Enkulturationspädagogik

Enkulturationspädagogik

Bei der Enkulturationspädagogik (aus dem griech. "en" örtlich: in, an, auf, bei, innen, innerhalb; übertragen: in, bei, mit) geht es um die bewusste gesteuerte Erziehung als Hilfangebot zum Prozess der Enkulturation junger Heranwachsender vor der Phase der Adoleszenz. Es ist in diesem Sinne synonym zur Akkulturation. Enkulturation bezeichnet hingegen die unbewußte ungesteuerte Sozialisation in die jeweilige Kultur eines ungeprägten und kulturfreien Neugeborenen hin zum kulturell integrierten Erwachsenen. Grundlegend ist die These, dass diese Enkulturation ohne Hilfe schwierig oder fehleranfällig sei und betrachtet daher "Erziehung als Enkulturationshilfe" in der Phase ab dem Neugeborenenalter oder Kleinkindalter.[1] So will die Enkulturationspädagogik Heranwachsende bei der Enkulturation unterstützen und ihnen helfen einen Platz in der Gesellschaft zu finden.

Enkulturationspädagogik hat zwei Schwerpunkte. Zunächst die Anpassung in Form von Integration, Assimilation und Akkulturation. Hier wird die Auffassung vertreten, dass man, um sich in einem System zurechtzufinden, über die Verhaltensweisen und Anforderungen in diesem Bescheid wissen muss. So helfen Personen, die sich im System bereits auskennen, den „Neulingen“, „Fremden“, „bildungsfernen Schichten“ oder „Ausländern“. Darüber hinaus geht es um die Vermittlung kultureller Inhalte, die für Bildungszwecke instrumentalisiert werden und so durch Inkulturation weitergegeben werden.

Inhaltsverzeichnis

Ziele

Das Ziel der Enkulturationspädagogik ist, dass Menschen, indem man ihnen kognitive, instrumentelle und emotional-affektive Erziehung vermittelt, besser in der Welt zurechtkommen und sich besser anpassen können. Der Enkulturationspädagogik geht es um die Vermittlung und Vermehrung von kulturbedingtem Wissen, Förderung von kulturgewollten Talenten und kulturspezifischen erwünschten Fähigkeiten.

Hilfsmittel

Methoden

Die Enkulturationspädagogik stellt das Lernen auf der Basis von Erfahrung in ihr Zentrum. Generell gibt es eine vorbereitete Anfangssituation, die an einer Alltagserfahrung anknüpft. Ausgehend von der Wahrnehmung dieser Erfahrung soll ein Kontakt, eine Handlung mit der Lernmaterie motiviert werden. Durch diesen Kontakt, die Handlung, wird die Materie verinnerlicht. Nach der Verinnerlichung kann das Gelernte nun auf ähnliche Situationen übertragen werden.

Bei der Enkulturationspädagogik soll die Vermittlung auf verschiedene Lerndimensionen stattfinden: auf der kognitiven, instrumentellen, emotional-affektiven, sozialen und ethischen. Dabei sollte erwähnt werden, dass in der Enkulturationspädagogik die sozial-ethische Dimension eher eine untergeordnete Rolle spielt.

Die Methoden der Enkulturationspädagogik gliedern sich ebenfalls in kognitive, instrumentelle, emotional-affektive und sozial-ethische.

Darüber hinaus ist die Didaktische Analyse ein wichtiges Planungsinstrument der Enkulturationspädagogik. Sie operationalisiert die Lerninhalte, gliedert sie in zielgruppengerechte motivierende Lernschritte und orientiert sich an entwicklungsbezogenen Lernphasen. Sie gliedert sich folgendermaßen:

  • Analyse: Anwerbung der Zielgruppe, Festlegen der Lernziele, -methoden, -mittel, -techniken, ...
  • Konstruktion: Durchführung der Lernsituation, dabei ist der vorher erstellte Plan wichtig
  • Reflexion: Prüfung der Lernziele, Effektivität, Qualitätssicherung.

Mittel

Bei den Mitteln unterscheidet man rezeptive und gestalterische Mittel sowie Übungen. Bei allen Mitteln wird der komplexe Lerninhalt auf das Wahrnehmbare verkürzt und vermittelt:

  • rezeptive Mittel: knüpfen an eine Alltagserfahrung an. Es sind verbale, akustische, visuelle Mittel wie Beispiele, Geschichten, Fälle, Filme, ...
  • gestalterische Mittel: fordern zum Kontakt und zum Handeln auf. Es sind Spielmaterialien aller Art. Besonders bekannt sind die Montessorimaterialien.
  • Übungen: Beispielsweise Rollenspiele.

Techniken

Als Techniken werden Medien aller Art eingesetzt, um die Erziehungsideen in der persönlichen Kultur des Klienten eingehen zu lassen und sind dementsprechend individuell angepasst. Zudem werden die Lernsituationen, z.B. durch angemessene Raumgestaltung, ästhetisch bzw. kulturell sensibel unterstützt (z.B. Abhängen von Kruzifixen bei muslimischen Klienten].

Organisationsformen

Die Enkulturationspädagogik wird überwiegend in Bildungseinrichtungen angewandt: in Schulen, Hochschulen, Kindergärten, Seminaren, in der Erwachsenenbildung, bei Hausaufgabenbetreuungen usw.

Theoretischer Hintergrund

Die Enkulturationspädagogik schöpft aus den Bezugswissenschaften der Didaktik, Methodik, Lernpsychologie und Anthropologie.

Die Didaktik erforscht dabei die Transkriptionsprobleme der Enkulturationspädagogik, erforscht und diskutiert was und warum gelernt werden soll. Die Methodik kümmert sich hingegen um das Wie und Für-Wen. Im Rahmen der Didaktik spielt die Curriculumforschung eine große Rolle. Hier werden die konkreten Lerninhalte für verschiedene Bildungsinstitutionen erforscht. Sie ist von der politischen Schwerpunktsetzung beeinflusst.

Die Lernpsychologie erforscht das Lernen und Vergessen von Individuen: wenn man weiß, wie jemand lernt, dann kann man auch optimale Bedingungen für’s Lernen schaffen. Die Lernpsychologie ist die Basis für zahlreiche Lerntheorien, die unter Berücksichtigung der anthropologischen und soziologischen Voraussetzungen über kognitive, instrumentelle, emotional-affektive und soziale-ethische Kategorien Transformationssysteme schaffen.

Menschen- und Weltbild

Das Ideal hinter der Enkulturationspädagogik ist der wissende, rationale, gebildete Mensch. Es ist der Mensch, der sein Leben lang anpassungsfähig und -bedürftig sowie lernfähig und -bedürftig ist und an den ewigen positiven Fortschritt glaubt. Die Welt, wie sie ist, wird als "beste aller Welten" gesehen.

Kritik

Trotz der vielen positiven Aspekte wird der Enkulturationspädagogik eine Menge Kritik entgegengebracht.

So will die Enkulturationspädagogik zwar Integration, doch durch die Konzentration auf das Wissen wird oft eine Assimilation an die Leistungsgesellschaft gefordert, bei der weniger gebildete und begabte Menschen aus dem Rahmen fallen. Statt einer Integration wird Ausgrenzung gefördert.

Darüber hinaus haben die Lernenden keinerlei Mitsprache bei der Frage, was sie lernen. Die Inhalte werden über ihren Kopf hinweg bestimmt, sie werden gleichsam manipuliert.

Zudem wird besonders in der Konsumgesellschaft der Schwerpunkt zunehmend auf eine perfekte Inszenierung der Lerninhalte und weniger auf den Inhalt selbst gelegt. Dabei besteht die Gefahr bei guten Shows besonders darin, dass sich Lernende nur berieseln lassen und, wenn der Impuls dazu fehlt, eine kritische Reflexion ausbleibt.

Außerdem ist zu kritisieren, dass zwar die kognitiven, instrumentellen und emotional-affektiven Fähigkeiten, die sich auch schulisch gut abprüfen lassen, gut gefördert werden, die soziale und ethische Lerndimension aber eher eine Alibifunktion einnimmt und schnell auf der Strecke bleibt.

  1. Callo, C.: Modelle des Erziehungsbegriffs.Einführung in pädagogisches Denken, München u.a.: Oldenbourg 2002, S.63.

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