Escher Wyss & Cie

Escher Wyss & Cie
Paradiesbollwerk mit Neumühle 1770, erster Standort der Escher, Wyss & Cie.
Die Neue Fabrik in der Hard in Aussersihl um 1903
Das Areal der Firma Escher Wyss AG in Zürich in den 1930er Jahren
Der Zürcher Architekt und Politiker Hans Caspar Escher , einer der Gründer der Escher Wyss
Die beiden von Escher, Wyss & Cie. gebauten Raddampfer «Stadt Rapperswil» (links) und «Stadt Zürich» im Hafen von Rapperswil (1914)
Maschinenhalle von Escher Wyss in der Neumühle

Die Firma Escher Wyss AG, ursprünglich Escher, Wyss & Cie. war eine schweizerische Industrieunternehmung mit Schwerpunkt Maschinen- und Turbinenbau, bis sie 1969 von der Sulzer AG übernommen wurde. Der Hauptsitz der Firma war in Zürich.

Die Firma Escher, Wyss & Cie. wurde 1805 von Hans Caspar Escher und Salomon von Wyss in Zürich als zweite mechanische Spinnerei der Schweiz gegründet, nach der General-Societät der englischen Baumwollspinnerei in St. Gallen, der Escher selbst die Aufwartung gemacht hatte. Der Sitz des Unternehmens befand sich bei der Neumühle, wo Teile des ehemaligen Paradiesbollwerks in die Fabrikanlagen einbezogen wurden. Bis 1892 entstand in dem Areal eine ausgedehnte Fabrikanlage mit eigenem Kraftwerk beim heutigen Neumühle-Quai. Auf dem ehemaligen Firmenareal stehen heute die kantonalen Verwaltungsgebäude «Walche» und «Kaspar-Escher-Haus». Um die Wartung und Herstellung der Spinnmaschinen und der zum Betrieb nötigen Wasserkraftanlagen entstand eine eigene Maschinenbautätigkeit, die in den Bereichen Textilmaschinen, Wasserräder und -turbinen, Pumpen, Transmissionsanlagen und später auch im Schiffbau und in der Herstellung von Dampfmaschinen, Dampfschiffen und Dampflokomotiven tätig war. Die Firma betrieb auch eine eigene Giesserei an der unteren Stampfenbachstrasse. 1860 wurde die Spinnerei geschlossen und die Firma konzentrierte sich auf den Maschinenbau.

Bis zur Jahrhundertwende machte sich Escher Wyss international einen Namen durch ihre Innovationen in den Bereichen Dampf- und Wasserkraft. Weltweit führend war Escher Wyss insbesondere im Bereich Hydraulik. Auf vielen historischen Dampfmaschinen und in alten Kraftwerken kann man heute noch die Plaketten mit dem Aufdruck des Firmennamens Escher, Wyss & Cie. finden.

1889 beschloss die Geschäftsleitung den Umzug der Fabrik von der Stadt Zürich in die damals noch selbständige Gemeinde Aussersihl, weil die Produktionsverhältnisse in der Neumühle unzumutbar geworden waren. Besonders der fehlende Gleisanschluss stellte ein Problem dar. Die Arbeiter mussten die Fertigfabrikate mit Seilen in die Stampfenbachstrasse hinaufziehen, wo sie nachts mit Pferdegespannen zum Bahnhof gebracht wurden. Die Firma erwarb in der unteren Hard ein 153'800 m² grosses Grundstück, auf dem sie von der Firma Locher & Cie eine grosszügige moderne Fertigungsanlage erstellen liess. 1891 begann die Bauarbeiten mit der 2160 m² grossen Kesselschmiede, die auch die Schiffsmontage beherbergte. 1892–1894 wurde die zentrale Maschinenfabrik gebaut, die mit zehn Hallenteilen 15'000 m² Fläche einnahm. Daneben wurde gleichzeitig die Giesserei-Halle mit 6350 m² ausgeführt, die durch Gleise mit der Maschinenfabrik verbunden war. Dem Komplex waren weitere Gebäude angeschlossen wie die Hammerschmiede. Die ganze Anlage war so geplant, dass Werkstoffe und Fabrikate möglichst effizient und ohne Zeitverlust bewegt werden konnten. Für die Energieversorgung liess Escher Wyss in Bremgarten-Zufikon ein eigenes Kraftwerk bauen, das über 15 km Drehstrom nach Zürich übertrug, der dort in einer eigenen Kraftzentrale in Wechsel- und Gleichstrom umgewandelt wurde. Als Reserve stand zudem eine 1000 kW Zoelly-Dampfturbinenanlage bereit. Zusammen it einer 250 PS Dampfmaschine für die Lichtreserve war somit eine völlig autonome Versorgung der Fabrik mit Energie gewährleistet. Der damals errichtete 46 m hohe Fabrikschlot mit dem charakteristischen Wasserreservoir von 50 t Inhalt ist bis heute sichtbares Wahrzeichen der Anlage. Die Escher Wyss Maschinenfabrik galt bis weit ins 20. Jahrhundert als Musterbeispiel einer modernen Maschinenfabrik.[1]

Rund um die Anlage von Escher Wyss liessen sich weitere Fabriken nieder, so dass sich das bis zur Jahrhundertwende ein neues Industriequartier Zürichs entwickelte (→Industriequartier (Stadt Zürich). Die Kreuzung Sihl-Quai, Hard-Strasse, Limmat-Strasse wurde nach der Firma in Escher-Wyss-Platz umbenannt. An der prominenten Ecke befand sich das neoklassizistische Direktionsgebäude. Die Firma gab auch dem Quartier, in dem sie lag, ihren Namen (→Escher Wyss (Stadt Zürich)). Neben Zürich hatte Escher Wyss weitere Niederlassungen, u.a. in Ravensburg, Leedorf, Lindau und Schio und betrieb ein weltweites Lizenz- und Exportnetz.

Nach dem Ersten Weltkrieg konzentrierte sich die Firma auf den Weltmarkt und war eine der grössten Exporteure von Industrieprodukten der Schweiz. 1931 übernahm ein Bankenkonsortium die Mehrheit des Unternehmens, um einen Zusammenbruch des hart von der Weltwirtschaftskrise getroffenen Exportbetriebs zu verhindern. Trotzdem mussten 1935 der Kanton und die Stadt für zwei Jahre das Unternehmen durch eine Arbeitsplatzgarantie mit gleichzeitiger Verlustgarantie am Leben erhalten. Zeitgleich wurde der Name in Escher Wyss AG geändert. Schliesslich kaufte Jacob Schmidheiny 1937 die traditionsreiche Firma. Das Stammhaus des Konzerns blieb in Zürich, wo zeitweise über 2000 Arbeiter beschäftigt waren. Ende der sechziger Jahre geriet Escher Wyss trotz technologischer Marktführerschaft in eine Absatzkrise, da billigere Konkurrenten auf den Markt kamen, der weltweite Wasserkraftwerkboom sich dem Ende zuneigte und die von Escher Wyss gefertigten Maschinen sich als viel zu langlebig herausstellten.

1966/69 wurde die Escher Wyss AG vom Winterthurer Industriekonzern Sulzer übernommen und 1983 in Sulzer-Escher Wyss AG umbenannt. Der Schwerpunkt der Produktion lag nun im Bereich Hydraulik und thermische Turbomaschinen. 1999 verkaufte Sulzer die Unternehmenssparte Wasserkraft, «Sulzer Hydro», an die österreichische VA Technologie AG (VA Tech) und 2001 den Bereich Turbokompressoren an die deutsche MAN. Der Wasserkraftbereich der VA Technologie AG musste bei deren Kauf durch Siemens 2005 wegen einer Auflage der EU-Kartellbehörde 2006 an das Unternehmen Andritz verkauft werden, wird jedoch vorläufig noch als VA TECH HYDRO GmbH weiterbetrieben. Innerhalb der VA Tech Hydro GmbH besteht die VA Tech Escher Wyss, die in der Schiffs- und Schiffspropeller-Herstellung tätig ist.

Das ehemalige Konzernareal in der unteren Hard in Zürich wurde von Sulzer seit dem Beginn der neunziger Jahre schrittweise veräussert, um Kapital für sein Kerngeschäft zu lösen. Damals entbrannte ein heftiger Streit zwischen Immobiliennternehmen und der Chefin des städtischen Hochbauamtes, Ursula Koch, die auf dem Areal eine industrielle Produktion erhalten wollte. Bis heute konnte immerhin auf sechs Hektaren eine industrielle Nutzung erhalten werden, hauptsächlich die Escher Wyss-Nachfolgeunternehmen MAN Turbo AG und VA Tech Hydro.

Die Schiffbau-Halle des Schauspielhauses

Das Escher Wyss-Areal stellte die weitläufigste Stadtentwicklungszone von Zürich West dar. Zahlreiche Gebäude wurden dort seit 1990 neu errichtet wie der Technopark (1993), die Hotels Novotel, Ibis und Etap, die Büro-, Gewerbe- und Wohnüberbauungen «Westpark» und «Puls 5» bzw. modernisiert, wie das Mobimo-Hochhaus (Bluewin-Tower). Einige Industriegebäude wurden umgenutzt, etwa die Kesselschmiede, in der heute das Schauspielhaus unter dem Label «Schiffbau» als Anspielung auf die ehemalige Schiffherstellung in dem Gebäude, eine Filiale betreibt, die Giessereihalle, die in die Überbauung «Puls 5» integriert ist oder das Verwaltungshochhaus, das 2001 zum «Bluewin-Tower» umgebaut wurde (auch bekannt als «Mobimo-Hochhaus»). Weiter wurden drei neue Strassen angelegt, die Giesserei-, Schiffbau- und Technoparkstrasse. Der Turbinenplatz im Herzen des ehemaligen Industrieareals wurde zum grössten Platz der Stadt Zürich.

Weite Teile des ehemaligen Escher Wyss-Areals gingen 2002 in den Besitz der Allreal Holding über. Die verbliebenen Anlagen stehen teilweise unter Denkmalschutz, wie das ehemalige Verwaltungsgebäude des Architekten Robert Landolt (1954), der Kamin der Industriehalle, die «Schiffbau»-Halle.

Siehe auch: Zürich West, Geschichte der Stadt Zürich

Weblinks

Literatur

  • Hans-Peter Bärtschi: Industrialisierung, Eisenbahnschlachten und Städtebau. Die Entwicklung des Zürcher Industrie- und Arbeiterstadtteils Aussersihl. Ein vergleichender Beitrag zur Architektur und Technikgeschichte. (Schriftenreihe des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, gta 25). Birkhäuser: Basel 1983.

Anmerkungen

  1. Bärtschi, Industrialisierung, S. 398f.

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