Fakultative Volksabstimmung

Fakultative Volksabstimmung
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Bei einem Volksentscheid entscheiden die stimmberechtigten Bürger in einer Abstimmung (lat. Referendum) über eine Verfassungs- oder Gesetzesänderung. Es entscheidet hierbei die einfache oder eine qualifizierte Mehrheit über Annahme oder Ablehnung des Gesetzentwurfs. Manchmal wird auch der Begriff Plebiszit synonym verwendet (lat. plebs = Menge, aber auch Pöbel und Bürgerstand), womit jedoch zumeist nur Volksentscheide gemeint sind, die von „oben“, also von der Exekutive, eingeleitet werden.

Kurzstatus auf: Volksgesetzgebung (enthält auch Information über Österreich)

Inhaltsverzeichnis

Volksentscheide in Deutschland

Deutsches Reich

Nach dem 1. Weltkrieg fanden aufgrund des Versailler Vertrages in mehreren Grenzgebieten des Deutschen Reiches Volksabstimmungen über Abtretung oder Verbleib bei Deutschland statt, siehe Volksabstimmungen im Gefolge des Versailler Vertrags‎. Von größerer politischer Bedeutung war auch der im Wege eines Volksbegehrens der Linken initiierte und 1926 durchgeführte Volksentscheid über die entschädigungslose Fürstenenteignung. Da aufgrund der Verfassungslage ein Präsenzquorum von 50 Prozent der Wahlberechtigten vorgeschrieben war, wählten die Gegner der Vorlage die Boykottstrategie, die in solchen Fällen de facto auf eine Aufhebung des geheimen Wahlrechts hinausläuft. (Wer wählen geht, hat sich als Befürworter der Vorlage deklariert). Sie waren damit auch erfolgreich. Die gleiche Strategie wählte zwei Jahre später die politische Linke, um im Dezember 1929 das Volksbegehren der Rechten gegen den Young-Plan zu Fall zu bringen. Nicht zuletzt aufgrund dieser ungünstigen Erfahrungen mit einem schlecht konstruierten Instrument direkter Demokratie kam es nach 1945 zu keiner Aufnahme vergleichbarer Bestimmungen ins Grundgesetz.

Bundesrepublik Deutschland

In Deutschland ist der Volksentscheid auf Bundesebene, außer bei einer Neugliederung des Bundesgebietes, zur Zeit nicht vorgesehen. Auf Landesebene gibt es ihn jedoch in allen Bundesländern. Im kommunalen Bereich sind direkte Bürgerentscheide in allen Bundesländern, dank einer Volksabstimmung auf Landesebene, auch in Berlin und Bayern, möglich. Besonders weitgehende direktdemokratische Elemente finden sich im Land Bayern. Dort ist unter anderem die Abwahl des Parlaments durch einen Volksentscheid möglich. (Art. 18 Abs. 3 Bayerische Verfassung) (siehe auch: Bürgerbegehren)

In Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes heißt es, die Staatsgewalt werde vom Volke „in Wahlen und Abstimmungen“ ausgeübt. Volksabstimmungen auf Landes- und Bundesebene werden damit grundsätzlich auf die gleiche Stufe wie Wahlen gestellt. Für die tatsächliche Durchführung von Volksentscheiden auf Bundesebene müsste das Grundgesetz jedoch erneut geändert werden, da als Gesetzgeber bisher nur der Bundestag (zusammen mit dem Bundesrat) in Artikel 76 Abs. 1 GG aufgeführt ist. Einen entsprechenden Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes hat die FDP am 25. Januar 2006 in den Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksache 16/474). Darin schlägt sie vor, das Grundgesetz durch die Einführung der unmittelbaren Bürgerbeteiligung in Form von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene zu ändern bzw. zu ergänzen. Auch die SPD, Die Linke und die Grünen plädieren seit langem für die Ergänzung der Gesetzgebung auf Bundesebene durch Volksentscheide und direktdemokratische Elemente. Die Linke und die Grünen haben ebenfalls dahingehende Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksachen 16/1411 bzw. 16/680). CDU/CSU lehnen hingegen direktdemokratische Elemente auf Bundesebene ab. In der Großen Koalition waren sie daher nicht durchsetzbar. Verfassungsrechtlich mindestens problematisch ist die Beteiligung der Länder an einer derartigen Volksgesetzgebung. Nach Art. 79 (3) sind diese an der Gesetzgebung zu beteiligen. Zwar - so die Lesart der meisten Verfassungsrechtler - muss dies nicht zwangsläufig über den Bundesrat geschehen, jedoch stellt sich die Frage nach der Alternative. Eine Lösungsmöglichkeit wäre die Einführung von Länderquoten, analog zur Schweizer Kantonsstimme. Doch auch diese Möglichkeit wirft erhebliche verfassungsrechtliche und praktische Probleme auf. Aus diesem Grund wird in der politischen Wissenschaft neuerdings der Vorschlag gemacht, auf die Volksinitiative zu verzichten und stattdessen direktdemokratische Elemente nach dem parlamentarischen Prozess einzubauen. Denkbar sind hier zwei Möglichkeiten: Zum einen könnte die Möglichkeit der Vetoinitiative geschaffen werden. Das Volk könnte damit über ein bereits verabschiedetes Gesetz eine Abstimmung durchführen und dieses Gesetz bei Erfolg zu Fall bringen. Daneben wäre eine zweite Alternative ein von der Regierung ausgelöstes Referendum - das Volk könnte so ein Gesetz, das der Bundesrat gestoppt hat, in Gang setzen.

Partei Person Pro Contra
CDU Wähler[1] 68%  ?
CDU Merkel[1] - "Ich bin ganz entschieden der Auffassung, dass plebiszitäre Elemente auf der Bundesebene nicht der richtige Weg sind."
CDU Jürgen Rüttgers[1] "Die CDU hat keine Angst vor den Menschen, und das muss sie auch zeigen."
CDU Partei - Kontra
SPD Partei Pro -
FDP Partei Pro -
Bündnis90 / Die Grünen Partei Pro -
Die Linke Partei Pro -

Volksentscheide in den einzelnen Bundesländern

Bayern

s. bayerisches Landeswahlgesetz, besonders dritter Teil.

Dortiger § 79 lautet: " Ergebnis des Volksentscheids

(1) Ein Gesetzentwurf erreicht die erforderliche Zustimmung durch Volksentscheid, wenn

  1. er mehr gültige Ja-Stimmen als Nein-Stimmen erhält und
  2. im Fall, dass der Gesetzentwurf eine Verfassungsänderung beinhaltet, diese Ja-Stimmen mindestens 25 v. H. der Stimmberechtigten entsprechen (Quorum); beinhaltet der Gesetzentwurf sowohl eine Verfassungsänderung als auch die Schaffung oder die Änderung einfachen Rechts, so unterliegt er insgesamt dem Quorum.

(2) Steht ein einziger Gesetzentwurf zur Abstimmung, so ist er durch Volksentscheid angenommen, wenn er die erforderliche Zustimmung (Absatz 1) erreicht.

(3) 1 Hat von mehreren nach Art. 76 Abs. 4 zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfen nur ein Gesetzentwurf die erforderliche Zustimmung (Absatz 1) erreicht, so ist dieser Gesetzentwurf angenommen. 2 Haben zwei oder mehr Gesetzentwürfe die erforderliche Zustimmung (Absatz 1) erreicht, so ist von diesen der Gesetzentwurf angenommen, der bei der Stichfrage (Art. 76 Abs. 4 Satz 2) die Mehrheit der gültigen Stimmen erhält. 3 Ergibt sich bei der Stichfrage Stimmengleichheit, so ist der Gesetzentwurf angenommen, der die meisten gültigen Ja-Stimmen (Art. 76 Abs. 4 Satz 1) erhalten hat. 4 Haben dabei zwei oder mehr Gesetzentwürfe die gleiche Zahl an gültigen Ja-Stimmen erhalten, so ist derjenige angenommen, der nach Abzug der auf ihn entfallenden Nein-Stimmen die größte Zahl an Ja-Stimmen auf sich vereinigt. 5 Ergibt sich auch danach Stimmengleichheit zwischen zwei oder mehr Gesetzentwürfen, so wird über diese Gesetzentwürfe erneut abgestimmt." [2] [3]

[4]

Berlin

Das "Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid" (pdf-Format) für das Land Berlin, zuletzt geändert im Februar 2008, kennt drei Abstimmungsformen:

  1. Volksinitiative: Sie hat zum Ziel, ein Thema auf die Tagesordnung des Abgeordnetenhauses (Landesparlament) zu setzen. Hierfür reichen 20.000 gültige Unterschriften.
  2. Volksbegehren: Es zielt auf den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung eines Gesetzes oder eines anderen Beschlusses des Abgeordnetenhauses. Möglich ist auch ein Volksbegehren für eine vorzeitige Neuwahl. Der Antrag auf ein Volksbegehren benötigt ebenfalls 20.000 Unterstützungs-Unterschriften (falls es um eine Neuwahl geht, 50.000). Das Volksbegehren hat Erfolg, wenn mindestens 7% der Stimmberechtigten zustimmen (bei Verfassungsänderungen 20%). In diesem Fall muss innerhalb von vier Monaten (bei Neuwahl innerhalb von zwei Monaten) ein Volksentscheid über die Abstimmungsfrage durchgeführt werden.
  3. Volksentscheid: Er wirkt wie ein Beschluss des Abgeordnetenhauses. Ein Volksentscheid ist angenommen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden und zugleich das Quorum eines Viertels der Stimmberechtigten (also 25% aller Stimmberechtigten) zustimmt. Falls es um eine Neuwahl des Abgeordnetenhauses geht, muss zudem mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten teilgenommen haben.

Am 27. April 2008 fand in Berlin ein Volksentscheid für den Weiterbetrieb des innerstädtischen Flughafens Tempelhof statt. Es stimmten zwar über 60% der rund 880.000 Teilnehmer für den Antrag. Da dies aber nur 21,7 % der Stimmberechtigten entspricht, war das Quorum von 25% nicht erreicht und der Volksentscheid damit gescheitert.

Hamburg

Im Oktober bzw. November 2007 wurde ein Volksentscheid über eine verfassungsrechtlich stärkere Verbindlichkeit von Volksentscheiden in Hamburg durchgeführt. Dieser hatte keinen Erfolg. Im Dezember 2008, nach einem zweiten Anlauf, haben sich die Volksinitiative 'Faire und Verbindliche Volksentscheide' und die Hamburger Bürgerschaft zu einem Kompromiss einigen können und den Artikel 50 der Hamburger Verfassung leicht geändert, so dass Volksinitiativen nun zu Volksbegehren führen können, die, falls nicht von der Bürgerschaft direkt umgesetzt, durch eine Wahl der Bürger am nächsten Wahltermin direkt vom Volk entschieden wird. Damit ist eine deutliche Stärkung der Volksinitiativen und Volksentscheide in Hamburg beschlossen worden. Grundsätzlich bleibt die Macht der Legislative jedoch im Hamburger Parlament.

Rheinland-Pfalz

Gemäß Artikel 107 der Landesverfassung (LV) wird die Gesetzgebung durch den Landtag und „durch das Volk im Wege des Volksentscheids“ ausgeübt [1]. Voraussetzung ist ein wirksames Volksbegehren. Entspricht der Landtag einem solchen Volksbegehren nicht innerhalb von drei Monaten, so findet innerhalb von weiteren drei Monaten ein V. statt (vgl. Art. 109 Abs. 4 LV). Das Nähere bestimmt das rheinland-pfälzische Wahlgesetz (LWG)[2].

Die Landesregierung hat einen V. einzuleiten wenn (1) der Landtag einem Volksbegehren nicht fristgerecht entspricht oder (2) 150.000 Stimmberechtigte dies mit einem Volksbegehren verlangen, weil zuvor ein Gesetz vom Landtag ausgesetzt worden war. Der V. in der Variante (1) muss innerhalb von weiteren drei Monaten stattfinden (vgl. §77 LWG).

Ein Gesetz ist im Wege des V. angenommen, wenn eine doppelte Mehrheit vorliegt, d.h. die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen hat dem Gesetzentwurf zugestimmt und mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten hat sich an der Abstimmung beteiligt (vgl. § 81 LWG).

Volksentscheide in den USA

In den Vereinigten Staaten spielen Volksentscheide in den Rechtsordnungen einzelner Bundesstaaten, z.B. Kalifornien, eine große Rolle, leiden jedoch oft unter geringer Beteiligung des Staatsvolkes an den Abstimmungen. Deswegen und aus Sparsamkeitsgründen werden sie nach Möglichkeit auf den Tag einer Wahl von allgemeinerem Interesse gelegt. So fanden im Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl 2004 163 Volksabstimmungen zu den verschiedensten Themen in 34 Staaten statt. Volksentscheide sind in den Ländern jeweils verschieden und es gibt allein in den USA bis zu 56 verschiedene Arten Volksentscheide durchzuführen.

Bestimmte Gesetze - wie etwa Steuersenkungen oder die Abschaffung von Rassenquoten in öffentlichen Institutionen - sind aus politischen Gründen nur auf dem Wege des Volksentscheides durchzusetzen. Volksentscheide sind auf Lokalebene (in Countys, Städten, Schulbezirken, etc.) politisch wichtig, da gewählte Vertreter immer auf die Möglichkeit eingestellt sein müssen, dass Gesetzgebung durch eine Volksveto (referendum) annulliert wird.

Eine weitere Variante des Volksentscheides ist die Abwahl (recall), der gewählte Vertreter während der Wahlperiode unterliegen. So führte z. B. das Abwählen des kalifornischen Gouverneurs Graham Davis zu einer Neuwahl, in der Arnold Schwarzenegger als neuer Gouverneur gewählt wurde.

Volksentscheide in der Schweiz

Siehe auch: Liste eidgenössischer Volksabstimmungen, Politisches System der Schweiz, Urnengang

Abstimmung an der Landsgemeinde am 7. Mai 2006 in Glarus
Abstimmungszettel zur Abstimmung

In der Schweiz finden in absoluten Zahlen über 50 % aller weltweiten Volksabstimmungen statt. Als eine im besonderen Maße halb-direkte Demokratie mit repräsentativen und plebiszitären Merkmalen, verfügt sie über eine sehr ausgeprägte Kultur von Volksentscheiden. Sie sind somit ein inherenter Teil des eigentümlichen Gesetzgebungsverfahrens der Schweiz. Ein Quorum gibt es in der Schweiz nicht. Um die Wahlbeteiligung zu erhöhen werden jeweils mehrere Abstimmungen und Wahlen auf den gleichen Termin und mit den gleichen Unterlagen durchgeführt.

Abstimmungs-Unterlagen:

  • Addressierter Briefumschlag für die briefliche Stimmabgabe
  • Kleiner Briefumschlag um die Wahl, Abstimmungstalons einzufügen. Dieses ist somit anonymisiert.
  • Mitschrift: Beschreibung des Sachverhaltes
  • Aenderung und Thema
  • Meinung des Initiativekomitees
  • Meinung der Exekutive (z.B. Bundesrat, Regierungsrat, Kantonsrat etc)
  • Unterschriftsformular für die briefliche Abstimmung

Die Volksabstimmung gibt es auf allen politischen Ebenen:

Häufig wählen die Gemeinden und Kantone ihre Abstimmungstermine so, dass diese mit eidgenössischen Daten zusammenfallen. Für eidgenössische Abstimmungen ist pro Quartal ein Datum festgelegt und der Bundesrat entscheidet jeweils vier bis sechs Monate vorher, ob an diesem Tag tatsächlich ein Urnengang stattfinden soll.

Der Volksentscheid findet auf Bundesebene als Teil des Gesetzgebungsverfahrens in zwei Fällen statt:

  • Als Obligatorisches Referendum über eine Volksinitiative: 100.000 Bürger können mit ihrer Unterschrift eine Änderung der Verfassung verlangen, über die in einem obligatorischen Referendum abgestimmt wird[5]. Dabei kann das Parlament einen Gegenentwurf erarbeiten. Das Volk kann dann zwischen den Vorschlägen und einer Ablehung beider entscheiden. Die jüngste, angenomme Volksinitiative lautete «für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern», obschon sie vom Bundesrat zur Ablehung empfohlen wurde.
  • Als Sicherheitsfunktion in Rahmen des fakultativen Referendum: Eine fakultative Volksabstimmung über ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz oder eine Verfassungsänderung oder über wichtige völkerrechtliche Verträge (Art. 140 ff. der schweizerischen Bundesverfassung). In der Schweiz wird eine fakultative Volksabstimmung durchgeführt, wenn diese von mindestens 50.000 Bürgern verlangt wird. In einem solchen Fall sagt man auch, dass gegen eine bestimmte Gesetzesvorlage das Referendum ergriffen wurde. Verlangen weniger als 50.000 Bürger eine Abstimmung, gilt ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz als angenommen. In Deutschland entspricht dies der Sicherheitsfunktion des Bundespräsidenten. Ein Beispiel sind die Staatsverträge mit der EU (Vertragsabschlüsse mit der EU). Sie unterstehen dem fakulativen Referendum.

Auf der Ebene der Kantone (Bundesländer) ist der Volksentscheide genauso natürlich und existiert schon seit über 150 Jahren. Die Schweiz ist ein Zusammenschluss bislang selbständiger Staaten zu einem größeren Staatswesen (Föderalismus). Somit hat jeder Kanton und jede Gemeinde eine eigene Verfassung und die Volksentscheide unterscheiden sich in den Einzelheiten. Es kommt insbesondere vor, dass sie weitergehende Volksrechte kennen, z. B. ein fakultatives Referendum auch über Ausgabenbeschlüsse (sogenanntes Finanzreferendum); im Kanton Solothurn gibt es auch die Möglichkeit, eine amtierende Kantonsregierung zum Rücktritt zu zwingen. Ein Folge dieser Unterschiede ist der Steuerwettbewerb zwischen Gemeinden und Kantonen, da auch der Steuersatz dem Volksentscheid untersteht (Flat Rate Tax Kanton Obwalden).

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können persönlich im Wahllokal, brieflich oder in bestimmen Regionen versuchsweise auch per Internet und sogar per SMS abstimmen. Das Projekt zum I-Voting wurde 2003 im Kanton Genf gestartet und im Sommer 2006 hat der Bundesrat darüber entscheiden,dass das I-Voting weitergeführt und auf die ganze Schweiz ausgedehnt werden soll. Dazu bediente er sich einer Gesetzes- und Verordnungsänderung, welche per 1.1.2008 in Kraft tratt.[6]

Eine der ältesten Eigenarten der Schweiz ist die Landsgemeinde. Es ist dies die Abstimmung per Hand hochhalten auf dem Versammlungsplatz unter freiem Himmel und manuel Auszählung.

Unterscheidung: Referendum und Volksentscheid

Referendum beinhaltet eine Abstimmung oder ein Volksentscheid um über Gesetzesänderungen zu entscheiden, welche vom direkt-gewählten Parlament auf der Stufe Staat entschieden wurde. Jedoch wird nicht jede Abstimmung oder jeder Volksentscheid aufgrund eines Referendums durchgeführt. Dies ist der Fall, da sich der Gesetzgebungsprozess in jedem Kanton und jeder Gemeinde zum Teil unterschiedlich von statten geht (z.B. Landesgemeinde).

Volksentscheide in Italien

Gesamtstaatliche Ebene

Auf staatlicher Ebene gibt es folgende Referenda:

Aufhebendes Referendum (referendum abrogativo): Die Außerkraftsetzung eines Gesetzes oder einer gesetzesvertretenden Maßnahme mit Gesetzeskraft (Gesetzes- oder Legislativ-Dekret) oder eines Teiles derselben ist zum Volksentscheid zu bringen, wenn dies von fünfhunderttausend Wählern oder von fünf Regionalräten verlangt wird. Bei Steuer- und Haushaltsgesetzen sowie bei Gesetzen, die eine Amnestie, einen Straferlass oder die Ermächtigung zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge zum Gegenstand haben, ist die Volksbefragung unzulässig. Anspruch auf Teilnahme an Volksabstimmungen hat jeder zur Wahl der Abgeordnetenkammer berechtigte Bürger. Der zum Volksentscheid gebrachte Vorschlag gilt dann als angenommen, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten an der Volksabstimmung teilnehmen und die Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen erreicht wird.

Beratendes Referendum (referendum consultivo) nach Art.132 Verf.: Nach Anhörung der Regionalräte kann die Zusammenlegung bestehender oder die Bildung neuer Regionen verfügt werden, wobei jede neue Region eine Bevölkerung von mindestens einer Million Einwohner aufweisen muss. Eine solche Neugliederung kann dann erfolgen, wenn eine mindestens ein Drittel der betroffenen Bevölkerung vertretende Anzahl von Gemeinderäten dies verlangt und wenn der Antrag durch Volksentscheid von der Mehrheit der betroffenen Bevölkerung angenommen wird. Die Ablösung einer Provinz oder einer Gemeinde von einer Region und ihre Angliederung an eine andere Region können - mit der durch Volksabstimmung ausgedrückten Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerungen der betroffenen Provinz bzw. Provinzen oder der betroffenen Gemeinde bzw. Gemeinden - auf Verlangen der betroffenen Provinzen und Gemeinden, nach Anhörung der Regionalräte, durch eine Volksabstimmung und durch ein Gesetz der Republik zugelassen werden

Konfirmatives Referendum (referendum confermativo): Verfassungsänderungsgesetze und sonstige Verfassungsgesetze sind dann zum Volksentscheid zu bringen, wenn binnen drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung ein Fünftel der Mitglieder einer Kammer oder fünfhunderttausend Wähler oder fünf Regionalräte dies begehren. Das zum Volksentscheid gebrachte Gesetz wird nur dann verkündet, wenn es die Zustimmung der Mehrheit aller gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat. Einem Volksbegehren wird nicht stattgegeben, wenn das Gesetz bei der zweiten Abstimmung in den Kammern die Zustimmung von jeweils zwei Dritteln der Mitglieder erhalten hat.

Regionale und lokale Ebene

Weitere Referenda sind auf regionaler und kommunaler Ebene vorgesehen.

Siehe auch: Politisches System Italiens

Volksentscheide in anderen Staaten

In den meisten europäischen Ländern werden Volksentscheide mit Volksinitiative und Volksbegehren eingeleitet. Die zur Durchführung notwendigen Mindestbeteiligungen (so genannte Quoren) sind recht unterschiedlich geregelt, i. d. R. restriktiv, um den Missbrauch von Volksabstimmungen z. B. für Kampagnenpolitik zu verhindern. Prinzipiell möglich, wenngleich in den meisten Verfassungen nicht vorgesehen, wäre es auch, dass Parlamente dem Staatsvolk Einzelfragen zur Abstimmung geben (parlamentarisches Quorum).

Argumente zum Volksentscheid

Pro Volksentscheid

  • Zufriedenheit: Volksentscheide dienen der Autonomie der Bürger.
  • Volksmeinung ungleich Politikermeinung: Viele Bürger fühlen sich von den Parteien unzulänglich vertreten.
  • Keine absolute Macht: Regierungen, die im Parlament die absolute Mehrheit haben, können durch Referenden zurückgebunden werden. Das heißt, dass bei Gesetzesvorlagen immer ein nötiger Respekt gegenüber Minderheiten gewahrt werden muss. Sonst besteht die Gefahr eines Referendums, dass die ganze Gesetzesrevision durch das Volk abgelehnt wird.
  • Festigung der Demokratie: Dem Lobbyismus einflussreicher Organisationen wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Es sei weitaus schwieriger ein Volk zu beeinflussen als einzelne Personen.*Macht der Parteien einschränken: In der parlamentarischen Demokratie ohne Volksentscheide können die Bürger nur bei Wahlen aktiv politische Entscheidungen treffen.
  • Unabhängigen Expertenmeinungen: In den Entwürfen wird auch das Fachwissen von Experten ohne jeglichen Lobbyinteressen mitberücksichtigt.
  • Subsidiarität - Bedürfniskompetenz: In den Entwürfen werden die Lösungsansätze der betroffenen Bürger, die ihre eigene Situation am direktesten beurteilen können, direkt miteinbezogen.
  • Erzwingen von Themen: Das Volk kann durch eine Volksinitiative Themen erzwingen, die Politiker zu meiden suchen.
  • Bildung: Das politische Interesse und damit die politische Bildung wächst, da sich die Bürger mit bestimmten Themen auseinandersetzen müssen
  • Politische Reife: Das Volk kann selbst politisch sinnvoll agieren (z. B. friedliche Revolution in der DDR)
  • Förderung von Interessenverbänden: Interessenverbände werden durch Plebiszite gefördert, da sie in der politischen Meinungsbildung normalerweise nur einen indirekten Einfluss haben. Sie können jedoch Plebiszite organisieren und damit direktdemokratische Politik betreiben.
  • Inkompetenz der Politiker: Obwohl oder gerade weil Parlamentarier Berufspolitiker sind, sind sie über das, worüber sie entscheiden nicht immer optimal informiert.
  • Weniger übereilte Entscheidungen: Mittels Volksentscheiden Reformen auf den Weg zu bringen dauert zwar länger, dadurch werden allerdings unausgegorene Schnellschüsse vermieden.
  • Weniger Prestigeprojekte: Die Bürger neigen dazu, gegen sinnlose Prestigeprojekte, die viel Geld kosten und den Ruhm einzelner Politiker mehren sollen, zu stimmen, was zu effektiverem Mitteleinsatz führt.
  • Gute Beispiele: Volksentscheide werden bereits in einigen Staaten erfolgreich praktiziert (z. B. Schweiz).
  • Rechtskonformität: Volksentscheide widersprechen nicht der Aussage des Grundgesetzes.

Contra Volksentscheid

  • Unwissenheit/Unmündigkeit/Fehlende Fachkompetenz: Das Volk ist nicht kompetent, sinnvolle politische Entscheidungen zu treffen.
  • Populismus: Das Volk ist unfähig, sinnvolle politische Entscheidungen zu treffen (emotionalisierter Unverstand, Populismus).
  • Beeinflussung der Entscheidungen durch die Medien
  • Stimmungsdemokratie: Der Ausgang der Volksentscheide ist abhängig von der momentanen, manipulierbaren, ggf. schnell wechselnden Gefühlslage.
  • Zeitaufwand: Bei der Fülle an Gesetzesvorlagen, die regelmäßig in den Bundesorganen beraten werden, müssten die Bürger einen enormen Zeitaufwand auf sich nehmen, um über alle Gesetze abzustimmen.
  • Dauerauseinandersetzungen: Ständige politische Auseinandersetzungen werden hervorgerufen.
  • Minderheiten nicht berücksichtigt: Minderheitenmeinungen lassen sich im Volksentscheid nicht berücksichtigen.
  • Aktive Minderheiten gewinnen den Volksentscheid, während die Meinungsmehrheit der Abstimmung fern bleibt.
  • Fehlende Beteiligung: Die Beteiligung an Volksabstimmungen, etwa in der Schweiz, ist bei unwichtigeren Fragen gering.
  • Abgabe von Verantwortung: Dem Parlament gelingt eine Flucht aus der Verantwortung („Ihr habt es doch so gewollt!“). Gesetze werden über den plebiszitären Umweg gemacht, um die Verantwortung abzugeben.
  • Pluralismus nicht repräsentiert: Volksentscheide widersprechen der pluralistischen Gesellschaft, sie ermöglichen nur Entscheidungen à la "Ja/Nein", "Schwarz/Weiß" etc.
  • Verhinderungsallianzen: Heterogene und kurzfristige Koalitionen von Vorhabensgegnern blockieren mittels Volksentscheid wichtige Maßnahmen.
  • Radikalisierung durch Polarisierung: Die schiere Auswahl zwischen „ja“ oder „nein“ führt zu extremen Positionen im Volk, woraus sich eine Radikalisierung ergibt.
  • Abhängigkeit: Die Bürger sind auf Vereine bei der Nutzung von Volksentscheiden angewiesen und würden gerade durch demokratisch nicht legitimierte bevormundet.
  • Fehlende Kompromissbereitschaft: Internationale Verträge (Beispiel EU-Verfassung) wurden unter den Regierungen ausgearbeitet nach dem Muster „für keinen ideal, aber für jeden tragbar“. Dem Volk fehlt diese Kompromissbereitschaft.
  • Abgeordnete: können die Wahlberechtigten doch schon wählen, diese sind qualifiziert für das Weiterleiten der Interessen des Volkes an das Parlament.
  • Geringe Effizienz: Der Prozess des Volksentscheids braucht naturgemäß sehr lange vom Volksbegehren bis zur Abstimmung.

Referenzen

  1. a b c http://www.mehr-demokratie.de/parteien-zum-volksentscheid.html Bundesweiter Volksentscheid - Die Parteien
  2. http://www.servicestelle.bayern.de/bayern_recht/recht_db.html?
  3. http://by.juris.de/by/gesamt/WahlG_BY_2002.htm#WahlG_BY_2002_rahmen
  4. http://by.juris.de/by/gesamt/Verf_BY_1998.htm#Verf_BY_1998_rahmen
  5. Art. 138 ff. der schweizerischen Bundesverfassung
  6. Vote électronique, Schweizerische Bundeskanzlei

Literatur

  • Anna Capretti: Öffnung der Machtstrukturen durch Referenden in Italien. Eine pluralismustheoretische Analyse. Frankfurt/Berlin/Bern/New York: P. Lang 2001, ISBN 3-631-37852-1
  • Hermann K. Heußner; Otmar Jung (Hrsg.): Mehr Demokratie wagen. Volksbegehren und Volksentscheid: Geschichte – Praxis – Vorschläge, Mit einem Vorwort von Hans-Jochen Vogel. Im Auftrag des Kuratoriums für mehr Demokratie. München: Olzog Verlag, 1999, 380 S., ISBN 3-7892-8017-8
  • Peter M. Huber: Die Vorgaben des Grundgesetzes für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, in: AöR 126 (2001), S. 146 ff.
  • Otmar Jung: Direkte Demokratie in der Weimarer Republik. Die Fälle "Aufwertung", "Fürstenenteignung", "Panzerkreuzerverbot" und "Youngplan". Frankfürt/Main u.a. 1989
  • Otmar Jung: Grundgesetz und Volksentscheid, Westdeutschjer Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12638-5
  • Reinhard Schiffers: Elemente direkter Demokratie im Weimarer Regierungssystem. Düsseldorf 1971, zugleich phil. Diss. Mannheim 1971
  • Theo Schiller; Volker Mittendorf (Hrsg.): Direkte Demokratie, Forschung und Perspektiven, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
  • Christopher A. Schmidt: Unmittelbare Gemeindedemokratie im mittel- und süddeutschen Raum der Weimarer Republik. Eine Untersuchung von Verfahren und Praxis. Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2007, ISBN 978-3-8329-2607-6, zugleich jur. Diss. Hannover 2006
  • Jan H. Witte: Unmittelbare Gemeindedemokratie der Weimarer Republik. Verfahren und Anwendungsausmaß in den norddeutschen Ländern. Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1997, ISBN 3-7890-4809-7, zugleich jur. Diss. Hannover 1996
  • Fabian Wittreck: Direkte Demokratie und Verfassungsgerichtsbarkeit. Eine kritische Übersicht zur deutschen Verfassungsrechtsprechung in Fragen der unmittelbaren Demokratie von 2000 bis 2002, in: JöR 53 (2005), S. 111-185.

Weblinks

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