Eristik (Kunstgriffe)

Eristik (Kunstgriffe)
Dieser Artikel erläutert die 38 von Arthur Schopenhauer zusätzlich verfassten Kunstgriffe der Eristischen Dialektik. Grundlegende Informationen siehe unter Eristische Dialektik.
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Die Kunstgriffe des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer (1788–1860) sind rhetorische Tricks, die den Leser befähigen sollen, in einer Rede, einer Diskussion oder Debatte per fas et nefas (im Fall, dass man Recht hat ebenso wie im Fall, dass man nicht Recht hat) zu bestehen. Die Kunstgriffe wurden von Schopenhauer in 38 Abschnitte gegliedert und durchnummeriert.

Schopenhauer hat die Eristische Dialektik und die 38 Kunstgriffe selbst nie veröffentlicht. Sie wurden erst 1864 durch Julius Frauenstädt aus Schopenhauers Nachlass publiziert. Die Eristische Dialektik trägt den Untertitel Die Kunst, Recht zu behalten und behandelt die seit der Antike verwendeten philosophischen Grundbegriffe der Eristik (Lehre vom Streitgespräch) und der Dialektik (Kunst der Unterredung).

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Anmerkung

Die hier vorgestellten 38 Kunstgriffe Schopenhauers wurden aus seinem Manuskript in Anzahl, Kernaussage und Titel übernommen. Sie wurden sprachlich etwas vereinfacht, behutsam modernisiert und soweit möglich durch Beispiele ergänzt, wobei nicht geläufige Fachbegriffe gelegentlich im Text erläutert werden. Die Auflistung dieser „Tipps“ ist nicht verbindlich für den Erfolg einer guten Argumentation, sie bedingen sich nicht gegenseitig und folgen auch nicht notwendigerweise auseinander.

Struktur der Eristischen Dialektik nach Schopenhauer

Struktur der Eristischen Dialektik nach Schopenhauer

Die Grafik zeigt das Wesentliche einer jeden Disputation, wie das philosophische, nach dem Modell der Scholastik geformte Streitgespräch auch heißt, im Verlauf von links nach rechts. Zunächst steht eine These im Raum, die von einem der beiden oder mehreren Beteiligten aufgestellt wurde. Von dieser ausgehend meint Schopenhauer, gäbe es zwei Modi, vor dem Hintergrund diese zu widerlegen. Zum einem ad rem und zum anderen ad hominem, also auf die Sache, also den diskussionsgegenstand, oder aber auf den Diskussionsgegner bezogen.

Davon unabhängig kann der folgenden Angriff nun These oder Folgerung betreffen, wobei eine widerlegte These natürlich mehr gewichtet würde, aber auch durch Falsifizierung, also Verfälschung der Schlussfolgerung sei das Ziel zu erreichen, in der Diskussion zu „gewinnen“. Im Detail meint er, könne man direkte Beweise der Art führen, dass entweder Gründe der Behauptung im Mittelpunkt des Angriffs stehen oder aber die Konsequenz, also der Schluss aus der These. Auch hier wäre es günstiger, die Grundaussage anzugehen sonst muss man mit der falschen Logik der These argumentieren.

Ein indirekter Angriff erfolgt über Apagoge, d. h. man nimmt eine beliebig geeignete wahre Aussage, die nicht unbedingt ein logisches Gefüge bilden muss, und verbindet diese mit der Hauptaussage der These, sodass aus ihnen etwas Falsches folgt. Dies sei unser Beweis, da aus etwas Wahrem nie etwas Falsches folgen kann. Oder man bedient sich der sog. Instanz, das heißt, man zeigt, dass die allgemeine Hauptaussage der These auf ein beliebigen speziellen Fall nicht anwendbar ist, weil dieses hierarchische Instanzen-System, das alle von einer Kernaussage abhängigen Spezialfälle enthält, die zur Debatte stehende eben gerade nicht enthält. Somit wäre die These auch als falsch entlarvt.

Diesen strukturellen Verlauf bezeichnet Schopenhauer aber lediglich als „Gerüst“ einer Disputation. Man geht davon aus, dass durch den ständigen Schlagabtausch (Actio und reactio) zwischen den Teilnehmern immer wieder zwischen einzelnen Elementen hin und her gesprungen wird, ja dass man selbst seinem Standpunkt nicht fix vertritt und auch zu Beginn den Argumenten objektiv keinen Wahrheitswert zuordnen kann.
Man vergesse bei all dem nie, dass der Streit das Ziel hat, Recht zu haben und nicht, die Wahrheit zu finden.

Die 38 Kunstgriffe der Eristischen Dialektik nach Schopenhauer

Kunstgriff 1 (Erweiterung)

Die Behauptung des Gegners muss erweitert und verallgemeinert werden. Man kann sie auch etwas übertreiben und universalisieren. Nun ist die Aussage mehr Angriffen ausgesetzt, denn allgemein oder gar für „alles“ kann eine Aussage nur selten als wahr oder richtig gelten.

Den eigenen Standpunkt hingegen versucht man also möglichst knapp und präzise zu formulieren (von Schopenhauer status controversiae/puncti controversiae genannt, also Allgemeine, generalisierte Situation versus Aufzählung von Einzelpunkten die praktisch einschränkende Bedingungen darstellen).

  • Beispiel:

A: In einer freien Enzyklopädie sind alle willkommen.

B: Du sagst also, dass (auch) Vandalen, Trolle, Werbe-Spammer und ewige Störenfriede oder lernunwillige Dilettanten hier willkommen sind?

A: Nein, ich meinte eher, dass in der deutschen Version der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia alle diejenigen willkommen sind, die guten Willens etwas dazu beitragen wollen und sich an die Grundprinzipien [1] halten, z. B. mutig und freundlich, aber auch mal grausam zu sein.

Kunstgriff 2 (Homonymie)

Homonymie benutzen, um die vom Gegner aufgestellte Behauptung übermäßig auf das auszudehnen, was außer dem Wort nichts mit der Sache gemein hat; dies dann „lukulent“ (meint: lichtvoll, klar) widerlegen und sich das Ansehen geben, man habe die Sache widerlegt. A. Sie sind noch nicht eingeweiht in die Mysterien der Kantischen Philosophie. B. Ach, wo Mysterien sind, davon will ich nichts wissen.

Anmerkung: Synonyma sind zwei Worte für denselben Begriff: – Homonyma sind zwei Begriffe, die durch dasselbe Wort bezeichnet werden (siehe Aristoteles). Tief, Schneidend, Hoch, bald von Körpern bald von Tönen gebraucht sind Homonyma. Ehrlich und Redlich Synonyma.

Man kann diesen Kunstgriff als identisch mit dem Sophisma ex homonymia (Trugschluss, der der Tatsache entstammt, dass ein Wort verschieden Bedeutungen haben kann, z.B. Tau = Seil und feuchter Niederschlag) betrachten: jedoch das offenbare Sophisma der Homonymie wird nicht im Ernst täuschen. Man betrachte das Beispiel:

  • Omne lumen potest extingui
  • Intellectus est lumen
  • Intellectus potest estingui
    • Alles Licht kann ausgelöscht werden.
    • Der Verstand ist ein Licht.
    • Der Verstand kann ausgelöscht werden.

Dass hier Licht (lumen) im eigentlichen Sinn und Licht (lumen) bildlich gebraucht wird, erkennt man leicht. Aber bei schwierigeren Fällen ist Täuschung leicht möglich, besonders, wenn die Begriffe, die durch denselben Ausdruck bezeichnet werden, verwandt sind und ineinander übergehen.

  • Kurz: Die vom Gegner aufgestellte Behauptung übermäßig auf das ausdehnen, was außer dem Wort nichts mit der Sache gemein hat; dies dann widerlegen und sich selbst den Anschein geben, als habe man die Sache widerlegt. Das kann auch ironisch genutzt werden (und wird es häufig).
  • Beispiel:

A. Ein Tau ist ganz praktisch, um die Leute zu disziplinieren.
B. Weil ihnen dann der Tau aus den Augen rinnt nennt man das auch Tauwetter.

Kunstgriff 3 (Behauptung als absolut nehmen)

Die Behauptung des Gegners, welche nur beziehungsweise und relativ aufgestellt ist, so nehmen, als sei sie allgemein und absolut aufgestellt oder wenigstens sie in einer ganz anderen Beziehung auffassen als vom Gegner gemeint, um sie dann in diesem Sinn zu widerlegen. Des Aristoteles Beispiel ist: der Mohr ist schwarz, hinsichtlich der Zähne aber weiß; also ist er schwarz und nicht schwarz zugleich. – Das ist ein ersonnenes Beispiel, das niemand im Ernst täuschen wird.

  • Kurz: Relative Behauptung absolut oder in sonst einem anderen Sinne nehmen und dann widerlegen; wahre Prämissen nicht zugeben, weil man die Konsequenz vorhersieht.
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Die ersten drei Kunstgriffe sind verwandt: sie haben dies gemein: dass der Gegner eigentlich von etwas anderem redet als aufgestellt worden ist; man beginge also eine ignoratio elenchi (frei übersetzt: eine Fehlerquelle übersehen), wenn man sich dadurch abfertigen ließe. – Denn in allen aufgestellten Beispielen ist, was der Gegner sagt, wahr: es steht aber nicht in wirklichem Widerspruch zu der These, sondern nur in scheinbarem; also negiert der von ihm Angegriffene die Konsequenz seines Schlusses: nämlich den Schluss von der Wahrheit seines Satzes auf die Falschheit des unsrigen. Es ist also die direkte Widerlegung seiner Widerlegung per negationem consequentiae (Konsequenz leugnen).

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Kunstgriff 4 (Spiel verdecken)

Wenn man einen Schluss machen will, so lasse man denselben nicht vorhersehen, sondern lasse sich möglichst unbemerkt die Prämissen einzeln und zerstreut im Gespräch zugeben, sonst wird der Gegner allerhand Schikanen versuchen. Oder, wenn zweifelhaft ist, dass der Gegner sie zugebe, so stelle man die Prämissen dieser Prämissen auf, mache Prosyllogismen, lasse sich die Prämissen mehrerer solcher Prosyllogismen ohne Ordnung durcheinander zugeben, sein Spiel verdecken, bis alles zugestanden ist, was man braucht. Führe also die Sache von Weitem herbei.

  • Kurz: Sein Verfahren tarnen: Prämissen unsystematisch einstreuen, Prosyllogismen machen, also Schlußfolgerungen einstreuen, die wiederum Behauptungen (Prämissen) scheinbar bestätigen, bis alles zugestanden ist, dann erst die Konsequenz ziehen. (Modern: Argumente-Hopping)

Kunstgriff 5 (falsche Vordersätze gebrauchen)

Man kann zum Beweis seines Satzes auch falsche Vordersätze (also Prämissen) gebrauchen, wenn nämlich der Gegner die wahren nicht zugeben würde, entweder weil er ihre Wahrheit nicht einsieht, oder weil er sieht, dass die These sogleich daraus folgen würde: dann nehme man Sätze, die an sich falsch, aber ad hominem wahr sind, und argumentiere aus der Denkungsart des Gegners ex concessis (als Zugeständnis an ihn, obwohl man das Argument nicht teilt). Denn das Wahre kann auch aus falschen Prämissen folgen: wiewohl nie das Falsche aus wahren. Ebenso kann man falsche Sätze des Gegners durch andere falsche Sätze widerlegen, die er aber für wahr hält: denn man hat es mit ihm zu tun und muss seine Denkungsart gebrauchen. Wenn er z. B. Anhänger irgend einer Sekte ist, der wir nicht zustimmen, so können wir gegen ihn die Aussprüche dieser Sekte als principia gebrauchen (sie also gegen ihn wenden, obwohl wir sie nicht billigen würden).

  • Kurz: Unbekümmert auch falsche Vordersätze nehmen, wenn der Gegner die wahren nicht einsieht, die falschen aber akzeptiert (d. h. wenn diese ad hominem wahr sind). Denn das Wahre kann auch aus falschen Prämissen folgen.

Kunstgriff 6 (versteckte petitio principii)

Man macht eine versteckte petitio principii (d.h. z. B. eine Hypothese mit einer weiteren Hypothese zu begründen), indem man das, was man eigentlich zu beweisen hätte, postuliert (bezeichnet/anfordert), entweder:

  1. unter einem anderen Namen, z. B.: statt Ehre: guter Name, statt Jungfernschaft: Tugend usw., auch Wechselbegriffe: rotblütige Tiere, statt Wirbeltiere
  2. oder, was im Einzelnen zwar streitig ist, im Allgemeinen sich aber behaupten lässt, z. B. die Unsicherheit der Medizin behauptet, die Unsicherheit allen menschlichen Wissens jedoch postuliert
  3. Wenn vice versa zwei auseinander folgen und das eine zu beweisen ist: man postuliere das jeweils andere
  4. Wenn das Allgemeine zu beweisen wäre und man sich jedes einzeln zugeben lässt.
  • Kurz: Versteckte petitio principii machen, indem man das, was man zu beweisen hätte, bewusst anders bezeichnet und vom Gegner anfordert.

Kunstgriff 7 (viel auf einmal fragen)

Wenn die Disputation etwas streng und formell geführt wird und man sich besonders deutlich verständigen will, so verfährt der, welcher die Behauptung aufgestellt hat und sie beweisen soll, gegen seinen Gegner fragend, um aus seinen eignen Zugeständnissen die Wahrheit der Behauptung zu schließen. Diese erotematische, also durch ein Frage- und Antwortspiel gekennzeichnete Methode war besonders in der klassischen Antike im Gebrauch (und heißt auch Sokratische Methode): auf diese Methode beziehen sich sowohl der gegenwärtige wie aucheinige später folgende Kunstgriffe.

  • Kurz: Viel auf ein Mal und weitläufig fragen, um das, was man eigentlich zugestanden haben will, zu verbergen. Dagegen soll man die Argumentation, die sich aus dem bereits Zugestandenen ergibt, möglichst schnell vortragen: Denn die langsam von Verständnis sind, können nicht genau folgen und übersehen die etwaigen Fehler oder Lücken in der Beweisführung.

Kunstgriff 8 (den Gegner zum Zorn reizen)

Den Gegner zum Zorn reizen, denn dann nicht mehr richtig urteilen und seinen Vorteil wahrnehmen kann. Man macht ihn wütend, indem man ihm klar erkennbar Unrecht tut, ihn schikaniert und überhaupt unverschämt ist.

  • Merke: Denke schnell, rede langsam, zürne nie

Kunstgriff 9 (durch kunterbunte Fragen verwirren)

Man sollte Fragen nicht in der Reiehnfolge stellen, die die logische Ordnung und der daraus zu ziehende Schluss erfordert, sondern wi,d durcheinander. Dann kann man die Antworten je nachdem, wie sie ausfallen, zu verschiedenen, sogar entgegengesetzten Schlüssen benutzen (ähnlich wie Kunstgriff 4).

  • Kurz: Fragen nicht in der Ordnung, sondern kunterbunt stellen und damit durch Redeschwall den Gegner verwirren (hängt allerdings von der Qualität des Gegners ab)

Kunstgriff 10 (das Gegenteil des Satzes fragen)

Wenn man merkt, dass der Gegner die Fragen, deren Bejahung für unsern Satz zu gebrauchen wäre, absichtlich verneint, so muss man das Gegenteil des zu gebrauchenden Satzes fragen, als wollte man das bejaht wissen, oder wenigstens ihm beides zur Wahl vorlegen, so dass er nicht merkt, welchen Satz man bejaht haben will.

  • Kurz: Tarnen, welchen Satz man bejaht haben will, z. B. indem man suggeriert, man wolle etwas anderes bejaht haben.

Kunstgriff 11 (Schlussfolgerung nicht abfragen)

Machen wir eine Induktion, und er gesteht uns die einzelnen Fälle zu, durch die sie aufgestellt werden soll, so müssen wir ihn nicht fragen, ob er auch die aus diesen Fällen hervorgehende allgemeine Wahrheit (Konklusion oder Stringenz) zugebe, sondern sie nachher als ausgemacht und zugestanden einführen: denn bisweilen wird er dann selbst glauben, sie zugegeben zu haben, und auch den Zuhörern wird es so vorkommen, weil sie sich der vielen Fragen nach den einzelnen Fällen erinnern, die denn doch zum Zweck geführt haben müssen.

  • Kurz: Wenn der Gegner Einzelfälle zugesteht, nicht ausdrücklich nachfragen, ob er damit auch den Schluss daraus zugibt, sondern so tun, als sei der Schluss damit zugegeben, dann wird es ihm und den Zuhörern so vorkommen, als habe er tatsächlich allem zugestimmt.

Kunstgriff 12 (Benennungen gehässig umkehren)

Ist die Rede über einen allgemeinen Begriff, der keinen eigenen Namen hat, sondern tropisch durch ein Gleichnis bezeichnet werden muss, so müssen wir das Gleichnis gleich so wählen, dass es für unsere Behauptung günstig ist. So sind z. B. in Spanien die Namen, wodurch die beiden politischen Parteien bezeichnet werden, „serviles“ und „liberales“ gewiss von letzteren gewählt. Der Name „Protestanten“ ist von diesen gewählt, auch der Name „Evangelisch“: der Name „Ketzer“ jedoch von den Katholiken.

Hat der Gegner z. B. irgendeine „Veränderung“ vorgeschlagen, so nenne man sie gleich „Neuerung“, denn dieses Wort ist gehässig; natürlich umgekehrt: wenn man selbst der Vorschlagende ist. – Was ein ganz Absichtsloser und Unparteiischer etwa „Kultus“ oder „öffentliche Glaubenslehre“ nennen würde, das nennt einer, der für sie sprechen will, „Frömmigkeit“, „Gottseligkeit“ und ein Gegner desselben „Bigotterie“ oder Superstition. Im Grunde ist dies eine feine petitio principii. Was man erst darlegen will, legt man bereits im Voraus in das Wort, in die „Benennung“, aus welcher es dann schlussendlich durch ein bloß analytisches Urteil hervorgeht. Was der eine „sich seiner Person versichern“, „in Gewahrsam bringen“ nennt, nennt sein Gegner „Einsperren“. – Ein Redner verrät oft schon im Voraus seine Absicht durch die Namen, die er den Sachen gibt. – Unter allen Kunstgriffen wird dieser am häufigsten gebraucht, schon rein instinktmäßig und aus der menschlichen Schlechtigkeit.

Weitere Beispiele:

  1. die Geistlichkeit != die Pfaffen.
  2. Glaubenseifer != Fanatismus
  3. Fehltritt oder Galanterie != Ehebruch
  4. Äquivoken != Zoten
  5. Dérangiert != Bankrott
  6. Durch Einfluss und Konnexion != durch Bestechung und Nepotismus
  7. Aufrichtige Erkenntlichkeit != gute Bezahlung
  • Kurz: Andere Metaphern, bildhafte Ausdrücke, Etikettierungen verwenden, die die Benennung (oft gehässig) umkehren und die (als feine petitio principii) schon das suggerieren, was erst bewiesen werden soll. Schon instinktmäßig am häufigsten gebraucht!

Kunstgriff 13 (Gegenteil grell darstellen)

Um zu erreichen, dass der Gegner einen Satz annimmt, müssen wir das Gegenteil dazu geben und ihm die Wahl lassen und dieses Gegenteil recht grell ausmalen, so dass er, um nicht paradox zu sein, auf unsern Satz eingehen muss, der ganz probabel dagegen aussieht. Er soll z. B. zugeben, dass einer alles tun muss, was ihm sein Vater sagt, so fragen wir: „Soll man in allen Dingen den Eltern ungehorsam oder gehorsam sein?“ – Oder wird von irgendeiner Sache gesagt „Oft“, so fragen wir, ob unter „oft“ wenige oder viele Fälle verstanden werden sollen: er wird sagen „viele“. Es ist, wie wenn man Grau neben Schwarz legt, so kann es weiß heißen, und legt man Grau neben Weiß, so kann es schwarz heißen.

  • Kurz: Das Gegenteil recht grell darstellen, um den Gegner zu zwingen, auf unseren Satz einzugehen: Aufspaltung eines Kontinuums in eine Dichotomie, die das Gegenteil des von uns gewünschten Satzes recht zugespitzt und grell erscheinen lässt.

Kunstgriff 14 (triumphierend aufschreien)

Ein unverschämter Streich ist es, wenn man nach mehreren Fragen, die der Gegner beantwortet hat, ohne dass die Antworten zugunsten des Schlusses, den wir beabsichtigen, ausgefallen wären, nun den Schlusssatz, den man dadurch herbeiführen will, obgleich er gar nicht daraus folgt, dennoch als dadurch bewiesen aufstellt und triumphierend aufschreit. Wenn der Gegner schüchtern oder dumm ist, und man selbst viel Unverschämtheit und eine gute Stimme hat, so kann das recht gut gelingen. Gehört zur fallacia non causae ut causae (Täuschung durch Annahme des Nicht-Grundes als Grund).

  • Kurz: Triumphierend aufschreien, als ob der Schluss bewiesen wäre, selbst wenn er nicht bewiesen wurde. Wenn der Gegner schüchtern oder dumm ist und man selbst viel Unverschämtheit und eine gute Stimme hat, so kann das recht gut gelingen.

Kunstgriff 15 (einen nicht ganz handgreiflichen Satz vorlegen)

Wenn wir einen paradoxen Satz aufgestellt haben, um dessen Beweis wir verlegen sind, so legen wir dem Gegner irgendeinen richtigen, aber doch nicht ganz handgreiflichen Satz zur Annahme oder Verwerfung vor, so als wollten wir daraus den Beweis schöpfen. Verwirft er ihn aus Argwohn, so führen wir ihn ad absurdum und triumphieren; nimmt er ihn aber an, so haben wir zunächst etwas Vernünftiges gesagt, und müssen nun weitersehen. Oder wir fügen den vorhergehenden Kunstgriff hinzu und behaupten nun, daraus sei unser Paradoxon bewiesen. Hierzu gehört die äußerste Unverschämtheit, aber es kommt in der Erfahrung vor. Und es gibt Leute, die dies alles instinktmäßig ausüben.

  • Kurz: Merkt man, dass man für eine Behauptung keinen Beweis hat, so legt man dem Gegner irgendeinen richtigen, aber doch nicht ganz handgreiflichen Satz vor. Lehnt er ihn ab, so führen wir ihn ad absurdum und triumphieren. Nimmt er ihn aber an, so kann das als Beweis für den anfangs formulierten Satz ausgelegt werden.

Kunstgriff 16 (Schikane herausklauben)

Argumentum ad hominem oder ex concessis, also gegen ihn direkt argumentieren oder ein Argument des Gegners verwenden, obwohl man es nicht teilt: Bei einer Behauptung des Gegners müssen wir suchen, ob sie nicht etwa irgendwie, nötigenfalls auch nur scheinbar, im Widerspruch steht mit irgendetwas anderem, was er früher gesagt oder zugegeben hat, oder mit den Satzungen einer Schule oder Sekte, die er gelobt und gebilligt hat, oder auch nur mit dem Tun der Anhänger dieser Sekte, auch nur der unechten und scheinbaren Anhänger, oder mit seinem eigenen Tun und Lassen. Verteidigt er z. B. den Selbstmord, so schreie man gleich „Warum hängst du dich nicht auf?“ Oder er behauptet z. B., Berlin sei ein unangenehmer Aufenthalt: gleich schreit man „Warum fährst du nicht gleich mit der ersten Schnellpost ab?“ Es wird sich doch irgendwie eine Schikane herausklauben lassen.

  • Kurz: Prüfen, ob die Behauptung des Gegners mit etwas im Widerspruch steht, was er früher gesagt oder zugegeben hat oder mit den Satzungen einer von ihm vertretenen Schule oder Sekte usw. zu tun hat. Es wird sich doch irgend eine Schikane herausklauben lassen.

Kunstgriff 17 (feine Unterscheidung)

Wenn der Gegner uns durch einen Gegenbeweis bedrängt, so werden wir uns oft retten können durch eine feine Unterscheidung, an die wir früher freilich nicht gedacht hatten, wenn die Sache irgend eine doppelte Bedeutung oder einen doppelten Fall zulässt.

  • Beispiel: Die Begriffe des Gegners von Anfang an schnell notieren und später differenzieren und wieder aufgreifen, um dann damit zur rechten Zeit anzugreifen (Nur der Dumme sagt zu jeder Zeit Dinge, die andere nur zur rechten Zeit sagen).

Kunstgriff 18 (Disputation unterbrechen)

Merken wir, dass der Gegner eine Argumentation ergriffen hat, mit der er uns schlagen wird, so dürfen wir es nicht bis dahin kommen und ihn diese zu Ende führen zu lassen, sondern wir sollten beizeiten den Gang der Disputation unterbrechen, abspringen oder ablenken, und auf andere Sätze führen: kurz, eine mutatio controversiae anstreben, also einen anderen Streitgegenstand in die Dabatte einführen (siehe hierzu Kunstgriff 29).

  • Kurz: Wenn wir merken, dass der Gegner uns schlagen wird, die Disputation unterbrechen, abspringen, ablenken, auf andere Sätze führen.

Kunstgriff 19 (Argumente ins Allgemeine spielen)

Fordert der Gegner uns ausdrücklich auf, gegen irgendeinen bestimmten Punkt seiner Behauptung etwas vorzubringen, wir haben aber nichts Rechtes, so müssen wir die Sache recht ins Allgemeine rücken und dann dagegen. Sollten wir z. B. zugestehen, warum einer bestimmten physikalischen Hypothese nicht zu trauen ist, so reden wir über die „Trüglichkeit des menschlichen Wissens“ und erläutern sie anhand von allen möglichen Behauptungen des sogenannten allgemeinen Wissens.

  • Braucht keine weitere Erläuterung

Kunstgriff 20 (den Schluss selber ziehen)

Wenn wir dem Gegner die Vordersätze (Prämissen) abgefragt haben und er sie zugegeben hat, so sollten wir den Schluss daraus nicht etwa auch noch abfragen, sondern sogleich selbst ziehen. Ja sogar wenn von den Vordersätzen noch der eine oder der andere fehlt, so nehmen wir ihn doch als gleichfalls eingeräumt an und ziehen selber den Schluss daraus (welches dann eine Anwendung der fallacia non causae ut causae ist).

  • Braucht keine weitere Erklärung.

Kunstgriff 21 (immer ein Argumentum ad hominem zurückgeben)

Bei einem bloß scheinbaren oder sophistischen Argument des Gegners, das wir durchschauen, könnten wir es zwar auflösen, indem wir seine Verfänglichkeit und seine Scheinbarkeit demonstrieren, allein, es ist besser, ihm mit einem ebenso scheinbaren und sophistischen Gegenargument zu begegnen und den Gegener so abzufertigen. Denn es kommt ja nicht auf die Wahrheit, sondern nur auf den Sieg vor dem Publikum (Auditorium) an. Gibt er z. B. ein argumentum ad hominem, so genügt es, es durch ein Gegenargument ad hominem (ex concessis, also aus der Trickkiste des Gegners stammend) zu entkräften. Und überhaupt ist es günstiger, anstatt eine lange Auseinandersetzung über die wahre Beschaffenheit der Sache zu führen, ein argumentum ad hominem zu verwenden, wenn es sich irgendwie darbietet.

  • Kurz: Sophismen mit Sophismen beantworten, Argumentum ad hominem immer mit Gegenargumenten ad hominem beantworten, überhaupt ist es besser, immer mit einem Argumentum ad hominem zu antworten: das spart meist argumentativen Aufwand.

Kunstgriff 22 (Argument als Satz vom zureichenden Grund ausgeben)

Fordert der Gegner, dass wir etwas zugeben, woraus das in Streit stehende Problem unmittelbar folgen würde, so lehnen wir es ab, indem wir es für eine petitio principii (hier: Satz vom zureichenden Grund) ausgeben (meint: Die Begründung ist völlig ausreichend), denn er und die Zuhörer werden einen dem Problem nahe verwandten Satz leicht als mit dem Problem identisch ansehen: und so entziehen wir ihm sein bestes Argument.

  • Braucht keine weitere Erklärung.

Kunstgriff 23 (den Gegner zur Übertreibung reizen)

Widerspruch und Streit reizen zur Übertreibung der Behauptung. Wir können also den Gegner durch Widerspruch reizen, eine an sich und in gehöriger Einschränkung möglicherweise wahre Behauptung über die Wahrheit hinaus zu steigern. Und wenn wir nun diese Übertreibung widerlegt haben, so sieht es so aus, als hätten wir auch seinen ursprünglichen Satz widerlegt. Dagegen haben wir selbst uns zu hüten, uns nicht durch Widerspruch zur Übertreibung oder weiteren Ausdehnung unseres Satzes verleiten zu lassen. Oft auch wird der Gegner selbst unmittelbar versuchen, unsere Behauptung weiter auszudehnen, als wir sie aufgestellt haben: dem müssen wir dann gleich Einhalt gebieten und ihn auf die Grenzlinie unserer Behauptung zurückführen mit z. B. „so viel habe ich gesagt und nicht mehr“.

  • Kurz: Den Gegner durch Widerspruch und Streit zur Übertreibung reizen und dann die Übertreibung widerlegen. – Will uns der Gegner jedoch zur Übertreibung reizen, dann sage: Soviel habe ich gesagt und nicht mehr.

Kunstgriff 24 (verfängliche Konsequenzmacherei erzwingen)

Die Konsequenzmacherei: Man erzwingt aus dem Satz des Gegners durch falsche Folgerungen und Verdrehung der Begriffe Sätze, die nicht darin liegen und gar nicht die Meinung des Gegners, vielmehr absurd oder gefährlich sind. Da es nun scheint, dass aus seinem Satze solche Sätze, die entweder sich selbst oder anerkannten Wahrheiten widersprechen, hervorgehen, so gilt dies als eine indirekte Widerlegung, Apagoge und ist wieder eine Anwendung der fallacia non causae ut causae.

  • Kurz: Aus dem Satz des Gegners durch falsche Folgerungen und Verdrehung der Begriffe Sätze erzwingen, die nicht darin liegen und gar nicht die Meinung des Gegners sind: verfängliche Konsequenzmacherei erzwingen.

Kunstgriff 25 (Apagoge durch eine Instanz)

Dieser Kunstgriff betrifft die Apagoge durch eine Instanz (exemplum in contrarium: Beispiel für das Gegenteil). Die Inductio bedarf einer großen Menge Fälle, um ihren allgemeinen Satz aufzustellen. Die Apagoge dagegen braucht nur einen einzigen Fall aufzustellen, zu dem der Satz nicht passt, und er ist umgeworfen: ein solcher Fall heißt Instanz, exemplum in contrarium, instantia. Z. B. der Satz: „alle Wiederkäuer sind gehörnt“ wird umgestoßen durch die einzige Instanz der Kamele („Kamele sind Wiederkäuer, aber nicht gehörnt“). Die Instanz ist ein Fall der Anwendung der allgemeinen Wahrheit, etwas unter den Hauptbegriff derselben zu subsumierendes, für das aber jene Wahrheit nicht gilt, die dadurch ganz umgestoßen wird. Allein dabei können Täuschungen vorkommen. Wir haben also bei Instanzen, die der Gegner macht, folgendes zu beachten:

  1. ob das Beispiel auch wirklich wahr ist: es gibt Probleme, deren einzig wahre Lösung die ist, dass der Fall nicht wahr ist: z. B. viele Wunder, Geistergeschichten usw.
  2. ob es auch wirklich unter den Begriff der aufgestellten Wahrheit gehört: das ist oft nur scheinbar und durch eine scharfe Distinktion zu lösen
  3. ob es auch wirklich in Widerspruch steht mit der aufgestellten Wahrheit: auch dies ist oft nur scheinbar.
  • Kurz: Falsche Instanz, falsches exemplum in contrarium. Bei Instanzen, die der Gegner macht, beachten:
  1. Ist das Beispiel wirklich wahr?
  2. Gehört es wirklich unter den Begriff der aufgestellten Wahrheit?
  3. Steht das Beispiel wirklich im Widerspruch mit der aufgestellten Wahrheit?
  4. All dies ist oft nur scheinbar.

Kunstgriff 26 (Spieß umdrehen zu einem Gerade-Weil-Argument)

Ein brillanter Streich ist die retorsio argumenti: wenn das Argument, das der Gegner für sich gebrauchen will, besser gegen ihn gebraucht werden kann und wenn er z. B. sagt: „es ist ein Kind, man muss ihm was zugute halten“ dann benutze man die retorsio (salopp gesagt: Retourkutsche): eben weil es ein Kind ist, muss man es züchtigen, damit es nicht verhärte in seinen bösen Angewohnheiten).

Kunstgriff 27 (wenn der Gegner böse wird, hat man eine schwache Stelle entdeckt)

Wird bei einem Argument der Gegner unerwartet böse, so muss man dieses Argument eifrig urgieren, also dringlich machen, und zwar nicht bloß weil es gut ist, ihn in Zorn zu versetzen, sondern weil zu vermuten ist, dass man die schwache Seite seines Gedankenganges berührt hat und ihm an dieser Stelle wohl noch mehr anzuhaben ist, als man vor der Hand selber sieht.

  • Braucht keine weitere Erklärung.

Kunstgriff 28 (unsachkundige Argumente vorbringen)

Dieser Kunstgriff ist hauptsächlich dann anwendbar, wenn Gelehrte vor ungelehrten Zuhörern streiten. Wenn man kein argumentum ad rem (zur Sache gehörend) hat und auch nicht einmal eines ad hominem, so macht man eines ad auditores, d. h. einen ungültigen Einwurf, dessen Ungültigkeit aber nur der Sachkundige einsieht. Ein solcher ist der Gegner, der Hörer aber meist nicht. Der Gegner wird also in ihren Augen geschlagen, zumal wenn der Einwurf seine Behauptung irgendwie in ein lächerliches Licht stellt. Zum Lachen sind die Leute gleich bereit, und man hat die Lacher gleich auf seiner Seite. Um die Nichtigkeit des Einwurfs zu zeigen, müsste der Gegner eine lange Auseinandersetzung beginnen und auf die Prinzipien der Wissenschaft oder sonstige Angelegenheit zurückgehen: dazu findet er nicht leicht Gehör.

  • Kurz: Unsachkundige Argumente nur im Blick der Hörer vorbringen. Ein ungültiger Einwurf, dessen Ungültigkeit aber nur der Sachkundige einsieht, der Hörer aber nicht, wird so in ihren Augen geschlagen. Besonders wirksam, wenn der Einwurf die Behauptung des Gegners lächerlich macht.

Kunstgriff 29 (Diversion)

Merkt man, dass man geschlagen wird, so macht man eine Diversion (Ablenkung, Angriff von einer unerwarteten Seite): d. h. fängt mit einem Male von etwas völlig anderem an, als gehörte es zur Sache und wäre ein Argument gegen den Gegner. Dies geschieht mit einiger Bescheidenheit, wenn die Diversion doch noch überhaupt das Thema quaestionis (das fragliche Thema) betrifft; unverschämt, wenn es bloß den Gegner angeht und gar nicht die Sache.

Unverschämt ist die Diversion, wenn sie die Sache quaestionis (meint den fraglichen Sachverhalt) ganz und gar verlässt, und etwa anhebt: „Ja, und so behaupteten Sie neulich ebenfalls …“ etc. Denn da gehört sie gewissermaßen zum Persönlichwerden, davon in dem letzten Kunstgriff (38) die Rede sein wird. Sie ist genau genommen eine Mittelstufe zwischen dem dort zu erörternden Argumentum ad personam und dem Argumentum ad hominem.

Wie sehr gleichsam angeboren dieser Kunstgriff ist, zeigt jeder Zank zwischen gemeinen Leuten: Wenn nämlich der Eine dem Anderen persönliche Vorwürfe macht, so antwortet dieser nicht etwa durch Widerlegung derselben, sondern seinerseits durch persönliche Vorwürfe, die er dem Ersten macht, die ihm selbst gemachten stehen lassend, also gleichsam zugebend. Er macht es wie Scipio, der die Karthager nicht in Italien, sondern in Afrika angriff. Im Kriege mag solche Diversion zu Zeiten taugen. Beim Zanken ist sie schlecht, weil man die empfangenen Vorwürfe stehen lässt, und der Zuhörer alles Schlechte von beiden Parteien erfährt. Im Disputieren ist sie faute de mieux (üblerweise) gebräuchlich.

  • Kurz: Merkt man, dass man geschlagen wird so macht man eine Diversion; d. h. man fängt mit einem Male von etwas ganz anderem an und tue so, als gehöre es zur Sache und sei ein Argument gegen den Gegner. Oder man werde gar persönlich, zänkisch, beleidigend. Im Disputieren ist derlei üblerweise allgemein gebräuchlich auch ohne Kenntnis der Eristischen Kunstgriffe.

Kunstgriff 30 (Autoritäten statt Gründe angeben)

Das argumentum ad verecundiam. Statt der Gründe benutze man Autoritäten nach Maßgabe der Kenntnisse des Gegners.

Unusquisque mavult credere quam judicare (jeder will lieber glauben als urteilen): sagt Seneca. Man hat also leichtes Spiel, wenn man eine Autorität für sich hat, die der Gegner respektiert. Es wird aber für ihn desto mehr gültige Autoritäten geben, je beschränkter seine Kenntnisse und Fähigkeiten sind. Sind etwa diese von erstem Rang, so wird es höchst wenige und fast gar keine Autoritäten für ihn geben. Allenfalls wird er die der Leute vom Fach in einer ihm wenig oder gar nicht bekannten Wissenschaft, Kunst, oder Handwerk gelten lassen, und auch diese mit Misstrauen. Hingegen haben die gewöhnlichen Leute tiefen Respekt für die Leute vom Fach jeder Art. Sie wissen ja nicht, dass wer Profession von der Sache macht, nicht die Sache liebt, sondern seinen Erwerb (pro fessio heißt für die Münze) – noch dass, wer eine Sache lehrt, sie selten gründlich beherrscht, denn wer sie gründlich studiert, dem bleibt meistens keine Zeit zum Lehren übrig. Allein für das Vulgus (salopp: Otto Normalverbraucher) gibt es gar viele Autoritäten, die Respekt finden; hat man daher keine ganz passende, so nehme man eine scheinbar passende, führe an, was einer in einem anderen Sinn oder in anderen Verhältnissen gesagt hat. Autoritäten, die der Gegner gar nicht versteht, wirken meistens am besten. Ungelehrte haben einen eigenen Respekt vor griechischen und lateinischen Floskeln und Begriffen. Auch kann man die Autoritäten nötigenfalls nicht bloß verdrehen, sondern geradezu verfälschen, oder gar welche anführen, die ganz aus eigener Erfindung sind: meistens hat er das Buch nicht zur Hand und weiß es auch nicht zu handhaben. Das schönste Beispiel hierzu gibt der französische Curé, der, um nicht, wie die anderen Bürger mussten, die Straße vor seinem Hause zu pflastern, einen biblischen Spruch anführte. Das überzeugte die Gemeinde-Vorsteher.

Auch sind allgemeine Vorurteile (hinterhältigerweise) als Autoritäten zu gebrauchen (besser: zu missbrauchen). Ja, es gibt keine noch so absurde Meinung, die die Menschen nicht leicht zu der ihrigen machten, sobald man es dahin gebracht hat, sie zu überreden, dass solche allgemein angenommen sei. Das Beispiel wirkt auf ihr Denken wie auf ihr Tun. Sie sind Schafe, die dem Leithammel nachgehen, wohin immer er sie auch führt: es fällt ihnen leichter zu sterben als zu denken. Es ist sehr seltsam, dass das allgemeine Vorherrschen einer Meinung so viel Gewicht bei ihnen hat, da sie doch an sich selbst sehen können, wie ganz ohne Urteil und bloß kraft des Beispiels man Meinungen annimmt. Aber das sehen sie nicht, weil ihnen allen die Selbstkenntnis abgeht.

Die Allgemeinheit einer Meinung, also ihr Vorherrschen, ist im Ernst gesagt, kein Beweis, ja nicht einmal ein Wahrscheinlichkeitsgrund für ihre Richtigkeit. Die, welche das behaupten, müssten annehmen:

  1. dass die Entfernung in der Zeit jener Allgemeinheit ihre Beweiskraft raubt: sonst müssten sie alle alten Irrtümer zurückrufen, die einmal allgemein für Wahrheiten galten wie z. B. das Ptolemäische System, oder in allen protestantischen Länder den Katholizismus wieder herstellen.
  2. dass die Entfernung im Raum dasselbe leistet: sonst wird sie die Allgemeinheit der Meinung in den Bekennern des Buddhismus, des Christentums, und des Islams in Verlegenheit setzen.

Was man so die allgemeine Meinung nennt, ist, bei Lichte betrachtet, die Meinung zweier oder dreier Personen. Und davon würden wir uns überzeugen, wenn wir der Entstehungsart einer solch allgemeingültigen Meinung zusehen könnten. Wir würden dann finden, dass es nur zwei oder drei Leute sind, die solche Meinung als Erste annahmen oder aufstellten und behaupteten, und denen man so gütig war zuzutrauen, dass sie solche recht gründlich geprüft hätten. Auf das Vorurteil der hinlänglichen Fähigkeit dieser nahmen zuerst einige wenige Andere diese Meinung ebenfalls an. Diesen wiederum glaubten viele weitere andere, deren Trägheit ihnen anriet, lieber gleich zu glauben, als erst mühsam zu prüfen. So wuchs von Tag zu Tag die Zahl solcher trägen und leichtgläubigen Anhänger: denn hatte die Meinung erst eine gute Anzahl Stimmen für sich erreicht, so schrieben die Nachfolgenden dies dem zu, dass sie solche nur durch die Triftigkeit ihrer Gründe hätte erlangen können. Die noch Übrigen waren jetzt genötigt gelten zu lassen, was allgemein galt, um nicht für unruhige und renitente Köpfe zu gelten, die sich gegen allgemeingültige Meinungen auflehnten und naseweise Burschen, die klüger sein wollten als alle Welt.

Jetzt wurde die Zustimmung zur Pflicht. Nunmehr müssen die wenigen, welche zu urteilen fähig sind, schweigen, und die da reden dürfen, sind solche, welche völlig unfähig sind, eine eigene Meinungen und eignes Urteil zu haben, die nicht bloße Echos fremder Meinungen sind. Jedoch sind sie desto eifrigere und unduldsamere Verteidiger derselben. Denn sie hassen am Andersdenkenden nicht nur die andere Meinung, zu der er sich bekennt, sondern vielmehr auch die Vermessenheit, selbst urteilen zu wollen, was sie ja doch selbst nie zu unternehmen in der Lage und im Stillen sich dessen bewusst sind. – Kurzum, Denken können sehr wenige, aber Meinungen wollen alle haben: was bleibt da anderes übrig, als dass sie solche, statt sie sich selber zu machen, ganz fertig von Anderen übernehmen?

Da es so zugeht, was gilt da noch die Stimme von hundert Millionen Menschen? – So viel wie etwa ein historisches Faktum, das man bei hundert Geschichtsschreibern findet, dann aber nachweist, dass sie alle, einer dem anderen, abgeschrieben haben, wodurch zuletzt alles auf die Aussage eines Einzigen zurückläuft.

Nichtsdestoweniger kann man im Streit mit gewöhnlichen Leuten die allgemeine Meinung als Autorität gebrauchen und anwenden.

Überhaupt wird man finden, dass, wenn zwei gewöhnliche Köpfe miteinander streiten, meistens die gemeinsam von ihnen erwählte Waffe Autoritäten sind: damit schlagen sie aufeinander los. – Hat der bessere Kopf mit einem solchen zu tun, so ist es am ratsamsten, dass er sich auch zu dieser Waffe bediene, sie aussuche nach Maßgabe der Blößen seines Gegners. Denn gegen die Waffe der Gründe ist dieser ex hypothesi ein gehörnter Siegfried, eingetaucht in die Flut der Unfähigkeit zu denken und zu urteilen.

Vor Gericht wird eigentlich nur mit Autoritäten gestritten, die Autorität der Gesetze, die feststeht: das Geschäft der Urteilskraft ist das Auffinden des Gesetzes, d. h. der Autorität, die im gegebenen Fall Anwendung findet. Die Dialektik hat aber Spielraum genug, indem – erforderlichenfalls – der Fall und ein Gesetz, die nicht eigentlich zu einander passen, solange gedreht werden, bis man sie für zueinander passend ansieht: auch umgekehrt.

  • Kurz: Argumentum ad verecundiam (ein an die Ehrfurcht gerichtetes Argument). Statt der Gründe benutze man Autoritäten nach Maßgabe der Kenntnisse des Gegners. Es wird für ihn (den Gegner) desto mehr gültige Autoritäten geben, je beschränkter seine Kenntnisse und Fähigkeiten sind. Mögliche Autoritäten sind: Berühmte Personen, Fachleute, Experten, Titelträger, allgemeine Vorurteile, griechische und lateinische Floskeln und die allgemeine Meinung.

Kunstgriff 31 (sich mit feiner Ironie für inkompetent erklären)

Wo man gegen die dargelegten Gründe des Gegners nichts vorzubringen weiß, erkläre man sich mit feiner Ironie für inkompetent: Was Sie da sagen, übersteigt meine schwache Fassungskraft. Es mag sehr richtig sein, allein ich kann es nicht verstehen und begebe mich allen Urteils. – Dadurch suggriert man den Zuhörern, bei denen man in Ansehen steht, dass es Unsinn ist. So erklärten beim Erscheinen der „Kritik der reinen Vernunft“ oder vielmehr beim Anfang ihres erregten Aufsehens viele Professoren von der alten eklektischen Schule: „Wir verstehen das nicht“, und glaubten, sie dadurch erledigt zu haben. – Als aber einige Anhänger der neuen Schule ihnen zeigten, dass sie selbst recht hätten und die anderen es wirklich nur nicht verstanden, wurden sie sehr übellaunig.

Man darf diesen Kunstgriff nur da gebrauchen, wo man sicher ist, bei den Zuhörern in entschieden höherem Ansehen zu stehen als der Gegner: z. B. ein Professor gegenüber einem Studenten. Eigentlich gehört dies zum vorigen Kunstgriff und ist ein Geltendmachen der eigenen Autorität, statt der Gründe (auf besonders maliziöse Weise).

Der Gegenstreich ist: Erlauben Sie, bei Ihrerm großen Durchblick (Penetration) muss es Ihnen ein leichtes sein, es zu verstehen, und so kann nur meine schlechte Darstellung Schuld sein. Dadurch schmiert man ihm nun die Sache so ums Maul, dass er sie nolens volens verstehen muss und klar wird, dass er sie vorhin wirklich nur nicht verstanden hat. – So ist’s retorquiert (salopp: Retourkutsche): er wollte uns Unsinn suggerieren, wir haben ihm Unverstand bewiesen. Beides mit schönster Höflichkeit.

  • Kurz: Wo man gegen die dargelegten Gründe des Gegners nichts vorzubringen weiß, erkläre man sich selbst mit feiner Ironie für inkompetent. Dadurch erweckt man bei den Zuhörern, bei denen man in Ansehen steht, den Eindruck, dass es Unsinn ist. – Der Gegenstreich ist: „Erlauben Sie, bei Ihrer großen Penetration muss es Ihnen ein leichtes sein, es zu verstehen, und so kann nur meine schlechte Darstellung schuld daran sein.“

Kunstgriff 32 (Gegenargument verdächtig machen)

Eine uns entgegenstehende Behauptung des Gegners können wir auf eine kurze Weise dadurch beseitigen oder wenigstens verdächtig machen, dass wir sie unter eine verhasste Kategorie bringen, wenn sie auch nur durch eine Ähnlichkeit oder sonst lose mit ihr zusammenhängt: z. B. „das ist Manichäismus, das ist Arianismus; das ist Pelagianismus; das ist Idealismus; das ist Spinozismus; das ist Pantheismus; das ist Brownianismus; das ist Naturalismus; das ist Atheismus; das ist Rationalismus; das ist Spiritualismus; das ist Mystizismus; das ist Esoterik usw.“

  • Kurz: Subsumtion unter eine verhasste Kategorie: z. B.: „Das ist Idealismus, Rationalismus, Spiritualismus, Mystizismus, Esoterik etc.“ Wir nehmen dabei zweierlei an:
  1. dass jene Behauptung wirklich identisch oder wenigstens enthalten sei in jener Kategorie, rufen also aus: oh, das kennen wir schon! – und
  2. dass diese Kategorie schon ganz widerlegt sei und kein wahres Wort enthalten könne.

Siehe auch: Kategorienfehler

Kunstgriff 33 (Konsequenz leugnen)

Sagen Sie: Das mag in der Theorie richtig sein, in der Praxis ist es jedoch falsch. – Durch dieses Sophisma gibt man die Gründe zu und leugnet doch die Folgen.

Wenn die Theorie wirklich richtig ist, muss es nämlich auch in der Praxis zutreffen.

  • Braucht keine weitere Erklärung.

Kunstgriff 34 (nachhaken bei vermutlich faulen Punkten)

Wenn der Gegner Gegenfragen stellt, keine direkten Antworten gibt, ausweicht, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass wir auf einen faulen Punkt getroffen haben. Der von uns angeregte Punkt ist also zu urgieren und der Gegner nicht vom Fleck zu lassen, selbst wenn wir noch nicht genau wissen, worin eigentlich die Schwäche besteht, die wir getroffen haben.

  • Braucht keine weitere Erklärung.

Kunstgriff 35 (Dein Argument widerspricht Deinem Interesse)

Dieser Kunstgriff macht, sobald er praktikabel ist, alle übrigen entbehrlich: Statt durch Gründe auf den Intellekt wirke man durch Motive auf den Willen; und der Gegner, wie auch die Zuhörer, wenn sie gleiches Interesse mit ihm haben, sind sogleich für unsere Meinung gewonnen, und wäre diese aus dem Tollhause geborgt: denn meistens wiegt ein Lot Wille mehr als ein Zentner Einsicht und Überzeugung. Freilich geht dies nur unter besondern Umständen. Kann man dem Gegner fühlbar machen, dass seine Meinung, wenn sie gültig würde, seinem Interesse merklichen Abbruch täte, so wird er sie so schnell fahren lassen, wie ein heißes Eisen, das er unvorsichtigerweise ergriffen hatte. Z. B. ein Geistlicher verteidigt ein philosophisches Dogma: man gebe ihm zu vermerken, dass es mittelbar mit einem Grunddogma seiner Kirche in Widerspruch steht, und er wird es fahren lassen.

  • Kurz: Argumentum ab utili. Kann man dem Gegner fühlbar machen, dass seine Meinung, wenn sie gültig würde, seinem Interesse – oder dem Interesse seiner Sekte, seinem Club, seiner Partei etc. – merklich Abbruch täte, so wird er sie so schnell fahren lassen wie ein heißes Eisen, das er unvorsichtigerweise ergriffen hatte.

Kunstgriff 36 (Gegner durch hochgestochenen Wortschwall verdutzen)

Den Gegner durch sinnlosen Wortschwall verdutzen, verblüffen. Es beruht darauf, dass:

Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.

Wenn er nun sich seiner eignen Schwäche im Stillen bewusst ist, wenn er gewohnt ist, mancherlei zu hören, was er nicht versteht, und doch dabei zu tun, als verstände er es; so kann man ihm dadurch imponieren, dass man ihm einen gelehrt oder tiefsinnig klingenden Unsinn, bei dem ihm Hören und Sehen und Denken vergeht, mit ernsthafter Miene vorschwatzt, und solches für den unbestreitbarsten Beweis seiner eignen These ausgibt. Bekanntlich haben in neueren Zeiten, selbst dem ganzen deutschen Publikum gegenüber, einige Philosophen diesen Kunstgriff mit dem brillantesten Erfolg angewandt.

  • Kurz: Den Gegner durch sinnlosen, hochgestochenen Wortschwall verdutzen, verblüffen, außer Gefecht setzen.

Kunstgriff 37 (sachlich richtig: Beweisführung falsch anführen)

(der einer der ersten sein sollte): Wenn der Gegner auch in der Sache Recht hat, allein glücklicherweise für selbige einen schlechten Beweis wählt, so gelingt es uns leicht, diesen Beweis zu widerlegen, indem wir dies für eine Widerlegung der Sache ausgeben. Im Grunde läuft dies darauf zurück, dass wir ein argumentum ad hominem für eines ad rem ausgeben. Fällt ihm oder den Umstehenden kein richtigerer Beweis ein, so haben wir gesiegt. – Z. B. wenn einer für das Dasein Gottes den ontologischen Beweis aufstellt, der sehr wohl widerlegbar ist. Dies ist der Weg, auf welchem schlechte Advokaten eine gute Sache verlieren: [sie] wollen sie durch ein Gesetz rechtfertigen, das darauf nicht passt, und das Passende fällt ihnen nicht ein.

  • Kurz: Wenn der Gegner in der Sache recht hat, aber einen schlechten Beweis wählt, dann den Beweis widerlegen und dies für die Widerlegung der Sache ausgeben. (Hier wird ein Argumentum ad hominem für ein Argumentum ad rem ausgegeben.)

Kunstgriff 38 (persönlich beleidigend werden)

Wenn man merkt, dass der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Das Persönlichwerden besteht darin, dass man von dem Gegenstand des Streites (weil man da verlorenes Spiel hat) abgeht und den Streitenden und seine Person irgendwie angreift: man könnte es nennen argumentum ad personam, im Unterschied vom argumentum ad hominem: letzteres geht vom rein objektiven Gegenstand ab, um sich an das zu halten, was der Gegner darüber gesagt oder zugegeben hat. Beim Persönlichwerden aber verlässt man den Gegenstand ganz und richtet seinen Angriff auf die Person des Gegners: man wird also kränkend, hämisch, beleidigend, grob. Es ist eine Appellation von den Kräften des Geistes an die des Leibes, oder an die Tierheit. Diese Regel ist sehr beliebt, weil jeder zur Ausführung tauglich ist, und wird daher häufig angewandt. Nun fragt sich, welche Gegenregel hierbei für den andern Teil gilt. Denn will er dieselbe gebrauchen, so wird’s eine Prügelei oder ein Duell oder ein Injurienprozess.

Man würde sich sehr irren, wenn man meint, es sei hinreichend, selbst nicht persönlich zu werden. Denn dadurch, dass man einem ganz gelassen zeigt, dass er Unrecht hat und also falsch urteilt und denkt, was bei jedem dialektischen Sieg der Fall ist, erbittert man ihn mehr als durch einen groben, beleidigenden Ausdruck. Warum? Weil, wie Hobbes de Cive, Kap. 1, sagt: Omnis animi voluptas, omnisque alacritas in eo sita est, quod quis habeat, quibuscum conferens se, possit magnifice sentire de seipso (dem Menschen geht nichts über die Befriedigung seiner Eitelkeit und keine Wunde schmerzt mehr als die, die dieser geschlagen wird). Daraus stammen Redensarten wie „die Ehre gilt mehr als das Leben“ usw. Diese Befriedigung der Eitelkeit entsteht hauptsächlich aus dem Vergleich seiner selbst mit anderen, in jeder Beziehung, aber hauptsächlich in Beziehung auf die Geisteskräfte. Diese eben geschieht effektiv und sehr stark beim Disputieren. Daher die Erbitterung des Besiegten, ohne dass ihm Unrecht widerfahren sei, und daher sein Griff zum letzten Mittel, diesem letzten Kunstgriff, dem man nicht entgehen kann durch bloße Höflichkeit seinerseits. Große Kaltblütigkeit kann jedoch auch hier aushelfen, wenn man nämlich, sobald der Gegner persönlich wird, ruhig antwortet, das gehöre nicht zur Sache, und sogleich auf diese zurücklehnt und fortfährt, ihm hier sein Unrecht zu beweisen, ohne seiner Beleidigungen zu achten.

  • Kurz: Wenn man merkt, dass der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird: persönlich, beleidigend, grob werden (Argumentum ad personam, im Unterschied zum Argumentum ad hominem).

Die einzig sichere Gegenregel

„Nicht mit dem Ersten dem Besten zu disputieren, sondern allein mit solchen, die man kennt und von denen man weiß, dass sie Verstand genug besitzen, nicht gar zu Absurdes vorzubringen und dadurch beschämt werden zu müssen, und um mit Gründen zu disputieren und nicht mit Machtsprüchen, um auf Gründe zu hören und darauf einzugehen und endlich, dass sie die Wahrheit schätzen, gute Gründe gern hören, auch aus dem Munde des Gegners und Billigkeit genug haben, es ertragen zu können, Unrecht zu behalten, wenn die Wahrheit auf der anderen Seite liegt. Daraus folgt, dass unter Hundert kaum Einer ist, der wert ist, dass man mit ihm disputiert.“

Aristoteles im letzten Kapitel der Topica

Buchausgaben

  • Eristische Dialektik oder Die Kunst Recht zu behalten (1830/31); Edition Arthur Hübscher (1966); Haffmans Verlag, Zürich 1983, ISBN 3-251-000160

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Grundprinzipien

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