Eine Dame verschwindet

Eine Dame verschwindet
Filmdaten
Deutscher Titel Eine Dame verschwindet
Originaltitel The Lady Vanishes
Produktionsland Großbritannien
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1938
Länge 96 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie Alfred Hitchcock
Drehbuch Sidney Gilliat,
Frank Launder
Produktion Edward Black
für Gainsborough Pictures
Musik Charles Williams
Kamera Jack E. Cox
Schnitt R.E. Dearing
Besetzung

Eine Dame verschwindet (Originaltitel: The Lady Vanishes) ist ein britischer Kriminalfilm von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1938 nach dem Roman Eine Dame verschwindet (Originaltitel: The Lady Vanishes, zuvor auch The Wheel Spins) von Ethel Lina White aus dem Jahr 1936.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Durch einen Lawinenabgang wurde der Zug von Budapest nach Basel in einem Gebirgsbahnhof in der Diktatur Bandrika festgehalten, dessen Reisende nun gezwungen sind, in einem überfüllten Gasthof zu logieren – unter anderen zwei englische Cricket-Fanatiker, die unter drolligen Verwicklungen in der Mädchenkammer einquartiert werden, sowie ein Paar, das seinen ehebrecherischen Urlaub anscheinend so schnell wie möglich zu Ende bringen will. Unter den bereits länger hier wohnenden englischen Hotelgästen, die mit dem verspäteten Zug in die Heimat zurückkehren möchten, sind die junge Iris Henderson, Tochter eines Marmeladenfabrikanten, die vor der Hochzeit mit einem verarmten Adligen steht, der Volksliedforscher Gilbert Redman und die ältliche Musiklehrerin und Gouvernante Miss Froy.

Während Iris sich mit dem über ihr logierenden Gilbert wegen dessen ruhestörender Forschungsarbeit in die Haare gerät, lauscht Miss Froy am Vorabend ihrer Abreise scheinbar ergriffen einem lokalen Troubadour, der unter ihrem Fenster ein Ständchen bringt. Als dieser gerade seine letzten Töne singt, nähern sich ihm von hinten (nach bewährter Gruselfilmmanier nur als Schatten erkennbar) die Hände eines Würgers. Das von Miss Froy aus dem Fenster geworfene Geldstück bleibt unbeachtet auf dem Pflaster liegen, während Miss Froy, die offenbar nichts von dem Mord mitbekommen hat, das Fenster schließt und mit angestrengt konzentrierten Gesichtsausdruck eine Melodie vor sich hinsummt.

Am Abreisemorgen erleidet Iris, die nur halbherzig in die Arme ihres Londoner Verlobten zurückzukehren im Begriff ist, einen kleinen Unfall: Ein Blumenkasten vom ersten Stock des Bahnhofsgebäudes fällt der Unglücklichen auf den Kopf. Die Gouvernante nimmt sich der Benommenen an und hilft ihr in den abfahrenden Zug.

Iris kommt in einem Abteil zu sich, das neben ihr selbst mit der hilfreichen alten Dame, einer düsteren bandrikischen Baronin (Frau des bandrikischen Propagandaministers) und einer italienischen Familie (deren Oberhaupt sich später als Zauberkünstler auf Tournee herausstellt) voll besetzt ist. Rührend geleitet die Gouvernante die angeschlagene junge Frau zum Speisewagen, wobei sie durch das Schlingern des Zuges mit dem Ehebruch-Pärchen kollidiert. Im Speisewagen müssen die Damen ihren Zucker für den Tee – eine von der alten Dame mitgeführten Spezialmarke – den beiden Cricket-Fans förmlich abluchsen. Als Iris einfällt, dass sie sich noch gar nicht mit ihrer Begleiterin bekannt gemacht hat, wird deren Vorstellung durch das Dröhnen eines entgegenkommenden Zuges akustisch verhindert, und Miss Froy schreibt ihren Namen an die beschlagene Fensterscheibe.

Noch immer angeschlagen von ihrem Unfall, nickt Iris, zurück in ihrem Abteil, erneut ein und vermisst beim Erwachen ihre Helferin Miss Froy. Bestürzt muss sie beim Befragen der Mitreisenden und des Zugpersonals erfahren, dass keiner Miss Froy je gesehen haben will und ihre Überzeugung als Halluzination aufgrund des Schlags auf den Kopf abgetan wird. Lediglich Gilbert, ihr Widersacher aus dem Hotel, nimmt Iris' Sorge um den Verbleib von Miss Froy ernst.

Der mitreisende Arzt Professor Hartz, der als Koryphäe der Hirnchirurgie bei einem späteren Haltepunkt ein komplett bandagiertes Unfallopfer in seine Obhut übernommen hat, erklärt Iris und Gilbert freundlich die scheinbare Gedächtnisstörung – zumal nun plötzlich eine Frau in Iris' Abteil sitzt, die zwar nicht Miss Froy ist, jedoch aufgrund der gleichen Kleidung von Iris mit ihrer Hotel-Mitbewohnerin verwechselt worden sein soll. Iris zweifelt nun selber an ihrer Erinnerung.

Die von ihrem Liebhaber enttäuschte Ehebrecherin bestätigt jedoch derweil ihre eingangs aus Diskretionsgründen geleugnete Begegnung mit der Vermissten, die Cricket-Fans ringen sich gleichfalls zur Überbrückung ihrer Gedächtnislücke durch, und Iris erblickt bei einem erneuten Besuch des Speisewagens Miss Froys auf der Scheibe erhaltenen Schriftzug – genug, um das Vertrauen in ihr Erinnerungsvermögen zurückzugewinnen. Ihre gefestigte Überzeugung und dann noch die als Abfall entsorgte und draußen vorbeifliegende Verpackung von Miss Froys Spezialtee beseitigen nun auch Gilberts Zweifel an Iris' Geschichte. Hieran ändert auch die als Zeugin herbeigerufene ehebrecherische Lady nichts, die nun wiederum – von ihrem Liebhaber unter Druck gesetzt – in Miss Froys „Doppelgängerin“ Iris' Begleiterin zu erkennen vorgibt.

Iris und Gilbert geraten auf Spurensuche im Gepäckwagen in ein Handgemenge mit dem Magier selber, der, sich als Mitverschwörer entlarvend, die von Iris gefundene Brille Miss Froys als seine eigene ausgibt.

Gilbert fällt schließlich die Lösung für das Verschwinden der alten Dame und deren Verbleib ein: Bei der vorgeblichen Patientenübernahme steckte die „Doppelgängerin“ in der Bandagenhülle – und nun Miss Froy selber! Der augenscheinliche Nachweis dieser Theorie wird jedoch zunächst von der in ihren Stöckelschuhen höchst verdächtigen Nonne und dem hinzukommenden Dr. Hartz unterbunden. Letzterer trachtet dem Pärchen nun mittels durch die Schwester vergifteter Getränke nach dem Leben, doch sein Plan scheitert an dem plötzlich erwachten Gewissen der „Nonne“ (einer Engländerin, deren bandrikischer Ehemann verstorben ist): Gilbert und Iris können Miss Froy aus ihrem Kokon befreien und statt ihrer die „Doppelgängerin“ re-bandagieren.

Dr. Hartz kommt noch am Bahnhof der Hauptstadt Morsken, dem letzten vor der Grenze, hinter das Täuschungsmanöver, als er der vermeintlichen Miss Froy im Krankenwagen den Verband abnimmt; der Zug mit den Waggons der Engländer wird abgekoppelt und auf ein Nebengleis umgeleitet, das in einen Wald führt. Hier müssen sich die Insassen in einer wilden Schießerei gegen die nun militärisch unterstützten Agenten zur Wehr setzen, wobei der ehebrecherische Gentleman als einziger auf ihrer Seite sein Leben lässt, als er sich ergeben will. Die ältliche Miss Froy, die sich als britische Geheimagentin zu erkennen gegeben hat, wird durch das Abteilfenster hindurch wieder auf ihre gefährliche Mission angesetzt, nachdem sie Gilbert im Schnellverfahren die als Melodie des Ständchens verschlüsselte Nachricht eingetrichtert hat; und den tapferen Reisenden gelingt es, nach Ingangsetzung und erneuter Umleitung des Zuges glücklich die Heimat zu erreichen.

Bei der Ankunft an der Victoria Station weicht Iris ihrem Verlobten in letzter Sekunde aus und sucht gemeinsam mit Gilbert, in den sie sich längst verliebt hat, das Auswärtige Amt auf, um dort die melodiöse Geheimbotschaft vorzutragen. Zu seinem Entsetzen stellt der Volksliedforscher fest, dass er sie vergessen hat – aber gleichzeitig spielt Miss Froy im Büro die Melodie auf einem Flügel.

Entstehungsgeschichte

Der bei Gainsborough Pictures unter Vertrag stehende Drehbuchautor Frank Launder hatte schon im Mai 1936, kurz nach Erscheinen des Buches, den Roman von Ethel White als möglichen Stoff für eine Verfilmung vorgeschlagen. Als die Produktionsfirma darauf einging, war Launder aber mit einem anderen Film beschäftigt, und so wurde sein Kollege Sidney Gilliat mit der Ausarbeitung eines Treatments beauftragt. Nach dessen Fertigstellung gesellte Launder sich ihm bei und verfasste zusammen mit Gilliat das endgültige Drehbuch bis August 1936.

Ursprünglich war der in England arbeitende US-Amerikaner Roy William Neill als Regisseur vorgesehen, und man schickte ein Team unter der Leitung eines Regieassistenten nach Jugoslawien, um dort einige Außenaufnahmen zu drehen. Dabei kam es aber zu einem Zwischenfall, bei dem die jugoslawischen Behörden das Drehbuch beschlagnahmten und das Team des Landes verwiesen - in der ersten Version war nämlich auf den ersten Seiten eine Einstellung beschrieben, die einen schnellen Schnitt von marschierenden Soldaten auf watschelnde Gänse vorsah. Dies betrachteten die jugoslawischen Behörden als Affront gegen ihre Armee, was besonders in Boulevardzeitungen zu einem kleineren politischen Zwischenfall hochgespielt wurde.

Dieser Rückschlag – und der schwindende Enthusiasmus von Roy William Neill – führte schließlich dazu, dass das Filmvorhaben zunächst auf Eis gelegt wurde. Erst als Hitchcock im Oktober 1937 das Drehbuch las, wurde das Projekt wieder aufgenommen. Hitchcock ließ die beiden Autoren kleinere Änderungen vornehmen, die das Tempo im ersten und letzten Akt beschleunigten. So konnte das Skript schließlich innerhalb kürzester Zeit abgedreht werden.

Der Film wurde komplett in einem nur 30 Meter langen Studio gedreht. Mit Rückprojektion-Aufnahmen und Modelltricks gelang es Alfred Hitchcock jedoch, diese Beschränkungen kaum sichtbar werden zu lassen.

1979 erfolgte ein Remake des Films mit den Protagonisten Elliott Gould und Cybill Shepherd sowie Angela Lansbury als Miss Froy und Herbert Lom als Dr. Hartz.

Eins der zahlreichen komischen Elemente der Handlung bilden die beiden ur-britischen Cricket-Fans, gespielt von Basil Radford und Naunton Wayne, deren einziges Thema und Ziel das rechtzeitige Eintreffen zu einem Cricket-Match in ihrer Heimat ist. Der Film machte das Duo so beliebt, dass den beiden Figuren eine eigene (Fernseh-)Filmreihe gewidmet wurde (Charters & Caldicott, 1985, sechs Episoden).

Die deutsche Synchronbearbeitung entstand erst 1971. Das Dialogbuch schrieb Werner Uschkurat, die Synchronregie führte Lothar Michael Schmitt. [1]

Randnotizen

Bei der anfänglichen Kamerafahrt vom Bahnhof über das alpine Dorf zum Gasthof sind an letzterem drei Schilder zu erkennen: „Gasthof Petrus, Josef Stedl“, „Bürgen Brau“ und „Wiazen Bier“. Der Wirt heißt jedoch Boris, und die Fantasiesprache Bandrikisch scheint aus romanischen und slawischen Elementen zu bestehen.

Cameo

Hitchcock geht kurz vor Ende des Films auf dem Bahnhof in London durchs Bild. Siehe auch: Alfred Hitchcock's Cameo-Auftritte.

Kritiken

Publikum und Kritik nahmen den Film gleichermaßen enthusiastisch auf; Hitchcock wurde als „Englands größter Regisseur“ bezeichnet und erhielt den New Yorker Kritikerpreis 1938 in den Kategorien „Bester Film“ und „Bester Regisseur“. Orson Welles soll sich den Streifen elfmal, James Thurber sogar doppelt so oft angeschaut haben.[2]

„Es ist charakteristisch für Hitchcock, daß er das Publikum schon frühzeitig in seine Geheimnisse einweiht und dann eine aufregende Sequenz auf die andere türmt, während seine Figuren sich langsam auf die bedrohlichste Art der Wahrheit nähern.“

Newsweek

„Selbst bei einem so synthetischen Medium wie dem Film ist es möglich, die Handschrift eines Meisters zu erkennen. The Lady Vanishes ist im gleichen Maße die Hervorbringung einer persönlichen Imagination und Kunst wie ein Bild von Cézanne oder eine Partitur von Strawinsky.“

Howard Barnes in der New York Herald Tribune

„Spannende Spionagekomödie, die den frühen Hitchcock der englischen Periode schon als Meister der Überraschung zeigt. “

Lexikon des Internationalen Films

DVD-Veröffentlichung

  • Eine Dame verschwindet (The Lady Vanishes). FNM 2007

Literatur

  • Ethel Lina White: Eine Dame verschwindet (OT: The Lady Vanishes, zuvor auch The Wheel Spins). Heyne, München 1994, ISBN 3-453-08220-6
  • Robert A. Harris, Michael S. Lasky, Hrsg. Joe Hembus: Alfred Hitchcock und seine Filme (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4

Einzelnachweise

  1. Thomas Bräutigam: Stars und ihre deutschen Stimmen. Lexikon der Synchronsprecher. Schüren, Marburg 2009, ISBN 978-3-89472-627-0, beiliegende Daten-CD / Eine Dame verschwindet in der Synchrondatenbank von Arne Kaul; abgerufen am 22. April 2009
  2. Robert A. Harris, Michael S. Lasky; Joe Hembus (Hrsg.): Alfred Hitchcock und seine Filme. Wilhelm Goldmann Verlag, München 1976.

Weblinks


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