Euro NCAP

Euro NCAP
Logo des Euro NCAP

Euro NCAP (European New Car Assessment Programme – Europäisches Neuwagen-Bewertungs-Programm) ist eine Gesellschaft europäischer Verkehrsministerien, Automobilclubs und Versicherungsverbände mit Sitz in Brüssel.[1] Die Organisation führt Crashtests mit neuen Automobiltypen durch und bewertet danach ihre Sicherheit.

Nur Bewertungen desselben Jahrgangs sind vergleichbar.[2] Seit Februar 2009 wird die gesamte Sicherheit des Fahrzeugs mit bis zu fünf Sternen ausgezeichnet; vorher bekam jedes Fahrzeug in mehreren Kategorien bis zu fünf Sterne.[3]

Inhaltsverzeichnis

Konzept

Der Euro NCAP-Crashtest wird in vier Teilbereiche gegliedert und in einem verschlüsselten Verfahren mit unterschiedlicher Gewichtung entsprechend prozentual bewertet: Schutz erwachsener Insassen, Fußgängerschutz, Schutz von im Fahrzeugfond sitzenden Kindern sowie unfallvorbeugenden Sicherheitsmerkmalen eines Fahrzeugs.

Schutz erwachsener Insassen

Frontalaufprall
Seitenaufprall
Schlag gegen einen Pfosten

Dies ist die ausführlichste Prüfung, die in die drei Teile Front-, Seiten- und Pfahlaufprall unterteilt ist.

Der Frontalaufprall simuliert einen Zusammenstoß zweier Fahrzeuge gleicher Masse, die mit 64 km/h aufeinander zu fahren und sich mit 40% ihrer Breite treffen.[4] Vergleichbar sind nur Bewertungen von Fahrzeugen derselben Strukturkategorie, die sich um höchstens 150 kg in ihrer Masse unterscheiden.[5] Nach der Struktur unterscheidet man die Kategorien Personenwagen, Van, Geländewagen, Cabrio und Pickup.

Fahrer- und Beifahrersitz sind mit Crashtest-Dummys besetzt, die die Belastung verschiedener Körperregionen bei den verschiedenen Aufprallarten messen. Hieraus wird ein Mittelwert berechnet und eine Punktewertung vergeben. Für Gurtwarner, die nicht angeschnallte Insassen warnen, wird pro Platz ein Bonuspunkt vergeben.

Der Fahrzeug-Seitenaufprall, der Aufprall eines anderen Fahrzeugs von der Seite, wird mittels einer deformierbaren Barriere simuliert, die mit 50 km/h gegen die Fahrertür gefahren wird.[6]

Der Pfahl-Seitenaufprall, der Aufprall auf einen Baum oder Mast mit der Fahrzeugseite, wird simuliert, indem das Fahrzeug mit 29 km/h gegen einen stabilen Pfahl geschleudert wird.[7]

Die getesteten Fahrzeuge verfügen nur über die Sicherheitsausstattung, mit der sie in allen Ländern der Europäischen Union serienmäßig ausgestattet sind. Unter Umständen fehlen daher Sicherheitssysteme wie Gurtstraffer und Seitenairbags, die in einzelnen Ländern nur gegen Aufpreis oder nur in bestimmten Modellen erhältlich sind.

Fußgängerschutz

Hier wird bewertet, welche Verletzungsgefahr die Frontpartie für Fußgänger darstellt. Im Jahr 2002 wurde diese Wertung verschärft. Drei Sterne wurden hier bisher selten vergeben, z.B. an Fahrzeuge von Honda, Citroën und VW. Die beste Wertung von vier Sternen wurde im November 2005 zum ersten und bisher einzigen Mal an den Citroën C6 vergeben. Auch Fahrzeuge, die beim Insassenschutz 5 Sterne erhielten, bekamen beim Fußgängerschutz oft nur einen Stern. Eine Abwertung des Gesamtergebnisses erfolgt in diesem Falle nicht.

Durch strengere Vorschriften, die stufenweise ab 2005 und ab 2010 für neue Modelle gelten, sollen Fußgänger bei einem Unfall besser geschützt werden. Auch aktive Systeme befinden sich in der Entwicklung und könnten in einigen Jahren Serienreife erlangen. Das sind z. B. Motorhauben, die sich bei einem Unfall automatisch einige Zentimeter anheben und so mehr Deformationsraum bieten. Ein solches System wird beim oben genannten Citroën C6 genutzt. Eine weitere mögliche Technik sind Airbags in den A-Säulen links und rechts der Windschutzscheibe, die beim Aufprall auf einen Fußgänger ausgelöst werden.

Schutz von Kindern

Auf der Rücksitzbank befinden sich zwei Kinderdummys, die ein 18 Monate altes und ein drei Jahre altes Kind simulieren. Es werden vom Fahrzeughersteller angebotene oder empfohlene Kindersitze verwendet. Diesen Test gibt es seit 2003, die Bewertung erfolgt ebenfalls nach Punkten.

Unterstützende Sicherheitssysteme

Hier fließen bislang lediglich das Vorhandensein einer elektronischen Fahrdynamikregelung (ESC), einer Geschwindigkeitsbegrenzungsanlage (Speed limiter) und eines Warners bei nicht angelegtem Gurt in die Punktebewertung mit ein. Für die Zukunft ist jedoch gerade in diesem Punkt geplant, weitere unterstützende Sicherheitssysteme zur Erreichung der vollen Punktezahl zwingend erforderlich zu machen.

Zeitliche Entwicklung

Euro NCAP wurde Ende 1996 gegründet und veröffentlichte Anfang 1997 die ersten Bewertungen.[3] Der Volvo S40 erhielt damals mit 4 Sternen die höchste Wertung, während die meisten anderen Fahrzeuge wie der Ford Fiesta 3 Sterne oder wie die Mercedes-Benz C-Klasse 2 Sterne bekamen.[8] Seitdem ist eine erhebliche Verbesserung des Sicherheitsniveaus zu verzeichnen. Der Renault Laguna erreichte beispielsweise 1997 nur 2 Sterne, aber das Nachfolgemodell 2001 als erstes Fahrzeug überhaupt 5 Sterne. Mittlerweile sind 5 Sterne für den Insassenschutz Standard.

Zu beachten ist, dass die Bewertungen auf die jeweilige zugrunde gelegte Fahrzeugklasse bezogen sind, weil der Crashtest die Kollision mit einem Fahrzeug ähnlicher Größe simuliert. In der Regel schneiden größere Fahrzeuge bei realen Unfällen besser ab als kleine. Statistischen Untersuchungen zufolge ist das Risiko bei einem Autounfall zu sterben, für die Insassen eines leichteren Fahrzeugs höher. Eine Ausnahme sind Geländewagen, die sich durch ihren hohen Schwerpunkt häufiger überschlagen und dadurch eine ähnlich hohe Todesrate wie Kleinwagen haben.[9]

Durch die Integration von Systemen der aktiven und der passiven Sicherheit sind zukünftig vermehrt Systeme der aktiven Sicherheit zu berücksichtigen, die zur Vermeidung von Unfällen beitragen, sowie sogenannte Pre-Crash-Systeme, die bereits vor dem tatsächlichen Zusammenstoß eine Vorbereitung der Sicherheitssysteme auf den Crash erlauben, da auch sie zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen. Zu diesem Zweck wird derzeit (Stand Mitte 2008) der Ansatz „Beyond NCAP“ diskutiert. Ziel ist es, durch ein systemindividuelles Rating den zu erwartenden Vorteil der teilweise doch sehr unterschiedlichen Systeme zu quantifizieren.

Kritik an Testverfahren und Relevanz

Bei der Fahrzeugkonzeption und Entwicklung werden die verschiedenen Entwicklungsziele festgelegt. Die Erfüllung der Kriterien für die Ratings ist dabei eines der Entwicklungsziele. Die Folge ist eine zielgenaue Entwicklung auf die Anforderungen der Tests hin. Alle Aussagen über Sicherheit gelten daher nur im Rahmen dieser Testbedingungen. Neuere Erkenntnisse über Unfälle und deren Ursachen fließen deshalb kontinuierlich in neue Anforderungen der Testbedingungen ein. So ist die weiche Barriere aus Aluwabenmaterial seit Jahren Standard beim Seitencrash. Diese simuliert sehr gut einen Unfallgegner mit eigener Knautschzone. Beim seitlichen Pfahlaufprall aber bleibt es beim massiven Pfahl, der einen Baum simulieren soll.

Was außerhalb der Testbedingungen mit der Crashstruktur geschehen kann, zeigt dieser Test: Ein Unfall mit anderem Überdeckungsgrad als 40 % oder gar mit höherer Geschwindigkeit als 64 km/h (40 mph) kann bei einigen als sicher eingestuften Modellen zu eklatanten Verletzungsrisiken führen.

Eine weitere Schwäche des Euro NCAP ist, dass beim Frontaufprall zwei Fahrzeuge gleichen Typs gegeneinander prallen. Dies wird bei Tests kleinerer Fahrzeuge zum Problem, da diese in der Realität im Regelfall eher mit größeren und schwereren Fahrzeuge kollidieren dürften. Es wird dem Autokäufer durch gleiche Einstufung eines leichten, kleinen Fahrzeugs und eines schweren, großen Fahrzeugs suggeriert, er wäre in beiden Fahrzeugen gleich gut geschützt. Dies ist nicht der Fall.

Weltweit gibt es keine identischen Vorschriften für Crashtests. Teilweise widersprechen sich die Anforderungen sogar, was das Lösen der gestellten Aufgabe für die Hersteller nicht leichter macht. So gelten beim US NCAP in den USA andere Crashtest-Vorgaben, die sich nicht immer mit den Anforderungen des NCAP decken.[10] Weltweit operierende Kfz-Hersteller müssen daher aufgrund verschiedener Anforderungen eventuell Kompromisse finden, die eine Bestbenotung verhindern können.[11] Auch unterscheidet sich daher die Sicherheitsausstattung gleicher Modelle auf verschiedenen Märkten.

Quellen

  1. Euro NCAP members. Euro NCAP. Abgerufen am 9. November 2009.
  2. Weniger Bestwerte im Euro-Crashtest. Die Zeit (4. Februar 2011). Abgerufen am 6. Februar 2011.
  3. a b History. Euro NCAP. Abgerufen am 9. November 2009.
  4. Frontal impact. Euro NCAP. Abgerufen am 9. November 2009.
  5. Comparable cars. Euro NCAP. Abgerufen am 9. November 2009.
  6. Car to Car Side Impact. Euro NCAP. Abgerufen am 9. November 2009.
  7. Pole Side Impact. Euro NCAP. Abgerufen am 9. November 2009.
  8. Car Search Results. Euro NCAP. Abgerufen am 2. Januar 2010.
  9. RISK OF DYING IN ONE VEHICLE VERSUS ANOTHER, INSURANCE INSTITUTE FOR HIGHWAY SAFETY (PDF Datei, 820 kB)
  10. Vergleich der EU- und US-Crashnormen
  11. Spiegel-Artikel zum Thema Crashnormen und deren Aussagekraft

Weblinks


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