Air-Transat-Flug 236

Air-Transat-Flug 236
Air-Transat-Flug 236
Air Transat A332 C-GITS.jpg

Air Transat Airbus A330-200 C-GITS

Zusammenfassung
Datum 24. August 2001
Typ Notlandung wegen Kerosinmangels
Ort Lajes Field, Terceira, Azoren
Getötete 0
Verletzte 18
Flugzeug
Flugzeugtyp Airbus A330
Fluggesellschaft Air Transat
Kennzeichen C-GITS
Abflughafen Toronto Pearson International Airport
Zielflughafen Lissabon-Portela
Passagiere 293
Besatzung 13
Überlebende 306 (alle)

Flug 236 ist ein Linienflug der Air Transat von Toronto in Kanada nach Lissabon in Portugal. Am 24. August 2001 ging einem auf diesem Flug eingesetzten Airbus A330-200 mit 293 Passagieren und 13 Besatzungsmitgliedern an Bord über dem Atlantik auf Grund eines Lecks der Treibstoff aus. Dem Flugkapitän Robert Piché und seinem Copiloten Dirk De Jager gelang der längste Gleitflug eines Strahlflugzeugs in der Geschichte der Luftfahrt und die anschließende Notlandung auf dem Militärflugplatz Lajes Field auf der Azoreninsel Terceira.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf des Zwischenfalls

Flug TS 236 hob am 24. August 2001 um 0:52 Uhr UTC (Ortszeit 23. August 2001 20:52 Uhr EDT), vom Flughafen Toronto ab. Durchgeführt wurde der Flug mit einem Airbus A330-200 mit der Kennung C-GITS, Baujahr 1999, der für 362 Passagiere ausgelegt und im April 1999 in Dienst gestellt worden war. Zum Abflugzeitpunkt war das Flugzeug mit 47.900 kg Kerosin betankt.

Um 4:38 Uhr UTC, nach etwa vier Stunden Flugzeit, trat am rechten Triebwerk ein Treibstoffleck auf. Im Cockpit wurde daraufhin ein akustischer Alarm ausgelöst. Dieser deutete jedoch nicht primär auf ein Treibstoffleck hin und wurde zuerst von Pilot und Copilot als Fehlalarm gedeutet. Erst als der Alarm dauerhaft auftrat, entschloss sich der Captain, den Flug zum Luftwaffenstützpunkt Lajes auf den westlichen Azoren umzuleiten. Als ihnen ein Ungleichgewicht bei der Verteilung des Kraftstoffs zwischen den Tanks in der rechten Tragfläche und der linken Tragfläche auffiel, versuchten sie, dies durch Umpumpen zu beheben. Dies beschleunigte jedoch nur den Verlust an Kraftstoff.

Um 6:13 Uhr UTC, 28 Minuten nach Verlassen des Kurses in Richtung Azoren, ging Triebwerk Nummer 2 (auf der rechten Seite) der Kraftstoff aus. Daraufhin wurde die Leistung von Triebwerk Nummer 1 auf Volllast erhöht. Da die Leistung eines Triebwerks jedoch zum Halten der Reiseflughöhe nicht ausreicht, wurde ein Sinkflug auf 30.000 ft (ca. 9.100 m) eingeleitet. Weitere 13 Minuten später kam auch Triebwerk Nummer 1 wegen Kerosinmangel zum Stillstand. So musste etwa 15 Minuten, nachdem Flug 236 eine Luftnotlage erklärt hatte, der Gleitflug eingeleitet werden.

Sämtliche Airbus-Flugzeuge ab der A320-Familie sind mit einer Fly-by-Wire-Steuerung ausgestattet. Durch den Ausfall aller Triebwerke würde ein Flugzeug Vortrieb und Stromversorgung verlieren. Es ist daher erforderlich, dass selbst im Falle eines Ausfalls aller Triebwerke ein Flugzeug noch mit ausreichend elektrischer Energie versorgt wird, um wesentliche Komponenten der Hydraulik und der elektrischen Systeme mit Strom zu versorgen. Diese Notversorgung wird von einer Staudruckturbine gewährleistet.

Während der Pilot das Flugzeug steuerte, behielt der Copilot die Sinkrate im Auge, die bei etwa 2.000 Fuß/Minute (ca. 10 m/s) lag. Daraus ergab sich ein Gleitflug von etwa 15 bis 20 Minuten Dauer, bevor die Piloten eine Notwasserung hätten durchführen müssen. Die Höhe war jedoch ausreichend, um den Flughafen zu erreichen. Es gelang der Crew, das Flugzeug auf die Landebahn 15/33 auszurichten. Die Geschwindigkeit war jedoch höher als üblich, da wegen der eingeschränkten Funktion der Hydraulik keine Störklappen oder Auftriebshilfen gesetzt werden konnten.

Um 6:46 Uhr UTC, 20 Minuten nach dem völligen Triebwerksausfall, gelang es den Piloten, den Airbus A330 aufzusetzen. Die Landegeschwindigkeit betrug dabei etwa 200 Knoten (ca. 370 km/h). Da für das Abbremsen nach dem Aufsetzen nur noch das Notbremssystem (ohne Antiblockiersystem) zu Verfügung stand, platzten alle Hauptfahrwerksreifen. Dennoch kam das Flugzeug in der Mitte der Landebahn zum Stehen. Beim Verlassen des Flugzeugs über die Notrutschen wurden 16 Passagiere und zwei Besatzungsmitglieder verletzt. Der glückliche Ausgang war auch dadurch bedingt, dass der Flug auf einer südlicheren Atlantikroute durchgeführt wurde, die näher an den Azoren vorbeiführte.

Während des antriebslosen Flugs wurden etwa 120 km zurückgelegt, das ist der längste Gleitflug eines Strahlflugzeugs in der Geschichte der Luftfahrt. Das Flugzeug mit der Kennung C-GITS und der Seriennummer 271 ist noch immer für Air Transat im Einsatz.

Auflistung der Ereignisse
UTC Ereignis
00:52 Abflug in Toronto.
04:38 Beginn des Treibstoffverlusts
05:04 Ungewöhnliche Anzeige der Öltemperatur von Triebwerk Nr. 2. Danach folgte ein reges Funkgespräch mit der Basis der Airline via HF-Kommunikation, welches die Aufmerksamkeit der Cockpitbesatzung beeinträchtigte.
05:33 Meldung "TRIM TANK XFRD" wird auf dem ECAM-Display angezeigt. Dies besagt, dass der Treibstoff erfolgreich vom Trim Tank zu den Flügeltanks transferiert wurde. Dies erfolgte aber viel zu früh, was die Cockpitbesatzung auch bemerkte.
05:34 ECAM Fuel Page wurde selektiert. Darauf wurde eine sogenannte "Fuel Imbalance" zwischen der rechten und der linken Tragfläche festgestellt.
05:36 Die Besatzung führt ein "Fuel Crossfeed" durch. Dabei wird ein (oder mehrere) Triebwerk(e) aus dem Tank der gegenüberliegenden Tragfläche versorgt.
05:45 Von der Besatzung wird die Entscheidung getroffen, den Flug nach Lajes umzuleiten.
06:02 Die Kabinenbesatzung bereitet die Flugpassagiere für eine Notwasserung vor.
06:13 Triebwerk Nr. 2 fällt auf einer Flughöhe von 39.000 Fuß aus.
06:26 Auch Triebwerk Nr. 1 fällt auf einer Flughöhe von 34.500 Fuß wegen Treibstoffmangels aus.
06:45 Der Airbus A330 landet auf der Landebahn 33 in Lajes.

Ursachenermittlung

Die Ermittlungen ergaben, dass bei Wartungsarbeiten der Air Transat ein falsches Ersatzteil in der Hydraulik installiert worden war. Vibrationen in der Hydraulikleitung führten zu schwingungsbedingtem Abrieb an der Kraftstoffleitung, so dass die Leitung schließlich brach und eine Leckage entstand. Der zuständige Wartungstechniker hatte seinem Vorarbeiter gemeldet, dass es ein Problem mit dem Teil gebe und es nicht passen würde. Der Vorarbeiter hatte jedoch auf den Einbau des nicht vorschriftsmäßigen Ersatzteiles bestanden, anstatt auf das richtige Teil zu warten. Air Transat übernahm die Verantwortung für das Unglück. Die kanadische Regierung verhängte daraufhin eine Geldstrafe in Höhe von 250.000 kanadischen Dollar.

Da das Flugzeug auf einem Flugplatz sicher landete, nur wenige Passagiere verletzt wurden und das Flugzeug nur geringe Beschädigungen aufwies, wurden die Piloten von den kanadischen Medien wie Helden empfangen. Der Untersuchungsbericht kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kraftstoff bis zur Landung gereicht hätte, wenn die Piloten die für den Fall eines Treibstofflecks vorgesehenen Verfahren durchgeführt hätten.[1]

Der Vorfall führte dazu, dass DGAC und FAA eine Lufttüchtigkeitsanweisung herausgaben,[2] die allen Betreibern von Luftfahrzeugen des Typs Airbus A330 zur Auflage machte, das Handbuch (Airplane Flight Manual) zu ändern. Die Änderung verlangte, dass die Piloten bei auftretendem Ungleichgewicht vor einem Öffnen der Ausgleichsventile prüfen sollen, ob ein Treibstoffleck als Ursache in Frage kommt. Diese Anweisung musste binnen 15 Tagen umgesetzt werden. Die französische Luftfahrtbehörde verlangte sogar die Änderung des Handbuchs vor dem nächsten Start der betroffenen Flugzeugmuster.

Piché und De Jager wurden für ihre fliegerische Leistung und das Retten der Menschenleben 2005 mit dem Superior Airmanship Award ausgezeichnet.

Der Zwischenfall in den Medien

Auf Grundlage dieses Zwischenfalls wurde eine Dokumentation gedreht, welche im Rahmen der Reihe Mayday – Alarm im Cockpit Air Crash Investigation unter dem deutschen Titel "Mit leeren Tanks" von Discovery Channel und National Geographic Channel ausgestrahlt wurde. MSNBC berichtete in einer Reportage über den Zwischenfall ("A Wing and A Prayer").

Ähnliche Zwischenfälle

Quellen

  1. Accident Investigation Final Report, S. 63
  2. http://www.airweb.faa.gov/Regulatory_and_Guidance_Library/rgad.nsf/0/3b2d4350048640a0862570e4006843e4!OpenDocument

Weblinks


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