Faurisson

Faurisson

Robert Faurisson (* 25. Januar 1929 in Shepperton, Surrey, England), ist ein französischer Literaturwissenschaftler. Er ist einer der bekanntesten Holocaustleugner, der den Einsatz von Gaskammern in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern bei der Ermordung von KZ-Häftlingen wie überhaupt die systematische Vernichtung der Juden und anderer Gruppen bestreitet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Faurisson studierte an der Sorbonne und lehrte von 1974 bis 1979 Literatur an der Universität von Lyon und veröffentlichte Bücher über Lautréamont (1971), Arthur Rimbaud (1972) sowie Gérard de Nerval (1977). Im Oktober 1973 wurde er zum „Maître de Conférences” an der Universität Lyon-2 ernannt, womit er in die oberste Stufe der Universitätsprofessoren aufrückte. Seit seinem ersten Auftreten als Holocaustleugner im Jahr 1974 werden diese Bücher in der Forschungsdiskussion weitgehend ignoriert, was gelegentlich auch bei Literaturwissenschaftlern, die keiner Sympathien mit Faurissons Ansichten verdächtig sind, zu Klagen über Zensur führte.[1]

Einem größeren Publikum wurde Faurisson durch die Veröffentlichung dreier Leserbriefe bekannt, die im Dezember 1978 und im Januar und Februar 1979 in der französischen Tageszeitung Le Monde erschienen und in denen er behauptete, die Gaskammern in den Vernichtungslagern seien niemals zum Einsatz gekommen, und die Existenz der systematischen Judenvernichtung leugnete. Auf deutsch wurden seine Ansichten erstmals in dem im Jahr 1978 veröffentlichten (und verbotenen) Buch „Es gab keine Gaskammern” bekannt. Wegen der heftigen Polemik, die er damit auslöste, und angesichts der Drohungen gegen seine Person wurde er von seiner akademischen Stelle an die zentrale französische Institution für Fernunterricht versetzt; im Jahr 1990 (nach anderen Angaben: 1991) ist er aus dem Staatsdienst ausgeschieden. Bei einem von mehreren tätlichen Angriffen auf ihn wurde ihm 1989 der Kiefer gebrochen.

Faurisson publiziert seit 1974 zahlreiche Broschüren und Artikel, in jüngerer Zeit vor allem in den französischen Annales d’histoire révisioniste und in dem US-amerikanischen Journal of Historical Review sowie im Internet.

Nach der Verabschiedung der Loi Gayssot (1990), einem französischen Gesetz, das die Leugnung des Holocausts unter Strafe stellt, wurde Faurisson im Jahr 1991 wegen Verstoß gegen dieses Gesetz verurteilt. Faurissons Klage vom 9. Dezember 1992 auf Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen wurde am 8. November 1996 abschlägig beschieden.[2] Weitere Prozesse folgten, unter anderem im Zusammenhang mit einer Publikation auf der Internetseite der „Association des anciens amateurs de récits de guerre et d’holocauste” (AAARGH) im Jahr 1998, bei dem er aus Mangel an Beweisen für seine Verfasserschaft freigesprochen wurde. Zuletzt ist Faurisson in einem Prozess vom 11. Juli 2006 erneut angeklagt worden. Vorgeworfen wird ihm die Leugnung des Holocaust in einem Interview mit dem iranischen Fernsehsender „Sahar 1” im Februar 2005. Am 3. Oktober 2006 wurde er dafür zu einer Haftstrafe von drei Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 7.500 Euro verurteilt.[3]

Derzeit soll Faurisson in Vichy leben.

Thesen

Faurisson wurde beeinflusst von den Werken der beiden frühesten Holocaustleugner in Frankreich, Paul Rassinier und Maurice Bardèche (Schwager des in Frankreich als Kollaborateur hingerichteten Robert Brasillach). Sein Schlüsselerlebnis soll nach eigener Auskunft die Lektüre eines im Jahr 1960 in der Zeit erschienenen Leserbriefes des Historikers Martin Broszat gewesen sein, in dem dieser feststellte, dass in der Gaskammer des KZ Dachau keine Häftlinge vergast worden seien. Im Lauf der Zeit und nach längerer Beschäftigung mit dem Thema hat er sich nach eigener Auskunft von den viel weiter gehenden Behauptungen der Holocaustleugner überzeugen lassen.

Als Hauptargument führt er an, für den Betrieb der Gaskammern wäre eine perfekte Abdichtung, ein besonderes Leitungssystem sowie eine aufwendige Ventilation und weitere Vorrichtungen zum Beseitigen von Giftgasspuren erforderlich gewesen. Diese These wurde von Faurissons ehemaligem Anhänger Jean-Claude Pressac, der sich bei der Suche nach Beweisen für diese Thesen mit den erhaltenen Anlagen in Auschwitz vertraut gemacht hatte, in seinem Buch Die Krematorien von Auschwitz (deutsch 1994) widerlegt, was Faurisson seither mehrfach in Publikationen angegriffen hat. [4]

Im Jahr 1991 behauptete Faurisson in einer zusammen mit Siegfried Verbeke geschriebenen Broschüre (Het „Dagboek” van Anne Frank. Een kritische benadering), das Tagebuch der Anne Frank sei eine Fälschung, da die Schrift der überlieferten Manuskripte nicht die eines Kindes sei; die Verbreitung der Schrift wurde in den Niederlanden verboten. [5]

Politisch gab sich Faurisson anfangs als Vertreter einer „linken” Position. Seine Kritiker, unter ihnen der französische Historiker Pierre Vidal-Naquet, ordnen ihn jedoch als eindeutigen Rechtsradikalen und Antisemiten ein. Faurisson weist den Vorwurf des Antisemitismus zurück, obwohl seine gesammelten Schriften zahlreiche Gegenbeweise liefern. In jüngster Zeit hat er wiederholt in arabischen Zeitschriften und Fernsehsendern Interviews gegeben, in denen er erklärte, der Kampf gegen Israel und die Leugnung des Holocaust seien Teile eines gemeinsamen Projektes; gleichlautend war auch der Inhalt einer Rede, die für eine IHR-Konferenz in Beirut im Dezember 2001 bestimmt war.[6]

Aktivitäten und Kontakte

Faurisson hat weltweit enge Kontakte zu Holocaustleugnern. 1988 fungierte er in dem Prozess des kanadischen Staates gegen Ernst Zündel als Sachverständiger des Angeklagten. Ebenso war er mehrfach Redner bei Veranstaltungen des amerikanischen Institute for Historical Review, dessen erklärte Absicht es ist, die Geschichtswissenschaft mit revisionistischen Thesen zu infiltrieren. Außerdem soll er ein Unterstützer des von Horst Mahler Ende des Jahres 2003 initiierten „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten” (VRBHV) sein (nach der Publikation des Gründungsmanifests wurden Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet).[7]

Einige Kontakte zwischen Faurisson und angesehenen Schriftstellern, die nicht als Sympathisanten der von ihm vertretenen Ansichten galten oder gelten, haben großes Aufsehen erregt:

Noam Chomsky unterzeichnete im Herbst 1979 – nach den verbalen und brachialen Angriffen auf Faurisson nach der Veröffentlichung seiner Leserbriefe in Le Monde - eine Petition zugunsten Faurissons, die sich für das Recht der freien Meinungsäußerung auch für Holocaustleugner einsetzte. Dieses Recht verteidigte er auch in einer Stellungnahme, die er den Initiatoren der Petition, Pierre Guillaume und Serge Thion, zur Verfügung stellte. Diese druckten sie 1980 als Vorwort zu einer Rechtfertigungsschrift Faurissons ab, die für weiteres Aufsehen sorgte und Chomsky schwere Vorwürfe – u.a. von Pierre Vidal-Naquet - eintrug.[8]

Im Jahr 1987 veröffentlichte Faurisson in der Zeitschrift Annales d’histoire révisioniste einen Brief von Jean Beaufret, in dem dieser ihm seiner Zustimmung zu seinen Thesen versicherte. Beaufret war ehemaliges Mitglied der Résistance und der maßgebliche Übersetzer und Vermittler der Schriften von Martin Heidegger nach Frankreich.[9]

Faurisson nahm an der Konferenz von Holocaust-Leugner in Teheran im Dezember 2006 teil. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Paris eine Voruntersuchung gegen ihn aus Anlass seiner Äußerungen eröffnet.

2002 und 2003 wurden Faurissons Schätzungen der Opferzahlen in der französischen Enzyklopädie Quid aufgeführt, was zu Klagen gegen den Verlag führte.

Seit Ende 2008 steht Faurisson dem mehrfach für judenfeindliche Äußerungen verurteilten Komiker und politischen Aktivisten Dieudonné M’bala M’bala nahe.

Quellen

  1. So bei François Caradec: Isidore Ducasse, comte de Lautréamont. Édition révue et augmentée. Gallimard, Paris 1975.
  2. Comité des droits de l'homme Communication No 550 (1993)
  3. Le négationniste Robert Faurisson a été condamné à trois mois de prison avec sursis. In: Le Monde. 3 Oktober 2006.
  4. Jean-Claude Pressac: Die Krematorien von Auschwitz. Die Technik des Massenmordes. Piper, München 1994, ISBN 3-492-12193-4.
  5. Teresien da Silva (Anne Frank Stichting): Denial of the authenticity of the diary, 1999.
  6. Robert Faurisson: The Leaders of the Arab States should Quit their Silence on the Imposture of the „Holocaust”. Written for the Beirut Conference on Revisionism and Zionism. In: The Revisionist. Codoh Series, No. 3, 2001.
  7. Robert Faurisson: Brief an Horst Mahler, Zur Gründungsversammlung des „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten”. In: Das kausale Nexusblatt. Nr. 1, 2004.
  8. Chomsky: Some Elementary Comments on the Rights of Freedom of Expression, Vorwort zu: Faurisson: Mémoire en défense. Contre ceux qui m'accusent de falsifier l'histoire. - La question des chambres à gaz. La Vieille Taupe, Paris 1980. Zu den Umständen der Publikation gibt es einen Bericht von Pierre Guillaume: Droit et Histoire. La Vieille Taupe, Paris 1986, S. 152–172: "Une Mise au Point".
  9. Annales d’histoire révisioniste, 1987, nº 3, Automne-hiver, S. 204. Siehe auch: Jacques Derrida, Interview mit Dominique Janicaud, in: Heidegger en France. Éd. par Dominique Janicaud. Vol. 2: Entretiens. Paris: Albin Michel, 2001, S. 97. Siehe aber die Verteidigung Beaufrets bei Francois Fédier, Lettre au professeur Hugo Ott. In: Regarder voir 1995, S. 244 ([1])

Veröffentlichungen

Der Vertrieb und das Zugänglichmachen der Publikationen Faurissons, in denen der Holocaust geleugnet wird, sind in Deutschland nach § 130 (2 und 3) StGB (Volksverhetzung) sowie in weiteren Ländern, in denen die Holocaustleugnung strafbar ist, nach entsprechenden strafrechtlichen Bestimmungen verboten; auch den Zugriff auf im Internet publizierte Texte versuchen deutsche und andere Behörden durch Beschwerden bei den Betreibern von Suchmaschinen zu unterbinden.

Écrits révisionnistes, 1974 – 1998. 4 Bde. Ohne Ort: Selbstverlag, 1999. (in einigen deutschen Staatsbibliotheken vorhanden, die Bücher wurden offenbar weltweit von den Vereinigten Staaten aus anonym an Bibliotheken verschickt; Ausleihe nur gegen Nachweis eines legitimen Interesses)

Literatur

  • Deborah E. Lipstadt: Betrifft: Leugnen des Holocaust. Rio Verlag, Zürich 1994.
  • Pierre Vidal-Naquet: Un Eichmann de papier (1980) - Anatomie d'un mensonge. In: P. V.-N.: Les assassins de la mémoire. Seuil, Paris 1995. (= Collection Points.)
  • Pierre Vidal-Naquet: Ein Eichmann auf Papier. In: P.V.-N.: Die Schlächter der Erinnerung. Essays über den Revisionismus. Wien 2002 ISBN 3-85114-661-1. - Aus dem Französischen mit einer Einleitung von Alice Pechriggl.
  • Werner Cohn: Partners in Hate. Noam Chomsky and the Holocaust Deniers. Avukah Press, Cambridge 1985, 2. Auflage 1995. (auch als Html-Datei)

Weblinks


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