Erklärungsbewusstsein

Erklärungsbewusstsein

Das Erklärungsbewusstsein (auch Erklärungswille genannt) ist subjektiver Teil einer Willenserklärung. Eine Person hat Erklärungsbewusstsein, wenn sie weiß, dass sie mit ihrer Handlung irgendwie rechtsgeschäftlich tätig wird. Welche Erklärung genau gewollt ist, ist dagegen keine Frage des Erklärungsbewusstseins, sondern des Geschäftswillens. Verwandt mit dem Erklärungsbewusstsein ist der Rechtsbindungswille. Dieser ist aber kein subjektives Willenselement, sondern ein objektives Tatbestandsmerkmal einer jeden Willenserklärung, das durch Auslegung ermittelt wird.

Inhaltsverzeichnis

Schulbeispielsfall

Ein berühmter Schulbeispielsfall zum Fehlen des Erklärungsbewusstseins ist die Trierer Weinversteigerung: Hierbei hebt der Handelnde bei einer Weinversteigerung seine Hand zum Gruße eines Freundes. Er hat nicht das Bewusstsein, damit eine rechtsverbindliche Erklärung abgegeben zu haben. Ihm wird darauf zu seiner großen Überraschung ein Fass Moselwein zugeschlagen.[1]

Erklärungsbewusstsein in der Dogmatik der Willenserklärungen

Umstritten ist, ob fehlendes Erklärungsbewusstseins ein notwendiges subjektives Tatbestandsmerkmal einer Willenserklärung ist. Die Rechtsdogmatik verlangt als konstitutives Element einer Willenserklärung den Handlungswillen. Ähnlich wie beim Geschäftswillen (Umkehrschluss aus der Anfechtbarkeit wegen Inhaltsirrtums) wird oft davon ausgegangen, dass das Erklärungsbewusstsein zwar typischerweise, aber nicht notwendig vorliegt.

Rechtsfolgen

Ebenfalls umstritten ist die Rechtsfolge fehlenden Erklärungsbewusstseins.[2] Vertreten wird dazu einerseits, dass § 118 BGB („Scherzerklärung“) analog anzuwenden sei, weil auch dort das Erklärungsbewusstsein fehle. Dann wäre die Willenserklärung ohne Erklärungsbewusstsein nichtig. Andere halten die Fälle aber nicht für vergleichbar: Während bei der Scherzerklärung der Erklärende gar nicht damit rechne, „beim Wort genommen zu werden“, habe der Erklärende ansonsten durchaus ein Interesse daran, eine für ihn günstige Erklärung gelten zu lassen. Daher sei eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 1. Alt. BGB analog möglich, die Willenserklärung aber zunächst wirksam. Die Anfechtung führte dann (ebenso wie die Anwendung des § 118 BGB) zu einer Schadensersatzpflicht aus § 122 BGB. Der Bundesgerichtshof hat sich für die Anfechtbarkeit der Willenserklärung jedenfalls in den Fällen entschieden, in denen der Erklärende fahrlässig nicht bemerkt hat, dass er rechtsgeschäftlich handelt. Unter Berücksichtigung der Kriterien Wahlrecht, Geltungsrisiko und Schadensersatz ist auch die Lösung einer schwebenden Unwirksamkeit mittels einer Gesamtanalogie zu §§ 108 ff. und §§ 177 ff. BGB. Durch die Genehmigungsmöglichkeit hat der Betreffende das Wahlrecht, unterliegt jedoch nicht dem Geltungsrisiko und damit einer Fristverstreichung. Ein Schadensersatz kann sich dann bei Verschulden aus culpa in contrahendo (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB) ergeben.[3]

Einzelnachweise

  1. Dieter Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Band 10
  2. Burkhard Boemke, Bernhard Ulrici, BGB Allgemeiner Teil
  3. Thomas Lobinger: Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, Mohr Siebeck, Tübingen 1999, S. 172 ff., 218 ff., ISBN 3-16-147232-2.
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