Durchgangsarzt

Durchgangsarzt

Ein Durchgangsarzt – kurz: D-Arzt – ist ein Facharzt für Chirurgie mit Schwerpunkt Unfallchirurgie oder ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“, der von den Berufsgenossenschaften eine besondere Zulassung erhalten hat. Er ist für die Durchführung der Behandlung nach Arbeitsunfällen und Wegeunfällen zuständig.

Inhaltsverzeichnis

Das Durchgangsarztverfahren

Grundlegendes

Das Durchgangsarztverfahren (kurz D-Arzt-Verfahren) regelt die Behandlung und Abrechnung eines Arbeitsunfalls (hierzu zählen auch Unfälle auf dem Weg von oder zur Arbeit) in Deutschland. Es kommt also nur in den Fällen zur Anwendung, in denen eine gesetzliche Unfallversicherung (gewerbliche BG, landwirtschaftliche BG, gesetzliche Unfallkasse) die Kosten für die Behandlung übernimmt.

Ein Durchgangsarzt ist ein Arzt mit speziellen unfallmedizinischen Kenntnissen. Die Zulassung zum D-Arzt wird von den zuständigen Landesverbänden erteilt und mit ihr sind weitgehende Vollmachten, aber auch Verpflichtungen verbunden. Der D-Arzt soll als Quasi-Vertreter der Unfallversicherung das gesamte Heilverfahren steuern, er ist also von der Erstversorgung über die Rehabilitation bis hin zur Festlegung von Entschädigungsleistungen koordinierend tätig. Dabei hat er u. a. Kontakt zu dem behandelnden Arzt, der Unfallklinik, Rehabilitationseinrichtungen, hinzugezogenen Fachärzten, der zuständigen Unfallversicherung und dem Berufshelfer.

In Deutschland gibt es ca. 3500 zugelassene Durchgangsärzte, jährlich werden etwa drei Millionen Versicherte im Durchgangsarztverfahren behandelt.

Verfahren

Eine durch einen Arbeitsunfall verletzte Person muss im Normalfall einem Durchgangsarzt vorgestellt werden. Ausnahmen sind u. a.:

  • Bei kleinen Unfällen: Wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht über den Unfalltag hinaus besteht und die Behandlung nicht länger als eine Woche dauert, kann ein Allgemeinmediziner die Behandlung ohne Überweisung an einen D-Arzt durchführen.
  • Verletzte mit isolierten Augen- oder Hals-Nasen-Ohren-Verletzungen sollen sofort einem Augen- bzw. HNO-Arzt vorgestellt werden.
  • Bei sehr schweren Verletzungen (z. B. offener Schädel, Gelenkbruch) muss nicht erst ein D-Arzt aufgesucht werden, sondern soll der Verletzte direkt in eine Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik oder in ein entsprechendes Krankenhaus eingeliefert werden. Dort sind meist auch Durchgangsärzte tätig.
  • Bei Verdacht oder Vorliegen einer Berufskrankheit kann jeder Arzt aufgesucht werden.

Bei Wiedererkrankungen aufgrund eines Arbeitsunfalls muss generell der D-Arzt aufgesucht werden. Obwohl der Arbeitgeber die Angestellten darüber informieren soll, in welchen Fällen sie direkt einen D-Arzt aufsuchen müssen, wird dies wahrscheinlich allgemein wenig bekannt sein. Wenn ein Verletzter irrtümlich zuerst seinen Hausarzt aufsucht, muss dieser dann den Patienten an einen D-Arzt überweisen. Soweit es medizinisch nötig ist und besonders in Notfällen darf (und muss) natürlich jeder Arzt ungeachtet der formalen Regelungen die sofort erforderliche Behandlung durchführen.

Da bei einem Arbeitsunfall nicht die Krankenkasse, sondern die Unfallversicherung Kostenträger ist, ist für den Besuch beim D-Arzt kein Krankenschein bzw. keine Chipkarte erforderlich und natürlich muss auch keine Praxisgebühr gezahlt werden.

Bei einem Arbeitsunfall ist die freie Arztwahl eingeschränkt: Wenn eine Vorstellung beim D-Arzt vorgeschrieben ist (s. o.), kann der Patient nur noch zwischen verschiedenen D-Ärzten an seinem Ort wählen.

Aufgaben des D-Arztes

Der D-Arzt hat unter Anderem folgende Aufgaben:

  • Feststellung der medizinischen Diagnose und Ermittlung des Sachverhaltes (z. B., ob es sich überhaupt um einen Arbeitsunfall handelt)
  • fachärztliche Erstversorgung
  • Erstellung des Durchgangsarztberichtes für den Unfallversicherungsträger
  • falls nötig Hinzuziehen von anderen Fachärzten

Der D-Arzt legt weiterhin fest, welcher Arzt die weitere Behandlung durchführen soll. Er selbst soll nämlich nur in rund 20% der Fälle die Behandlung übernehmen. Die meisten Patienten verbleiben in der Behandlung eines Arztes für Allgemeinmedizin. Der D-Arzt hat allerdings die Möglichkeit, sogenannte Nachschauen durchzuführen. So muss der Patient u. a. zum Abschluss der Behandlung noch einmal zum Durchgangsarzt, da dieser ja das gesamte Heilverfahren steuert. Außerdem darf nur der Durchgangsarzt Heilmittel (z. B. Massagen) und Hilfsmittel (z. B. Prothesen) verordnen.

Anforderungen an D-Ärzte

Für die Zulassung zum Durchgangsarzt gelten strenge Anforderungen. Bis 31. Dezember 2010 mussten D-Ärzte ausnahmslos Fachärzte für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie sein. Aufgrund des neuen Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie wurden die Zulassungskriterien zum 1. Januar 2011 geändert. Voraussetzung ist der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und nach Facharztprüfung ein Jahr weitere Tätigkeit in einer unfalllchirurgischen Abteilung eines §6-Krankenhauses. Damit ist eine Niederlassung als Durchgangsarzt möglich, allerdings ohne Genehmigung für ambulantes Operieren. Letzteres setzt den Abschluss der Spezialisierung Spezielle Unfallchirurgie voraus. Die Praxis eines D-Arztes muss besonders ausgestattet sein, so müssen z. B. Räume für invasive Eingriffe und ein Röntgenraum vorhanden sein, und die Praxis muss für Liegendkranke zugänglich sein.

Besondere personelle Anforderungen werden auch gestellt, so müssen z. B. immer zwei medizinische Assistenzkräfte anwesend sein, und der D-Arzt muss eine durchgängige Bereitschaft in der Zeit von 8:00 bis 18:00 Uhr (montags bis freitags) gewährleisten.

Ein D-Arzt muss mindestens einmal im Jahr eine Fortbildung machen, und sich bzw. seine Praxis auch sonst technisch und medizinisch auf dem neuesten Stand halten. Weiterhin bestehen umfangreiche Dokumentations-, Berichterstattungs- und Begutachtungspflichten.

Sonderfall: H-Arzt

Der H-Arzt war gewissermaßen eine „abgespeckte Version“ des D-Arztes. „H“ steht für „an der besonderen Heilbehandlung beteiligt“. Durch die Neustrukturierung des Durchgangsarztverfahrens ist der H-Arzt seit 1. Januar 2011 entfallen. Für bisher tätige H-Ärzte besteht bis zum 31. Dezember 2015 unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit zum Wechsel auf das Durchgangsarztverfahren.[1]

Der H-Arzt durfte auch in den Fällen behandeln, in denen ein nicht zugelassener Arzt an den D-Arzt überweisen muss (Arbeitsunfähigkeit mehr als ein Tag, Behandlung länger als eine Woche). Allerdings war der H-Arzt nicht mit der Steuerung des Heilverfahrens beauftragt, sondern nahm nur passiv teil. Er durfte z. B. keine Nachschauen beantragen und er durfte nur diejenigen Fälle (zu Lasten der Unfallversicherung) behandeln, die von selbst in seine Praxis kommen. Ein anderer Arzt durfte also nicht an einen H-Arzt zum Zwecke der Behandlung im D-Arzt-Verfahren überweisen.

Die Zulassungsbedingungen zum H-Arzt waren weniger streng, so musste der H-Arzt nicht Chirurg sein, sondern lediglich „unfallmedizinische Kenntnisse“ vorweisen. Auch die personellen und sächlichen Anforderungen an die Praxis waren geringer. Die Zulassung zum H-Arzt war gedacht für Ärzte, die nicht die strengen Anforderungen des D-Arztes erfüllten (wollten), die aber dennoch von vielen Patienten mit Arbeitsunfällen aufgesucht wurden, und nicht immer alle zum D-Arzt überweisen wollten (z. B. wegen weiter Entfernung zum nächsten D-Arzt).

Siehe auch

Quellen

  1. http://www.dguv.de/landesverbaende/de/med_reha/h_arzt/index.jsp

Weblinks


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