Ehud Olmert

Ehud Olmert
Ehud Olmert bei einer Rede in São Paulo, 2005
(Antonio Milena/ABr)

Ehud Olmert (hebräisch ‏אהוד אולמרט‎; * 30. September 1945 in Binjamina) ist ein israelischer Politiker (Kadima) und war von April 2006 bis März 2009 Ministerpräsident Israels. Die Amtsgeschäfte führte er schon seit dem Abend des 4. Januar 2006, nachdem Ariel Scharon einen schweren Schlaganfall erlitten hatte; am 11. April 2006 wurde Scharon formal für regierungsunfähig erklärt.

Am 21. September 2008 trat Olmert vom Amt des Ministerpräsidenten zurück, was er schon im Juli angekündigt hatte. Bis zur Bildung einer neuen Regierung unter Benjamin Netanjahu am 31. März 2009 blieb er im Amt und führte eine Übergangsregierung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Olmert stammt aus einer russischen Einwandererfamilie. Sein Vater Mordechai Olmert wuchs in China auf. 1933 emigrierten Olmerts Vorfahren in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina. Olmerts Vater diente bei den israelischen Streitkräften als Offizier in einer Infanteriekampfeinheit und war Militärkorrespondent für das Armee-Journal BaMachane. Er hat an der Hebräischen Universität von Jerusalem mit Abschlüssen in Psychologie, Philosophie und Jura graduiert. Er praktizierte selbst als Anwalt.

Olmert ist mit der Künstlerin Aliza Olmert verheiratet und hat vier Kinder. Seine Frau steht der israelischen Friedensbewegung nahe. Olmert spricht Hebräisch und Englisch.

Am 29. Oktober 2007 gab Ehud Olmert in Jerusalem bekannt, dass er an Prostatakrebs erkrankt sei. Im April 2009 wurde eine Verschlechterung festgestellt, die eine sofortige Behandlung erforderlich mache.[1]

Politik

Ehud Olmert wurde erstmals im Jahre 1973 für den Likud in die achte Knesset gewählt, damit wurde er mit 28 jüngster Parlamentsabgeordneter in Israel[2]. Er wurde siebenmal hintereinander wiedergewählt. Er war im Geschäftsordnungs-, Verfassungs-, Justiz-, Staatskontroll-, Außen-/Verteidigungs-, Finanz-, Erziehung-/Kultur- und Innen-/Umweltausschuss vertreten. Seiner Partei diente er als Schatzmeister. 1999 forderte Olmert Ariel Scharon als Parteivorsitzender des Likud heraus, scheiterte jedoch bei den parteiinternen Wahlen. Weil ihm das viele Likud-Mitglieder übelnahmen, zog er knapp auf einem der hinteren Listenplätze ins Parlament ein.

In den Jahren 1981–1988 war Olmert als das Knessetmitglied mit dem dritthöchsten Dienstalter das rangälteste Mitglied des prestigeträchtigen Auslands- und Sicherheitsausschusses. Während seiner Karriere als Mitglied der Knesset war er als Minister ohne Portfolio in dem Kabinett unter Jitzhak Schamir (12. Knesset/23. Regierung) für Minderheiten zuständig, später wurde er Gesundheitsminister (24. Regierung). Seine Zeit als Gesundheitsminister ist wegen der weitreichenden Reformen des Gesundheitssystems, die er initiierte, in Erinnerung geblieben.

Bürgermeister Jerusalems

Im November des Jahres 1993 schlug Olmert seinen legendären Gegenkandidaten Teddy Kollek und wurde mit einer Mehrheit von 60 % Bürgermeister Jerusalems. Während seiner ersten Amtsperiode geriet der Status Jerusalems durch Eröffnung des Viertels Har Choma und eines antiken Tunnels unter dem Tempelberg ins Blickfeld des öffentlichen Interesses. Olmert verfocht zu diesem Zeitpunkt den Standpunkt Großisraels einschließlich der Integrität ganz Jerusalems unter israelischer Kontrolle und lehnte jede Konzession an die Palästinenser ab, die Ostjerusalem als Hauptstadt eines künftigen palästinensischen Staates beanspruchen. Diese ideologische Ausrichtung schlug sich auch in seiner Politik nieder. Konsequent führte er eine harte Politik der Ausbürgerung von Palästinensern aus dem Ostteil der Stadt durch. Olmert nimmt für sich in Anspruch, viele Initiativen und Verbesserungen großer Stadtprojekte in Angriff genommen zu haben. Während seiner neun Jahre im Amt bemühte sich Olmert um die Entwicklung und Verbesserung des städtischen Erziehungssystems, welches das größte und teuerste in ganz Israel ist. Zudem wurde mit großem materiellen Aufwand die Infrastruktur verbessert.

Ehud Olmert gab im November 1998, nach der Einführung eines Gesetzes, das es den Mitgliedern der Knesset verbietet, gleichzeitig öffentliche Ämter zu bekleiden und nachdem er als Bürgermeister von Jerusalem mit einer Mehrheit von 62 % wiedergewählt worden war, sein Knessetmandat zurück. Nach seiner Wiederwahl in die Knesset im Jahre 2003 gab er im Februar 2003 sein Amt als Bürgermeister auf.

Industrie-, Handelsminister und stellvertretender Ministerpräsident

Im Februar 2003 wurde Ehud Olmert zum Industrie- und Handelsminister sowie zum stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt (16. Knesset, 30. Regierung). Seit dem 29. September 2003 war er auch Kommunikationsminister. In dieser Funktion unterstützt er den Abzugsplan Israels aus Teilen der besetzten Gebiete. Er ist wie Scharon von der Ideologie eines Großisraels abgerückt und tritt dafür ein, dass der israelische Staat einseitig seine Grenzen endgültig festlege. Olmert galt als enger Vertrauter Ariel Scharons und wurde als sein Sprachrohr gesehen.

Am 7. August 2005 übernahm er nach dem Rücktritt Benjamin Netanjahus zusätzlich die Leitung des Finanzministeriums. Nach der Neugründung der Kadima-Partei durch Ariel Scharon ist auch Olmert in diese Partei gewechselt und aus dem Likud ausgetreten. Am 16. Januar 2006 wurde Olmert auf einer Delegiertenkonferenz zu dem Vorsitzenden der Kadima gewählt.

Ministerpräsident

Olmert mit US-Präsident Bush im Oval Office (23. Mai 2006)

Nach Ariel Scharons schwerem Schlaganfall am 4. Januar 2006 hat Olmert die Regierungsgeschäfte als Ministerpräsident vorläufig übernommen. Zwar verfügt er nicht über das väterliche Image Scharons und ihm wird gelegentlich Arroganz vorgeworfen, aber er gewann die Wahlen von 2006 und wurde als Ministerpräsident bestätigt. Am Wahlabend erklärte er vor Anhängern in Jerusalem: Ich bin bereit, den Traum von einem Großisrael aufzugeben. Dies bedeutet, dass er die Grenzen Israels bis 2010 ohne Kooperation mit den Palästinensern endgültig festlegen will, auch indem er Siedlungen im Westjordanland aufgibt, wovon rund ein Drittel der heute dort lebenden 240.000 Siedler betroffen wäre. Nachdem sich seit der Wahl der Hamas in den Palästinensischen Autonomiegebieten die Lage dort bürgerkriegsähnlich zuspitzt, hat Olmert – befristet auf ein Jahr – Verhandlungen angeboten, welche als Grundlage seinen sogenannten Konvergenz-Plan haben sollen. Darin wird den Palästinensern ein eigener Staat angeboten, gegen u. a. die Zustimmung zu den großen Gebietsverlusten, die durch die einseitige Festlegung der Grenze mittels des von Israel errichteten Grenzzauns und des Ausbaus einiger Siedlungen vorbestimmt scheinen.

Winograd-Kommission

Nach Beendigung des Libanonkrieges wurde in Israel die Winograd-Kommission eingesetzt. Sie überprüfte die Geschehnisse der Offensive und warf Olmert in einem Bericht „schwerwiegendes Versagen“ vor. Die Opposition forderte daraufhin den Rücktritt des Ministerpräsidenten, was umgehend zurückgewiesen wurde. Es sei „unmöglich, die Schuld bei nur einer Person zu suchen“.[3]

Korruptionsvorwürfe

Gegen Ehud Olmert laufen Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht. Es soll geklärt werden, ob Olmert in seiner Zeit als Handels- und Industrieminister von 2003 bis 2005 Personen zu höheren Ämtern verholfen und einen Freund durch die Investitionsabteilung seines Ministeriums bevorzugt hat. In einem weiteren Fall wird der Kauf eines Hauses in einer noblen Jerusalemer Wohngegend zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis untersucht. Vertraute Olmerts sagten, die Informationen seien bewusst von Angehörigen der Opposition gestreut worden, um dem Nahost-Friedensprozess zu schaden.[4] Ende 2007 wurde Olmert von der Polizei wegen seiner Rolle bei dem Verkauf der israelischen Bank Leumi im Jahr 2005 vernommen, das Verfahren wurde kurze Zeit später eingestellt.[5]

Nach Ablauf einer ermittlungstaktischen Nachrichtensperre wurde Anfang Mai 2008 der Vorwurf bekannt, dass der US-amerikanische Geschäftsmann Morris Talansky Schmiergelder an Olmert gezahlt haben soll. Olmert wies den Vorwurf in einer Pressekonferenz zurück: „Ich schaue jedem von Ihnen in die Augen und sage, dass ich niemals Bestechungsgeld und niemals auch nur eine einzige Agora [kleinste israelische Währungseinheit] in die eigene Tasche gesteckt habe.“ Er habe Spendengelder von Talansky bekommen, es sei damit aber korrekt umgegangen worden und er habe niemals Schmiergelder erhalten. Sollte es eine Anklage gegen ihn geben, werde er von seinem Posten als Ministerpräsident zurücktreten. Wegen des neuen Vorwurfs waren drei Mitglieder der Rentnerpartei Gil aus der Koalition ausgetreten.[6]

Nachdem Ende Mai 2008 weitere Details über Talanskys Zahlungen bekannt wurden, forderte Verteidigungsminister Ehud Barak Olmert zum Rücktritt auf. Andernfalls werde die von Barak geführte Arbeitspartei Awoda die Koalitionsregierung verlassen, wodurch Olmert die Mehrheit im Parlament verlieren würde.[7] Der endgültige Bruch der Koalition konnte Ende Juni 2008 abgewendet werden, als Olmert seinen Rücktritt als Parteivorsitzender der Kadima im September 2008 in Aussicht stellte. Daraufhin erklärte die Arbeitspartei, nicht einem von der Opposition eingebrachten Antrag zur Auflösung der Knesset zuzustimmen.[8] Am 30. Juli 2008 gab Olmert bekannt, sich nicht wieder für den Vorsitz der Kadima-Partei bewerben zu wollen. Am 21. September 2008 trat er von seinem Amt als Ministerpräsident zurück.[9] Er blieb jedoch zunächst geschäftsführend im Amt. Neuwahlen wurden für den 10. Februar 2009 angesetzt. Nach den Wahlen konnte Benjamin Netanjahu eine Regierung bilden und wurde am 31. März 2009 als Ministerpräsident vereidigt.

Am 30. August 2009 wurde Olmert von der Staatsanwaltschaft in Jerusalem wegen Korruption in drei Fällen angeklagt. Ihm wird unter anderem die illegale Annahme von Spendengeldern, die doppelte Abrechnung von Reisekosten sowie die Bevorzugung von Geschäftspartnern angelastet.[10] Am 25. September 2009 begann vor dem Jerusalemer Bezirksgericht der Prozess gegen Olmert.[11]

Weblinks

 Commons: Ehud Olmert – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikinews Wikinews: Ehud Olmert – in den Nachrichten

Quellen

  1. Roni Sofer: "Olmert’s cancerous condition deteriorating"
  2. Focus Nachrichtenmagazin, Ausgabe 18/07, S. 205
  3. Die Zeit: Olmert bleibt – vorerst vom 30. April 2007.
  4. Die Welt: Nachrichtensperre bis Sonntag zu Olmert-Affäre vom 7. Mai 2008.
  5. Focus: Olmert wegen Bankenverkaufs vernommen vom 9. Oktober 2008.
  6. Die Presse: Israel: Premier Olmert unter Korruptionsverdacht vom 9. Mai 2008.
  7. Tagesschau: Barak fordert Olmert zum Rücktritt auf (nicht mehr online verfügbar) vom 28. Mai 2008.
  8. Die Presse: Olmert wendet Neuwahlen ab vom 25. Juni 2008.
  9. Israels Premier Olmert kündigt Rückzug an
  10. Rhein-Zeitung/dpa-infocom vom 30. August 2009
  11. Neue Zürcher Zeitung: Olmert vor den Schranken des Gerichts vom 25. September 2009 (aufgerufen am 25. September 2009).

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