Engelsberger Marmor

Engelsberger Marmor
Engelsberger Marmorsteinbruch in Winzendorf

Beim Engelsberger Marmor handelt es sich um einen dichten Kalkstein, der in einem eng begrenzten Raum am Engelsberg in Winzendorf im Gemeindegebiet Muthmannsdorf in einer Seehöhe von 510 m ü. A. vorkommt. Der sogenannte Engelsberger Marmor, der ein Kalkstein ist, weist eine charakteristische kirschrote bis fleischrote Farbe auf und zeigt weiße Adern. Seine nahezu einzigartige Farbgebung machte ihn besonders für Präsentationsbauten zu einem begehrten Werkstoff.

Die Geologen Friedrich Brix und Benno Plöchinger beschreiben das Gestein wie folgt: „Der in den Fischauer Bergen in großen Taschen und Nischen des Wandriffkalkes eingebettete, bunte, obertriadische Hallstätter Kalk des Engelsberges, des Moosbühels und der Brunner Ebenen entspricht faziell (= verschiedenartige Ausbildung gleichaltriger Gesteinsschichten) einem gleichaltrigen Hallstätter Rotkalk des Salzkammergutes (Monotiskalk). Abgesehen von der bruchförmigen SW-Begrenzung am Steinbruch Engelsberg ist eine Abgrenzung der Hallstätter Kalkvorkommen wegen der im Wandriffkalk vorliegenden Infiltration von Hallstätter Sediment schwer möglich.“

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die älteste bekannte Aufzeichnung über den Abbau des Engelsberger Marmors findet sich in einem Pachtvertrag der Herrschaft von Starhemberg mit dem Wiener Neustädter Steinmetzmeister Paul Klimpfinger, die aus dem Jahre 1698 stammt. 1733 wurde der Pachtvertrag mit einem Steinmetzmeister Matthäus Lang verlängert. Trotz seiner nahezu einzigartigen Charakteristik wurde der Abbau nur in kleinem Rahmen betrieben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der kommerzielle Abbau gänzlich eingestellt. Während man früher keine strengen Maßstäbe anlegte und die Verwendung des Engelsberger Marmors daher weit gestreut war, entspricht die geringe Druckfestigkeit von nur 695 bis 1400 kg/cm nicht mehr den heutigen Anforderungen.

Die Herkunft des Namens ist nicht eindeutig geklärt. Während die eine Theorie den Namen vom „Berg eines Engels“ ableitet, verfolgt die andere Theorie die Herkunft des Namens vom Wort „Enkel“. Mythologen vertreten nämlich die Ansicht, dass sich der topographische Begriff „Engel“ auf Grund der Lautverschiebung vom althochdeutschen „eninkel“ ableite, und das bedeutet so viel wie „Enkel“.

Verwendung

Neben der Verwendung im regionalen Bereich wurden auch Wiener Prachtbauten mit dem Engelsberger Marmor ausgestattet. Im Jahr 1718 fand er bei der Ausgestaltung des Wiener Stephansdoms Verwendung. Dabei wurde ein barockes Türgewande der oberen Sakristei sowie Säulen und Plattenverkleidungen an Nebenaltären errichtet. 1769 liefert der Engelsberg u. a. sechs große Säulen für den Hochaltar des Wiener Neustädter Doms und weitere für die Neuklosterkirche in Wiener Neustadt. Lieferungen weiterer Säulen gehen bis nach Graz. Bemerkenswert war dabei die Größe der damals durch den schonenden Handbetrieb erzielbaren Stücke.

Eine Hochkonjunktur verzeichnet der Engelsberg unter dem Wiener Hofsteinmetzmeister Andrea Francini während der Gründerzeit. Zwischen 1860 und 1901 erfolgte durch Francini der intensivste Abbau, als unter anderem 272 Baluster der Prunkstiege sowie Sockel für Büsten im ersten Stock des Kunsthistorischen Museums in Wien, die Prunkstiege des Privathaus Francinis in der Wiener Argentinierstraße 42, oder die Säulen und Wandplatten des Wiener Südbahnhofes mit Marmor aus Winzendorf angefertigt wurden. Auch die Schalterhalle des Grazer Hauptbahnhofes wurden mit Engelsberger Marmor ausgestaltet. Allerdings fügte Francini dem Engelsberger Marmorsteinbruch nachhaltige Schäden zu, indem er durch eine große „Kammerminensprengung“ versuchte, den Abbau wirtschaftlicher zu gestalten. Durch diese völlig verfehlte Maßnahme wurden die Klüfte des ohnedies schon stark tektonisch gepreßten („stichigen“) Steines derart aufgerissen, dass kaum mehr gesunde Großblöcke gewinnbar waren.

Nach dem Ersten Weltkrieg werden die von Francini zurückgelassenen Blöcke 1919 nach Deutschland verkauft. 1940 nehmen die reichsdeutschen „Naturstein und Marmorwerke Offenbach“ den Betrieb am Engelsberg wieder auf, errichten zur Erschließung des Steinbruchs von Muthmannsdorf aus eine 2,5 km lange Fahrstraße und richten eine Seilsäge mit Motorantrieb ein.

Während Zeit des Zweiten Weltkriegs holte man Engelsberger Marmor nach Nürnberg und verkleidet damit unfertige Objekte des Reichsparteitagsgeländes. Darüber hinaus wird gebrochener Marmor zum Bau Reichsautobahnbrücken verwendet. 1945 verdeckt er den Sockel des auf Veranlassung der Sowjetmacht errichteten Denkmals der Befreiung von der faschistischen Herrschaft − im Volksmund „Russendenkmal“ genannt − auf dem Schwarzenbergplatz in Wien. Wie eine Inschrift an einer Zisterne in der Nähe des Steinbruchs belegt, waren in den Kriegsjahren auch italienische Arbeiter am Engelsberg beschäftigt. Nachdem ab 1943 kriegsbedingt die Arbeiten ruhten, wurde der als „Deutsches Eigentum“ deklarierte Steinbruch dem sowjetisch beaufsichtigten USIA-Konzern einverleibt und in der Folge etwa 600 m³ lagernde Rohblöcke abtransportiert.

Der Engelsberger Marmor erweist sich jedoch gegenüber der Luftverschmutzung der heutigen Zeit als wenig resistent. Um 1980 wurde er am Russendenkmal durch Granit ersetzt. Die Stadt Nürnberg muss laufend erhebliche Mittel aufwenden, um das seit 1973 unter Denkmalschutz stehende Prestigeobjekt des Reichsparteitagsgeländes zu erhalten.

Die letzte Nutzung datiert vom Jahr 1989, als der Fußboden der Pfarrkirche St. Peter im Moos im Winzendorfer Ortsteil Muthmannsdorf mit heimischem Marmor ausgestaltet wurde.

Gegenwart

Heute findet der Engelsberger Marmor nur mehr bei Bildhauersymposien Verwendung.

In den Jahren 1997 und 1998 wurde der Steinbruch vom Wildwuchs befreit, bis zum felsigen Untergrund abgegraben, geodätisch vermessen und mit Informationstafeln versehen. Am 7. Juni 1998 wurde er feierlich als „Geotop“ und technisches Denkmal der Öffentlichkeit präsentiert. Er ist damit zu einem beliebten Ausflugsziel geworden.

Literaturhinweis

Wilhelm J.Wagner: „Hohe Wand-Steinfeld, Kultur und Geschichte“, erschienen 1999 im Eigenverlag des Vereins „Schneebergbahn, Hohe Wand, Steinfeld, Bad Fischau-Brunn“

Weblink

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