Ensdorf (Boot)

Ensdorf (Boot)

Die seit Ende der 1980er Jahre eingesetzten verschiedenen Klassen von Minenabwehrfahrzeugen der Deutschen Marine beruhen auf einem einheitlichen Schiffsentwurf. Dieser Artikel beschreibt die verschiedenen Varianten.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Zu den Ersten Aufgaben der Bundesmarine gehörte es die Hinterlassenschaften von Minen aus dem Zweiten Weltkrieg in den Deutschen Gewässern zu beseitigen. Dazu wurden von den Alliierten aus ihrer Kriegsbeute 24 Räumboote der Capella- und Aldebaran-Klasse an Deutschland zurückgegeben. Tatsächlich waren diese Boote mit deutschen Besatzungen unter Alliierter Kontrolle (Deutscher Minenräumdienst) praktisch seit Kriegsende mit Minenräumaufgaben nicht nur in deutschen Gewässern beschäftigt gewesen und bildeten Materiell und Personell den Grundstock der Minenabwehrverbände. In Weiterentwicklung dieses Bootstyps aus dem Kriege entstanden die schnellen Minensuchboote der Schütze-Klasse, die den Räumbooten in Konzeption und Eigenschaften sehr ähnlich waren.

Im Bündnis kam der Bundesmarine während des Ost-West-Konflikts gleichermaßen die Aufgaben von Mineneinsatz und Minenabwehr zu. Erste konzeptionelle Vorstellungen beim Aufbau der Marine waren davon ausgegangen, dass die deutschen See- und Seeluftstreitkräfte im Kriegsfall eine große alliierte Landung im Rücken der gegnerischen Truppen vorzubereiten hätten. Dafür wurde eine große Zahl von Minenabwehrfahrzeugen benötigt, um die Fahrwasser für amphibische Verbände von Seeminen zu räumen. Deshalb wurden zwischen 1956 und 1970 etwa 60 derartige Fahrzeuge verschiedener Typen beschafft.

Bald schon stellte sich die Idee einer solchen Landung als unrealistisch heraus, und neue Konzepte sahen vor, die Flotten des Warschauer Pakts in der Ostsee einzuschließen. Dafür waren große Minensperren vorgesehen. Das Verlegen dieser Sperren wurde zur Hauptaufgabe für große Teile der Minenabwehrkräfte.

In den 1980er Jahren waren die meisten deutschen Minenabwehrfahrzeuge aufgrund ihres Alters zu ersetzen. Es war aus finanziellen Gründen ausgeschlossen, alle 60 Fahrzeuge durch Neubauten abzulösen. Aus technisch-logistischen Gründen sollte zudem die Typenvielfalt reduziert werden. Es wurde beschlossen, einen Einheitsrumpf zu entwickeln, der in verschiedenen Varianten ausgebaut werden sollte.

Da zu diesem Zeitpunkt das Minenlegen die wichtigste Aufgabe war, ging es vorrangig darum, die bestehende Minenlegekapazität zu erhalten. In einem ersten Schritt sollten die 21 Schnellen Minensuchboote der Schütze-Klasse durch 10 neue Boote mit doppelter Minenzuladung ersetzt werden. Danach sollten neue Minenjagdboote folgen.

Gemeinsame technische Merkmale

Minenabwehrfahrzeuge müssen so konstruiert sein, dass sie möglichst gut gegen Minen geschützt sind. Deshalb ist auf einen geringen Tiefgang, Geräuscharmut und ein reduziertes Eigenmagnetfeld zu achten. Um die magnetischen Signaturen zu verringern, waren in der Vergangenheit die meisten Minensuchboote aus Holz gebaut. Diese Bauweise war sehr aufwändig, und als Alternative entwickelten viele Marinen Boote aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Die deutsche Marine entschied sich statt dessen für nicht magnetisierbaren Stahl, der widerstandsfähiger gegen das in der Ostsee im Winter zu erwartende Eis ist. Außerdem verfügte die deutsche Werftindustrie über Erfahrung mit diesem Material aus dem U-Boot-Bau.

Bei gleicher Rumpfform und Maschinenanlage haben die Boote folgende Daten gemeinsam:

  • Länge: 54,4 m
  • Breite: 9,2 m
  • Tiefgang: 2,5 m
  • Verdrängung: ca. 600 ts
  • Antrieb: 2 Dieselmotoren je 2040 kW
  • Geschwindigkeit: 18 kn

Schnelle Minensuchboote Hameln-Klasse (Klasse 343)

Das Typschiff Hameln während der Kieler Woche 2007

Als erste Boote des Einheitstyps wurden die 10 Boote der Hameln-Klasse gebaut. Ihre Hauptaufgabe war das Minenlegen unter Bedrohung. Deshalb war die ursprüngliche Bezeichnung Minenkampfboote, später wurden sie als Schnelle Minensuchboote klassifiziert. Als erstes Boot wurde die Hameln 1989 in Dienst gestellt.

Die Boote konnten 60 Minen verschiedener Typen laden im Vergleich zu 30 Minen auf den Vorgängerbooten der Klassen 340/341. Außerdem erhielten die Boote ein mechanisches Räumgeschirr, akustische Räumbojen, und sie waren in der Lage, magnetische Hohlstäbe zu schleppen. Zur Ausrüstung gehörte außerdem einen Minenmeidesonar.

Zum Eigenschutz erhielten sie zwei 40mm-Fla-Geschütze, die von einem Feuerleitradar geführt werden konnten. Für den taktischen Datenaustausch mit Schnellbooten, die zum Schutz der Minenlegeoperationen vorgesehen waren, kam das auf dem Link 11-Verfahren beruhende Lagedarstellungssystem PALIS an Bord. Damit verfügten die Boote über eine für den Schiffstyp beachtliche Ausstattung an Führungsmitteln und Überwasserwaffen. Mit dieser Ausrüstung bewährten sie sich bereits kurz nach ihrer Indienststellung während der Anfangsphase der Operation Südflanke 1990-91 im Mittelmeer.

Nach Ende des Ost-West-Konflikts verlor die Aufgabe des Minenlegens an Bedeutung. Deshalb wurden alle 10 Boote umgebaut und umgewidmet. Je fünf Boote wurden zu Minenjagdbooten der Kulmbach-Klasse und zu Hohlstablenkbooten der Ensdorf-Klasse umgebaut.[1] Damit hat die Klasse 343 aufgehört zu existieren.

Minenjagdboote Frankenthal-Klasse (Klasse 332)

Minenjagddrohne Pinguin

Als Ersatz für die 12 Minenjagdboote der Lindau-Klasse (Klasse 331) waren zunächst 10 Minenjagdboote der neuen Frankenthal-Klasse vorgesehen, später wurden zwei weitere bestellt. Als erstes Boot wurde Frankenthal 1992 in Dienst gestellt. Diese Boote erhielten eine moderne Minenjagdausrüstung mit einem Minenjagdsonar und Unterwasserdrohnen des Typs Pinguin. Die Boote führen Minentaucher und die für deren Einsatz benötigte Ausstattung mit.

Minenjagdboot "Grömitz", Klasse 332

Die Überwasserbewaffnung ist einfacher als bei der Hameln-Klasse und besteht aus einem optisch gerichteten 40mm-Geschütz und Fliegerfaustständen. Link 11 und Feuerleitradar sind nicht vorhanden.

Von den 12 Booten sind Ende 2005 zwei außer Dienst gestellt und an die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft worden. Vier Boote werden künftig als Wachboote für die Marineschutzkräfte verwendet (s.u.), ein Boot wird zum Minentaucherboot umgebaut. Die übrigen fünf Boote bleiben als Minenjagdboote im Dienst.

Minenjagdboote Kulmbach-Klasse (Klasse 333)

Minensucher der Kulmbach Klasse

Die fünf Minenjagdboote der Kulmbach-Klasse sind durch Umbau von Schnellen Minensuchbooten der Hameln-Klasse entstanden. Bei diesem Umbau blieb die Überwasserbewaffnung erhalten, anstelle der Minenräumausrüstung kam eine gegenüber der Frankenthal-Klasse modernisierte Minenjagdausrüstung an Bord. Die Boote verfügen unter anderem über Unterwasserdrohnen des Typs Seefuchs, die mit einer Videokamera und einem Sonargerät ausgerüstet sind. Es gibt Drohnen ohne Sprengladung zur reinen Identifikation des Zieles und Drohnen mit Sprengladung. Letztere werden ins Ziel gelenkt um es durch Detonation zu zerstören.

Minensuchboote Ensdorf-Klasse (Klasse 352)

Hohlstabfernräumgerät Typ Seehund

Die fünf auch als Hohlstablenkboote bezeichneten Minensuchboote der Ensdorf-Klasse (Klasse 352) sind ebenfalls durch Umbau von schnellen Minensuchbooten der Hameln-Klasse entstanden und ersetzen sechs Hohlstablenkboote der Lindau-Klasse (Klasse 351). Ihre Aufgabe ist es, unbemannte Räumboote fernzulenken. Diese Fahrzeuge vom Typ Seehund mit einer Wasserverdrängung von 98 Tonnen bestehen im wesentlichen aus einer in den Rumpf integrierten magnetischen Spule für das Räumen von Magnetminen, daher die Bezeichnung Hohlstab. Außerdem führen sie eine Geräuschboje zum Räumen von akustischen Minen mit. Je drei bis vier Seehunde werden von einem Hohlstablenkboot gesteuert.

Die Boote der Ensdorf-Klasse haben die Überwasserbewaffnung (zwei 40 mm Geschütze und zwei Stinger-Fliegerfäuste) und Räumausstattung der Hameln-Klasse beibehalten. Sie verfügen außerdem über die Minenjagddrohne Seefuchs.

Boote der Marineschutzkräfte

Vier Boote der Frankenthal-Klasse werden als Wachboote für die Sicherung von Marineeinrichtungen im Inland und in Einsatzgebieten umgebaut und den Marineschutzkräften zugeordnet. In welchem Umfang diese Boote umgebaut werden, steht noch nicht fest.

Verweise

Interne Verweise

Einzelnachweise

  1. Peter Grundmann; Umrüstung von Minensuchbooten; in: Marineforum 4-1996, S. 12ff

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