Elementarteilchenfamilien

Elementarteilchenfamilien

Elementarteilchen sind die kleinsten bekannten Bausteine der Materie. Die meisten Autoren bezeichnen die Teilchen des Standardmodells der Teilchenphysik – also 6 Quarks, 6 Leptonen, die Eichbosonen (Austauschteilchen) und das Higgs-Boson – als Elementarteilchen. Andere Autoren bezeichnen diese als Fundamentalteilchen und nennen auch aus Quarks zusammengesetzte Teilchen elementar, da auch diese Teilchen im erweiterten Sinn unteilbar sind, da sie nicht in einzelne Quarks zerteilt werden können (siehe Confinement). In diesem Artikel werden nur die Teilchen des Standardmodells als elementar bezeichnet, während Hadronen, die aus Quarks zusammengesetzt sind, als zusammengesetzte Teilchen bezeichnet werden.

Eine mögliche Einteilung aller subatomarer Teilchen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nachdem die Atomtheorie des Demokrit sich durch die Entwicklung der Chemie im 18. Jahrhundert bestätigte, galten die Atome als ‚elementare‘ Teilchen. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte man, dass Atome aus einem Atomkern (bestehend aus Nukleonen, also Protonen und Neutronen) und einer Hülle (bestehend aus Elektronen) aufgebaut sind.

Nach der Entdeckung der Teilchen, die das Atom aufbauen, wurde – zunächst hauptsächlich in der kosmischen Strahlung – eine Vielzahl weiterer Teilchen (beispielsweise Myon, Pion oder Kaon) sowie Antiteilchen entdeckt. In der Folge stieß man auf eine Substruktur der Nukleonen und anderer Hadronen, die Quarks.

Im Ergebnis folgte die Entwicklung des Standardmodells der Elementarteilchenphysik. Es enthält alle Teilchen, die aus heutiger Sicht als Elementarteilchen gelten.

Eigenschaften von Elementarteilchen

Wechselwirkungen und Ladungen

In der Physik gibt es 4 Grundkräfte

Der Gravitation unterliegen alle Elementarteilchen, aber in der Teilchenphysik kann man sie aufgrund ihrer extrem geringen Stärke außer Betracht lassen.

Einige Elementarteilchen unterliegen allen übrigen drei Wechselwirkungen, andere nur einigen von ihnen. Beschrieben wird dies durch Ladungen:

  • Farbladung (starke Wechselwirkung)
  • Schwache Ladung (schwache Wechselwirkung)
  • Elektrische Ladung (elektromagnetische Wechselwirkung)

Masse (Ruheenergie)

Aufgrund der Beziehung E=mc2 entspricht der Masse eines Teilchens ein Energiewert, die Ruheenergie. In der Teilchenphysik gibt man Energien üblicherweise in Elektronvolt (eV) an, damit ergibt sich nach E=mc2 für die Masse die Einheit eV/c2 (diese Mischform aus Größe und Einheit wird verwendet, weil in den natürlichen Einheiten c=1 und dimensionslos gesetzt wird, und somit auch die Dimension für Energie und Masse eigentlich dieselbe ist; zur Vermeidung von Missverständnissen ist die Schreibweise mit eV/c2 üblich, die auch Umrechnungen in andere Einheitensysteme mit c≠1 erleichtert).

Die typische Größenordnung für Massen von Elementarteilchen ist das Gigaelektronenvolt (GeV/c2 = 109 eV/c2), das entspricht in etwa der Masse eines Protons (0,938 GeV/c2), während das sehr leichte Elektron nur eine Masse von 0,000511 GeV/c2 hat. Gänzlich masselos sind nach heutigem Wissen nur das Photon und die Gluonen. Einen Massenrekord hält das Top-Quark, das es auf 172 GeV/c2 bringt (zum Vergleich: ein Proton enthält bereits drei Quarks, allerdings die leichteren Up- und Down-Quarks).

Spin

Viele Elementarteilchen besitzen einen Eigendrehimpuls, der als Spin bezeichnet wird. Dieser Eigendrehimpuls kann keine beliebigen Werte annehmen, sondern ist quantisiert und tritt nur in ganz- oder halbzahligen Vielfachen des Wirkungsquantums \hbar auf. Der Spin ist eine inherente Eigenschaft der Teilchen, sein Betrag ist unveränderlich, nur die Ausrichtung des Spins lässt sich ändern. Teilchen mit ganzzahligem Spin ( 0\hbar, 1 \hbar, 2 \hbar, ...) nennt man Bosonen, solche mit halbzahligem Spin (\frac{1}{2}\hbar, \frac{3}{2}\hbar,...) heißen Fermionen.

Weitere Quantenzahlen

Weitere Quantenzahlen charakterisieren die Identität von Quarks und Leptonen und Erhaltungsgrößen, z. B. Isospin, Strangeness, Baryonenzahl, Leptonenzahl

Lebensdauer

Die meisten Teilchen sind nicht stabil, sondern wandeln sich in andere mit geringerer Masse um. Bei diesem Prozess entstehen weitere Teilchen; daher bezeichnet man solch einen Vorgang (nicht ganz präzise) als Zerfall. Die Lebensdauer instabiler Teilchen hängt sehr davon ab, über welche Wechselwirkung sie zerfallen können. Teilchen, die nur über die schwache Wechselwirkung zerfallen können, sind mit typischerweise 10-10 bis 10-8 Sekunden verhältnismäßig langlebig.

Stabil sind Teilchen, die aufgrund von Erhaltungssätzen nicht zerfallen können, wie zum Beispiel das Elektron als leichtestes elektrisch geladenes Teilchen und das Proton als leichtestes Baryon (sofern die Baryonenzahl tatsächlich erhalten bleibt).

Antimaterie

Zu jedem Teilchen gibt es ein Antiteilchen. Während einige Eigenschaften identisch mit denen des zugehörigen Teilchens sind (wie beispielsweise die Masse und der Betrag des Spins), drehen eine Reihe von Quantenzahlen ihr Vorzeichen um (z.B. die Ladung, aber auch Erhaltungszahlen wie die Baryonen- oder Leptonenzahl). So ist beispielsweise das Proton positiv geladen und das Antiproton negativ.

Neutrale Teilchen können ihr eigenes Antiteilchen sein, wenn sie sich durch keine Quantenzahl voneinander unterscheiden (z. B. das Photon). Die (ebenfalls neutralen) Neutrinos sind aber nicht identisch mit den Antineutrinos, die sich durch die Leptonenzahl voneinander unterscheiden und sich im Experiment auch unterschiedlich verhalten.

Da Erhaltungszahlen bei Antiteilchen ihr Vorzeichen wechseln, ist es möglich, paarweise neue Teilchen- und Antiteilchen zu erzeugen (Paarbildung). So kann beispielsweise durch die (entsprechend energiereiche) Kollision zweier Teilchen mit Baryonenzahl 0 ein Proton (Baryonenzahl 1) und ein Antiproton (Baryonenzahl -1) entstehen.

Die umgekehrte Reaktion findet ebenfalls statt: Während für sich genommen Proton und Antiproton jeweils aufgrund der Baryonenzahlerhaltung stabil sind, vernichten sie sich bei Kontakt miteinander sofort (Annihilation).

Fundamentalteilchen

Leptonen

Hauptartikel: Lepton

Leptonen sind elementare Materieteilchen, die nicht der starken Wechselwirkung unterliegen. Sie haben Spin-1/2, sind also Fermionen.

elektr.
Ladung
Generation
1 2 3
0 Elektron-Neutrinoe) Myon-Neutrinoμ) Tauon-Neutrino (ντ)
−1 Elektron (e) Myon (μ) Tauon (τ)

Es gibt drei geladene Leptonen (Ladung = −1e): das Elektron (e), das Myon (μ) und das Tauon (τ). Als leichtestes geladenes Teilchen ist das Elektron stabil. Des Weiteren kennt man drei elektrisch neutrale Neutrinos: das Elektron-Neutrino (νe), das Myon-Neutrino (νμ) und das Tauon-Neutrino (ντ).

Die Leptonen werden in drei Generationen oder Familien angeordnet: (νe,e), (νμ,μ) und (ντ,τ). Zu jedem dieser Leptonen gibt es ein Antiteilchen, das generell durch die vorangestellte Silbe Anti- gekennzeichnet wird. Aus historischen Gründen trägt das Antiteilchen des Elektrons die Bezeichnung Positron. Bei der Erzeugung oder Vernichtung eines Leptons entsteht bzw. verschwindet immer auch ein Antilepton. Man beschreibt diesen Sachverhalt mit der Leptonenzahl L: setzt man für jedes Lepton L=+1 und für jedes Antilepton L=−1, so bleibt L bei allen bekannten physikalischen Vorgängen konstant.

Quarks

Hauptartikel: Quark (Physik)

Auch Quarks sind Spin-1/2-Teilchen. Im Gegensatz zu Leptonen tragen sie eine Farbladung und unterliegen daher der starken Wechselwirkung.

elektr.
Ladung
Generation
1 2 3
+2/3 up (u) charm (c) top (t)
−1/3 down (d) strange (s) bottom (b)

Es gibt drei Quarks mit der elektrischen Ladung −1/3: down (d), strange (s) und bottom (b) und drei Quarks mit der elektrischen Ladung +2/3: up (u), charm (c) und top (t). Somit kennt man auch für Quarks drei Generationen oder Familien: (d,u), (s,c) und (b,t). Umwandlungen von Quarks finden vorzugsweise innerhalb einer Generation statt (z. B. c => s).

Bei der Erzeugung oder Vernichtung eines Quarks entsteht bzw. verschwindet immer auch ein Antiquark. Man beschreibt diesen Sachverhalt mit der Baryonenzahl B: setzt man für jedes Quark B=+1/3 und für jedes Antiquark B=−1/3, so bleibt B bei allen bekannten physikalischen Vorgängen konstant.

Quarks werden niemals frei beobachtet, sondern nur gebunden in Hadronen (siehe Abschnitt „Zusammengesetzte Teilchen“ weiter unten).

Austauschteilchen (Eichbosonen)

Hauptartikel: Eichboson

Teilchen Ruheenergie
in GeV
Spin elektrische
Ladung
vermittelte
Wechselwirkung
Photon 0 1 0 elektromagnetische Kraft
Z0-Boson ca. 91 1 0 schwache Kraft
W+-Boson ca. 80 1 1
W-Boson −1
Gluonen 0 1 0 starke Kraft (Farbkraft)
(Graviton) 0 2 0 Gravitation

Die Austauschteilchen vermitteln die Wechselwirkungen zwischen den Elementarteilchen. Sie werden im Standardmodell vorhergesagt, haben ganzzahligen Spin und sind daher Bosonen. Der physikalische Fachausdruck für die Austauschteilchen ist Eichbosonen, da es sich beim Standardmodell um eine Eichtheorie handelt.

Das Graviton ist kein Teilchen des Standardmodells, wird aber häufig im Zusammenhang mit den anderen Austauschteilchen erwähnt, was die Hoffnung widerspiegelt, dass in zukünftigen teilchenphysikalischen Modellen auch die gravitative Wechselwirkung korrekt behandelt werden kann. Alle Eichbosonen mit Ausnahme des Gravitons sind von Experimenten bestätigt; die in nebenstehender Tabelle angegebenen Eigenschaften des Gravitons sind als „educated guess“ zu verstehen und folgen aus der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Es gibt insgesamt acht Gluonen, die jeweils Kombinationen zweier Farbladungen tragen und die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Farbladungen vermitteln. Sie haben keine individuellen Namen bekommen, im Unterschied zu den drei Bosonen, die die schwache Wechselwirkung vermitteln: W+, W und das neutrale Z-Boson. Die elektromagnetische Wechselwirkung wird durch nur ein Boson vermittelt, das Photon.

Eichbosonen können selbst auch Ladungen tragen, und somit den Wechselwirkungen unterliegen. Beispiele sind die Gluonen, die selbst Farbladung tragen, oder die W-Bosonen, die elektrisch geladen sind.

Auch die Umwandlung eines Teilchens in ein anderes wird durch die Austauschteilchen vermittelt. Zum Beispiel wird bei der Umwandlung eines down-Quarks in ein up-Quark ein virtuelles W-Boson erzeugt, das sich in ein Elektron und ein Neutrino umwandelt (dieser Prozess liegt dem sog. Betazerfall zugrunde).

Das Higgs-Boson

Hauptartikel: Higgs-Boson

Das Higgs-Boson ist ein bislang nicht nachgewiesenes Elementarteilchen, das im Rahmen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik vorausgesagt wird. Das Higgs-Boson spielt eine besondere Rolle im Standardmodell, da es über den Higgs-Mechanismus den prinzipiell zunächst masselosen Elementarteilchen eine Masse verleiht.

Zusammengesetzte Teilchen

Aus Quarks (und Gluonen) zusammengesetzte Teilchen nennt man Hadronen. Im erweiterten Sinne gelten auch diese als Elementarteilchen. Sie lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Mesonen und Baryonen.

Mesonen

Hauptartikel: Meson

Mesonen haben ganzzahligen Spin, sind also Bosonen. Sie sind Bindungszustände aus einem Quark und einem Antiquark. Das leichteste Meson ist das Pion.

Baryonen

Hauptartikel: Baryon, Liste der Baryonen

Baryonen haben halbzahligen Spin, sind also Fermionen. Sie lassen sich als Bindungszustände aus drei Quarks deuten (analog Antibaryonen aus drei Antiquarks). Nach heutigem Wissensstand werden Baryonen immer nur paarweise als Baryon und Antibaryon erzeugt; beim Zerfall eines (Anti)Baryons entsteht immer ein anderes (Anti)Baryon. Die Zahl der Baryonen bleibt also konstant (Erhaltung der Baryonenzahl).

Die wichtigsten Baryonen sind das Proton und das Neutron, die, da sie Bestandteile von Atomkernen sind, zusammengefasst als Nukleonen bezeichnet werden. Baryonen, die mindestens ein s-Quark enthalten aber keine c- oder b-Quarks, nennt man auch Hyperonen.

Hypothetische Elementarteilchen

In theoretischen Modellen, die zum Teil plausibel, zum Teil aber sehr spekulativ sind, wurden weitere Teilchen postuliert. Hierzu gehören:

Quellen

Literatur

  • Klaus Bethge, Ulrich E. Schröder: Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen - eine Übersicht. WILEY-VCH, Weinheim 2006, ISBN 3-527-40587-9.
  • Henning Genz: Elementarteilchen. Fischer, Frankfurt a.M., 2003, ISBN 3-596-15354-9.
  • Harald Fritzsch: Elementarteilchen - Bausteine der Materie. Beck, München 2004, ISBN 3-406-50846-4.

Weblinks


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