Edmond Jabès

Edmond Jabès

Edmond Jabès (* 16. April 1912 in Kairo; † 2. Januar 1991 in Paris) war ein französischer Schriftsteller und Dichter.

Edmond Jabès

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jabès wurde 1912 in ein wohlhabendes, frankophones Elternhaus in Kairo geboren. In den dreißiger Jahren studierte er in Paris, kehrte aber danach wieder in seine Heimat zurück. Obwohl weder er noch seine Eltern praktizierende Juden waren, musste Jabès 1956, als während der Sueskrise die Lebensbedingungen für Juden in Ägypten immer schlechter wurden, nach Frankreich auswandern. 1967 nahm er die französische Staatsbürgerschaft an.

Jabès begann sein literarisches Wirken in den vierziger und fünfziger Jahren mit der Veröffentlichung mehrerer Gedichtbände. Sein Stil war in dieser Zeit sehr beeinflusst von seinem Freund und Vorbild Max Jacob, mit dem er zwischen 1935 und 1940 einen regen Briefwechsel führte. Noch in Ägypten verfasste er auch einige Theaterstücke. Ein größerer Erfolg blieb jedoch aus, in Frankreich wurde er so gut wie gar nicht wahrgenommen.

Der Verlust der Heimat bedeutete für seine Arbeit einen tiefgreifenden Einschnitt. Er begann, sich und seine Situation in den alten jüdischen Schriften zu suchen und wiederzufinden. So begann er, den Talmud, die Kabbala und Torakommentare zu studieren.

Jabès blieb zunächst in der Pariser Literaturszene unbekannt, obwohl seine schon zuvor veröffentlichten Gedichtbände gesammelt unter dem Titel „Je bâtis ma demeure“ (Paris 1959) herausgegeben wurden. Erst sein Buch „Le livre des questions“ (1963), das er zum Großteil in der Métro auf dem Weg von und zur Arbeit schrieb und das die Frucht seiner Beschäftigung mit den religiösen Schriften darstellt, machte ihn bekannt.

Das „Buch der Fragen“, das zu einer Heptalogie anwuchs, stellte eine Neuheit in der Art zu schreiben dar. Es handelt sich nicht um einen zusammenhängenden Text, es gibt keinen Handlungsstrang und keine Zeit der Handlung. Jabès selbst nannte diese Form der Literatur „récit eclaté“, eine aus Bruchstücken bestehende Erzählung.

Das Grundgerüst bildet die Geschichte eines jüdischen Liebespaares, Yukel und Sarah, die während des Holocaust deportiert werden. Der Inhalt wird jedoch nicht in Form einer Erzählung, sondern in Form von Bruchstücken aus Yukels und Sarahs Tagebüchern, Diskussionen zwischen Rabbis, toten wie lebenden, gedichtartigen Passagen usw. transportiert, sodass sich mit der Zeit eine immer komplexer werdende Kollage aus Fragmenten bildet. Jabès fügt dieser Komplexität noch eine Dimension hinzu, indem er in seinem Buch wiederum Bücher entstehen lässt.

Jabès stand zwar während seiner Pariser Zeit Mitgliedern der Surrealisten nahe (die seinen ehemaligen Freund Jacob aufgrund der Bedeutung, die er der Religion beimaß, verschmähten), doch weigerte er sich, dieser oder irgendeiner anderen Gruppierung beizutreten. Nach seiner Auffassung sollten die Gefahren, die ein Schriftsteller auf sich nimmt, von ihm allein getragen werden, da sonst ein wichtiger Aspekt des Schreibens – das Risiko – verloren gehe.

Der italienische Komponist Luigi Nono widmete 1987 Jabès die Komposition „Découvrir la subversion“. „Nono hat das Werk nicht in schriftlicher Form fixiert, so dass keine weiteren Aufführungen möglich sind“ (Jürg Stenzl). Das Verhältnis zwischen Nono, Jabès und dem Philosophen Massimo Cacciari dokumentiert die Publikation „Migranten“[1]

Schriften

  • „Das Buch der Fragen“, Frankfurt, Suhrkamp 1989 (Erstausgabe frz. 1963)
  • „Das Gedächtnis und die Hand“, Kleinheinrich, Münster 1991
  • „Das kleine unverdächtige Buch der Subversion“, Hanser, München 1985
  • „Der vorbestimmte Weg“, Merve Verlag, Berlin 1993
  • „Die Schrift der Wüste“, Merve, Berlin 1989
  • „Ein Fremder mit einem kleinen Buch unter dem Arm“, Hanser, München 1993
  • „Es nimmt seinen Lauf“, Suhrkamp, Frankfurt 1981
  • „Verlangen nach einem Beginn, Entsetzen vor einem einzigen Ende“, Legueil, Stuttgart 1992
  • Vom Buch zum Buch. Ausgewählte Werke. Hanser, München 1989

Literatur

  • Und Jabès. Hommage. Legueil, Stuttgart 1994.
  • Nils Röller (Hrsg.): Migranten. Edmond Jabès, Luigi Nono, Massimo Cacciari. Merve, Berlin 1995.
  • Winfried Wehle: Im Zeichen des Schweigens. Durch die Sprachwüste von Edmond Jabès, in: Klaus Ley Hg.: Text und Tradition. Gedenkschrift Eberhard Leube, Frankfurt, S. 435-457. PDF
  • Clara Lévy: Ecritures de l'identité. Écrivains juifs après la shoah. PUF, Paris 1998 ISBN 2130496865 (online lesbar; auch über Georges Perec, Albert Memmi, Romain Gary und Albert Cohen) S. 223 - 250. In Franz.
  • Felix Philipp Ingold: "Schreiben heisst geschrieben werden (Edmond Jabès), in: ders., Im Namen des Autors. Arbeiten für die Kunst und Literatur, Wilhelm Fink, München 2004, ISBN 3-7705-3984-2. S. 193-217
  • Dossier (Schwerpunkt-Heft): Jean Daive - Edmond Jabès. Zwischen den Zeilen. Eine Zeitschrift für Gedichte und ihre Poetik. Dezember 2006 (#26) Urs Engeler, Weil am Rhein ISBN 9783938767191 S. 63 - 128 (enth.: "In der doppelten Abhängigkeit vom Gesagten. Ausgewählte Texte 1943 - 1988." Übers. F. Ph. Ingold)

Weblinks

Notizen

  1. Übersetzer Nils Röller, Merve, Berlin 1995 ISBN 3883961264

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