Faktorausstattung

Faktorausstattung

Der Begriff Faktorausstattung beschreibt in der Volkswirtschaftslehre alle Bestandteile, die für eine Volkswirtschaft verfügbar und zur Produktion geeignet sind. Gemeint sind damit die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital, die häufig unter dem Begriff Input zusammengefasst werden. Die Faktorausstattung eines Landes ist die Schlüsselgröße für die Vorteilhaftigkeit und die Richtung des Außenhandels. Der Begriff Faktor entspringt dem lateinischen Wort facere (tun, machen).

Inhaltsverzeichnis

Begriffserläuterung

Seit Jean-Baptiste Say (1767–1832) hat sich in der klassischen Nationalökonomie die Dreiteilung der Produktionsfaktoren in Arbeit, Boden und Kapital weitgehend etabliert. Diese Einteilung wurde von der traditionellen Volkswirtschaftslehre übernommen. In neueren Ansätzen werden häufig auch Wissen (Humankapital) oder die Führung eines Unternehmens als Produktionsfaktor angesehen. [1]

  • Arbeit

Unter Arbeit wird jede menschliche Tätigkeit verstanden, die der Bedürfnisbefriedigung dient und darauf abzielt, Einkommen zu erwirtschaften. Hierzu zählen sowohl die Leistungen der unselbständig beschäftigten Arbeitnehmer als auch die Leistungen der Unternehmenseigentümer. [2]

Dabei ist zu beachten, dass es bei dem Produktionsfaktor Arbeit erhebliche Qualifikationsunterschiede gibt, die für die Güterproduktion von erheblicher Bedeutung sind. So ist beispielsweise nachgewiesen worden, dass die USA und andere Industrieländer über einen relativ hohen Bestand an hochqualifizierten Arbeitskräften verfügen. Diese Länder zeichnen sich demzufolge durch einen hohen Bestand an Humankapital aus, während Entwicklungsländer reichlich mit ungelernten, unqualifizierten Arbeitskräften ausgestattet sind. [3]

  • Boden

Der Produktionsfaktor Boden umfasst neben dem Anbau - und Abbauboden auch den Boden als Standort für Unternehmungen. In einigen Ansätzen wird heute der Produktionsfaktor Boden durch den Produktionsfaktor Umwelt (natürliche Ressourcen) ersetzt, der dann die Faktoren Boden, Gewässer, Luft und belebte Natur zusammenfasst. [4]

  • Kapital

Der Produktionsfaktor Kapital untergliedert sich in Sach- bzw. Realkapital und in Geldkapital. Zum Realkapital zählen dauerhafte Produktionsmittel wie Maschinen und sonstige Ausrüstungen, Gebäude und Lagerbestände sowie nicht dauerhafte Produktionsmittel, die von anderen Unternehmungen bezogen werden und als Vorleistungen in den Produktionsprozess einfließen (z.B. Rohstoffe, Engerie). [5] Das Geldkapital sind Tauschmittel (Geld), die mittels Investitionen in Sachkapital umgewandelt werden können.

Faktorausstattung und Außenhandel

Modellannahmen mit identischer Faktorausstattung

Historische Einordnung

Der englische Ökonom David Ricardo (1772-1823) entwickelte zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Prinzip der komparativen Kostenvorteile, welches einen Kernpunkt der Außenhandelstheorie darstellt. Sein Schaffen diesbezüglich erreichte im Jahre 1817 mit der Veröffentlichung seines Werkes On the Principles of Political Economy and Taxation seinen Höhepunkt. [6]

Erklärung

Die ökonomische Theorie versucht bei der Herausarbeitung der Außenhandelsströme die komplexe Realität durch eine einfache Wirkungsanalyse darzustellen. Hierbei sollen Komponenten betrachtet werden, von denen angenommen wird, dass sie die Hauptursachen des Untersuchungsgegenstandes ausmachen. Von besonderem Interesse sind die Hintergründe der Güterauswahl im Import und Export einer Volkswirtschaft, also die Frage nach den Ursachen von Handelsströmen.[7] In seinen theoretischen Ansätzen führt Ricardo den Produktionsaufwand allein auf die Arbeitsleistung zurück. Wird zudem angenommen, dass die Arbeitseinheiten überall qualitativ gleichwertig sind, reduzieren sich die Erklärungsversuche auf die unterschiedlichen Produktionsbedingungen. Diese Produktionsbedingungen äußern sich durch verschiedenartige Produktionsfunktionen, mit Hilfe derer die jeweils international gleichartigen Güter hergestellt werden. Inwiefern Transportkosten den Außenhandel beeinflussen, wird im Modell außer Acht gelassen. Zur Vereinfachung wird außerdem von der Gleichheit der Kosten und Preise – also vollkommener Konkurrenz – ausgegangen.[8]

Produktionsmöglichkeitenkurve

Unterstellt man neben Ricardos Annahmen, dass die Faktorausstattung bei (vereinfacht) zwei Ländern gleich umfangreich gegeben ist, lassen sich zusätzliche Aussagen treffen. Neben der Aussage über das Produktionspotenzial ermöglicht die Annahme fixer Ausstattung mit Produktionsfaktoren, allein die Wirkung unterschiedlicher Produktionsfunktionen zu betrachten. Anderenfalls könnte theoretisch nicht mehr gesagt werden, in welchem Maße der Außenhandel auf verschiedene Produktionsfunktionen oder unterschiedliche Faktorausstattung zurückzuführen ist. Somit kann jedes Land den Faktor Arbeit produktionstechnisch beliebig auf die Güter aufteilen. Die grafische Darstellung solcher produktionstechnischer Kombinationen bei der Güterherstellung erfolgt mittels einer sogenannten Transformationskurve bzw. Produktionsmöglichkeitenkurve.[9]

Modellannahmen mit unterschiedlicher Faktorausstattung

Historische Einordnung

Die Bedeutung der Faktorausstattung eines Landes für den Außenhandel wurde erstmals von dem schwedischen Ökonom Eli Filip Heckscher (1879-1952) untersucht. Er entwickelte wesentliche Punkte der Faktorausstattungstheorie des internationalen Handels, die im Jahre 1919 publiziert wurde. Der schwedische Wirtschaftswissenschaftler Bertil Ohlin (1899-1979) galt als Nachfolger von Eli Filip Heckscher. Er entwickelte und baute die Faktorausstattungstheorie in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts weiter aus. [10]

Der Faktorausstattungsansatz ist als Heckscher-Ohlin-Theorem bekannt und gilt als moderne Theorie des internationalen Handels. Die Theorie wurde von vielen Ökonomen in einem Prozess verfeinert und ausgeweitet, der immer noch fortdauert. [11]

Erklärung

Im Heckscher-Ohlin-Theorem werden die Voraussetzungen aus dem Ricardo-Modell umgekehrt. Es werden identische Produktionsfunktionen unterstellt. Die Länder sind lediglich in unterschiedlichem Maße mit Produktionsfaktoren ausgestattet. Dabei ist es unbedeutsam, ob ein Land mehr oder weniger von beiden Produktionsfaktoren besitzt. Entscheidend sind die Unterschiede in den jeweiligen Verhältnissen. [12] Der Reichtum an einem Produktionsfaktor ist folglich nicht durch absolute Zahlen, sondern durch Verhältnisgrößen definiert.

  • Beispiel

Angenommen die USA haben 80 Millionen Arbeiter und 200 Millionen Hektar Land, so entspricht dies einem Arbeits-Boden-Verhältnis von 1:2,5. Großbritannien hat mit 20 Millionen Arbeitern und 20 Millionen Hektar Boden ein Arbeits-Boden-Verhältnis von 1:1. Demnach wird Großbritannien als arbeitsreich gewertet, obwohl es absolut über weniger Arbeiter verfügt als die Vereinigten Staaten. [13]

In der Realität weist die Faktorausstattung der Länder tatsächlich häufig beträchtliche Unterschiede auf. So hat zum Beispiel Land A, welches hier als Inland bezeichnet wird, relativ viel Arbeitskraft und Land B, welches hier als Ausland bezeichnet wird, relativ viel Kapital und Boden. Außerdem wird davon ausgegangen, dass es bodenintensiv gefertigte Güter wie Weizen und arbeitsintensiv gefertigte Güter wie Tuch gibt.[14] Die Länder spezialisieren sich so, dass sie verstärkt jene Güter produzieren, die den im Land relativ reichlich vorhandenen Faktor intensiv nutzen. Das Inland spezialisiert sich folglich auf die Produktion von Tuch, während sich das Ausland auf die Produktion von Weizen spezialisieren wird. Die nicht im eigenen Land abgesetzten „Überschüsse“ werden jeweils exportiert.

Wenn eine Volkswirtschaft relativ arbeitsreich ist, wird demnach Arbeit preiswerter sein als Kapital und somit arbeitsintensive Güter entsprechend kostengünstiger hergestellt werden können. Aus dem Zusammenhang zwischen relativer Faktorreichlichkeit und der Faktorintensität in der Produktion ergeben sich komparative Kostenvorteile und internationale Preisvorteile, die wiederum zu Wettbewerbsvorteilen auf internationalen Märkten führen.[15]

Dieser Sachverhalt erklärt, weshalb die Ausfuhr der meisten Entwicklungsländer aus bodenintensiven oder arbeitsintensiven Erzeugnissen besteht, während die hochindustrialisierten Länder zum Großteil kapitalintensive Produkte exportieren.

Zur Vereinfachung werden in den Modellen oftmals Cobb-Douglas-Produktionsfunktionen verwendet. Diese unterstellen, dass die eingesetzten Produktionsfaktoren substitutionale Faktoren sind. Siehe auch der Artikel Faktorsubstitution. So kann beispielsweise ein Land im Gegensatz zu einem anderen in unterschiedlichem Ausmaß mit Produktionsfaktoren, wie Arbeit und Kapital, ausgestattet sein. Daher ist es möglich, in beiden Ländern die Herstellung mehrerer Güter bei je unterschiedlichen Produktionsfunktionen zu betrachten.[16]

Einfluss auf Produktionspotential und Volkseinkommen

Wenn es in einem Land zu einer Erhöhung der Faktorausstattung kommt, beispielsweise durch einen Anstieg des Arbeitspotenzials, steigt auch das Produktionspotenzial. Infolge dessen verlagert sich die Transformationskurve nach außen. Dies führt wiederum zu einem Anstieg der Produktionsmenge des Export- und Importgutes und wirkt sich anschließend auch auf die Export- und Importmenge eines Landes aus. Letztendlich führt diese Zunahme des Produktionspotenzials zu einem Anstieg des Volkseinkommens. Somit ist abschließend zu erkennen, dass sich eine Veränderung der Faktorausstattung auf das Volkseinkommen auswirkt.[17]

Literatur

  • Wilfried J. Ethier: Moderne Außenwirtschaftstheorie. 2. Auflage. Oldenbourg, München 1991, ISBN 3-486-21777-1.
  • Klaus Rose und Karlhans Sauernheimer: Theorie der Außenwirtschaft. 13. Auflage. Vahlen, München 1999, ISBN 3-8006-2450-8.
  • Udo Broll: Einführung in die reale und monetäre Außenwirtschaft. 1. Auflage. Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-23187-1.
  • Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001, ISBN 3-409-63907-1.
  • Gustav Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen. 3. Auflage. Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-23148-0.

Belege

  1. Artur Woll: Wirtschaftslexikon. 10. Auflage. Oldenbourg, München 2008, S. 625.
  2. Artur Woll: Wirtschaftslexikon. 10. Auflage. Oldenbourg, München 2008, S. 625.
  3. Gustav Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen. 5. Auflage. Oldenbourg, München 2001, S. 98.
  4. Artur Woll: Wirtschaftslexikon. 10. Auflage. Oldenbourg, München 2008, S. 625.
  5. Artur Woll: Wirtschaftslexikon. 10. Auflage. Oldenbourg, München 2008, S. 625.
  6. Fritz Söllner: Die Geschichte des ökonomischen Denkens. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2001, S. 39.
  7. Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001 S. 25.
  8. Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001, S. 26-27.
  9. Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001, S. 28-30.
  10. Wilfried J. Ethier: Moderne Außenwirtschaftstheorie. 2. Auflage. Oldenbourg, München 1991, S. 138.
  11. Wilfried J. Ethier: Moderne Außenwirtschaftstheorie. 2. Auflage. Oldenbourg, München 1991, S. 139.
  12. Klaus Rose und Karlhans Sauernheimer: Theorie der Außenwirtschaft. 13. Auflage. Vahlen, München 1999, S. 413.
  13. Paul R. Krugman und Maurice Obstfeld: Internationale Wirtschaft. 7. Auflage. Pearson, München 2006, S. 115.
  14. Wolfgang Maennig und Bernd Wilfling: Außenwirtschaft Theorie und Politik. Vahlen, München, S. 111-112.
  15. Udo Broll: Einführung in die reale und monetäre Außenwirtschaft. 1. Auflage. Oldenbourg, München 1995, S. 40, 41.
  16. Manfred Borchert: Außenwirtschaftslehre. 7. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2001, S. 59.
  17. Gustav Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen. 3. Auflage. Oldenbourg, München 1995, S. 76.

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