Familienquotient

Familienquotient

Familiensplitting bezeichnet eine Besteuerungsmethode, bei der das Einkommen einer unterhaltspflichtigen Erwerbsperson nicht bei ihr selbst, sondern - soweit die Unterhaltspflicht reicht - beim unterhaltsberechtigten Familienmitglied versteuert wird. In Steuersystemen mit Progression, bei denen der Steuersatz mit der nominalen Einkommenshöhe wächst, wird dadurch im Ergebnis die Steuerlast gesenkt.

Mögliche Varianten sind das Pauschalsplitting und das Realsplitting. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass beim Pauschalsplitting jedem Familienmitglied ein fiktiver Anteil des Familieneinkommens angerechnet wird, während man beim Realsplitting die tatsächlichen Unterhaltszahlungen abzubilden versucht.

Beim Realsplitting besteht das Problem, dass in der Praxis meist keine echten Zahlungsströme innerhalb der Familie fließen, sondern ein Mitglied eben für ein anderes „mitkauft“ oder gemeinsame Konten unterhalten werden. Statt an den tatsächlichen Geldflüssen kann man sich aber am Unterhaltsanspruch orientieren, wie er für Kinder etwa in der sog. Düsseldorfer Tabelle durch die Familiengerichte festgesetzt wird. Die Berechnung wird allerdings kompliziert, wenn mehrere Familienmitglieder über Einkommen verfügen (die Kinder etwa aus Kapitalvermögen). Außerdem sind die Regeln für privatrechtliche Unterhaltsansprüche heute auf Scheidungs- und Mangelfälle zugeschnitten und vermögen die Realität von Familien nur sehr unvollkommen abzubilden. Viele Eltern, gerade bei nicht üppigen Verhältnissen, wenden ihren Kindern deutlich mehr zu, als sie nach Unterhaltsrecht „müssten“.

Einfacher ist das Pauschalsplitting:

  • das Einkommen aller Familienmitglieder (statt nur der Ehegatten) wird zu einem Gesamteinkommen summiert
  • das Gesamteinkommen wird rechnerisch auf alle Familienmitglieder (statt nur die Ehegatten) aufgeteilt. Die Aufteilung kann zu gleichen Teilen erfolgen oder Eltern und Kinder mit unterschiedlichen Faktoren berücksichtigen (z. B: Haupterwerbsträger: 1, Elternteile ohne Erwerb: 1 oder 0,75, Kinder: 1 oder 0,75 oder 0,5 gegebenenfalls altersabhängig). Je feiner man diese Faktoren auszutarieren sucht, desto mehr nähert man sich in der Wirkung einem Realsplitting.

Unter Erwachsenen werden beide Splittingformen schon heute praktiziert: das Pauschalsplitting in Form des sog. Ehegattensplittings, das Realsplitting im Falle der Scheidung. Da die Unterhaltslast nach der Scheidung in der Regel weniger als die Hälfte des Einkommens ausmacht, das der Unterhaltspflichtige erzielt, ist die Steuererleichterung geringer als beim Ehegattensplitting.

Ein Splitting ist von anderen Steuerinstrumenten unabhängig und kann mit ihnen ggf. kombiniert werden: übertragbare oder nicht übertragbare Freibeträge, Individual- oder Zusammenveranlagung der Familienmitglieder. Unterscheidendes Merkmal ist der Kreis der erfassten Steuersubjekte, der gesondert gesetzlich definiert wird. „Familie“ in diesem Sinne ist üblicherweise die wirtschaftliche Gemeinschaft aus Elternteil(en) und Kind(ern).

Inhaltsverzeichnis

Begründung für das Familiensplitting

Das Familiensplitting kann der Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Konkretisierung der Steuergerechtigkeit, also der Gleichheit vor dem Gesetz, dienen. Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip sollten zwei Personen, die gleich leistungsfähig sind, dieselbe Steuerlast zu tragen haben. Das Familiensplitting beruht auf dem Gedanken, dass die „Leistungsfähigkeit“ dabei auch von der Frage abhängt, wie viele Personen faktisch von einem Einkommen leben müssen, oder anders gesagt: wie viel dem Einzelnen an „frei verfügbarem“ Einkommen übrig bleibt. Die so verstandene Leistungsfähigkeit ist, bei gleichem Nettoeinkommen im herkömmlichen Sinne, für Eltern deutlich geringer als für Kinderlose: Nach Abzug der Unterhaltslasten für die Kinder verbleibt ein deutlich geringeres „persönlich verfügbares“ Einkommen. Wenn Eltern dennoch dieselben Steuern zahlen wie Kinderlose, ist - bezogen auf das persönlich verfügbare Einkommen - der Steuersatz (in Prozent) höher als bei Kinderlosen, und zwar trotz niedrigerer Leistungsfähigkeit. Das Familiensplitting geht hingegen im Ergebnis davon aus, dass das Einkommen der Eltern teilweise den Kindern zusteht und daher auch bei ihnen besteuert werden sollte.

Die heutigen Steuerfreibeträge für Kinder wirken faktisch wie ein nach oben gedeckeltes Familienrealsplitting. Da dieser „Deckel“ in Höhe des Existenzminimums der Kinder liegt, die (fiktiv zivilrechtliche, erst recht die tatsächliche) Unterhaltslast der meisten Eltern aber weit höher liegt, wird dadurch die genannte Benachteiligung zwar abgemildert, aber keineswegs beseitigt, und zwar umso weniger, je höher das Familieneinkommen ist, da mit diesem einerseits die Unterhaltsansprüche, andererseits die Steuersätze wachsen. Ein höherer Steuerfreibetrag würde, ebenso wie ein überhöhter Aufteilungsfaktor beim Pauschalsplitting, de facto für einkommensschwächere Familien (nämlich solche, bei denen die tatsächliche Unterhaltslast unter dem Freibetrag liegt) eine echte Familienförderung darstellen, vergleichbar dem Förderanteil des heutigen Kindergeldes.

In der Praxis besteht heute ein Wahlrecht zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag. Bei kleineren Einkommen ist das Kindergeld höher als die Entlastungswirkung dieses Freibetrages, je nach Splittingmodell sogar höher als die Entlastungswirkung eines fiktiven Familiensplittings. Diese Familien erhalten durch das Kindergeld eine echte Förderung. Mit steigendem Einkommen sinkt dieser Förderanteil und verschwindet schließlich ganz.

Gerechtigkeitsdebatte

Während Befürworter das Familiensplitting fordern, um Gerechtigkeit herzustellen, sehen Kritiker den gegenteiligen Effekt. Sie argumentieren, dass die Entlastungswirkung umso stärker ausfalle, je höher das Familieneinkommen ist. Wohlhabende Familien würden also überproportional „gefördert“.

Befürworter des Familiensplittings sehen dabei verschiedene Ebenen unzulässig vermischt: die „vertikale“ Steuergerechtigkeit, also die Frage, wie viel höher die Steuer bei steigendem Einkommen auszufallen hat, sei Sache der Steuerprogression. Um zu vermeiden, dass „arme“ Familien durch ein Splitting nominal weniger entlastet werden als „reiche“, könne die Progressionsformel geändert und der Steuersatz mit steigendem Einkommen stärker angehoben werden. Dies würde in der Praxis sogar unvermeidlich sein, denn zur Gegenfinanzierung der Einkommensausfälle müssten bei Einführung eines Familiensplittings die allgemeinen Steuersätze erhöht werden. Damit ginge die Entlastung „wohlhabender“ Familien nicht zu Lasten „ärmerer“ Familien, sondern zu Lasten noch wohlhabenderer Kinderloser, und die (geringere) Entlastung „ärmerer“ Familien ginge zu Lasten „ärmerer“ Kinderloser.

Berechnung der Auswirkungen

Je nach Ausprägung kann das Familiensplitting, verglichen mit dem heutigen Modell, zu überraschenden Effekten führen. Ein Splitting nach französischem Vorbild würde Ehepaare mit zwei Kindern erst ab einem Jahreseinkommen von etwa 35000€ entlasten, vorher sogar die Steuerlast erhöhen (in der Spitze, bei 21000€ Jahreseinkommen, um immerhin 244€ - bei Beibehaltung des heutigen Kindergeldsystems würde sich dabei allerdings nur dessen rechnerischer Förderanteil erhöhen, nicht aber die Finanzlage dieser Familien verschlechtern). Selbst bei 60000€ zu versteuerndem Einkommen betrüge die jährliche Steuerersparnis kaum mehr als 1000€.

Deutlich entlastet würden Alleinerziehende, insbesondere solche ohne unterhaltsleistenden Kindsvater - ihre zwei Kinder wirken dann steuerlich wie ein Ehepartner: bei 24000€ Jahreseinkommen werden um 550€, bei 35000€ Jahreseinkommen schon um ca. 2200€ gespart.

Bewertet man, anders als in Frankreich, ein Kind hingegen mit dem Faktor 0.7 (statt 0.5), so profitiert jede Familie - bei 35000€ zu versteuerndem Gesamteinkommen beträgt die Steuerersparnis dann etwa 560€. Ein Faktor 1.0 erhöht diese Ersparnis auf 641€. Deutlicher bei 24000€ Jahreseinkommen: hier beträgt die Steuerersparnis mit Faktor 0.7 magere 76€, mit Faktor 1.0 immerhin 328€. Bei 60000€ Jahreseinkommen schlägt ein Faktor 0.7 mit 1250€ zu Buche, ein Faktor 1.0 mit 1326€.

In jedem Falle gilt: die, im Verhältnis zum Einkommen, weitaus größere Entlastung würden unverheiratete und alleinerziehende Eltern erfahren.

Politische Diskussion in Deutschland

Da das Familiensplitting in Deutschland derzeit nicht praktiziert wird, ist der Begriff der Familie für Zwecke des Familiensplittings auch nicht näher definiert. In der politischen Diskussion wird davon ausgegangen, dass es im Gegensatz zum Ehegattensplitting auch noch die unterhaltsberechtigten Kinder einschließt. Meist nicht angesprochen werden aber Abgrenzungsfragen gegenüber erwachsenen Kindern.

Das geltende Recht berücksichtigt Minderungen der Leistungsfähigkeit in erster Linie durch das Optionsmodell aus Kinderfreibetrag und Kindergeld. Sie kommen allen Eltern unabhängig vom Familienstand zugute. Ein Familiensplitting müsste also auch uneheliche Kinder einschließen, sofern für deren Eltern keine Verschlechterung eintreten soll.

Das Familiensplitting gewährt auch abhängig Beschäftigten die steuerlichen Möglichkeiten von unternehmerisch Tätigen: Sie können das Einkommen auf alle Familienmitglieder verteilen und damit ihre Steuerzahlungen reduzieren.

Während von der Linkspartei[1], den Grünen[2] sowie der SPD die Einführung eines Familiensplittings abgelehnt sowie die Abschaffung des Ehegattensplittings gefordert wird und im Gegenzug die Kostenfreiheit von Kindergärten/Kinderkrippen finanziert werden soll, findet in der CDU eine Diskussion in der Partei statt, das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting umzubauen.[3][4]

Demgegenüber möchte die CSU am bisherigen System des Ehegattensplittings festhalten. [5] Die FDP will ebenso am Splittingverfahren festhalten, möchte aber eine Erweiterung des Splittings auf nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern und gleichgeschlechtliche Familien durchsetzen und ist gegen die Haltung der CSU, das Ehegattensplitting nur auf Ehen zu begrenzen. Außerdem wird hier ein wesentlich höherer Kinderfreibetrag (8000€) gefordert.

In einem Appell von 16 deutschen Verbänden wenden sich diese gegen das Ehegattensplitting sowie das politisch diskutierte Familiensplitting. Die Pläne innerhalb der Regierung zu einem Familiensplitting drohen nach Ansicht dieser Verbände Geld zu Gunsten einiger weniger Familien zu verschleudern.[6]

Familiensplitting in Frankreich

In Frankreich wird das Familiensplitting nicht als Fördermaßnahme angesehen, sondern lediglich als die konsequente Einhaltung der horizontalen Steuergerechtigkeit. Zur Gewährung eines Familiensplittings genügt die Verpflichtung zur Gewährung von Unterhaltsleistungen, eine Ehe ist nicht erforderlich. Für geschiedene Ehegatten kommt in unbegrenzter Höhe das Realsplitting zum Einsatz.

Familiensplitting heißt in Frankreich „Quotient Familial“ (Familienquotient). Es gilt

  • für jeden Elternteil der Divisor 1,0
  • für das erste und zweite Kind der Divisor 0,5
  • für jedes weitere Kind der Divisor 1,0.
  • Alleinerziehende können zusätzlich einen Divisor von 0,5 geltend machen.

Jedoch wird der Einfluss des Splittings begrenzt. So war er 2001 auf 2.017 Euro pro Jahr für das erste und das zweite Kind und auf 4.034 Euro pro Jahr auf das dritte und jedes weitere Kind begrenzt.[7]

2004 hat die französische Regierung eine Art „Remanenz-Splitting“ eingeführt: Familien, die keine Kinder mehr haben, aber mindestens ein Kind bis zum Alter von 16 aufgezogen haben, dürfen lebenslang zusätzlich einen Divisor von 0,5 geltend machen.

Siehe auch: Familienpolitik Frankreichs

Familiensplitting in Österreich

Das österreichische Steuerrecht folgt seit dem unter der sozialdemokratischen Bundesregierung Kreisky II beschlossenen Einkommensteuergesetz 1972 dem Prinzip der Individualbesteuerung. Unterhaltspflichten werden aber durch Absetzbeträge (Alleinverdiener- bzw. Alleinerzieherabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag) berücksichtigt.

In der Diskussion über eine für 2010 geplante Steuerreform treten Vertreter der konservativen ÖVP, die derzeit eine Regierungskoalition mit der SPÖ bildet, für ein Familiensplitting ein. Von der SPÖ wird ein Familiensplitting abgelehnt, da man darin einen Anreiz vor allem für Frauen sieht, nicht am Erwerbsleben teilzunehmen. Darüber hinaus wird auf bestehende Förderungen für Familien durch Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld verwiesen. [8]

Familiensplitting in anderen EU-Ländern

Ein Familiensplitting gibt es in anderen Ländern der Europäischen Union nicht.[9]

siehe auch: Verfassungsrechtliche Bewertung von Ehegatten- und Familiensplitting

Quelle

  1. Andreas Schuster: Wie soll mehr Geld in die Kassen kommen?, Linkspartei PDS, Februar 2005
  2. Die Grünen/Bündnis 90: Familiensplitting begünstigt hohe Einkommen, 16. Januar 2007
  3. Die Neue Epoche: SPD lehnt CDU-Vorstoß zum Familiensplitting ab, 23. Januar 2007
  4. Timo Pache und Ulrike Sosalla: Familiensplitting erregt Unmut in CDU, Financial Times Deutschland, 29. Januar 2007
  5. CSU: Ehegatten-Splitting muss bleiben, gesehen am 16. Mai 2007
  6. Frankfurter Rundschau: „Wir brauchen eine Politik, die alle Kinder fördert“, 15. Mai 2007
  7. Steuerliche Familienförderung in Frankreich und Deutschland. In: Wochenbericht Nr. 33/2005. DIW Berlin, 17. August 2005. Abgerufen am 14. April 2008. (PDF) S. 482.
  8. Familiensplitting: Ein „Retro-Modell“? Die Presse vom 17.3.2007
  9. Frankfurter Rundschau: Wir brauchen eine Politik, die alle Kinder fördert

Weblinks

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