Aguirre, der Zorn Gottes

Aguirre, der Zorn Gottes
Filmdaten
Originaltitel Aguirre, der Zorn Gottes
Aguirre der zorn gottes.svg
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1972
Länge 91 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie Werner Herzog
Drehbuch Werner Herzog
Produktion Werner Herzog
Musik Popol Vuh
Kamera Thomas Mauch
Schnitt Beate Mainka-Jellinghaus
Besetzung
  • Klaus Kinski: Don Lope de Aguirre
  • Nicolas Del Negro: Fray Gaspar de Carvajal
  • Peter Berling: Don Fernando de Guzmán
  • Ruy Guerra: Don Pedro de Ursúa
  • Helena Rojo: Doña Inés de Atienza
  • Cecilia Rivera: Flores
  • Alejandro Repullés: Don Gonzalo Pizarro
  • Daniel Ades: Perucho
  • Edward Roland: Okello
  • Justo González: Justo González

Aguirre, der Zorn Gottes ist ein Abenteuerfilm des deutschen Regisseurs Werner Herzog aus dem Jahr 1972.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Der Film schildert eine fiktive Expedition spanischer Konquistadoren im 16. Jahrhundert, die das legendäre Goldland Eldorado im Urwald des Amazonas ausfindig machen wollen. Nach der abenteuerlichen Überquerung der Anden erreichen die Eroberer, die von peruanischen Hochlandindianern als Träger begleitet werden, unter der Führung von Gonzalo Pizarro den Dschungel und die Sümpfe des Tieflandes.

Nachdem die Expedition zu Lande kaum vorangekommen ist, wird auf Befehl Pizarros eine 40 Mann starke Gruppe zusammengestellt, die auf Flößen nach Proviant suchen und eine Route ausfindig machen soll. Der Voraustrupp wird von Don Pedro de Ursúa geführt, zu seinem Stellvertreter wird Don Lope de Aguirre ernannt. Zu der Gruppe gehört auch der Franziskanerpater Gaspar de Carvajal, der die Expedition als Missionar und Chronist begleitet und ein Tagebuch führt (das im Film die Rolle des Erzählers übernimmt), sowie zwei weibliche Personen, nämlich Ursúas Geliebte Inés de Atienza und Aguirres Tochter Flores.

Während der ersten Rast der Gruppe am Flussufer werden alle Flöße durch ein Hochwasser fortgespült und es scheint klar, dass die Männer nun auf dem Landweg umkehren müssen. Doch der Unterführer Aguirre, der die Macht an sich reißen und die Expedition auf eigene Faust fortsetzen will, nutzt die Angst der Männer vor im Urwald vermuteten Indios und ihre Begierde, das sagenhaft reiche Eldorado als Erste zu erreichen, und zettelt eine Meuterei an. Ursúa wird angeschossen und in Ketten gelegt, seine Gefolgsleute getötet oder eingesperrt. Um seine Position zu legitimieren, lässt Aguirre von dem Priester einen Brief an König Philipp von Kastilien aufsetzen, in dem sich alle Meuterer von Spanien lossagen. Anschließend wird Don Fernando de Guzmán, eine Marionette Aguirres, zum „Kaiser von Eldorado“ ausgerufen.

Pedro de Ursúa wird in einem Schauprozess, dem Carvajal vorsitzt, aus vorgeschobenen Gründen zum Tode verurteilt, aber vom Kaiser entgegen Aguirres Absicht zunächst begnadigt. Die Männer bauen nun ein neues, größeres Floß und die Gruppe setzt ihre Expedition fort. In der Folge wird die Mannschaft durch vom Ufer her von Indianern abgeschossene Giftpfeile und Nahrungsmangel immer stärker dezimiert. Auch intern gibt es Konflikte. Aguirre versetzt die Gefährten mit seiner tyrannischen und gereizten Art in Angst. Inés setzt sich mutig für das Leben ihres verwundeten Geliebten ein, der selbst kein Wort mit den Meuterern spricht. Unterhaltung bieten die Klänge des peruanischen Panflötenspielers, der sie als Sklave zusammen mit einem Dolmetscher und einigen Trägern begleitet.

Die meisten Amazonasanrainer sind den Eindringlingen feindlich gesinnt. Mit Schüssen und dem Donner der mitgeführten Kanone versuchen die Reisenden, Angreifer zu vertreiben, und plündern in der Hoffnung auf Nahrungsvorräte mehrere Dörfer am Weg. Eingeborene, die sich ausnahmsweise friedlich nähern und die Europäer als Götter begrüßen, werden von den Spaniern umgebracht, weil ihrem Sprecher unbegreiflich bleibt, warum das „Wort Gottes“ aus der vom Missionar überreichten Bibel in seinem Ohr nicht zu hören ist.

Guzmán geht ganz in seiner lächerlichen Rolle als Kaiser auf, lässt sich von dem schwarzen Sklaven Okello bedienen und nimmt im Vorbeifahren Ländereien in Besitz. Er speist fast ununterbrochen, während alle anderen hungern, und macht sich durch sein Verhalten unbeliebt. Schließlich wird er von Unbekannten ermordet. Aguirre nimmt das zum Anlass, den gefangenen Ursúa, den er von Anfang an hatte töten wollen, von seinem Schergen Perucho in den Wald bringen und aufhängen zu lassen. Bei einem Gefecht in einem Kannibalendorf verlässt die verzweifelte Inés, die die von Aguirre ausgehende Gefahr als Einzige von Beginn an klar erkannt hat, kurze Zeit später die Gruppe und verschwindet im Urwald.

Ein Erfolg der Expedition wird immer unwahrscheinlicher, jedoch ist der point of no return längst überschritten. Die Männer trinken das Flusswasser und bekommen Fieber. Ein großes Schiff, das im Urwald auf einem Baumwipfel hängt, scheint die Nähe der ersehnten Küste zu verheißen, doch die Männer halten es für eine Wahnvorstellung. Die Reden ihres Führers, der von dem Wunsch getrieben ist, in Eldorado mit seiner Tochter eine Dynastie zu gründen und von dort aus Peru, Panama, Mexiko und die ganze Neue Welt zu erobern, bleiben wirkungslos. Schließlich wird auch Aguirres Tochter vom Ufer her von einem Speer getroffen und stirbt in den Armen ihres Vaters. Zum Ende des Films steht Aguirre als letzter Überlebender auf dem über das Wasser gleitenden Floß und erklärt seine Eroberungspläne einer Meute von Totenkopfaffen, die von den Mangrovenwäldern aus auf das Floß gestiegen sind und sich nicht vertreiben lassen.

Hintergrund

Der Film entstand unter sehr ungünstigen äußeren Voraussetzungen. Das Budget war mit 370.000 Dollar deutlich zu niedrig angesetzt; etwa ein Drittel davon wurde allein für Kinskis Gage verbraucht. Die Kamera hatte Herzog gestohlen und das Drehbuch war größtenteils während der Busfahrten seines Fußball-Teams entstanden. Die Anzahl der Darsteller war sehr klein, sodass in Großszenen oft fast nur Komparsen und Statisten (peruanische Indios der Kooperative Lauramarca) zu sehen sind. Die 350 Affen aus der Schlussszene brachte Herzog auf einem Flugplatz unter dem Vorwand an sich, er sei Tierarzt.

Herzog schonte bei den Dreharbeiten weder seine Schauspieler noch sich selbst. Unter fast unmenschlichen Bedingungen trieb er seine Crew durch den unwirtlichen Dschungel. Die Hochlandindianer versorgten die Gruppe mit ausreichend Cocablättern, um die Strapazen besser auszuhalten. Neben den schwierigen Umweltbedingungen wurde am Set vor allem Klaus Kinski zum Problem, der immer wieder durch Meinungsverschiedenheiten mit Herzog, Wutausbrüche und Tobsuchtsanfälle die Produktion in Gefahr brachte. Nach Berichten von Drehteilnehmern bedrohten sich Herzog und Kinski bei einer Gelegenheit sogar mit Waffengewalt.

All diese Probleme, die zu vielen Fehlern, Schwächen und Längen im Film führen, sind gleichzeitig aber auch seine Stärke. Herzog gelingt es, eine stilisierte Handlung voller symbolischer Anspielungen auf historische Ereignisse in einem quasi-dokumentarischen Stil zu erzählen. Auf Spezialeffekte und Studioaufnahmen wird bewusst verzichtet, die Naturschauplätze wirken dadurch um so beeindruckender und überzeugender. Viele Szenen entstanden aus tatsächlichen Begebenheiten vor Ort. So baute Herzog etwa ein überraschend einsetzendes Hochwasser, das ganze Flöße der Crew vernichtete, geschickt in die Handlung des Films ein.

Trotz aller Stilisierung und der unwirklich düsteren Stimmung erweckt der Film in vielen Phasen eher die Atmosphäre einer Dokumentation denn einer Inszenierung.

Historische Vorlage

Idee und Handlung des Films Aguirre, der Zorn Gottes basieren vage auf der Lebensgeschichte des baskischen Abenteurers Lope de Aguirre und einer tatsächlichen Amazonasexpedition, die im Jahr 1560 unter der Führung von Pedro de Ursúa von Peru aus aufbrach, um Eldorado zu finden. Der Film bemüht sich aber nicht um eine Rekonstruktion des historischen Geschehens, sondern erzählt eine fiktive Geschichte, die durch die historische Kulisse, die Historizität der Namen vieler der handelnden Personen und diverse historische Anspielungen (so zeichnet beispielsweise die Begegnung mit den beiden Eingeborenen die historische Begegnung zwischen Francisco Pizarro und dem letzten Inkaherrscher Atahualpa nach) besonderen Reiz gewinnt. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass der historische Aguirre eine schillernde und oft legendär überhöhte Gestalt ist. Bei vielen über ihn überlieferten Episoden ist nicht bekannt, inwieweit sie der Wahrheit entsprechen. In der Zeichnung des Protagonisten als diabolisch-getriebener „Engel des Bösen“[1] lehnt sich Herzogs Film an die fiktionalisierte Biographie Aguirres in dem 1947 erschienenen Roman El camino de El Dorado des venezolanischen Autors Arturo Uslar Pietri an.

Anders als im Film angedeutet, gelang es dem historischen Aguirre mit seiner Gruppe allerdings tatsächlich, die Mündung des Amazonas zu erreichen. Er setzte die Reise per Schiff fort und rebellierte weiter gegen die Krone, bis er im Oktober 1561 in Venezuela von spanischen Truppen gestellt und anschließend getötet wurde.

Ein Lope de Aguirre zugeschriebenes Zitat diente als Vorlage für den Filmtitel. Als sich Aguirre im März 1561 (also erst nach der im Film gezeigten Expedition) zum Herrscher über Peru, Tierra Firme (Isthmus von Panama) und Chile ausrief, soll er gesagt haben: „Ich bin der Zorn Gottes, der Fürst der Freiheit, Herr von Tierra Firme und den Provinzen von Chile“.

Kritiken

  • Lexikon des internationalen Films: Ein vielschichtiger Abenteuerfilm über eine monströse Führerfigur, über Imperialismus, Größenwahn und Irrsinn, in einer beispielhaften Inszenierung, die um authentische Erzählweise bemüht ist. Der Stoff geht auf eine historische Chronik zurück und wurde an Originalschauplätzen verfilmt.
  • Heyne Filmlexikon: Eine Sternstunde der Zusammenarbeit zwischen Werner Herzog und Klaus Kinski. Bildgewaltiges Epos um Imperialismus und Größenwahn.
  • Der Film wurde von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden mit dem „Prädikat Wertvoll“ ausgezeichnet. Im FBW-Gutachten von 1972 heißt es u. a.: … vor allem die Eingangssequenzen des Abstiegs über die Anden, die Aufnahmen vom tosenden Urwaldstrom und die ersten Szenen von der Floßfahrt sind außerordentlich eindrucksvoll. Die schauspielerische Leistung dagegen ist durchweg farblos und gestelzt; vor allem die Darstellerinnen der Frauenrollen, deren Funktion im Film nicht erkennbar wird, sind nichts anderes als Kleiderpuppen. Selbst unter der Voraussetzung, daß der Regisseur für den Hauptdarsteller Klaus Kinski einen Typ ausgesucht hat, der als monomanische Filmstereotype vorgeprägt ist, bleibt das Auftreten dieses Schauspielers marionettenhaft.
  • Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb zur Premiere: „Herzog hat sich alles versprochen, als er sich für die Rolle des Besessenen den als Wüterich katalogisierten deutschen Darsteller Klaus Kinski verschrieb. Maske und Medusenblick dieses Mimen mögen noch so treffend zur Rolle passen – das Spiel des behelmten Wüterichs drückt nicht den geistigen Gehalt aus, der den Film bedeutend zu machen vermöchte, Gottes Zorn. Der Paroxysmus, daß ein Besessener, im metaphysischen Sinne Böser, durch sein Wüten die Expedition, die nach Gold giert und religiöse Bekehrung ideologisch vorgibt, ins Gericht Gottes führt, wird fast verschenkt. In Kinskis Wüten ist zu viel Theaterdonner. Da zürnt kein Gott.“[2]
  • Die Süddeutsche Zeitung nannte Herzogs Film „ein farbenprächtiges, körpergewaltiges Bewegungsgemälde.“[3]

Sonstiges

Die nach dem Film benannte Post-Metal Band Aguirre aus Frankreich arbeitet in ihrem Song „Jagtevej69“ mit Zitaten von Kinski.

Auszeichnungen

Thomas Mauch erhielt den Deutschen Filmpreis für seine Kameraführung und den Preis der US-amerikanischen National Society of Film Critics während der Film 1975 den französischen Étoile de Cristal als bester ausländischer Film (Prix International) erhielt. Die französischen Filmkritiker verliehen dem Film die Auszeichnung als bester ausländischer Film 1976. Im selben Jahr war er für den César in der gleichen Kategorie nominiert.

Einzelnachweise

  1. Klaus-Dieter Ertler: Kleine Geschichte des lateinamerikanischen Romans: Strömungen - Autoren - Werke. Tübingen 2002 (ISBN 3-8233-4991-0), S. 172
  2. Zit. n. Filmportal.de.
  3. Zit. n. Filmstarts.de.

Weblinks


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