Europawahlen

Europawahlen
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Die Europawahl ist eine seit 1979 in der Europäischen Union stattfindende Wahl, bei der die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bestimmt werden. Die nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament finden vom 4. bis 7. Juni 2009 statt. In allen deutschsprachigen EU-Ländern wird am Sonntag, 7. Juni 2009 gewählt (siehe dazu Europawahl 2009).

Inhaltsverzeichnis

Wahlmodi und Geschichte

Die Wahl findet alle fünf Jahre statt. Das genaue Wahlsystem wird momentan noch in den einzelnen Mitgliedsländern durch nationale Regelungen bestimmt, sie mussten jedoch vor der Wahl 2004 eine Richtlinie umsetzen, die eine gewisse Vereinheitlichung der Regeln bewirkte.[1]

Die Abgeordneten werden für jeden Mitgliedstaat getrennt gewählt. Wahlberechtigt sind alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union in dem Land ihres Wohnsitzes. Hierfür ist es notwendig, in das örtliche Wählerverzeichnis zur Europawahl eingetragen zu sein. Im EU-Ausland lebende Bürger können dabei alternativ entweder am Ort ihres Wohnsitzes oder in ihrem Herkunftsland wählen. Das Alter für das aktive Wahlrecht liegt in fast allen Staaten bei 18 Jahren, alleine in Österreich ist es (ab 2009) bei 16 Jahren. Österreich ist damit (wie auf Ebene der Gemeinde- und Nationalratswahlen auch) europaweiter Vorreiter in der Einbeziehung Jugendlicher in politische Entscheidungsprozesse. Auch das Alter für den Erwerb des passiven Wahlrechts (Wählbarkeit) hängt von der nationalen Regelung des Herkunftsstaates ab. Während die meisten EU-Bürger bereits ab 18 Jahren gewählt werden können, sind beispielsweise Italiener und Zyprioten erst mit 25 wählbar.

Die Aufstellung der Kandidaten erfolgt über Listen auf nationaler, bzw. regionaler Ebene, meist über die national organisierten Parteien. Nach der Wahl können sich diese an einer Fraktion im Europäischen Parlament beteiligen oder eine solche gründen; die Gründung einer Fraktion erfordert derzeit mindestens 20 Abgeordnete aus einem Fünftel der Mitgliedsländer[2]. Die Abgeordneten können ihr Mandat aber auch als Fraktionslose erfüllen. Dies bedeutet für den Abgeordneten eine größere Unabhängigkeit, erschwert ihm aber auch die Tätigkeit.

Seit Anfang der neunziger Jahre (insbesondere durch den Vertrag von Maastricht 1992) hat die Macht des Europäischen Parlaments gegenüber anderen EU-Institutionen, etwa dem Ministerrat deutlich zugenommen. Allerdings besitzt es noch immer weniger Einfluss als nationale Parlamente auf die Bildung der Exekutive: So werden etwa Regierungschefs auf nationaler Ebene meist vom Parlament gewählt, während der Präsident der Europäischen Kommission vom Europäischen Rat, also den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, ernannt und vom Europaparlament lediglich bestätigt wird. Der Europäische Rat „berücksichtigt“ dabei die Ergebnisse der vorhergehenden Europawahlen, sodass üblicherweise der Kommissionspräsident derjenigen Parteigruppe angehört, das im Europaparlament die stärkste Fraktion stellt. Durch das Fehlen einer echten Regierungspartei- bzw. Fraktion sind die einzelnen Abgeordneten andererseits aber auch unabhängiger und können bei Verhandlungsgeschick und Sachkenntnis zum Teil großen Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen. Darüber hinaus kann das Parlament insgesamt die Kommission durch ein Misstrauensvotum zu Fall bringen.

Das Fehlen länderübergreifender Listen und das Fehlen gesamteuropäischer Spitzenkandidaten tragen dazu bei, dass im Wahlkampf vor Europawahlen häufig nicht europäische, sondern nationale Themen vorherrschend sind. Zugleich gelten sie als Gründe dafür, dass trotz der gestiegenen Bedeutung des Europäischen Parlaments seit 1979 die Wahlbeteiligung bei Europawahlen immer weiter zurückgegangen ist und in fast allen Mitgliedsländern weit niedriger ausfällt als bei nationalen Parlamentswahlen. Von dieser niedrigen Wahlbeteiligung profitierten dabei in manchen Mitgliedsländern auch populistische oder extremistische Gruppierungen, die Sitze im Europaparlament erzielten.

Wahlsysteme

Die Wahlsysteme sind in der Europäischen Union nicht einheitlich. Fast alle Länder stimmen zwar nach dem Verhältniswahlrecht ab - auch im Vereinigten Königreich und Frankreich, in denen national ein Mehrheitswahlrecht gilt - allerdings mit starken lokalen Unterschieden. Im Vertrag von Nizza vom 1. Februar 2003 [Artikel 190, Absatz 4] ist jedoch das Ziel einer einheitlichen Wahlordnung ausgedrückt: „Das Europäische Parlament arbeitet einen Entwurf für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten [...] aus. Der Rat erlässt nach Zustimmung des Europäischen Parlaments [...] einstimmig die entsprechenden Bestimmungen und empfiehlt sie den Mitgliedstaaten zur Annahme [...].

Das Wahlsystem in Deutschland

Rechtsgrundlage für das Wahlverfahren in Deutschland ist das Europawahlgesetz. Die 99 deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Die Sitzvergabe erfolgt nach einer bundesweiten Berechnung nach dem Verhältniswahlrecht, wobei die 5-Prozent-Sperrklausel angewandt wird. Die Wahl erfolgt auf der Basis von Listenvorschlägen nach den Grundsätzen des Verhältniswahlsystems.

Anders als bei der Bundestagswahl hat der Wähler nur eine Stimme, mit der er eine Partei oder Wählervereinigung wählen kann. Die Wahllisten können als Landeslisten für einzelne Länder oder als gemeinsame Liste für alle Länder eingereicht werden.

Die Sitzverteilung erfolgte bisher nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren, wobei nur solche Wahlvorschläge berücksichtigt werden, die mindestens 5 % der abgegebenen Stimmen erhalten haben („Sperrklausel“). Ab der Europawahl 2009 wird das Sainte-Laguë-Verfahren angewandt. Die Wahllisten sind geschlossen; d. h. die auf die Wahlvorschläge entfallenden Sitze werden genau in der auf der Liste festgelegten Reihenfolge besetzt, der Wähler kann anders als beispielsweise bei der Kommunalwahl nicht die Reihenfolge bestimmen.

Der durch das Ausscheiden eines Parlamentariers frei werdende Sitz wird an seinen Ersatzkandidaten vergeben. Nur wenn kein Ersatzkandidat benannt ist, wird die Reihenfolge der Liste beachtet. Diese Regelung soll dazu beitragen, die regionale Ausgewogenheit der deutschen Europavertretung zu gewährleisten.

Wahlberechtigt sind alle Deutschen im Sinne des Artikel 116, Abs. 1 GG, die am Wahltag das Wahlrecht zum deutschen Bundestag besitzen. Auch die Staatsangehörigen eines anderen Staates der EU sind wahlberechtigt, soweit sie älter als 18 Jahre sind und seit mehr als drei Monaten ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Ebenso wie die Deutschen, die im EU-Ausland leben, müssen sie sich jedoch entscheiden, ob sie ihr Wahlrecht im Staat ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Wohnsitzes ausüben.

Das Wahlsystem in Österreich

Die Europawahlen in Österreich erfolgen als Verhältniswahl, wobei das ganze Land einen einzigen Wahlkreis bildet. Die Wähler wählen eine Liste, sie können aber zusätzlich auch einen bestimmten Kandidaten auf dieser Liste wählen, wodurch dieser seine Position in der Liste verbessern kann (Vorzugsstimme). Die Sitzverteilung erfolgt nach dem D’Hondt-Verfahren, mit einer Sperrklausel für alle Listen, die weniger als 4% der Gesamtzahl der Stimmen erreicht haben. Das passive Wahlrecht wird mit 18 Jahren erreicht, das aktive mit 16 Jahren.

Das Wahlsystem in anderen europäischen Ländern[3]

Frankreich

Verhältniswahl mit acht Wahlkreisen (Nord-ouest, Ouest, Île-de-France, Est, Massif-Centre, Sud-ouest, Sud-est, Outre-mer) und geschlossenen Listen, Sitzverteilung nach dem D'Hondt-Verfahren, 5%-Sperrklausel in jedem Wahlkreis. Jeder Wahlkreis stellt eine bestimmte Anzahl an Abgeordneten. Das passive Wahlrecht wird mit 23 Jahren erreicht.

Irland

Präferenzwahlverfahren mit vier Wahlkreisen (Dublin, Munster, Leinster, Connacht/Ulster). Jeder Wahlkreis stellt eine bestimmte Anzahl an Abgeordneten. Das passive Wahlrecht wird mit 21 Jahren erreicht.

Italien

Verhältniswahl mit fünf Wahlkreisen (Nordwest-, Nordost-, Mittel-, Süditalien, Sizilien/Sardinien), Sitzverteilung nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren ohne Sperrklausel. Jeder Wahlkreis soll eine bestimmte Anzahl an Abgeordneten stellen; für die Sitzverteilung unter dem Parteien ist aber das landesweite Stimmenverhältnis ausschlaggebend, sodass unter Umständen Sitze von einem Wahlkreis auf einen anderen übertragen werden müssen (wenn etwa in einem Wahlkreis die Wahlbeteiligung deutlich niedriger ist und zugleich das dort erzielte Ergebnis vom landesweiten Ergebnis abweicht). Das passive Wahlrecht wird mit 25 Jahren erreicht.

Polen

Verhältniswahl mit dreizehn Wahlkreisen, Sitzverteilung gemischt nach D'Hondt- und Hare-Niemeyer-Verfahren mit landesweiter 5%-Sperrklausel. Das passive Wahlrecht wird mit 21 Jahren erreicht.

Spanien

Verhältniswahl mit einem einzigen Wahlkreis und geschlossenen Listen, Sitzverteilung nach dem D'Hondt-Verfahren ohne Sperrklausel. Das passive Wahlrecht wird mit 18 Jahren erreicht.

Vereinigtes Königreich

Verhältniswahl mit zwölf Wahlkreisen und geschlossenen Listen, Sitzverteilung nach dem D'Hondt-Verfahren ohne Sperrklausel. Jeder Wahlkreis stellt eine bestimmte Anzahl an Abgeordneten. Im Wahlkreis Nordirland wird statt der Verhältniswahl das Präferenzwahlverfahren angewandt. Das passive Wahlrecht wird mit 21 Jahren erreicht.

Entwicklung der Wahlbeteiligung

Wahljahr Gesamt DE AT FR BE IT LU NL DK IE UK GR ES PT SE FI CZ EE CY LV LT HU MT PL SI SK
1979 63,0 % 65,7 % - 60,7 % 91,4 % 84,9 % 88,9 % 57,8 % 47,8  % 63,6 % 32,2 % - - - - - - - - - - - - - - -
1984 61,0 % 56,8 % - 56,7 % 92,2 % 83,4 % 88,8 % 50,6 % 52,4 % 47,6 % 32,6 % 77,2 % 68,9 % (1987) 72,4 % (1987) - - - - - - - - - - - -
1989 58,5 % 62,3 % - 48,7 % 90,7 % 81,5 % 87,4 % 47,2 % 46,2 % 68,3 % 36,2 % 79,9 % 54,6 % 51,2 % - - - - - - - - - - - -
1994 56,8 % 60,0 % 67,7 % (1996) 52,7 % 90,7 % 74,8 % 88,5 % 35,6 % 52,9 % 44,0 % 36,4 % 71,2 % 59,1 % 35,5 % 41,6 % (1995) 60,3 % (1996) - - - - - - - - - -
1999 49,8 % 45,2 % 49,4 % 46,8 % 91,0 % 70,8 % 87,3 % 30,0 % 50,5 % 50,2 % 24,0 % 75,3 % 63,0 % 40,0 % 38,8 % 31,4 % - - - - - - - - - -
2004 45,6 % 43,0 % 41,8 % 43,14% 90,81 % 73,1 % 90 % 39,1 % 47,85 % 59,7 % 38,9 % 62,78 % 45,94 % 38,74 % 37,2 % 41,1 % 27,9 % 26,89 % 71,19 % 41,23 % 48,2 % 38,47 % 82,37 % 20,42 % 28,34 % 16,66 %

Bisherige Europawahlen

Partei EVP – ED SPE ELDR Grüne/EFA VEL/NGL UEN EDU bzw.
Ind/DEM
Fraktions-
lose
Sitze Beteiligung
Europawahl 1999 233
37,2%
180
28,8%
51
8,1%
48
7,7%
42
6,7%
31
5,0%
16
2,5%
25
4,0%
626 49,8%
Europawahl 2004 264
38,0%
200
27,2%
90
9,2%
42
5,6%
41
5,3%
30
3,7%
33
2,0%
32
9,0%
732 45,5%

Bisherige Europawahlen in Deutschland

Partei CDU/CSU SPD FDP Grüne PDS REP Andere Sitze Beteiligung
Europawahl 1979 49.2%
42
40.8%
35
6.0%
4
3.2%
0.8%
81 65,7%
Europawahl 1984 45.9%
41
37.4%
33
4.8%
8.2%
7


3.7%
81 56,8%
Europawahl 1989 37.8
32
37.1%
31
5.6%
4
8.4%
8
7.1%
6
3.8%
81 62.3%
Europawahl 1994 38.8%
47
32.2%
40
4.1%
10.1%
12
4.7%
3.9%
6.3%
99 60,0%
Europawahl 1999 48,7%
53
30,7%
33
3,0%
6,4%
7
5,8%
6
1,7%
3,7%
99 45,2%
Europawahl 2004 44,5%
49
21,5%
23
6,1%
7
11,9%
13
6,1%
7
1,9%
7.9%
99 43,0%

Bisherige Europawahlen in Österreich

Partei ÖVP SPÖ LF Grüne KPÖ FPÖ MATIN Andere Sitze Beteiligung
Europawahl 1996[4] 29.7%
7
29.2%
6
4.3%
1
6.8%
1
-
27.5%
6
-
2.6%
-
21
Europawahl 1999
7

7


2


5


21
Europawahl 2004 32,7%
6
33,4%
7

12,8%
2
0,8%
6,3%
1
14,0%
2
18 41,8%

Anmerkungen

  1. Die Webseite des Bundeswahlleiters [1] hat dazu mehr Informationen.
  2. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments, Art. 29, Abs. 2 (Fassung vom Oktober 2008)
  3. Informationen zum Wahlrecht in den 27 Mitgliedsstaaten (Stand Jan. 2009)
  4. Nachwahl zum Europaparlament nach dem Beitritt 1996

Weblinks

Deutschland

Österreich


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