Egil A. Wyller

Egil A. Wyller
Egil A. Wyller 2009

Egil Anders Wyller (* 24. April 1925) ist emeritierter Professor für antike Geistesgeschichte an der Universität Oslo und Mitglied der Norwegischen Akademie der Wissenschaften. Er ist international bekannt als bedeutender Platonforscher und Befürworter eines platonisch inspirierten Einheitsdenkens (Henologie). Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurden ihm zahlreiche Ehrungen zuteil.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Familienleben

Egil A. Wyller stammt aus einem agnostisch orientierten Elternhaus. Er wuchs an der Westküste Norwegens in Stavanger auf, wo er auch das naturwissenschaftliche Gymnasium besuchte. Sein Vater Trygve Wyller, der dort als Rechtsanwalt und Publizist wirkte, hatte gegen die nationalsozialistische Besatzungsmacht mit Flugschriften Widerstand geleistet, weshalb er im Dezember 1941 verhaftet und später in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Natzweiler und Mauthausen interniert war. In der väterlichen Bibliothek entdeckte Wyller die Werke Platons, mit denen er sich bereits als Schüler intensiv auseinandersetzte. 1941 wurde das elterliche Haus in Stavanger vom deutschen Militär konfisziert. Die Familie musste deshalb in ein kleines, an einem Fjord gelegenes Landhaus in Skiftun, Gemeinde Hjelmeland, umziehen. 1945 wurde Trygve Wyller von den Amerikanern befreit und kehrte zu seiner Familie zurück. Bereits in der Schule hatte Egil seine spätere Frau Eva Middelthon kennengelernt, die er 1949 heiratete. Der Vater starb 1960. Von den drei Kindern Egil A. Wyllers verunglückte der jüngste Sohn 1980.

Wissenschaftlicher Weg

Egil A. Wyller studierte zunächst in Oslo Klassische Philologie, insbesondere Gräzistik, allgemeine Ideengeschichte und antike Geistesgeschichte. Er beendete sein Magisterstudium 1953. Seine weiteren Platonforschungen führten ihn an die Universität Tübingen zu Wolfgang Schadewaldt und an die Universität Freiburg zu Hermann Gundert. In Freiburg im Breisgau lernte er Martin Heidegger persönlich kennen.

Wyller habilitierte sich über die Henologie des Dialogs Parmenides. Die Osloer Habilitationsschrift Platons Parmenides wurde 1960 veröffentlicht. Darin interpretiert Wyller einleitend die Lehre vom Schönen im Symposion und die Lehre vom Guten in der Politeia. Der Schwerpunkt der Untersuchungen bezieht sich auf das Thema des Einen und Anderen im Parmenides. Forschungen über Nikolaus von Kues führten Wyller 1962 an die Universität Köln zu Josef Koch. Auf Einladung Wolfgang Schadewaldts, mit dem ihn dann auch eine Freundschaft verband, hielt er 1965 in Tübingen Vorlesungen, aus denen das Buch Der späte Platon hervorging. 1967 wurde er zum ordentlichen Professor an die Universität Oslo berufen.

In seinem Hauptwerk Einheit und Andersheit, das 1981 erstmals in Norwegen erschien, hat Wyller die Disziplin der Henologie sowohl historisch wie systematisch ausgearbeitet. In ihm wird die Henologie als eine dialektische Beziehung von Einheit und Andersheit vorgestellt. Neben Platons Dialog Parmenides untersucht er im geschichtlichen Teil des Werks unter anderem auch die Lehren von Cusanus, Kant und Fichte. In zwei systematischen Teilen wird dann zunächst eine eigenständige Prinzipienlehre unter Betonung der Dialektik von Einheit und Andersheit entwickelt („Universelle Systematik“) und schließlich in einer „Individuellen Systematik“ das Verhältnis von Gott, Welt und Mensch anhand der biblischen Offenbarung untersucht.

Danach widmete sich Wyller in zahlreichen Veröffentlichungen der Geschichte der Henologie und des Platonismus in der Antike und im Mittelalter. Literaturwissenschaftlich hat er sich außerdem intensiv mit Goethe und Ibsen beschäftigt, aber auch mit den norwegischen Lyrikern Henrik Wergeland und Olaf Bull. Wyller hat mehrere Dialoge Platons ins Norwegische übersetzt und in seiner Muttersprache zahlreiche philosophisch-theologische Essays verfasst sowie Werke editiert, die insgesamt eine zwanzigbändige henologische Schriftenreihe bilden. 1995 wurde er emeritiert.

Ehrungen und Mitgliedschaften

Veröffentlichungen

  • Platons Parmenides in seinem Zusammenhang mit Symposion und Politeia: Interpretationen zur Platonischen Henologie. Aschehoug, Oslo 1960; Neudruck Königshausen und Neumann, Würzburg 2006
  • Der späte Platon: Tübinger Vorlesungen 1965. Meiner, Hamburg 1970
  • Henologie, Artikel in: Joachim Ritter u.a. (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 3. Schwabe, Basel 1974, Sp. 1059 f.
  • Henologische Perspektiven I: Platon - Johannes - Cusanus. Rodopi, Amsterdam 1995
  • Platon und Platonismus, Artikel in: Theologische Realenzyklopädie. De Gruyter, Berlin 1996
  • Henologische Perspektiven II: Symposium zu Ehren Egil A. Wyllers. Hrsg. Tore Frost. Rodopi, Amsterdam 1997
  • Einheit und Andersheit: eine historische und systematische Studie zur Henologie. Königshausen und Neumann, Würzburg 2003
  • Gestern und morgen - heute: henologische Essays zur europäischen Geistesgeschichte. Königshausen und Neumann, Würzburg 2005

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Egil Anders Wyller — (* 24. April 1925) ist emeritierter Professor für antike Geistesgeschichte an der Universität Oslo und Mitglied der Norwegischen Akademie für Sprache und Literatur. Er ist international bekannt als bedeutender Platonforscher und als Befürworter… …   Deutsch Wikipedia

  • Wyller — Egil Anders Wyller (* 24. April 1925) ist emeritierter Professor für antike Geistesgeschichte an der Universität Oslo und Mitglied der Norwegischen Akademie für Sprache und Literatur. Er ist international bekannt als bedeutender Platonforscher… …   Deutsch Wikipedia

  • Egil (Vorname) — Egil ist ein besonders in Norwegen vorkommender skandinavischer männlicher Vorname[1], abgeleitet von dem altnordischen Namen Egill, einer Verkleinerungsform von Namen, die mit den Elementen egg (Schwertschneide) oder agi (Disziplin, Ehrfurcht)… …   Deutsch Wikipedia

  • Das Eine — Die Kreisform als Symbol des Absoluten (japanisch: Ensō) Das Eine (gr. τò ἕν:to hen) ist ein philosophischer Grundbegriff, der auf einen das Sein transzendierenden absoluten Urgrund verweist. Bei der Frage nach dem Wesen des Einen geht es um die… …   Deutsch Wikipedia

  • Idee des Guten — Übersicht zur Ideenlehre Die Ideenlehre ist ein Kernstück der Philosophie des antiken griechischen Philosophen Platon. Demnach sind bestimmte nur durch die Vernunft zugängliche Entitäten dem Sein und der Erkenntnis nach gegenüber konkreten,… …   Deutsch Wikipedia

  • Platons Ideenlehre — Übersicht zur Ideenlehre Die Ideenlehre ist ein Kernstück der Philosophie des antiken griechischen Philosophen Platon. Demnach sind bestimmte nur durch die Vernunft zugängliche Entitäten dem Sein und der Erkenntnis nach gegenüber konkreten,… …   Deutsch Wikipedia

  • Platons Liniengleichnis — Übersicht zu Platons Liniengleichnis Das Liniengleichnis ist ein Gleichnis Platons aus seinem Werk Politeia.[1] Im Gleichnis ordnet Platon Sichtbares und Denkbares von unsichersten Vermutungen bis zur sichersten Vernunfterkenntnis, von der… …   Deutsch Wikipedia

  • Platons Sonnengleichnis — Die Sonne als Sinnbild des Guten Das Sonnengleichnis ist ein Gleichnis Platons aus seinem Werk Politeia. Es ist das erste der drei bekanntesten Gleichnisse Platons. Im Sonnengleichnis[1] beschreibt Platon den Stellenwert des Guten und legt damit… …   Deutsch Wikipedia

  • Sonnengleichnis — Die Sonne als Sinnbild des Guten Das Sonnengleichnis ist ein Gleichnis Platons aus seinem Werk Politeia. Es ist das erste der drei bekanntesten Gleichnisse Platons. Im Sonnengleichnis[1] beschreibt Platon den Stellenwert des Guten und legt damit… …   Deutsch Wikipedia

  • Ideenlehre — Übersicht zur Ideenlehre Die Ideenlehre ist ein Kernstück der Philosophie des antiken griechischen Philosophen Platon. Die platonische Idee bezeichnet im Unterschied zum modernen Begriff nicht etwa einen Einfall oder Gedanken. Die Idee/Form (gr.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”