Fangschluss

Fangschluss
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Als Fangschluss bezeichnet man eine Aussage, die aus einer allgemein bekannten Tatsache oder Gegebenheit eine bewusst falsche Folgerung ableitet. Der Zuhörer soll auf diese Weise getäuscht bzw. auf eine rhetorisch-logisch geschickte und scheinbar kluge Art und Weise hinters Licht geführt werden.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Ein klassisches Dilemma:
Odysseus zwischen Skylla und Charybdis, um 1794/96
Aargauer Kunsthaus Aarau
Johann Heinrich Füssli

Fangschluss stellt eine Sonderform des Fehlschlusses (lat. fallacium) dar. Während Fehlschlüsse etwa durch unbeabsichtigt fehlerhafte Vorinformationen (Prämissen) entstehen oder auch durch unbemerkte eigene Denkfehler (Schlüsse), handelt es sich beim Fangschluss um einen absichtlich bei einer anderen Person herbeigeführten Fehler (Schischkoff 1982). Dieser soll durch gezielt irreführende Informationen oder bewusst verfängliche Aussagen bewirkt werden. Der ausgelöste Fehler wird im ursprünglichen Sinne des Wortes (Fangschluss) zum Vorteil eines Wortführers ausgenutzt. Durch den Fangschluss sollen andere logisch oder persönlich in die Enge geführt werden, in Verlegenheit gebracht, "gefangen" oder "befangen" gemacht werden (lat. captatio mentis, engl. catch question). Daher versucht naturgemäß derjenige, der andere täuschen bzw. bei ihnen Fehler zum eigenen Nutzen hervorrufen will, seine eigentlichen Absichten und Interessen geheim zu halten bzw. zu verbergen. Der Fehler kann auch durch mangelnde Klarheit und Selbstreflexion bei beiden Gesprächspartnern hervorgerufen werden. Dann aber ist wie bereits bemerkt von Fehlschluss oder von Trugschluss zu reden. Beide Bezeichnungen werden synonym (gleichbedeutend) gebraucht. Von intendiertem Fangschluss wäre zu sprechen, wenn ein bestimmter Erfolg zugunsten einer Seite zwar durch logische Argumente versucht, aber andererseits durch logische Gegenargumente oder durch psychologische Analyse (z. B. durch Aufdecken einer Verdrängung) beim Redner von der jeweils anderen Seite abgewehrt wird, siehe z. B. Antistrephon, siehe Abs. Einige weitere klassische Beispiele.

Synonyme und Abgrenzungen

Mit dem Begriff Fangschluss deckt sich am ehesten die Bezeichnung Sophismus aus der antiken Rhetorik. Hiermit ist eine spitzfindige Argumentationsweise gemeint, die ebenfalls bestimmte Absichten, aber eher in Form politisch-sozialer Ziele verfolgt. Sie wurde im antiken Griechenland von der Berufsgruppe der Sophisten vertreten. Sokrates und Platon lehnten den Sophismus ab. Im Sophismus überwiegt die Beurteilung quoad hominem et personam (vgl. homo mensura) gegenüber der quoad rem (Schopenhauer 1830; Gadamer 1957), d. h. die Person wird stärker als die Sache bewertet, bewegt sich also eher auf einer psychologischen anstatt auf einer rein logischen Ebene. - Der Begriff Fangschluss hat keine politisch-soziale Nebenbedeutung und ist eher allgemein zu verstehen (Lamer 1995; Schischkoff 1982). Ohne den Begriff des Fangschlusses explizit zu erwähnen, hat Freud dessen logische, psychologische und soziale Techniken in seiner Untersuchung über den Witz (1905) treffend dargestellt. Dabei hat er auch die Scheinlogik des Witzes sowie die Abgrenzung und Verbindung zu Ironie, Komik und Humor sowie zum Naiven berücksichtigt. Gemeinsames psychologisches Merkmal all dieser Formen des Witzes ist die Einsparung seelischer Energie.

Die Techniken des Fangschlusses gehen vielfach auf die von Kant (1787) beschriebenen Paralogismen und Antinomien des Denkens zurück. Hierbei ist insbesondere zu unterscheiden zwischen reiner Verstandeslogik (Aristotelische Logik oder orthodoxe Logik) und der Logik der Vernunft (Mehrwertige Logik, Fuzzy-Logik oder paradoxe Logik). Während reine Verstandeslogik der gegenständlichen Unterscheidung (Analyse - Entweder-oder-Logik) dient, verfolgt Vernunftlogik die Vereinigung von Gegensätzen (Synthese - Sowohl-als-auch-Logik). Eine übersichtliche kurze Gegenüberstellung stammt von Erich Fromm (1956).

Im Lexikon von Kirchner (1907) wird der Begriff des Fangschlusses z. T. abweichend von der hier gegebenen Definition gebraucht. Im Vordergrund stehen dort vielmehr Fangfragen, weniger die daraufhin gegebene Antworten. Solche Antworten wiederum sind nicht immer als Fangschlüsse anzusehen, siehe z. B. die Antwort beim Antistrephon, siehe Abs. (Einige weitere klassische Beispiele). Das Beispiel Antistrephon enthält vielmehr ein wirksames, weil demaskierendes Gegenargument. Auf der Stichwortseite von Antistrephon im Lexikon von Kirchner wird zwar von Fangschluss nicht gesprochen, dafür aber in der Verweisung auf Antistrephon ausgehend von der Stichwortseite Crocodilinea. Dort müsste es besser heißen: "intendierter Fangschluss" oder evtl. Zuschreibung. Den Begriff der (persönlichen) Zuschreibung hat Laing (1961) geprägt und am Beispiel der Romanfigur Raskolnikoff in Dostojewskijs Schuld und Sühne (1921) erläutert.

Zur Praxis

Camouflage (Tarnung) ist nicht nur eine militärische Strategie, sondern nach Adorno sogar eine sozialpsychologische Waffe für autoritäre Charaktere

Eine geeignete Methode, sein Gegenüber in Verlegenheit zu bringen, ist es, ihm eine Fangfrage zu stellen. Fangschluss ist in diesem Sinne die Reaktion auf eine rhetorisch verfänglich gestellte Frage. Der Fragesteller versucht auf persuasive und suggestive Weise, seinen Zuhörer in eine logisch oder persönlich ausweglose Situation zu lenken. Die Fangfrage ist stets eine rhetorische Frage (Hinze 1956), d. h. eine Scheinfrage, bisweilen auch eine Vexierfrage. Die Vexierfrage ist ebenfalls als Scheinfrage anzusehen, weil sie eine schwierige und fast ausweglose Situation für den Befragten darstellt (Aporie) und meist mit herkömmlicher Logik unbeantwortbar ist. Der Befragte wird in der Regel zwischen zwei scheinbar logischen Alternativen des Verstandes hin- und hergerissen. - Oft verfolgt der Fragesteller aber auch mit Hilfe der Fangfrage aber das Ziel, den Zuhörer indirekt auf eine ihm bisher offenbar unbekannte Tatsache hinzuweisen, vgl. Abs. Kritik und Kunstlehre des Fangschlusses. Um den Zuhörer selbst zum Nachdenken zu bewegen, gibt der Fragesteller aber sein Wissen über diese Tatsache nicht preis. - Das Prinzip der Geheimhaltung kann mit unterschiedlichsten Techniken der Camouflage verfolgt werden (Adorno 1949). Durch das Stellen von Fangfragen gibt sich der Fragesteller bisweilen den trügerischen Anschein, als wolle er selbst sein Wissen erweitern.

Beim unkritischen oder geistig noch unreifen Zuhörer wird er damit sein Ziel erreichen, vgl. nicht nur die völlig gegensätzliche Bewertung von Begriffen wie pädagogisch und demagogisch, sondern auch die bewusste Abgrenzung von unerwünschter oder gar unangemessener Fremdbestimmung durch Richtungen wie z. B. Antipädagogik, antiautoritäre Erziehung und Antipsychiatrie. - Vereinnahmende unangemessene zwischenmenschliche Verhaltensweisen sind oft Anlass für sog. kollusive Dauerbeziehungen, in denen meist das spezifisch beengende Beziehungsgefälle unterschiedlicher Interessen wechselseitig spürbar ist, auch wenn es in unterschiedlicher Qualität ausgeprägt und somit schwer durchschaubar ist. So führt das kollusive Verhalten langfristig zu neuen Konflikten (Beziehungsfalle): "Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!"

Beim kritischen Zuhörer bewirkt die Technik verfänglicher Aussagen (etwa der Fangfrage) gerade das Gegenteil. Der hellhörige Zuhörer bemerkt, dass der Fragesteller z. B. eine Suggestivfrage an ihn richtet. Damit wird ihm deutlich, dass sein Gegenüber eine geheime Absicht verfolgt, sei diese nun eigennütziger, überredender, belehrender, überzeugender, oder auch pädagogischer und therapeutischer Art. Dies bewirkt dann ggf. eine eher natürliche Abwehr z. B. in Form von mehr ungerichteter diffuser Angst oder eher von bewusster Beurteilung und Bewertung z. B. in Form von Skepsis.

Geschichte

Fangfragen sind ein im Alltag beliebtes Mittel, eigene Überlegenheit im Vergleich mit anderen zu beweisen oder andere zumindest auf Humor und Charakterstärke zu testen. In der Philosophie sind sie Anreiz zur Reflexion, indem der Hörer oder Leser versucht, dem Fangschluss zu entgehen. So wird der Schöpfer philosophischer Fangfragen häufig unsterblich. Ein frühes geschichtliches Beispiel dafür ist die Maieutik oder Sokratische Ironie. Der agrch. Begriff eironeia (είρωνεία), der mit dem dt. Ironie in Zusammenhang steht, bedeutet soviel wie Verstellung, Ausflucht, Vorwand. Als rhetorische Form erweckt sie [a] den Anschein von Unwissenheit, den man sich gibt, um andere dadurch zu fangen und zu verspotten, [b] erlaubt sie das Gegenteil von dem zu sagen, was man eigentlich meint (Benseler 1911). Verwandt ist agrch. eironeia mit lat. error, was u. a. auch Irrfahrt (Abirren, Flucht) bedeutet. Auch wenn man zu diesem Begriff viel Pädagogisch-Therapeutisches lesen kann, so zeigen doch zahlreiche bekannte Beispiele für Fangschlüsse keinerlei Anhaltspunkte für pädagogisch-therapeutische Zielsetzungen. Sokrates und seine Maieutik waren da vielleicht eine Ausnahme. Dennoch sind die Ziele seiner in den Platonischen Dialogen geäußerten Gedanken vielfach nicht ganz leicht zu verstehen. Offenheit und leichte Verständlichkeit stellen eine Grundbedingung Sokratischer Ironie dar, vgl. im Gegensatz dazu die bereits definitionsgemäß genannte Geheimhaltung des Kerns verfänglicher Aussagen. Unterscheidung und Abwägung zwischen ergebener Offenheit und distanzierendem Problembewusstsein stellt die Kunst der Maieutik dar, siehe Abs. Kritik und Kunstlehre des Fangschlusses.

Allerdings darf man bei den weiter unten erwähnten klassischen Beispielen für Fangschlüsse des Altertums nicht selbst einen logischen Fehler begehen. Die Darstellung der Prämissen, durch die der jeweils berühmte Philosoph oder Sophist ja gerade seine geistige Stärke, sein überlegenes Wissen usw. zur Darstellung bringen will, darf nicht schon von vornherein als Fangschluss bezeichnet werden. Alles hängt ja von der Art der Gegenargumentation des Zuhörers oder Lesers ab, der sich seine Freiheitsgrade ja gerade selbst verschaffen soll und muss.

Als Fangschluss ist z. B. auch nicht ohne weiteres die Problematik des der Mutter geraubten Kindes zu bezeichnen. Das Krokodil wird sich vielmehr wohl kaum auf einen schlüssigen Disput mit der Mutter einlassen. Schon die Situationsbeschreibung des vom Krokodil geraubten Kindes lässt hier wenig Hoffnung für die Mutter erkennen. Eher ist sie als hilfloses Opfer einer nur ironisch gemeinten Fangfrage des Krokodils anzusehen. Dieses scheint sich eher an ihrer Hilflosigkeit mit zusätzlichem Spott zu weiden. Auch wenn die Mutter die ihr gestellte Frage verneinend im Sinne der Nichtrückgabe beantwortet, dem einzigen logischen Ausweg zu ihren Gunsten, kann der Erfolg ihrer Argumentation keinesfalls garantiert werden. Diese Logik erscheint in der Tat sophistisch, da sie offenbar um jeden Preis das Unrecht zu legitimieren sucht. Dies gilt auch für den Antistrephon. Immerhin gibt diese logische Darstellung vom Krokodilschluss einen Einblick in die für Sophisten zumindest sehr realistischen, weil einträglichen Möglichkeiten der formalen Logik, die hier eher destruktiv und demagogisch zu bewerten sind.

Doch gibt es auch Beispiele, dass schließlich auch ein Machthaber entgegen seinen Machtinstinkten (z. B. Friedrich II und der Müller von Sanssouci) bereit ist, auf die von ihm selbst häufig vorgetragene Scheinlogik zu verzichten (der erste Bürger des Staates zu sein). Platon, der ja die Sophisten ablehnte, strebte vergeblich danach, sein Staatsideal in Syrakus unter Dionysios I. zu verwirklichen. Der tiefere Sinn des Paradoxons Crocodilina liegt wohl in dem Grenzbewußtsein, dass die Macht faktischer politischer Gewalt (normative Kraft des Faktischen) nicht derjenigen einer nüchternen Logik folgt (normative Kraft des Geistes). Schön wär‘s.

Einige weitere klassische Beispiele

Von nachfolgend aufgeführten, z. T. von Eubulides (ca. 400 v,Chr.) gesammelten, üblicherweise als Fangschluss deklarierten 5 antiken Beispielen (Eisler 1904, Kirchner 1907) können nur zwei (Cornutus und Crocodilina) einer strengen Definition dieses Begriffs entsprechen. Nur hier wird von entsprechenden Schlussfolgerungen auf die dargestellten Prämissen berichtet. Calvus und Pseudomenos können als Relativierung der Aristotelischen Logik (orthodoxe Logik) angesehen werden, auf die sich die Art der Fragestellung und Aussage nur formell bezieht (s.u). - Bekannt sind auch die Paradoxien des Zenon von Elea (etwa 490-430 v.Chr.), so z. B. das Pfeil-Paradoxon oder der Wettlauf des Achilles mit der Schildkröte. Diese Paradoxien konnten natürlich schon immer mit der reinen Vernunft aufgelöst werden, mit der mathematischen Logik aber erst seit Gallilei (1564-1642) und Einstein (1879-1955) durch ihre jeweiligen Relativitätstheorien sowie seit Leibniz (1646-1712) durch seine Infinitesimalrechnung. Diese Paradoxien scheinen das ausgeprägte dialektische Denken Heraklits in Frage zu stellen und damit wohl auf eine spezielle Gruppe von Antinomien aufmerksam zu machen, die auch das Mitwirken des Verstandes (nüchterner Rationalismus) herausfordern. Das Problem der komplementären, wenn auch einander entgegengesetzten Prinzipien der Ruhe und Bewegung wurde in der Vergangenheit wohl gerade zu Unrecht als einseitiger Kinesismus Heraklits gedeutet ("Alles fließt"). Heraklits dynamische Theorie der ständigen Veränderung des Seienden (paradoxe Logik) bezog sich eher auf das Reich der Ideen sowie auf die politisch-soziale Wirklichkeit. - Moderne Enzyklopädien (wie IEP s. Abs. Weblinks) enthalten Aufzählungen von annähernd 200 Arten verschiedener Fehlschlüsse, unter denen sich auch eine größere Zahl von sog. Fangschlüssen befinden.

a) Cornutus (Der Gehörnte): Ja- / Nein-Antworten stellen bei diesem Paradoxon in der Tat Fangschlüsse dar, da sie rein formallogisch zum Nachteil des Befragten führen.

b) Crocodilina (Krokodilschluss): Auch hier kann das Kriterium des Fangschlusses bejaht werden, da die Mutter auf die Fangfragen des Krokodils eingeht. Es wird allerdings nicht berichtet, wie die Geschichte endet. Man befürchtet ein wenig, dass die Mutter ein Opfer der Fangfrage wird. Hier wird indirekt das Grenzbewusstsein von dialektischer Logik (Scheinlogik) und Realität bzw. die Nahtstelle zwischen Verstand und Vernunft berührt, siehe auch Kant (1787) und Abs. Geschichte.

c) Calvus (Der Kahlkopf): Dieses Beispiel eignet sich wegen des Begriffs unscharfer Mengen neben dem Soritesparadox für die Veranschaulichung von Sinn und Wert der Fuzzy-Logik (paradoxe Logik, Begriff der unscharfen Mengen). Die Aristotelische Logik, auf die sich die Frage formell bezieht, reicht hier nicht aus, da mit einer präzisen Zahlenangabe auf die Frage wieviel nicht aufzuwarten ist. - Hier wird allerdings nur von einer Fangfrage berichtet, von einer Reaktion hierauf ist nicht die Rede. Von Fangschluss kann also streng genommen nicht die Rede sein. Die Darstellung hebt offensichtlich auf das Gefühl der Verlegenheit des Lesers ab, wenn er sich selbst rein verstandesmäßig die Fangfrage stellt. Führt dieses schließlich intuitiv zur Erleuchtung der Vernunft? - Eine ähnliche Problematik liegt dem Sorites zugrunde.

d) Pseudomenos (Lügner = Paradoxon des Epimenides): hier wird nicht einmal von einer Fangfrage berichtet, geschweige denn von einem Schluss, sondern nur von einer Aussage („Alle Kreter lügen.“). Der aufmerksame Leser wird sich hier der begrenzten Reichweite verallgemeinernder und streng logischer verabsolutierender Aussagen bewusst. Der Apostel Paulus hat zu Epimenides eine moralisierende Stellungnahme abgegeben (Tit 1,12 f.), offenbar jedoch ohne die bewusste Scheinaussage dieses Paradoxons zu verstehen oder näher zu ergründen. Damit erscheint jedoch die Aussage des Paulus selbst als paradox wegen des damit verbundenen Eindrucks eines grundlosen Verzichts auf die Hilfe des Verstandes in Glaubenssachen (Dogmatismus).

e) Antistrephon (Sophismus des Euathlos): Auch hier kann nicht von Fangschluss die Rede sein. Vielmehr wird die verfängliche Androhung des Protagoras und damit auch sein finanzieller Anspruch wohl durch die gegebene Antwort des Schülers vereitelt. Auch aufgrund des Richterspruchs hat man den Eindruck, dass der Philosophenmeister leer ausgeht. Das Gegenargument des Euathlos ist demaskierend, weil es sowohl die Verschiedenheit der Interessen als auch eine offensichtliche Vertragslücke offenbart. Antistrephon ist daher wohl besser als vereitelter Sophismus oder als eigener Trugschluss des Protagoras zu bezeichnen, auch wenn sein finanzielles Ansinnen im Grunde verständlich erscheint. Protagoras verdrängt den Vertragsmangel, Euathlos die gerechte Entlohnung seines Lehrers, beiden fehlt es an Selbstreflexion. Jeder versucht dem anderen jedoch in Abwehr dieser Selbstreflexion einen Mangel zuzuschreiben (intendierter Fangschluss).

Wortbedeutung

Die ursprüngliche deutsche Wortbedeutung von „Fang“ ist wohl aus der Sprache der Fischerei entnommen, mhd. vach ist das Fischwehr, das eben dem Fischfang dient. Das französische Wort für Fangfrage (question piège) verweist eher auf die Jägersprache, da franz. piège die Fußfessel bzw. -falle (lat. pes, pedica) bedeutet. Die spanische Wortbedeutung (pregunta insidiosa) verweist auf den Hinterhalt, was ja auch militärisch (oder auch psychologisch) ableitbar wäre, siehe auch den Begriff Camouflage. Eindeutig ist dabei, dass die Fangfrage zunächst einmal zum Nachteil des Betroffenen, also des gedachten Zuhörers, gereichen soll, z. B. um die Größe des philosophischen Meisters hervortreten zu lassen. Dieser weiss entweder die Lösung ebenfalls nicht, - sonst würde er sie offenbaren und nicht hinter einer Frage verbergen - oder verwendet diese Technik aus pädagogischen Erwägungen. Oft erhält die Fragestellung eine (geistesgeschichtlich teils später herausgefundene) verstandesmäßige Auflösung, siehe Abs. Einige weitere klassische Beispiele.

Kritik und Kunstlehre des Fangschlusses

Die Sokratische Ironie stellt ebenso wie die Rhetorik eine Gratwanderung, kein festes Besitztum dar. Das Ideal der Rhetorik (Gut-Reden = eu legein = grch. ευ λέγειν) ist in sich doppeldeutig. Selbst das Philosophische Wörterbuch von Schischkoff (1982) führt zur Sokratischen Ironie (Seite 323) aus, dass diese darin bestand, „daß sich der Weise Unwissenden gegenüber, die sich selbst für wissend und weise hielten, dumm stellte, um sie schließlich aus ihren Folgerungen ihre Unwissenheit und Torheit erkennen zu lassen und zur rechten Weisheit anzuleiten“. Mit dieser demaskierenden Zielsetzung - nämlich dem "Durchbrechen von maskiertem Selbstverständnis emanzipatorischer Reflexion" (Habermas 1970) vs. Rolle des "Spielverderbers" (Gadamer 1967) stellt sich jedoch die Frage, ob Sokratische Ironie mit dem ureigenen Wahlspruch des Sokrates zu vereinbaren ist: „Ich weiß, daß ich nichts weiß.“ – Denn wenn jemand andere Personen mittels Sokratischer Ironie ihre eigene Torheit erkennen lässt, so muß er zumindest doch selbst etwas von deren Torheit vorher gewußt haben. Damit ist auch die Sokratische Ironie in ihrem heuristischen und erkenntnistheoretischen Charakter als intendierter Fangschluss eindeutig als deduzierend bestimmt. Hiermit stellt sich natürlich die Frage, ob nicht auch induktive Verfahren der Wahrheitsfindung oder die Fähigkeiten der reflektierenden Urteilskraft (Kant, KdU) zu berücksichtigen wären. Positiv ist aber anzuerkennen, dass zumindest das Einlassen auf einen Dialog trotz dieses Wissens um Torheit einen gewissen Vertrauensvorschuß bzw. ein Vertrauen auf die positiven (intuitiven, dann aber wechselseitigen [!]) Auswirkungen des echten Dialogs darstellt (Intuition).

Was jedoch die psychotherapeutische oder pädagogische Relevanz von Fangfragen betrifft, so stellt sich natürlich die nicht anders als dialektisch zu beantwortende Frage, ob man Befürworter äußerer Einflussnahme ist oder nicht. Neben aller freundlich abwartenden therapeutischen Abstinenz ist eben doch auch tragende Beziehung im Spiel. Und diese ist eben auch pädagogisch und therapeutisch prägend!

Literatur

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  • Adorno, Theodor Wiesengrund: The Authoritarian Personality (1949). In: Studien zum autoritären Charakter. Suhrkamp Frankfurt /M., 3. Auflage 1999, Das persönliche Element - Die Selbstcharakterisierung des Agitators, Seite 362
  • Benseler, Gustav Eduard et al: Griechisch-Deutsches Schulwörterbuch. B.G. Teubner Leipzig 1911, Seite 248, Eintrag είρωνεία
  • Dostojewski, Fjodor: Schuld und Sühne (1921 Insel). Reclam Stuttgart 1999
  • Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. 1904
  • Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (1905). In: Gesammelte Werke, Band VI, S. Fischer Verlag, Frankfurt / M., 3. Auflage 1953
  • Fromm, Erich: The Art of Loving (1956). In: Die Kunst des Liebens. Ullstein Materialien, Frankfurt / M, 1984, Seite 75 ff., Liebe zu Gott - Seite 85-92 (Ausführungen zum Thema der paradoxen und orthodoxen [Aristotelischen] Logik)
  • Gadamer, Hans-Georg: Was ist Wahrheit? (1957) In: Wahrheit und Methode, Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Gesammelte Werke, Band II, Hermeneutik II, J.C.B. Mohr, Tübingen 1993, Seite 44 (Gesellschaftliche Schranken des Wissenschaftlers)
  • Gadamer, Hans-Georg: Rhetorik, Hermeneutik und Ideologiekritik (1967). In: Wahrheit und Methode. Gadamers Gesammelte Werke, Band II, Hermeneutik II, J.C.B. Mohr, Tübingen 1993, Seite 248 ff. ("Spielverderber" - Unausweichlicher kollusiver Zwang auch für den Analytiker?)
  • Habermas, Jürgen: Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik (1970). In: Zur Logik der Sozialwissenschaften, Suhrkamp Taschenbuch, Wissenschaft 517, Frankfurt, 5. Auflage 1982, Seite 365 oben (demaskierende Hinterfragung repressiver gesellschaftlicher Tabus)
  • Hinze, Fritz: Deutsche Schulgrammatik. Ernst Klett Verlag, Stuttgart, 5. Auflage 1956, Seite 111 zur Syntax
  • Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft (1787). Hartknoch, 2. Auflage, B 294 f. zur Diallele, B 350 ff. zur Dialektik
  • Kirchner, Friedrich: Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe. 1907
  • Laing, Ronald D.: Self and Others (1961). Tavistock Publication, London, 1. Auflage 1961, 2. Auflage 1969, dt. Das Selbst und die Andern. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1973; rororo 1977 Seite 18 f. Zuschreibung und Seite 134 f. Raskolnikoff
  • Lamer, Hans und Paul Kroh: Wörterbuch der Antike. Alfred-Kröner-Verlag, Band 96, Stuttgart 1995, 10. A, Seite 697, Eintrag Sophisten
  • Schischkoff, Georgi (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. Alfred Kröner-Verlag, Stuttgart 14. Auflage 1982, Seite 184, Eintrag Fehlschluß; Seite 645, Eintrag Sophisten;
  • Schopenhauer, Arthur: Eristische Dialektik oder Die Kunst, Recht zu behalten. 1830
  • Wickert, Johannes: Einstein, Selbstzeugnisse und Bilddokumente. rororo Monographien, Hamburg, 19. Auflage 1995, Seite 43

Weblinks


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