Favela

Favela
Favela in Nova Friburgo
Favela in Rio de Janeiro

Mit Favela werden die besonders in Randlagen der großen Städte Brasiliens liegenden Armenviertel bezeichnet. Es handelt sich um informelle Siedlungen oder auch Marginalviertel, bei denen die Bewohner nicht über legalen Grundbesitz verfügen.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Behausungen in Favelas bestanden am Anfang nur aus Kistenbrettern, Blechkanistern und Palmwedeln als Baumaterialien, mittlerweile aber gerade in Großstädten auch aus Steinen und Holzbrettern. Sie werden oft als „Stadt in der Stadt“ bezeichnet; sie sind weitgehend unabhängig von der offiziellen Stadtverwaltung organisiert, oft unter der Leitung des Anführers des dortigen Drogenkartells. Deshalb gestaltet sich die Lebensqualität der Bewohner in den einzelnen Favelas auch durchaus unterschiedlich.

Zu Beginn ist häufig bei Entstehung einer Favela der Versuch einer Räumung die Folge gewesen. Mittlerweile ist aber eine zunehmende Integration der brasilianischen Favelas erkennbar. So wird versucht die Lebensqualität mit dem Ausbau von Straßen und der Strom- und Wasserversorgung zu erhöhen. Zudem sind in mittelgroßen Favelas immer häufiger kleine Polizeistationen anzutreffen. Schätzungen zufolge beziehen lediglich 2% der Favelabewohner ihren Lebensunterhalt mit illegalen Aktivitäten.

Die Bezeichnung für die Armenviertel kommt von einer brasilianischen Kletterpflanze, welche den Namen Favela trägt. Ähnlich wie die Kletterpflanze siedeln sich die Armenviertel in Rio De Janeiro an den Bergen an und "klettern diese hoch" - daher der Name.

Vergleichbare informelle Siedlungen findet man auch in den meisten anderen Entwicklungsländern, wo sie jedoch andere Bezeichnungen haben. Es ist begrifflich nicht ganz richtig, Favelas als Slums zu bezeichnen, da sie nicht durch den Verfall städtischer Zonen, sondern durch unregulierte Besiedlung entstehen.

Geschichte

Die ersten Favelas entstanden im Zuge der Sklavenbefreiung 1888 aufgrund des danach einsetzenden großen Zustroms in die Städte und haben sich seitdem ständig ausgebreitet. Es wird geschätzt, dass 2004 etwa dreißig Prozent der Einwohner Rio de Janeiros in Favelas lebten.

Seit der Entstehung der ersten Favelas schwankt die Politik der brasilianischen Regierung sowie der zuständigen Stadtregierungen zwischen Aussiedlungsbemühungen auf der einen und Hilfsangeboten zur Verbesserung der Infrastruktur für die Bewohner auf der anderen Seite. Die Militärdiktaturen 1964 bis 1979 versuchten, durch zum Teil gewaltsame Umsiedlungsprogramme eine Zurückdrängung dieser urbanen Siedlungsräume zu erreichen, was jedoch scheiterte.

Seit Ende der 1960er Jahre und verstärkt ab etwa 1990 wird auf die Sanierung der Favelas gesetzt, zunächst mit punktuellen Eingriffen, in neuerer Zeit dann durch integrative Großprojekte. In Rio de Janeiro wurde im Jahr 1994 das vielbeachtete großangelegte Sanierungsprogramm Favela-Bairro begonnen, das bis 2010 in alle Favelas Strom, Wasser, Kanalisation und andere infrastrukturelle und soziale Einrichtungen bringen soll und in seinen ersten beiden Phasen bereits 600.000 Einwohner erreichte.[1]

Daneben hat sich die Organisation Un techo para mi país die Beseitigung von Elendsquartieren und die Errichtung von Unterkünften für alle Bewohner eines Landes in den Ländern Lateinamerikas zum Ziel gesetzt.

Große Favelas

Als größte Favela Lateinamerikas wird immer wieder Rocinha im Süden von Rio de Janeiro mit ca. 250.000 Einwohnern bezeichnet (wobei offiziell (2006) allerdings nur 56.000 angegeben werden).[2] Dem kann entgegengehalten werden, dass allein in Rio mehrere Stadtgebiete existieren, in denen verschiedene Favelas so stark gewachsen sind, dass sie mittlerweile riesige geschlossene „Komplexe“ von Favelas bilden, die von außen nur noch als eine einzige Favela zu erkennen sind. So nehmen etwa die Complexo do Alemão und da Maré im Nordteil Rios bei gleich dichter Bebauung jeweils die doppelte bis dreifache Fläche der Rocinha ein. Solche „Complexos“ sind in vielen Großstädten Brasiliens zu finden. Letztlich ist die Berühmtheit der Rocinha wohl nur auf ihre Lage inmitten der wohlhabenden und durch ihre Strände Copacabana und Ipanema weltberühmten Südzone Rios zurückzuführen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jürgen Dietz: Aufwertung ganzer Stadtteile. Erfolge des Favela-Bairro-Programms (PDF)
  2. [1]

Literatur

  • C. Maria de Jesús: Tagebuch der Armut. 7. Auflage. Lamuv-Verlag, Bornheim-Merten 1993, ISBN 3-921521-96-3.
  • Ute Craemer: Favela Monte Azul. Verlag Freies Geistesleben, 1987, ISBN 3-772508-96-0.
  • Elisabeth Blum / Peter Neitzke: FavelaMetropolis Berichte und Projekte aus Rio de Janeiro und São Paulo, bauverlag, Birkhäuser, 2004, ISBN 978-3-7643-7063-3.

Weblinks

  • Viva Favela - Portal für die Favela-Bewohner Rio de Janeiros
  • Celula Urbana - Ein Projekt der Stiftung Bauhaus Dessau und der Stadtverwaltung Rio de Janeiro zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in der Favela Jacarezihno
  • Radio Favela - eine Art Bürgerradio, sendet aus einem Favela in Belo Horizonte (Minas Gerais) und spricht viele Themen der sozial Benachteiligten an
  • RadioFavela - The Sound of Rio ist ein Podcast in englischer Sprache über Musik und Architektur in Rio de Janeiro
  • Reconciliacão - Einrichtung, die Kinder, Jugendliche und Familien in einer Favela in São Paulo betreut
  • „Augen des Huegels“ - Kunst- und Dokumentarphotographie von Photographen aus verschiedenen Favelas Rios

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