorische Regierung wurde im Juni 2002 abgelöst durch eine von einer landesweiten außerordentlichen Loya Dschirga bestimmten Übergangsregierung, wiederum mit Karzai als Übergangspräsidenten an der Spitze. Ende 2003 wurde eine verfassungsgebende Loya Dschirga einberufen, welche die neue afghanische Verfassung im Januar 2004 ratifizierte. Die am 9. Oktober 2004 stattgefundenen Präsidentschaftswahlen bestätigten Karsai als nunmehr demokratisch legitimierten Präsidenten. Den Abschluss des im Petersberger Abkommen vorgesehenen Demokratisierungsprozesses markierten die Parlamentswahlen im September 2005, aus denen sich das erste frei gewählte afghanische Parlament seit 1973 konstituierte. Diese Wahlen sollten ursprünglich im Juni 2004 stattfinden, mussten aber aufgrund von Verzögerungen bei der Wahlregistrierung mehrmals verschoben werden.

Viele Taliban flohen über die Durand Line nach Pakistan. In Pakistan formierten sich die Taliban neu. 2003 traten sie erstmals wieder in Erscheinung. Seit Anfang 2006 verüben sie zusammen mit dem Haqqani network und der Hezb-i Islami Gulbuddin Hekmatyars verstärkt Anschläge gegen afghanische Zivilisten und Soldaten der ISAF. Bombenanschläge und Selbstmordattentate, die vorher in Afghanistan völlig unbekannt waren, auf nichtmilitärische Ziele nahmen stark zu.

Babak Khalatbari beschrieb in einem Artikel für die Bundeszentrale für politische Bildung die Motive des "Terrors der Taliban" wie folgt: "Die terroristische Taktik hinter der massiven Einschüchterung zielt darauf ab, dass kaum noch jemand wagt, sich den Auffassungen der theologisch meist nicht sonderlich ausgebildeten Masterminds der Taliban zu widersetzen."[44] Die Zahl der versuchten und ausgeführten Selbstmordanschläge nahmen von drei im Jahr 2003 auf 106 im Jahr 2006 stark zu, zu denen sich meist die Taliban insbesondere das Haqqani network bekannten.[45] Im Süden und Osten von Afghanistan existieren Gebiete, die von ausländischen Hilfsorganisationen und auch ISAF-Truppen gemieden werden.

Pakistan spielt eine zentrale Rolle in Afghanistan. Ein Bericht der London School of Economics aus dem Jahr 2010 sagt aus, dass der pakistanische Geheimdienst, ISI, eine "offizielle Politik" der Unterstützung der Taliban betreibt. Die ISI finanziert und bildet die Taliban aus.[46] Dies passiert, obwohl Pakistan sich offiziell als Verbündeten der NATO ausgibt. Der Bericht der London School of Economics kommt zu dem Schluss:

„Pakistan scheint ein Doppel-Spiel erstaunlichen Ausmaßes zu spielen.[47]

Bericht der London School of Economics (2010)

Amrullah Saleh, der ehemalige Geheimdienstchef Afghanistans, kritisierte:

„Wir reden über all diese Proxies [Taliban, Haqqani, Hekmatyar] aber nicht den Meister der Proxies, die pakistanische Armee. Die Frage ist, was will Pakistans Armee erreichen ...? Sie wollen an Einfluss in der Region gewinnen.[48]

Amrullah Saleh (2010): Jamestown Foundation Terrorism Conference

Die Taliban und Gulbuddin Hekmatyars Truppen richten sich in Anschlägen gezielt gegen die afghanische Zivilbevölkerung. Im Jahr 2009 waren sie laut Angaben der Vereinten Nationen für über 76 % der Opfer unter afghanischen Zivilisten verantwortlich.[49] Auch im Jahr 2010 waren die Taliban für über 3/4 der zivilen Todesopfer in Afghanistan verantwortlich.[50] Zivilisten sind mehr als doppelt so häufig das Ziel tödlicher Anschläge der Taliban als afghanische Regierungstruppen oder Truppen der ISAF.[50] Die Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIGRC) nannte die gezielten Anschläge der Taliban gegen die Zivilbevölkerung ein "Kriegsverbrechen".[51] Religiöse Führer verurteilten die Anschläge der Taliban als Verstoß gegen die islamische Ethik.[51] Menschenrechtsgruppen haben den Internationalen Gerichtshof in Den Haag dazu veranlasst, eine vorläufige Untersuchung gegen die Taliban auf Grund von Kriegsverbrechen vorzunehmen.[50]

Abdullah Abdullah (2002) ist der demokratische Oppositionsführer.

In jüngster Vergangenheit kam es zu Spannungen zwischen Elementen der ehemaligen Vereinten Front und Hamid Karzai, nachdem dieser die Taliban als "Brüder" bezeichnet hatte. Elemente um den ehemaligen Geheimdienstchef Amrullah Saleh und andere befürchten, dass Karzai ein Abkommen mit den Taliban und Gulbuddin Hekmatyar schließen könnte, das eine Rückkehr der Taliban abseits des demokratischen Prozesses ermöglicht. Eine Abspaltung von Gulbuddin Hekmatyars Partei Hizb-i Islāmi gibt seit Herbst 2009 vor mit Karzai verbündet zu sein und stellt seit 2010 den Wirtschaftsminister. Diese angeblichen Verbündeten Karzais lassen jedoch in öffentlichen Stellungnahmen keinen Zweifel an ihrer Loyalität gegenüber Hekmatyar.[52][53]

Der große Einfluss der Vereinten Front auf die Regierung wurde mit den Jahren reduziert. Bei der afghanischen Präsidentschaftswahl im August 2009 trat Abdullah Abdullah, ehemaliger Außenminister bis 2006 und einer der engsten Vertrauten Ahmad Shah Massouds, gegen Hamid Karzai an und galt als Mitfavorit. Bei der Stimmauszählung mehrten sich allerdings die Vorwürfe der internationalen Beobachter, dass massiver Wahlbetrug betrieben worden sei. Eine Beschwerdekommission ermittelte mehrere Wochen, ehe diese Mitte Oktober bekannt gab, dass hunderttausende Stimmen ungültig seien. Damit verlor Amtsinhaber Karzai die absolute Mehrheit und es wurde eine Stichwahl zwischen diesem und Abdullah am 7. November 2009 vereinbart. Ende Oktober 2009, knapp eine Woche vor der Wahl, drohte Abdullah sich laut Medienberichten von der Stichwahl zurückzuziehen. Vorausgegangen waren gescheiterte Gespräche mit Karzai. Abdullah hatte unter anderem die Entlassung des Vorsitzenden der umstrittenen Wahlkommission (IEC) gefordert, um eine „freie und faire“ Stichwahl ermöglichen zu lassen.[54] Sechs Tage vor der geplanten Stichwahl erklärte er seinen Boykott der Abstimmung.[55] Als seiner Anhänger auf die Straßen ziehen wollten, hielt Abdullah Abdullah sie zurück, um die fragile Stabilität Afghanistans nicht zu gefährden.

Politik

Politisches System

Seit der Verabschiedung der heute gültigen Verfassung im Jahr 2004 ist Afghanistan eine Islamische Republik mit einem präsidialen Regierungssystem. Die Verfassung gilt als eine der demokratischsten der islamischen Welt und sieht die Gleichberechtigung der Angehörigen aller Religionen und ethnischen Gruppen sowie der Geschlechter vor.[56]

Der Präsident wird direkt vom Volk für eine Dauer von fünf Jahren gewählt. Nach zwei Amtszeiten ist es dem Präsidenten verwehrt, wieder zu kandidieren. Ein Präsidentschaftskandidat muss mindestens 40 Jahre alt, Moslem und afghanischer Staatsbürger sein. Der Bewerber nominiert zwei Vizepräsidentschaftsbewerber. Der Präsident ist Staats- und Regierungsoberhaupt und Oberbefehlshaber der militärischen Streitkräfte. Zu seinen Befugnissen gehören außerdem die Bestimmung seines Kabinetts, sowie die Besetzung von Positionen im Militär, der Polizei und Provinzregierungen mit der Zustimmung des Parlaments.

Delegierte der Loja Dschirga 2002

Die Nationalversammlung ist die Legislative von Afghanistan und besteht aus zwei Häusern: der Wolesi Dschirga (Haus des Volkes) und der Meshrano Dschirga (Haus der Älteren). Die Wolesi Dschirga besteht aus 249 Sitzen, wobei 68 für Frauen und zehn für die Nomaden-Minderheit der Kuchis vorbehalten sind. Die Abgeordneten werden durch direkte Wahl bestimmt, wobei die Anzahl der Sitze im Verhältnis zur Einwohnerzahl der jeweiligen Provinz stehen. Es müssen mindestens zwei Frauen pro Provinz gewählt werden. Eine Legislaturperiode dauert fünf Jahre. Zur Wahl sind keine Parteien zugelassen. Auf dem Stimmzettel erscheinen der Name, das Foto und das Symbol des Bewerbers, dem keine Verbindung zu bewaffneten Organisationen erlaubt sind. Die Mandatsträger erhalten keine Immunität vor dem Gesetz. Die Meschrano Dschirga besteht zu je einem Drittel aus Delegierten, die von den Provinz- beziehungsweise Bezirksräten für vier Jahre bestimmt werden sowie zu einem Drittel aus Abgeordneten, die vom Präsidenten bestimmt werden, wobei die Hälfte aus Frauen bestehen muss.

Die Judikative setzt sich aus dem Stera Mahkama (Oberster Gerichtshof), dem Berufungsgericht und niederen Gerichten für bestimmte Zuständigkeiten zusammen. Der Stera Mahkama besteht aus neun Richtern, die vom Präsidenten für eine Amtszeit von zehn Jahren nominiert und vom Parlament bestätigt werden. Richter müssen mindestens das Alter von 40 Jahren erreicht haben, dürfen keiner politischen Partei angehören und müssen einen Abschluss in Jura oder islamischer Rechtsprechung vorweisen. Die Stera Mahkama hat auch die Befugnisse eines Verfassungsgerichtshofs.

Wahlen

Parlamentswahl am 18. September 2005

Am 18. September 2005 fanden in Afghanistan die Wahlen für die Wolesi Dschirga, dem „Haus des Volkes“, und die 34 Provinzräte statt. Für die 249 Sitze des Parlaments (68 per Quote für Frauen) gab es 2.800 Kandidaten (330 Frauen), für die Provinzräte über 3.000. Trotz Anschlagsdrohungen ließen sich 12,7 der 28 Millionen Afghanen registrieren. Zur Wahl gingen schließlich 6,8 Millionen, was einer Wahlbeteiligung von etwa 54 % entspricht. Parteien sind laut Verfassung verboten. Die Wahl wurde international als Erfolg gewertet und bildete den Abschluss des so genannten „Petersberger Prozesses“.

Präsidenten- und Provinzratswahlen 2009

Am 20. August 2009 fanden in Afghanistan die Wahlen für das Präsidentschaftsamt statt, gleichzeitig auch die Provinzratswahlen. Der damalige Amtsinhaber Hamid Karzai wurde dabei am 19. November 2009 erneut als Präsident vereidigt, nachdem in den Wochen davor eine geplante Stichwahl wegen des Rückzugs seines Mitstreiters Abdullah Abdullah abgesagt worden war. Der erste Wahlgang, bei dem Karzai eine notwendige absolute Mehrheit verfehlt hatte, war von Wahlmanipulationen und mehreren Bombenanschlägen in den Tagen zuvor überschattet.

Parlamentswahl am 18. September 2010

Die Parlamentswahl in Afghanistan 2010 fand am 18. September 2010 statt. Es wurden 249 Abgeordnete aus rund 2500 Kandidaten gewählt. Durch die brisante Sicherheitslage gingen Schätzungen davon aus, dass bis zu 14% der Wahllokale nicht geöffnet werden können. Afghanistan scheint nach Ansicht von Dr. Babak Khalatbari, "vor der Alternative zu stehen, erkannte Fehler zu korrigieren oder sich mit dem ungenügenden Status Quo zu arrangieren. Die erste Option bedeutet einen zwar schmerzhaften, aber notwendigen Schritt in Richtung Transparenz, Verantwortung und gute Regierungsführung. Die zweite Option dagegen bedeutet Stagnation und beinhaltet das Risiko eines politischen Systemkollapses.[57] "Manipulationen sind inzwischen integraler Bestandteil des afghanischen Wahlprozesses“, stellten Dr. Citha Maaß und Thomas Ruttig für die Parlamentswahl 2010 fest und machen diese beiden Gründe dafür verantwortlich, weshalb das Vertrauen in das Post-2001-System immer stärker schwindet, und die Aufstandsbewegung immer mehr Zuläufer findet.[58] Zudem drohten die Taliban den Wählern mit dem Tode.[59]

Internationale Organisationen

Afghanistan ist seit 1946 Mitglied der Vereinten Nationen. Es hat Beobachterstatus in der WTO und ist Vertragsstaat des ICC.[60] Daneben ist es Mitglied der Organisation der Islamischen Konferenz sowie Mitglied der Bewegung der Blockfreien Staaten.

Seit 2007 ist Afghanistan zudem vollständiges Mitglied der SAARC (Südasiatische Vereinigung für regionale Kooperation).

Provinzen

Afghanistan gliedert sich in 34 Provinzen (velayat), die wiederum in 329 Bezirke (woluswali) unterteilt sind. Den Provinzen steht jeweils ein Gouverneur (waali) vor, der von der Regierung in Kabul ernannt oder bestätigt wird.

Sicherheit

Afghanische Sicherheitskräfte

Das neu aufgestellte 1. Bataillon der Afghanischen Nationalarmee im Juli 2002

Seit dem Sturz der Taliban haben die an der ISAF beteiligten Nationen großes Interesse daran, den Afghanen auch auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik wieder volle Souveränität garantieren zu können. Deshalb bauen sie unter Führung der USA Polizei, Militär und Geheimdienst auf.

Die afghanischen Streitkräfte mit dem Namen Afghan National Army kurz ANA verfügen zurzeit über ca. 150.000 Mann (Stand Januar 2011). Bis Oktober 2014 ist eine Truppenstärke von etwa 260.000 Mann angestrebt.[61] Da der Aufbau und Unterhalt einer einsatzfähigen Luftwaffe teuer ist, übernehmen die USA die Sicherung des afghanischen Luftraums. Die Notwendigkeit einer afghanischen Luftwaffe wird zurzeit debattiert, aufgrund der geographischen Gegebenheiten gilt diese aber als vorhanden. Die Kommandostruktur orientiert sich an der der USA. So soll Afghanistan unter militärisch sinnvollen Regionalkommandos aufgeteilt werden, vergleichbar den US-Streitkräften. Vorrangiges Ziel bleibt aber zunächst die Verbesserung von Ausbildung, Moral und Ausrüstung sowie die Bereinigung des Militärs von Spionen und Saboteuren. Die Streitkräfte unterstehen Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak.

In Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU bilden die USA zurzeit afghanische Polizisten aus, derer es ca. 80.000 geben soll (Stand März 2009).[62] Auch hier orientiert sich der Aufbau an den USA, zum Beispiel mit einer Art Highway Police. Derzeit ist die afghanische Polizei zentral organisiert, was aber angesichts des Verfassungsgebungsprozesses und der noch nicht abgeschlossenen Bewertung aller Faktoren ein Provisorium darstellt.

Der neu gegründete afghanische Geheimdienst NDS unterstützt die afghanische Regierung durch Informationsgewinnung und -auswertung.

Ausländische Truppenpräsenz

Emblem der Afghanischen Nationalarmee

Im Rahmen des ISAF-Mandates sind rund 132.203 Soldaten aus 48 Staaten in Afghanistan stationiert. Das größte Kontingent stellt die USA mit 90.000 Soldaten. Deutschland beteiligt sich mit 4.909 Soldaten, die im Norden des Landes stationiert sind. Die ISAF stellt 28 Provincial Reconstruction Teams (PRT) .[63][64][65] Weitere etwa 14.000 Truppen der USA der Operation Enduring Freedom sind nicht dem ISAF-Kommando unterstellt. Die größten alliierten Militärbasen sind die Bagram Air Base und Kandahar Airfield beim Flughafen Kandahar.

Landminen

Afghanistan ist stark mit Landminen belastet. Nach Angaben des UNMAP ist das Land auf 530 km² mit 10 Millionen Minen kontaminiert. Die Hauptstadt Kabul gilt als am stärksten von Landminen belastete Stadt der Welt. Ein Großteil der Minen stammt aus der Sowjetunion. Es wurden jedoch auch Minen aus Belgien, Italien. den USA und Großbritannien gefunden[66].

Die Minen stellen eine ständige Gefahr für die Einwohner dar. Alleine im Jahr 2002 zählte das Rote Kreuz 1286 Landminenopfer, wobei man von einer hohen Dunkelziffer ausgeht. Afghanisten ist im Jahr 2002 dem Vertrag von Ottawa zum Verbot von Landminen beigetreten. Es besteht jedoch der Verdacht, dass die Taliban zur Bekämpfung der ausländischen Militärpräsenz seitdem weiter Minen eingesetzt haben[67].

Wirtschaft

Nach zwei Jahrzehnten Krieg war die Wirtschaft des Landes im Jahr 2001 weitgehend zerstört, ebenso ein Großteil der Viehbestände.

Das Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2003 bei geschätzten 20 Milliarden US-Dollar. Damit zählte Afghanistan zu den ärmsten Staaten weltweit. Bei der Entstehung des BIP war der Landwirtschaftssektor mit geschätzten 60 % beteiligt, die Industrie mit geschätzten 15 % und Dienstleistungen mit geschätzten 25 %. Bis zum Jahr 2008 sank der Anteil des Landwirtschafssektors auf 31%, die Anteile der Industrie und des Dienstleistungssektors stiegen dagegen auf 26% und 43%.[2]

Im Wirtschaftsjahr 2008/2009 lag das Wirtschaftswachstum bei 3,6%. Der Grund für das niedrige Wachstum lag vor allem am fast vollständigen Ausfall der Getreideernte durch eine Dürre. 2009/2010 stieg das Wachstum auf 15% an. [68]

Trotz bestehender Probleme wie mangelhafte Infrastruktur, teils unsicherer Sicherheitslage und Korruption haben in den letzten Jahren große Investitionen in Afghanistan stattgefunden: verschiedene staatliche Unternehmen wurden privatisiert, durch den Krieg zerstörte Industrie wurde wieder aufgebaut. Die im Jahr 2003 gegründete Afghanistan Investment Support Agency (kurz: AISA) registriert neue Unternehmen und betreut Investoren bei Problemen nach der Unternehmensgründung.

Zu den wichtigsten Handelspartnern zählt neben Staaten der Region, vor allem Pakistan und Iran, auch die Europäische Union.

Landwirtschaft

Bauernhof am Kabul-Fluss
Kartoffelanbau in Afghanistan

Obwohl nur etwa 6 % der Staatsfläche landwirtschaftlich nutzbar sind und diese Nutzung meist von künstlicher Bewässerung abhängt, sind 67 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig (Stand 2001).

Weitreichende Waldrodungen, Überweidung der Böden und unkoordiniertes Abpumpen von Grundwasser während der Bürgerkriegsjahre bewirkten einen Rückgang der landwirtschaftlich nutzbaren Ressourcen des Landes. Dadurch ist die Versorgung des Landes empfindlicher gegenüber Dürren und anderen Naturkatastrophen geworden. So sind die Ernten regelmäßig durch Dürren bedroht, die in ihrer Häufigkeit und Intensität in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen haben. Dabei trockneten in manchen Fällen bestimmte Flüsse und Seen völlig aus.[69] Teile der Bevölkerung sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen.

Eine Reihe von Organisationen befassen sich daher mit der Erhebung, Überwachung und dem Entwickeln von Nutzungskonzepten der Wasserressourcen des Landes.[70]

Drogenproduktion

Afghanistan ist der größte Opiumproduzent der Welt. Im Juli 2000 wurde der Opiumanbau durch das Taliban-Regime verboten, worauf die Opiumproduktion völlig einbrach und im Jahre 2001 fast auf Null sank. Nach dem US-geführten Krieg stieg die Produktion wieder an und ist seit 2004 höher als in den Jahren zuvor.[71] 2006 betrug der Handel mit Opium 46 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Anbaufläche für Schlafmohn stieg seit der Beseitigung des Taliban-Regimes kontinuierlich, im Jahr 2006 erneut um 59 Prozent auf rund 193.000 Hektar. Nach Angaben des UNO-Büros für Drogen und Verbrechen (UNODC) wurden im Jahr 2006 über 6000 Tonnen Opium geerntet, das entspricht 92 Prozent der gesamten Weltproduktion. Der Exportwert dieses Opiums liegt nach Angaben des Außenministeriums der Vereinigten Staaten bei 3,1 Milliarden US-Dollar, dagegen liegt der Straßenpreis bei rund 38 Milliarden US-Dollar. Im Herbst 2007 wurden in Afghanistan rund 8.200 Tonnen Opium geerntet, davon mehr als die Hälfte in der afghanischen Provinz Helmand. Das übersteigt den weltweiten Verbrauch um 3.000 Tonnen. Der einzelne Opiumfarmer erzielt hierbei etwa 122 US$ pro Kilogramm Opium („farm gate price“). Somit ist für diesen der Schlafmohnanbau um etwa das Zehnfache lukrativer als der Weizenanbau.[71][72]

Afghanistan ist auch größter Ertragsproduzent von Haschisch wie 2010 von der UNODC festgestellt wurde. Nach Angaben der UNODC-Studie werden in Afghanistan pro Hektar 145 Kilogramm Cannabisharz gewonnen. In Marokko, dem größten Cannabisanbauland der Welt, sind es zum Vergleich pro Hektar nur 40 Kilogramm.[73]

Drogenbekämpfung

Zur Bekämpfung der Drogenkriminalität wird in Afghanistan seit dem Jahr 2002 die „Counter Narcotics Police of Afghanistan“ (CNPA) aufgebaut. Im Rahmen von Felderzerstörungen der afghanischen Drogenvernichtungseinheit (Afghan Eradiction Force) und der nationalen Polizei wird seit 2005 in zunehmendem Umfang der Opiumanbau bekämpft. Nachteil dieser von westlichen Geberländern geforderten Maßnahme ist, dass zahlreiche Bauern, deren Lebensgrundlage zerstört wurde, zu Anhängern lokaler Kriegsherren wurden, ein Grund für die Verschlechterung der Sicherheitslage seit dieser Zeit. Ein wirtschaftlich negativer Effekt ist, dass Marktverknappung der derzeitigen Überschussproduktion den Drogenhändlern in die Hände spielt, weil er die Preise steigen lässt. 2003 betrug bei einer Ernte von 4000 Tonnen das von den Bauern erzielbare Bruttoeinkommen noch das 27-fache des Weizenanbaus. Der erneute Anbau von Opium wird durch die Vernichtung von Feldern lukrativer, die politische Macht der Drogenbarone wird dagegen nicht angegriffen.[74]

Bergbau und Industrie

Die bedeutendsten Bodenschätze sind neben Eisen- und Kupfererzen, Erdgas, Kohle und Halbedelsteinen (hauptsächlich Lapislazuli) auch Erdöl, von dem im Jahr 2006 im Norden des Landes Lagerstätten entdeckt wurden, die das 18-fache der ursprünglich geschätzten Menge enthalten. Bereits im Jahr 1991 ergab eine US-Studie, dass durch den Abbau von Bodenschätzen genügend Profit erzielt werden könnte, um damit den Wiederaufbau des Landes zu finanzieren.[75]

Zahlreiche der früher ausschließlich als Staatseigentum angesehenen Minen und Lagerstätten wurden inzwischen privatisiert, was die Beteiligung ausländischer Investoren erst ermöglicht. Bei Erhebungen des möglichen Abbaus vorhandener nicht-fossiler Bodenschätze wurden 20 Lagerstätten identifiziert, die das Potenzial für einen wirtschaftlichen Abbau besitzen sollen. Voraussetzung für einen Produktionsbeginn ist jedoch eine ausreichende Sicherheitslage[76], die vielerorts noch nicht gegeben ist.

Die mit 5,5 bis 11,3 Millionen Tonnen bedeutenden Vorkommen von Kupfererzen bei Aynak, nur etwa 30 km südlich der Hauptstadt, werden künftig von einem chinesischen Unternehmen abgebaut. Ende 2007 wurde beschlossen dort innerhalb von 5 Jahren eine Mine zu errichten, die dem Land langfristig Einnahmen in der Höhe von 2,9 Milliarden US-Dollar bescheren soll.[Anm. 1][76]

2010 wurden von Geologen aus den Vereinigten Staaten[77] zudem große Vorkommen an Bodenschätzen in beträchtlicher Höhe entdeckt.[78] So soll Afghanistan z.B. über Vorkommen an Lithium verfügen wie bisher nur Bolivien. Weitere Funde betreffen erneut Eisen und Kupfer sowie Niob, Kobalt, Gold, Molybdän, seltene Erden und Asbest.[79] Der Wert der neuerlichen Funde wird auf über 1 Billion USD geschätzt.[80] Für den Abbau der Bodenschätze wären jedoch weitere Studien sowie größere Investitionen in Infrastruktur und Sicherheitslage notwendig.[81]

Tourismus

In Kabul sind einige Hotels und Gästehäuser für Ausländer geöffnet. Reisen außerhalb der Hauptstadt sind gefährlich. Viele Kulturschätze wie zum Beispiel die berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan wurden zerstört oder geplündert. Afghanistan veröffentlicht keine offiziellen Zahlen zum Tourismus. In den 1960er und 1970er Jahren führte der sogenannte Hippie trail von Europa nach Südasien durch Afghanistan.

Für Afghanistan existiert eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland (Stand: 17. Dezember 2005). Reisen gelten als gefährlich, und von ihnen wird dringend abgeraten, da eine Rettung (besonders aus den Provinzen) im Unglücksfall nur unter schwersten Bedingungen möglich ist und nicht garantiert werden kann.

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2007 Ausgaben von umgerechnet 3,3 Mrd. US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 1,1 Mrd US-Dollar gegenüber, zusätzlich erhielt Afghanistan internationale Finanzhilfen in Höhe von 2,7 Mrd. US-Dollar. Daraus ergibt sich ein Haushaltsüberschuss in Höhe von 4,8 % des BIP.[2]
Die Staatsverschuldung betrug 2009 2,104 Mrd. US-Dollar oder 15,8 % des BIP. 2010 wurden Afghanistan von den Staaten des Pariser Clubs 441 Mio. US-Dollar erlassen, ein Erlass von weiteren 585 Mio. US-Dollar wird angestrebt.[82] Bereits in den Jahren zuvor waren Afghanistan große Teile der Staatsschulden erlassen worden.[83]

2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:

Infrastruktur

Pipelines

Der 1953 erbaute Kajakai-Damm staut den Fluss Hilmand Rud, Aufnahme 2004

Afghanistan wird bereits seit Jahrzehnten als mögliches Transitland für fossile Brennstoffe in Betracht gezogen; dies aufgrund seiner Lage zwischen den turkmenischen Erdöl- und Erdgasfeldern des Kaspischen Meeres und dem Indischen Ozean. Der Baubeginn der seit längerem geplanten Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline (kurz: TAP), die Pakistan und gegebenenfalls Indien mit turkmenischem Erdgas beliefern würde, hätte 2006 stattfinden sollen. Das Projekt wurde aber aufgrund der unsicheren Sicherheitslage und unklarer Finanzierung auf unbestimmte Zeit verschoben und kommt möglicherweise nicht mehr zustande. Der Bau der Pipeline würde tausende Arbeitsplätze schaffen und dem Staat jährlich etwa 100 bis 300 Millionen US-Dollar an Transitgebühren einbringen.[85]

Energieversorgung

Nachdem die Taliban 2001 in Afghanistan von der Macht vertrieben wurden, war die elektrische Infrastruktur in weiten Teilen des Landes zerstört: 2003 hatten nur etwa 6–7 % der Bevölkerung Zugang zu elektrischem Strom, der jedoch nur etwa 4 Stunden am Tag zur Verfügung stand. 30% aller Stromanschlüsse des Landes befanden sich in Kabul, die damals vorhandenen 42 Kraftwerke leisteten nur mehr 240 MW anstatt den nominellen 454 MW.

Afghanistans Energienetz war in den folgenden Jahren in miteinander nicht verbundene Teilnetze getrennt. Im Norden gab es Teilnetze zwischen einzelnen Gebieten und den Nachbarländern: Bei Scheberghan (Erdgasförderung und Verstromung in einem 100 MW Kraftwerk), bei Mazār-i Scharif und bei Kunduz, im Osten gab es unverbundene Netze bei Kabul und Dschalalabad, im Westen bei Herat und im Süden ein Teilnetz zwischen Kandahar, Lashkar Gah, Musa Qala und der Kajakai-Talsperre.[86] Nachdem in den ersten Jahren hauptsächlich lokale Wasserkraftwerke Instand gesetzt wurden, wie etwa das Sarobi Wasserkraftwerk nahe Kabul, entstand der Plan für ein überregionales Energiesystem, das innerhalb weniger Jahre aufgebaut werden könnte. 2009[87] erreichten die ersten 90 Megawatt (später dann bis zu 150 Megawatt) Kabul über eine 442 Kilometer lange Stromtrasse aus Usbekistan, wobei mehrere Städte, die in der Nähe der Hochspannungsleitung liegen, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls angeschlossen wurden, z.B. Pol-e Chomri, oder die demnächst angeschlossen werden. Auch die schnell wachsende Stadt Mazār-i Scharif bekam über eine Abzweigung, zusätzlich zu einer schon bestehenden Verbindungen, aus Usbekistan Energie geliefert.

In Afghanistan wird insbesondere der Wasserkraft viel Potential eingeräumt: Es ist geplant, unter anderem die Kajakai-Talsperre mit einem zusätzlichen Wasserkraftwerk „Kajakai II“ auszubauen.[88] Auch die Windenergie hat Potential in Afghanistan, beispielsweise bei Herat, wo an 120 Tagen im Jahr starker Wind bläst.[89]

Verkehrsinfrastruktur

Hauptverkehrswege in Afghanistan

Das Straßennetz befindet sich im Wiederaufbau und wird zudem erweitert. Die sogenannte Ring Road, die Hauptverkehrsader des Landes, in deren Umgebung rund 60 Prozent der Bevölkerung leben, wurde wieder instandgesetzt. So wurden bis 2007 bereits 715 Kilometer von ihr erneuert.[90] Die Fertigstellung des letzten rund 400 km langen, neu trassierten Teilstücks, welches die letzte Lücke im Nordwesten des Landes schließen würde, verzögert sich jedoch wegen der lokal präkären Sicherheitslage.[91] Weiters wurden bis Mitte 2007 über 800 km an sekundären Straßen erneuert oder neu angelegt.[92]

Der Grenzfluss Amudarja beziehungsweise dessen Quellfluss Pjandsch stellt ein natürliches Hindernis für Überlandtransporte in die nördlich gelegenen Nachbarländer Usbekistan und Tadschikistan dar, da nur wenige Brücken über diese beiden Flüsse existieren. Weiters besteht teilweise eine hohe Minengefahr und viele Straßen sind je nach Jahreszeit oft stark unterspült. Es gilt die Straßenverkehrsordnung der DDR.[93]

In Afghanistan gibt es über sechzig Flugplätze und Flughäfen, überwiegend handelt es sich um einfache Schotterpisten. Nur in einigen Städten sind größere Flughäfen vorhanden, diese werden auch beziehungsweise überwiegend von der US Airforce militärisch genutzt.[94] Der größte Flughafen des Landes ist der Flughafen Kabul. Über ein Dutzend Fluggesellschaften fliegen Ziele in Afghanistan an.[95] Afghanische Fluggesellschaften sind Ariana Afghan Airlines, Kam Air und Pamir Airways.

Das afghanische Schienennetz beschränkt sich auf 24,6 Kilometer. Von Turkmenistan, Usbekistan und Pakistan führen kurze Stichstrecken auf afghanisches Gebiet, wobei die Chaiber-Pass-Bahnlinie zum pakistanisch-afghanischen Grenzort Landi Khana stillgelegt ist. Die Breitspurstrecke vom usbekischen Termiz überquert auf der Brücke der Freundschaft (kombinierte Eisenbahn–Straßenbrücke) den Amudarja und führt in das zwölf Kilometer entfernte Hayratan.[96] Über diese Brücke wird annähernd die Hälfte des afghanischen Imports abgewickelt. Ende Januar 2010 begann der Bau der Verlängerungsstrecke von Hayratan in das 75 Kilometer entfernte Masar-e Scharif. Dieser wird von der usbekischen Eisenbahngesellschaft vorangetrieben und soll im Juni 2011 beendet sein.[97] Aus dem turkmenischen Serhetabat führt eine Güterverkehrsstrecke zwei Kilometer auf afghanisches Gebiet, die 2007 erneuert wurde.[98][99] Diese beiden Strecken sind in der Zeit der sowjetischen Besatzung gebaut worden. Aufgrund des steigenden Außenhandels mit Iran gibt es Bestrebungen eine Bahnlinie zwischen Maschhad und Herat zu bauen.[100] Des Weiteren gibt es konkrete Bauabsichten für eine Strecke vom pakistanischen Grenzort Chaman nach Kandahar[101] und für eine Verbindung von Pakistan über Kabul nach Usbekistan. Durch diese Verbindung wird der Export von Kupfererz aus der Mine Aynak der China Metallurgical Group gefördert, welche die Strecke auch baut.[102]

Telekommunikation

Es existieren zwei Mobilfunknetze, die 70 % des Landes abdecken (Stand Sommer 2006). Anfang 2008 gab es in Afghanistan etwa 45.000 Festnetzanschlüsse und 4,5 Millionen Mobilfunknutzer. Das Telekommunkikationssnetz der Afghan Telecom versorgt alle 34 afghanischen Provinzhauptstädte sowie 254 Orte und Dörfer.

Gesundheitswesen

Auf 10.000 Einwohner kommen zwei Ärzte und 4,2 Krankenhausbetten. Die ländliche Bevölkerung hat nur zu etwa 66 Prozent Zugang zu medizinischer Versorgung. 80 Prozent der Ärzte arbeiten in Kabul. In der Hauptstadt sind auch 60 Prozent der Krankenhausbetten und 40 Prozent der Apotheken.

Afghanistan hat eine der höchsten Mutter-Kind-Sterblichkeitsraten der Welt. Nur bei 19 Prozent der Geburten steht medizinisches Fachpersonal zur Verfügung. Jährlich sterben etwa 24.000 Frauen vor, während oder direkt nach einer Entbindung. Fast ein Viertel der Kinder stirbt vor dem fünften Lebensjahr.[103]

Kultur

Die Region war etwa vom 2. bis etwa zum 10. Jahrhundert buddhistisch geprägt. Aus dieser Zeit sind zahlreiche Überreste buddhistischer Stätten erhalten. Der Islam, der das Gebiet im 7. Jahrhundert erreicht hatte, verbreitete sich zunächst eher langsam.

Eine der größten Sehenswürdigkeiten waren die Buddha-Statuen von Bamiyan. Im Jahre 2001 wurden diese in eine Felswand eingearbeiteten Kunstwerke durch die damals herrschenden Taliban zerstört. Die zahlreichen Überreste von Klöstern, ausgemalten Höhlen, Statuen und Festungsanlagen im Bamiyan-Tal stehen auf der Liste des UNESCO-Welterbes, wie auch das sich in der Provinz Ghor befindliche Minarett von Jam mit den dortigen archäologischen Überresten.[104]

Das Ali-Mausoleum in Masar-e Scharif ist die bedeutendste Wallfahrtsstätte Afghanistans.

Die Taliban zerstörten und plünderten viele Kunstwerke (unter anderem Gemälde und Figuren aus buddhistischer Zeit), vor allem die, die Menschen darstellten. Einigen Mitarbeitern des örtlichen Institutes für Kunst gelang es jedoch, einige Kunstwerke vor den Taliban zu retten. Das Reiterspiel Buzkashi gilt als afghanischer Nationalsport. Die afghanische Fußballnationalmannschaft wurde 1933 gegründet, bestritt aber zwischen 1984 und 2002 keine Spiele mehr; heute ist die Mannschaft wieder aktiv und absolviert wieder Pflichtspiele.

Zu den kulinarischen Spezialitäten der afghanischen Küche zählen zum Beispiel Khabilie Palau mit delikaten Gemüsesoßen, Borani-Badenjan und Aschak.

Medien

Nach der Machtübernahme der Taliban 1996 gab es fünf Jahre lang keine Fernsehsender, heute sind es bereits 16 Sender, die hauptsächlich Filme und Serien aus dem Ausland wie Indien, Pakistan und dem Iran im Unterhaltungsprogramm ausstrahlen. Freizügige Kleidung in der Werbung oder in indischen Serien wird durch Bildfilter unkenntlich gemacht oder verschwommen gezeigt. Informationssendungen und Talkshows werden auch von Frauen moderiert.

Kalender

Gesetzliche oder staatliche und landwirtschaftliche Feiertage und Feste wie Nauroz, Unabhängigkeitsfest sowie staatliche Gedenktage werden nach dem iranischen Sonnenkalender gefeiert. Religiöse Feste werden nach dem islamischen Mondkalender gefeiert.

Der Kalender nach dem Sonnenjahr ist Staatskalender, auch wenn er im Laufe der Geschichte auf dem Boden des heutigen Landes, aber auch seit der Namensgebung „Afghanistan“ im 19. Jahrhundert wiederholt außer Kraft gesetzt worden ist. Zuletzt wurde der Solarkalender im Jahre 1996 von den Taliban für ungültig erklärt. Der islamische Lunarkalender war der Kalender des „Islamischen Emirats Afghanistan“.

Seit der Loja Dschirga von 2004 ist der auf dem Sonnenjahr beruhende Kalender abermals in der Verfassung verankert. Demnach basiert der Kalenderanfang auf dem Zeitpunkt der Pilgerfahrt (Hidschra) des Propheten Mohammad. Die Arbeitsgrundlage des Staatswesens ist der auf jener Pilgerfahrt beruhende Sonnenkalender. 22 Sonnenjahre entsprechen 23 Mondjahren. Die zwölf Monatsnamen des Sonnenkalenders entsprechen in Afghanistan den Tierkreiszeichen. Afghanische Kalender mit deutschen Feiertagen (GPL-Lizenz) sowie weitere Informationen zum afghanischen Kalender sind unter Afghan Kalender Projekt verfügbar.

Siehe auch

Weblinks

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Wiktionary Wiktionary: Afghanistan – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Deutsch

Englisch

Literatur

Anmerkungen

  1. 5,5 bis 11,3 Millionen Tonnen sind etwa 1 bis 2 % der weltweiten Vorkommen, die wirtschaftlich gefördert werden können. (nach United States Geological Survey, World Mine Production, Reserves, and Reserve Base, 2008, abgerufen 26. Oktober 2009)

Nachweise

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  54. vgl. Abdullah droht mit Boykott bei sueddeutsche.de, 31. Oktober 2009
  55. vgl. Abdullah tritt nicht zur Stichwahl an (nicht mehr online verfügbar) bei tagesschau.de, 1. November 2009
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