ERA-TV

ERA-TV

Mit dem Tarifvertrag über das Entgelt-Rahmenabkommen ERA-TV im Jahr 2003 wurde ein neues System in der Metall- und Elektroindustrie geschaffen, um das Entgelt von Beschäftigten zu ermitteln.

Wesentliches Ziel des ERA ist es, die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten zu beseitigen, deren Entgelt zu vereinheitlichen und damit eine größere Entgeltgerechtigkeit auch zwischen den Gruppen zu erreichen. Konsequenterweise werden tradierte Vokabeln aufgegeben und durch andere ersetzt. So werden die Begriffe Arbeiter und Angestellter durch den Begriff Beschäftigte ersetzt. Statt Lohn und Gehalt wird der Oberbegriff Entgelt (von „entgelten“) benutzt. Der ERA-TV wird in jedem Tarifgebiet (insgesamt 11 verschiedene ERA-Tarifgebiete in Deutschland) spezifisch ausgestaltet.

Inhaltsverzeichnis

Umfang

Das neue Entgelt-Rahmenabkommen betrifft direkt circa 1,8 Millionen Arbeitnehmer der Elektro- und Metallindustrie in 4.000 tarifgebundenen Unternehmen. Das Gesamtvolumen der Löhne und Gehälter beträgt etwa 144 Milliarden Euro über die Umstellungsphase. Dabei sind die Unternehmen nicht berücksichtigt, welche den Tarif anwenden, ohne tarifgebunden zu sein. Angesichts dieser Zahlen hat das ERA richtungsweisenden Charakter. Parallel hat sich auch der Gesetzgeber unter anderem von den Begriffen Arbeiter und Angestellter getrennt sowie die bisher eigenständigen Rentenversicherungen für Angestellte und Arbeiter in der Bundesrentenversicherung zusammengeführt.

Die Ziele des ERA-TV im Einzelnen

Bei der Umsetzung von ERA-TV streben die Tarifparteien zum Teil unterschiedliche Ziele an. Als Vorteile für Arbeitnehmer werden genannt:

  • Ein einheitliches, zeitgemäßes Entgeltsystem für Arbeiter und Angestellte: Ziel ist eine einheitliche, vergleichbare, moderne Arbeitsaufgaben umfassende Arbeitsbewertung und eine Bewertung von Belastungen über alle Beschäftigtengruppen hinweg.
  • Ein höheres Maß an Entgeltgerechtigkeit: Gewachsene Entgelt-Ungerechtigkeiten sollen in einem Übergangsprozess – bei erheblichen unterschiedlichen Situationen zwischen den Betrieben – überwunden werden.
  • Bewahrung des individuellen Besitzstandes bei gleichzeitiger Wahrung der betrieblichen Kostenneutralität: In einem Übergangsprozess wird sowohl eine betriebliche Entgeltsumme wie der individuelle Besitzstand gesichert. Bei Beteiligung der Belegschaft kann deren Akzeptanz für den ERA-Prozess sichergestellt werden.
  • Starke individuelle und gemeinsame Rechte: Durch institutionelle Absicherungen mit Hilfe transparenter und begründeter Arbeitsbewertungen sollen Beschäftigte, betriebliche Interessenvertretungen und IG Metall über die Arbeitsbewertung mit entscheiden.
  • Arbeitspolitik für gute Arbeit: Für Qualifizierungs- und Arbeitspolitik kann ein Ausgangspunkt gefunden werden.
  • Verankerung der Leistungsentgelt-Bestandteile: Eine leistungsgerechte Vergütung ist möglich.

Auf der Unternehmerseite sind folgende Ziele zu beobachten:

  • „Überhöhte Eingruppierungen auf ein angemessenes Niveau absenken (ERA als Chance)“[1]
  • „Neueinsteiger mit niedrigerem Einkommen einstellen“[1]: Im ersten Schritt kann eine ERA-Umstellung zwar die Lohnkosten nicht senken, jedoch können die Lohnkosten bei Neueinstellungen deutlich gesenkt werden.
  • „Dienstleistungstarife für Verwaltungs- und Dienstleistungsbereiche auch innerhalb der industriellen Unternehmensstrukturen“[1]: Speziell Teamassistenten und Teamassistentinnen werden kräftig herabgestuft. Dafür wird deren Vorgesetzten die Erstellung von Job-Beschreibungen aus der Hand genommen, damit die Personalabteilung Jobs so beschreiben kann, dass deutliche Herabstufungen möglich sind.
  • Einsparungen bei Beförderungen: In einigen Unternehmen wurden Beförderungen vor ERA gesperrt und später erst mit ERA als Hochgruppierung umgesetzt. Die Unternehmen können dadurch Lohnkosten sparen, weil das höhere Einkommen der Hochgruppierten erst allmählich erreicht werden muss und nicht sofort, wie bei einer regulären Hochgruppierung.
  • Zuordnung von Aufgaben in die oberste ERA-Einkommensgruppe, die eher im außertariflichen Bereich anzusiedeln sind.

Entgeltstruktur des ERA-TV

Der ERA-TV bietet einen einheitlichen Entgeltaufbau für Arbeiter und Angestellte. Die Elemente des Entgeltaufbaus im Entgeltrahmenabkommen sind:

  • Grundentgelt, das sich aus den Anforderungen für die Ausführung der Arbeitsaufgabe ergibt,
  • Belastungsentgelt oder -zulage (nur in einigen Tarifgebieten), die sich aus der Belastungssituation ergibt, sowie das
  • Leistungsentgelt, das die persönliche Leistung im Rahmen der Arbeitsaufgabe widerspiegelt.

Diese Entgeltbestandteile sind vom ERA-TV direkt beeinflusst. Sie ergeben das persönliche Bruttoentgelt zusammen mit den nicht vom ERA-TV beeinflussten Entgeltbestandteilen, etwa Zuschläge für Nacht- und Feiertagsarbeit, ein vom Betriebsergebnis abhängiges Entgelt oder sonstige außertarifliche Zulagen.

Der ERA-TV-Prozess

Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Abschluss des Tarifvertrags zunächst einen betrieblichen Übergangsprozess angestoßen. Hierbei soll die Neubewertung der Arbeitsaufgaben und Belastungen erfolgen. Danach gilt ERA-TV für den Bewertungsprozess in Folge sich ändernder Arbeitsaufgaben und Situationen.

In diesem Prozess ergeben sich unterschiedliche operative Aufgaben:

  • Planung des Übergangsprozesses
  • Bewertung der Arbeitsaufgaben durch den Arbeitgeber
    • Überprüfung der Bewertung durch den Betriebsrat
    • Klärung von Konflikten zunächst in einer paritätischen Kommission und danach eventuell vor einer Schiedsstelle.
  • Bewertung der Belastungen und
  • eventuell Gestaltung von Leistungsentgeltsystemen.

In Betrieben, in denen bei der Umsetzung von ERA eine Neubewertung der Aufgabenbeschreibungen durchgeführt wird, bestimmen neben eindeutig sachlichen Entscheidungskriterien die Kräfteverhältnisse zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, wie ERA umgesetzt wird. Das gilt naturgemäß immer dort, wo Interpretationsspielraum besteht und infolgedessen Deutungsmacht bestimmt, welche Interpretationen durchgesetzt werden können. Entsprechend werden sich die Umsetzungen von ERA in Betrieben mit einem hohen Organisationsgrad der Arbeitnehmer unterscheiden von Betrieben, in denen Arbeitnehmer weniger bereit sind, sich gegen zu niedrige Eingruppierungen zur Wehr zu setzten. Ein Resultat des ERA-Prozesses ist, dass herabgestufte Mitarbeiter sich durch „Dienst nach Vorschrift“ gegen Herabstufungen wehren, insbesondere im Bereich der Teamassistenz.

Das Tarifvertragswerk des ERA-TV

Das Tarifvertragswerk besteht je nach Tarifgebiet aus unterschiedlichen Dokumenten, meist sind das mindestens:

  • Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA-TV)
  • Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen
  • Einführungstarifvertrag zum ERA-TV (ETV ERA)
  • Tarifvertrag ERA-TV-Anpassungsfonds
  • Tarifvertrag zur Fortführung von Bestimmungen des LRTV II in Nordwürttemberg/Nordbaden.

ERA-Tarife der IG-Metall bei 35h-Woche im Bundesvergleich (Stand 31. Mai 2007)

Tarifgebiet Gruppen Eckentgelt von (% vom Eckentgelt) bis (% vom Eckentgelt) Leistungszulagen vom Grundentgelt (Betriebsdurchschnitt) Belastungszulagen vom Grundentgelt Bemerkungen
Baden-Württemberg
(ERA-Tarifverträge)
17 2.295 € 1.768 € (74,0%) 4.289 € (186,5%) 0% bis 30% (15%) 0% bis 12,5% der Eckentgeltgruppe
Bayern 12 2.167 € 1.698 € (78,4%) 4.120 € (190,1%) 0% bis 28 % (14%) „Jahresstufen“ existieren in Gruppe 2 – 12
Berlin-Brandenburg 13 2.176 € 1.697 € (78,0%) 4.265 € (196,0%) 10% Keine tarifliche Zulage für Belastung „Jahresstufen“ existieren in Gruppe 3 – 13
Hamburg Unterweser 11 2.158 € 1.803 € (83,5%) 4.548 € (210,8%) (6%)
Hessen 11 2.155 € (100%) 1.810 € (84,0%) 3.987 € (185,0%) 0% bis ??% (mind. 10%) Stand ab 01.10.2008
Niedersachsen 13 2.212 € 1.727 € (78,1%) 4.265 € (192,8%) (10%) „Jahresstufen“ existieren in Gruppe 2 – 13
Nordrhein-Westfalen 14 2.207,50 € 1.728 € (78,3%) 4.448 € (201,5%) 0% bis 20% (10%) „Jahresstufen“ existieren in Gruppe 12 – 14
Osnabrück-Emsland 12 2.112 € 1.727 € (78,1%) 4.152 € (187,7%) „Jahresstufen“ existieren in Gruppe 2 – 12
Pfalz 11 2.036 € 1.710 € (84,0%) 3.767 € (185,0%)
Rheinland-Rheinhessen 11 2.036 € 1.710 € (84,0%) 3.767 € (185,0%) 0% bis 20% (10%) Durch Betriebsvereinbarung zu regeln
Saarland 11 2.036 € 1.710 € (84,0%) 3.767 € (185,0%)
Sachsen 12 2.036 € 1.710 € (84,0%) 3.970 € (195,0%)
Sachsen-Anhalt 11 2.096 € 1.727 € (82,4%) 4.229 € (201,8%)
SH, MVP, Nordwest. Niedersachsen 11 2.158 € 1.803 € (83,5%) 4.378 € (202,9%) (6%)
Thüringen 12 2.036 € 1.710 € (84,0%) 3.970 € (195,0%)

Stand Januar 2007 bei 35h/Woche

Geschichte

  • 1988: Zwischenschritt bei den Tarifverhandlungen in Baden-Württemberg mit der Verpflichtung, in die Verhandlung über einen ERA-TV einzutreten.
  • 1989: Aufnahme der Gespräche über einen ERA-TV.
  • 1996: Abbruch der Verhandlungen durch die Arbeitgeber wegen Streitigkeiten über die Schutzfunktion des Tarifvertrags. Nach einigen Monaten erneute Verhandlungsaufnahme.
  • 2003: Am 23. Juni 2003 wird in Baden-Württemberg nach neun Jahren eine erste Einigung über den Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA-TV) zwischen der IG Metall Baden-Württemberg und dem Arbeitgeberverband Südwestmetall erzielt.
  • 2006: In den ersten Betrieben wird ERA eingeführt.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Goinger Kreis (Eine Lobby-Organisation von „Personalern“ unter der Anschrift der Infineon AG): Thesen und Forderungen

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