Eduard von Steiger

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Eduard von Steiger

Eduard von Steiger (* 2. Juli 1881 in Langnau im Emmental; † 10. Februar 1962), von Bern (Burgergemeinde) und Langnau im Emmental (Ehrenbürger), war ein Schweizer Politiker der BGB.

Er wurde am 10. Dezember 1940 in den Bundesrat gewählt. Dabei hatte er sich innerparteilich gegen Markus Feldmann durchzusetzen. Dieser letztere war ein unabhängiger, liberaler Kopf, der sich deutlich von Hitler-Deutschland distanzierte. Von Steiger anderseits galt den Deutschen als genehm: Er wurde vom deutschen Gesandten in Bern, Köcher, regelrecht in die Kandidatur und letztlich auch ins Amt gepuscht, diverse BGB-Delegierte z. B. änderten nach dessen Intervention ihre Meinung zugunsten Steigers. Allerdings war dieser dann doch nicht vollständig gemäss deutschen Erwartungen linientreu, Köcher meldete später nach Berlin, wenn er gewusst hätte, wie er sich verhalte, "hätte ich ihm wohl nicht zur Bundesratswahl verholfen". [1] Steiger war Bundespräsident in den Jahren 1945 und 1951 und Vizepräsident im Jahre 1950. Am 31. Dezember 1951 übergab er sein Amt, nachdem er am 9. November seinen Rücktritt angekündigt hatte. Während seiner Amtszeit stand er dem Justiz- und Polizeidepartement vor. 'Das Departement (trug) nach Kriegsbeginn für den Vollzug der Flüchtlingspolitik die zentrale Verantwortung, weil es von 1938 bis 1942 zu einer Verlagerung der Kompetenzen von den Kantonen zu den Bundesbehörden kam. Es ist bekannt, dass im EJPD starke fremdenfeindliche und antisemitische Tendenzen herrschten und die Polizeiabteilung ihre Kräfte auf die Abwehr der Flüchtlinge konzentrierte.' [2]

Trotz bereits rigoroser Durchsetzung der Abwehrmassnahmen gelangten noch österreichische Juden in die Schweiz. Ab Frühjahr 1942 wurden Juden zu Tausenden nach Osten deportiert, ab Mai begann die Massenvernichtung in Auschwitz. Allein am 16. Juli wurden über 13'000 französische Juden in Paris verhaftet und deportiert. Ende Juli erstattete der Stellvertreter von Fremdenpolizeichef Heinrich Rothmund, Robert Jezler, dem Bundesrat Bericht:

«Die übereinstimmenden und zuverlässigen Berichte über die Art und Weise, wie die Deportationen durchgeführt werden, und über die Zustände in den Judenbezirken im Osten sind derart grässlich, dass man die verzweifelten Versuche der Flüchtlinge, solchem Schicksal zu entrinnen, verstehen muss und eine Rückweisung kaum mehr verantworten kann.» Dennoch betonte er, man dürfe in der heutigen Kriegszeit, in der auch die Schweiz in gewissem Sinn um ihre Existenz kämpfen müsse, «nicht zimperlich» sein, und empfahl, bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Zukunft «grosse Zurückhaltung» zu üben. [3]

Am 13. August 1942 erliess das Justiz- und Polizeidepartement eine totale Grenzsperre für jüdische Flüchtlinge. Sie wurde etwas später vom Gesamtbundesrat bestätigt. Am 30. August 1942 führte die reformierte Jugendorganisation Junge Kirche in Zürich-Oerlikon eine schweizerische Landsgemeinde durch. Nachdem am Vormittag der Basler Pfarrer Walter Lüthi gesprochen hatte, hielt Eduard von Steiger am Nachmittag vor den rund 8000 anwesenden Jugendlichen eine Rede, in der er die restriktive Politik der Schweiz gegenüber den jüdischen Flüchtlingen im Zweiten Weltkrieg mit dem berühmt gewordenen Bild des "kleinen Rettungsbootes" zu rechtfertigen suchte: Wer ein schon stark besetztes kleines Rettungsboot mit beschränktem Fassungsvermögen und ebenso beschränkten Vorräten zu kommandieren hat, indessen Tausende von Opfern einer Schiffskatastrophe nach Rettung schreien, muss hart scheinen, wenn er nicht alle aufnehmen kann. Und doch ist er noch menschlich, wenn er beizeiten vor falschen Hoffnungen warnt und wenigstens die schon Aufgenommenen zu retten sucht.

Die Zahl der abgewiesenen und damit grossteils in den Tod getriebenen Juden und Jüdinnen ist umstritten, es wird von bis zu 25'000 oder nur einigen tausend gesprochen; letztere Einschätzung stützt sich darauf ab, dass wohl viele Flüchtlinge mehrmals versuchten, die gesperrte Grenze zu überqueren und es damit zu Mehrfach-Zählungen kam[4].

Eduard von Steiger liegt begraben auf dem Berner Schosshaldenfriedhof.

Quellen

  1. Urs P. Engeler: Grosser Bruder Schweiz, 1990
  2. „Der Bundesrat und das EJPD“, UEK, Schlussbericht, S.133
  3. „Nationalsozialistische Vernichtungspolitik und Grenzschliessung im August 1942“, UEK, Schlussbericht, S.115
  4. Hinterfragung der Zahl

Siehe auch

Weblinks


Vorgänger Amt Nachfolger
Rudolf Minger Mitglied im Schweizer Bundesrat
19411951
Markus Feldmann

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