Einar Schleef

Einar Schleef

Einar Schleef (* 17. Januar 1944 in Sangerhausen; † 21. Juli 2001 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller, Maler, Fotograf, Theatermacher, Regisseur, Bühnenbildner, Grafiker und Schauspieler. Über Einar Schleef urteilte die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek in einem Nachruf: „Es hat nur zwei Genies in Deutschland nach dem Krieg gegeben, im Westen Fassbinder, im Osten Schleef.“

Inhaltsverzeichnis

Leben

Einar Schleef kam am 17. Januar 1944 als Sohn des Architekten Wilhelm Schleef und seiner Frau Gertrud (geb. Hoffmann) in Sangerhausen zur Welt. Mit sechzehn Jahren erlitt er einen schweren Unfall, als er bei voller Fahrt aus einer ungesicherten Eisenbahntür hinausstürzte. 1964 legte er das Abitur an der Geschwister-Scholl-Schule Sangerhausen ab und begann an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Malerei und Bühnenbild bei Heinrich Kilger zu studieren. Nebenher arbeitete er 1964/65 als Comicszenarist und Colorist für die Zeitschrift Mosaik. Anfang 1965 wurde er relegiert, im Herbst 1967 jedoch wieder zum Studium zugelassen, dieses Mal zum Fach Bühnenbild.

Im Februar 1971 wurde er als Meisterschüler bei Karl von Appen an der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin aufgenommen. Sein Diplom erhielt er im Februar 1973. Die Aufführung von Don Gil von den grünen Hosen von Tirso de Molina am 28. Juni 1972 an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz war Schleefs erste Arbeit als Bühnen- und Kostümbildner. 1972-1975 entstanden am Berliner Ensemble in Zusammenarbeit mit B. K. Tragelehn die drei Inszenierungen Katzgraben, Frühlings Erwachen und Fräulein Julie. Nachdem Fräulein Julie nur gegen heftigen Widerstand von offizieller Seite aufgeführt werden konnte und nach zehn Aufführungen abgesetzt wurde, blieb Schleef während der Vorarbeit zu einer Inszenierung am Burgtheater Wien im Westen.

1978 bis 1981 studierte er an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin Regie. Er arbeitete für den Hörfunk und auch als Darsteller in dem Experimentalfilm Zufall (Regie: Hans-Peter Böffgen, 1984). Zugleich schrieb er an Stücken, Fototextbänden und das zweibändige Werk Gertrud, einem monumentalen inneren Monolog seiner Mutter, die ein Leben durch vier Staatsformen hindurch führte.

1985 bis 1990 war Schleef einer der drei Hauptregisseure am Schauspiel Frankfurt. Dort inszenierte er u.a. 1986 Mütter nach Aischylos' Sieben gegen Theben und Euripides' Die Schutzflehenden, 1987 Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenaufgang und 1988 sein eigenes Stück Die Schauspieler.

1993 kehrte Schleef ans Berliner Ensemble zurück, wo er Rolf Hochhuths Wessis in Weimar uraufführte. Aufgrund von Auseinandersetzungen zwischen den Intendanten Peter Zadek und Heiner Müller musste er das Berliner Ensemble verlassen[1] und schloss einen Regievertrag mit dem Schillertheater, der aber wegen der Schließung des Theaters nicht eingehalten werden konnte. Eine bereits fertig geprobte Faust-Inszenierung wurde einmalig in rudimentärer Fassung auf den Stufen des Theaters aufgeführt.

1995 holte Heiner Müller Schleef ans Berliner Ensemble zurück, wo er bei Bertolt Brechts Puntila nicht nur Regie führte, sondern auch die Hauptrolle spielte. Nachdem er wegen unzureichender Probenzeiten eine Aufführung hatte platzen lassen, wurde ihm erneut gekündigt.

Es folgte 1997 die Aufführung der Salome nach Oscar Wilde am Düsseldorfer Schauspielhaus und 1998 die Uraufführung von Elfriede Jelineks Ein Sportstück am Burgtheater Wien, die ihm unter anderem den 3sat-Innovationspreis und 1999 die Josef-Kainz-Medaille der Stadt Wien einbrachte.

Claus Peymann ermöglichte Schleef noch zwei weitere Produktionen in Wien: 1999 Wilder Sommer nach Carlo Goldonis Trilogie der Sommerfrische im Burgtheater und 1999 die Uraufführung von Ulla Berkéwicz' Der Golem in Bayreuth im Akademietheater. 2000 brachte Schleef am Deutschen Theater Berlin Verratenes Volk nach Texten von Milton, Friedrich Nietzsche, Dwinger und Alfred Döblin zur Aufführung.

Im Januar 2001 erkrankte Schleef, geplante Aufführungen wurden abgesagt oder verschoben. Am 21. Juli erlag er in Berlin einem Herzleiden und wurde in Sangerhausen beerdigt.

Am 24. April 2002 wurde die Nietzsche Trilogie unter Regie von Thomas Bischoff an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz uraufgeführt.

Von April bis Juli 2008 wurde in Halle (Saale) die Ausstellung Einar Schleef. Der Maler mit Gemälden und Zeichnungen Schleefs gezeigt.

Werke

Romane und Erzählungen

Stücke

  • Wezel 1983 ISBN 3-518-04501-6
  • Berlin ein Meer des Friedens 1983
  • Die Schauspieler 1986 ISBN 3-518-03067-1
  • Totentrompeten 1-4: ISBN 3-518-13430-2
    • Totentrompeten
    • Drei Alte tanzen Tango
    • Deutsche Sprache schwere Sprache
    • Gute Reise auf Wiedersehen
  • Nietzsche Trilogie 2003 ISBN 3-518-13432-9
  • Die Nacht
  • Der Fischer und seine Frau (für Kinder ab 6)
  • Das lustigste Land (für Kinder ab 6)

Hörspiele

  • Republikflucht (HR 1978)
  • Die Bande (ORF 1978)
  • Tod des Lehrers (HR 1980)
  • Berlin-Begegnungen (HR 1982)
  • Die Einladung (ORF 1983)
  • Abschlußfeier (HR 1983)
  • Berlin ein Meer des Friedens (SFB 1985)
  • Gewöhnlicher Abend (SWF 1985)
  • Berlin A Sea of Peace (BBC London 1987)
  • Wittenbergplatz (SFB 1987)
  • Unruhe (HR 1988)
über Schleef
  • „Entweder bin ich irr oder die Welt“ nach Texten von Einar Schleef von Mathias Baxmann. 73 Min. Produktion: SWR, WDR wurde mit ARD-Hörspielpreis 2006 ausgezeichnet [2]

Inszenierungen

Grafik

  • Umschlagbild des Schutzumschlags zu Karl Zuchardt: Die Stunde der Wahrheit, Ausgabe für "Buchclub 65", 1976 (zusammen mit Lothar Reber)
  • Erich Fried: Kampf ohne Engel. Gedichte. Volk und Welt, Berlin 1976. Mit einer Illustration von E. S.

Preise

Literatur

  • Ulrike Krone-Balcke: Schleef, Einar. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 34 f.
  • Wolfgang Behrens: Einar Schleef. Werk und Person. Theater der Zeit, Berlin 2003. ISBN 3-934344-30-5
  • Gabriele Gerecke, Harald Müller, Hans-Ulrich Müller-Schwefe (Hgg.): Einar Schleef-Arbeitsbuch. Berlin 2002. ISBN 3-934344-12-7
  • Alexander Kluge: Einar Schleef - der Feuerkopf spricht. (Hg. Christian Schulte & Reinald Gußmann). Facts & Fakes, Band 5. Vorwerk 8, Berlin 2003. ISBN 3-930916-59-2
  • Christina Schmidt: Tragödie als Bühnenform: Einar Schleefs Chor-Theater. Transcript, 2010, ISBN 3837614131.

Quellen

  1. Einar Schleef. Tagebuch 1981–1998: Frankfurt am Main, Westberlin. Hrsg. von Winfried Menninghaus, Sandra Janßen, Johannes Windrich. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009. S. 240.
  2. „"Entweder bin ich irr oder die Welt" gewinnt doppelt“, ARD, 12. November 2006, mit Hörproben

Weblinks


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