Erfolgshaftung

Erfolgshaftung

Gefährdungshaftung ist eine Haftung für Schäden, welche sich aus einer erlaubten Gefahr (z. B. Betrieb einer gefährlichen Einrichtung, Halten eines Hundes) ergeben.

Im Unterschied zur Haftpflicht wegen unerlaubter Handlung kommt es auf die Widerrechtlichkeit der Handlung oder ein Verschulden des Schädigers nicht an. Die Gefährdungshaftung darf nicht mit der deliktischen Haftung für vermutetes Verschulden (z. B. Haftung des Fahrzeugführers nach § 18 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz oder Haftung für nützliche Haustiere nach § 833 Satz 2 BGB) oder mit der Haftpflicht für fremdes Verschulden (z. B. Haftung des Schuldners für den Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB oder Haftung des Fabrikinhabers nach § 3 Haftpflichtgesetz) verwechselt werden. Durch die Haftung für vermutetes Verschulden wird der Geschädigte lediglich von der Pflicht befreit, ein Verschulden des Schädigers nachzuweisen. Bei der Haftung für fremdes Verschulden wird einer Person, die sich selbst rechtmäßig verhalten hat, die schuldhafte pflichtwidrige Handlung eines anderen zugerechnet.

Inhaltsverzeichnis

Grundgedanke

Die Gesellschaft erlaubt bestimmte Verhaltensweisen trotz ihrer Gefährlichkeit auf Grund ihrer sozialen Nützlichkeit (sozialadäquates Verhalten). Wer z. B. an dem Straßenverkehr teilnimmt, ein Kernkraftwerk betreibt, eine Eisenbahngesellschaft unterhält oder Produkte in den Verkehr bringt, tut nichts Unrechtes, obwohl er weiß, dass sein Verhalten unter Umständen gefährlich werden kann. Sein Verhalten ist gesellschaftlich erwünscht. Der Grundgedanke der Gefährdungshaftung liegt darin, dass derjenige, der Nutzen aus abstrakt gefährlichen Handlungen zieht, welche die Gesellschaft für nützlich erachtet und daher erlaubt, auch für die Schäden einstehen soll, die sich aus der gefährlichen Handlung ergeben. Weil die Gefährdungshaftung nur Schäden erfassen soll, die sich aus dem eigentümlichen Risiko der gefährlichen Handlung ergeben, ist die Haftung für Schäden, für welche die gefährliche Handlung zwar (mit)ursächlich ist, aber nicht die spezifische Gefahr der Handlung betrifft (z. B. betriebsfremde Gefahren, höhere Gewalt) ausgeschlossen. Um die betriebsspezifische Gefahr zu ermitteln, ist eine wertende Betrachtung in Ansehung des Schutzzwecks der Norm vorzunehmen. Die Gefährdungshaftung ist Ausfluss der verteilenden Gerechtigkeit (ius distributiva), in dem sie Risikosphären zuweist: ihr liegt das ethische Prinzip „wem die Vorteile gebühren, der soll auch die Nachteile tragen“ zugrunde. Um die Versicherbarkeit von Risiken zu ermöglichen, sind in der Regel Haftungshöchstgrenzen festgesetzt worden.

Deutschland

Haftungstatbestände

Bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unterschied man noch nicht klar zwischen Haftpflicht für unerlaubte Handlungen und Haftpflicht für rechtmäßiges Verhalten. Deshalb steht die Tierhalterhaftung (§ 833 BGB), die für Luxustiere eine Gefährdungshaftung begründet, rechtssystematisch falsch unter dem Titel 27 für unerlaubte Handlungen. Das gleiche galt für die frühere, durch das Reichsjagdgesetz vom 3. Juli 1934 abgelöste Haftpflicht für Wildschäden nach § 835 BGB a.F..

Die wichtigsten Gefährdungshaftungstatbestände, die zur Zeit des Inkrafttretens des BGB reichsrechtlich bereits in Kraft waren, sind die Haftung für Tötung, Körper- oder Gesundheitsschäden aus dem Betrieb einer Eisenbahn nach § 1 Haftpflichtgesetz und die Haftung für Tod, Verletzung von Gesundheit, Körper oder einer Sache durch Strom, Gase, Dämpfe oder Flüssigkeit, welche durch Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlagen geführt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Haftpflichtgesetz).

Fahrzeughalterhaftung

Von besonderer praktischer Relevanz ist heute die Haftung des Fahrzeughalters nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz für Tod, Körper-, Gesundheits- oder Sachschäden, die sich aus dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG ergeben. Der Halter eines Fahrzeugs haftet für sämtliche Personen- und Sachschäden, die bei dem Betrieb (gemeint ist durch den Betrieb, also nicht nur bei Gelegenheit des Betriebs) entstanden sind. Betriebsfremde Gefahren sollen, auch wenn sie durch den Betrieb des Fahrzeugs mitentstanden sind, nach dem Schutzzweck der Norm (normativer Betriebsbegriff) nicht erfasst werden. Deshalb schließt § 7 Abs. 2 StVG die Haftung des Halters für Schäden aus höherer Gewalt aus. Bestandteil der betriebsspezifischen Gefahr sind nach herrschender Meinung (BGHZ 29, 163) hingegen auch Risiken, die von einem ruhenden Fahrzeug ausgehen, das im öffentlichen Verkehrraum auf verkehrsbeeinflussende Weise ruht. Damit für die Kfz-Haftpflichtversicherer die Haftungsfälle kalkulierbar bleiben, ist bei einem Personenschaden die Haftung auf einen Kapitalbetrag von 600.000 € bzw. auf einen Rentenbetrag von jährlich 36.000 € begrenzt. Bei einem Personenschaden an mehreren Personen ist die Haftung bei 3.000.000 € Kapitalbetrag bzw. 180.000 € jährlichen Rentenbetrag gedeckelt.

Andere Gefährdungshaftungstatbestände

Bedeutend ist auch die Haftung des Herstellers für Tod, Gesundheits-, Körper- oder Sachschäden wegen eines Produktfehlers nach § 1 Produkthaftungsgesetz. Der Inhaber einer Anlage haftet nach § 1 Umwelthaftungsgesetz für den Tod, Körper-, Gesundheits- oder Sachschäden, die von Umwelteinwirkungen, die durch diese Anlage abgegeben werden. Eine Gefährdungshaftung findet auch für Schäden beim Betrieb von Kernanlagen, Flugzeugen, bei der Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut, bei bislang unbekannten unerwünschten Wirkungen von Arzneimitteln usw. statt.

Mehrere Schädiger

Schädigen mehrere Personen einen anderen, so haften alle Schädiger gesamtschuldnerisch (§ 830, § 840, § 421 BGB). D. h. der Geschädigte kann sich in Höhe des vollen Betrags an einem einzigen Schädiger schadlos halten, der dann bei den anderen Regress nehmen berechtigt ist. Hier stellt sich das Problem, ob sich die Höhe des Regresses nach Kopfzahl der Schädiger oder nach ihrem Verursachungsbeitrag richtet. Problematisch ist auch, wenn nicht alle Schädiger wegen Gefährdung haften, sondern ein Teil wegen unerlaubter Handlung in Anspruch genommen wird. Sind diejenigen, welche auf Grund erlaubten Verhaltens Schäden verursacht haben denjenigen, welche auf Grund verbotenen Handelns andere geschädigt haben, gleichzustellen? Oder tritt die Haftung wegen erlaubten Verhaltens hinter die Haftung wegen unerlaubten Verhaltens zurück? Bemisst sich die Höhe des Regresses bei einem deliktischen Schädiger auch nach dessen Verursachungsbeitrag oder ist sein Grad an Verschulden mit einzubeziehen?

Im deutschen Recht richtet sich die Höhe des Regresses im Innenverhältnis nach heute herrschender Meinung nach Verursachungsbeitrag (§ 17 Abs. 1 StVG, § 254 Abs. 1 BGB analog). Hilfsweise kann beim deliktisch Handelnden ein besonderes Maß an Verschulden seine Haftung im Innenverhältnis abweichend vom Verursachungsanteil regeln. Bei der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Kraftfahrzeughalter tritt die Besonderheit auf, dass im Innenverhältnis derjenige nicht haftet, für den der Unfall ein unabwendbares Ereignis war. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Haftung aus erlaubten Risiko und Haftung aus unerlaubter Handlung, tritt die Haftung des Halters eines Luxustieres gegenüber deliktischen Schädiger immer zurück. Diese Regel lässt sich nach umstrittener Meinung aber nicht auf andere Gefährdungshaftungstatbestände ausweiten.

Österreich

In ähnlicher Weise ist auch in Österreich etwa die Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs oder des Betriebsunternehmers einer Eisenbahn oder Seilbahn (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz), des Inhabers einer Energieanlage (Reichshaftpflichtgesetz), einer Atomanlage (Atomhaftungsgesetz) oder eines Flugzeuges (Bestimmungen im Luftfahrtgesetz) geregelt. Eine österreichische Besonderheit ist die Zulässigkeit der Analogie bei Gefährdungshaftung.

Schweiz

Eine ähnliche Haftung gibt es auch in der Schweiz unter der Bezeichnung Kausalhaftung, auch Gefährdungs- oder Gesetzeshaftung genannt. Sie steht in Bezug zum Treuhänder. Sinngemäß kann im schweizerischen Obligationenrecht jede Person als Treuhänder bezeichnet werden, die stellvertretend für einen Auftraggeber handelt. Diese Sichtweise findet beispielsweise in den Verbandsnormen der Bauwirtschaft ihren Niederschlag. Als Treuhänder gilt ein Architekt oder Ingenieur, der als Stellvertreter des Bauherrn auftritt und dessen Interessen wahrnimmt. Im Schadensfall hat dies Konsequenzen für den Schadenersatz. Alle am Bau beteiligten Parteien, also Planer und Unternehmer, haften solidarisch. Weist der Bauherr einen Schaden nach, so kann er diesen im Aussenverhältnis von einem Solidarhaftpflichtigen seiner Wahl ganz oder teilweise einfordern. Im Innenverhältnis tritt somit die Regressordnung (Art. 51 Vorlage:Art./Wartung/ch-Suche Abs 2 OR) in Kraft, die auch für Haftpflichtversicherungen relevant ist. Diese besagt, dass der Schaden in erster Linie durch denjenigen zu tragen ist, der ihn durch eigenes Verschulden verursacht hat. Kann die fehlerhafte Handlung, z. B. eines Bauarbeiters oder Monteurs, nicht nachgewiesen werden, wird als zweites geprüft, ob der Schaden durch die Garantiehaftung eines oder mehrerer Unternehmer abgedeckt ist. Ist dies nicht der Fall, kommt die Gefährdungshaftung der Planer (Treuhänder) zum Tragen. Um einen Planer haftbar zu machen, sind ein Verschulden oder eine entsprechende Vorschrift, sowie ein kausaler Zusammenhang mit dem Schaden die Voraussetzung. Fällt auch die Planung, einschließlich der Abmahnungspflicht der Unternehmer, als haftungsbegründende Ursache weg, teilt der Richter den Schaden unter den Solidarhaftpflichtigen nach seinem Ermessen auf. Die Beweislast liegt also erstellerseitig bei den am Bau beteiligten Parteien. Dies soll verhindern, dass der Bauherr zum Opfer eines „Schwarzpeterspiels“ wird.

Siehe auch

Deliktsrecht, Schadenersatz, Produkthaftung, Werkvertrag, Gesamtschuld

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