Déry

Déry

Tibor Déry (* 18. Oktober 1894 in Budapest; † 18. August 1977 in Budapest) war ein ungarischer Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Déry entstammte einer jüdischen bürgerlichen Familie. Da seine Mutter Österreicherin war, wurde in seiner Familie deutsch gesprochen. Ansonsten wuchs er aber in einem ganz und gar ungarischsprachigen Umfeld auf und schrieb daher von Anfang an auf Ungarisch. Déry absolvierte zunächst eine kaufmännische Ausbildung, ehe er von 1911–12 in der Schweiz lebte. Von 1913 bis 1918 arbeitete er bei einem Onkel in einem Sägewerk. Als Kommunist nahm er 1919 an der Revolution teil und unterstützte die ungarische Räterepublik. Nach deren Zusammenbruch lebte Déry im Exil, zunächst in Österreich, wo er in Wien an den Zeitschriften Bécsi Magyar Ujság (Wiener Ungarische Zeitung) und Ma (Heute) mitarbeitete. Dann ging er von 1924–26 nach Frankreich, und lebte zwischen 1929 und 1935 in verschiedenen europäischen Ländern, darunter in Deutschland. 1933 lebte er kurz in Dubrovnik und kam in der Weihnachtszeit nach Wien, wo er sich im Schutzbund und bei der Roten Hilfe engagierte. Im Februar 1934 nahm er am Bürgerkrieg auf Seiten des Schutzbundes teil und musste nach der Niederlage der Sozialdemokraten nach Mallorca flüchten. In dieser Zeit veröffentlichte er in der Zeitschrift Dokumentum. In Berlin hatte er Kontakte zu Herwarth Walden und seiner Zeitschrift Sturm. In den 30er Jahren entstanden Dérys erste große Erzählwerke in Ungarn, in das er 1935 wieder zurückgekehrt war. Bis dahin hatte er lediglich einige surrealistische Gedichte und Novellen verfasst. Er gab die kommunistische Zeitschrift Gondolat (Gedanke) heraus, die damals legal erscheinen konnte. Während der Diktatur des Horthy-Regimes wurde er dennoch 1938 eingesperrt, weil er eine Reisebeschreibung von Andre Gide nach Russland übersetzt hatte. 1939 reiste er nach Rumänien und war 1940–41 illegal tätig.

Nach 1945 unterstützte Déry die kommunistische Machtergreifung, geriet aber bald mit dem Stalinismus in Konflikt. 1947 war Déry Herausgeber der Zeitschrift Csillag (Stern). 1948 erhielt er den heute bedeutendsten staatlichen Kunstpreis Ungarns, den damals neu gegründeten Kossuth-Preis. Als einer der bedeutendsten Schriftsteller der illegalen kommunistischen Bewegung genoss er großes Ansehen. 1952 geriet er jedoch in das Kreuzfeuer von Kulturminister József Révai, damals der Alleinherrscher über das ungarische Kulturleben, der den zweiten Band von Dérys Roman Felelet (Antwort) heftig kritisierte und dem Schriftsteller „Abweichlertum“ vorwarf.

Zusammen mit einigen anderen linken Intellektuellen wie Georg Lukács gilt Déry als einer der geistigen Wegbereiter des Aufstandes 1956. Er unterstützte das Regime von Imre Nagy und nahm aktiv an der Revolution teil. Die Schriftsteller Gyula Illyés und István Örkény waren damals seine Gesinnungsgenossen. Nach dem Scheitern der Revolution wurde er 1957 zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt, die er aber nur bis 1960 verbüßen musste. Bis 1962 waren seine Werke verboten: In dieser Zeit hat er aber Übersetzungen aus dem Deutschen verfasst, die auch veröffentlicht wurden (Kästners Emil und die Detektive, 1957; Feuchtwangers Füchse im Weinberg, 1963). Nach einer selbstkritischen Schrift, die er verfassen musste, war Déry in Ungarn durchaus angesehen und geachtet, seine Werke konnten wieder gedruckt werden.

Seit 1984 wird der nach dem Schriftsteller benannte Tibor-Déry-Preis verliehen.

Werke

Originalausgaben

  • Lia. 1917.
  • Az óriáscsecsemő. 1926.
  • A befejezetlen mondat. Roman, entstanden 1934-1938, erschienen 1947 (dt. Der unvollendete Satz, Berlin (Ost) 1954); Verfilmung: Ungarn 1974 (Regie: Z. Fábri)
  • Felelet. Roman 1950 (dt. Die Antwort, Berlin (Ost) 1952)
  • Niki. Egy kutya története. Roman 1956 (dt. Niki oder Die Geschichte eines Hundes, Frankfurt am Main 1958)
  • Szerelem. Erzählungen 1963 (dt. Liebe)
  • G. A. úr X.-ben. Roman 1964 (dt. Herr G. A. in X., Frankfurt am Main 1966)
  • A kiközösító. Roman 1966 (dt. Ambrosius, Frankfurt am Main 1968)
  • Kedves bópeer! Roman 1973 (dt. Lieber Schwiegervater, Frankfurt am Main 1976)
  • Itélek nincs, Erinnerungen 1969 (dt. Kein Urteil, Frankfurt am Main 1972)
  • Képzelt riport egy amerikai popfesztiválról Novelle 1971 (dt. Imaginäre Reportage von einem amerikanischen Popfestival)

Weitere Ausgaben in deutschsprachigen Übersetzungen

  • Der unvollendete Satz. Frankfurt am Main 1957
  • Der Riese. Erzählung. Wiesbaden 1958
  • Die portugiesische Königstochter. Erzählungen. Frankfurt am Main 1959
  • Anna Petri. Roman. Berlin (Ost) 1959
  • Ein fröhliches Begräbnis und andere Erzählungen. Frankfurt am Main 1963
  • Rechenschaft und andere Erzählungen. Frankfurt am Main 1964
  • Spiele der Unterwelt. Leipzig 1968
  • Erdachter Report über ein amerikanisches Pop-Festival. Roman. Berlin (Ost) 1974
  • Der Amokläufer. Ein illustriertes Gedicht. Budapest 1985
  • Ein feiner alter Herr. Erzählungen. Berlin (Ost) 1988
  • Liebe = Love. Budapest 1992
  • Gefängnisbriefe. Der Briefwechsel Tibor Dérys mit seiner Mutter und seiner Ehefrau 1957-60. Budapest 1999

Literatur

  • Leopold Hoffmann: Die Revolte der Schriftsteller gegen die Annullierung des Menschen. Tibor Déry und Marek Hlaska. Luxemburg 1961
  • Mario Szenessy: Tibor Déry. Stuttgart: Kohlhammer, 1970
  • Ferenc Botka: Begegnungen, Interferenzen. Gyula Illyes, Tibor Déry. Gedenkausstellung im Literaturmuseum Petöfi, Budapest, 24. Oktober 1985 bis April 1986. Katalog. Budapest 1985

Weblinks


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