Federmesser-Gruppen

Federmesser-Gruppen
Steinartefakte der Federmesser-Gruppen

Federmesser-Gruppen ist eine Sammelbezeichnung für Kulturgruppen des Jungpaläolithikums aufgrund ihrer charakteristischen archäologischen Leitform, dem Federmesser. In der Forschungsgeschichte war der synonyme französische Begriff Azilien gebräuchlich, der heute nur noch für Federmesser-Fundplätze in Bayern verwendet wird (dort auch Rückenspitzen-Gruppen[1] oder „Atzenhofer Gruppe“[2] genannt). Datierungen von Fundstellen der Federmesser-Gruppen liegen zwischen ca. 12.000–10.800  v. Chr.[3]

Die Ausbreitung dieser aus dem Magdalénien hervorgegangenen Kultur erfolgte im klimabegünstigten feuchten Allerød-Interstadial, das durch die erste großflächige Ausbreitung von Gehölzen (Kiefer- und Birkenwälder) nach der letzten Eiszeit (Weichsel-Kaltzeit im Norden, Würm-Kaltzeit im Süden Deutschlands) gekennzeichnet war. Auch wenn die Federmesser-Fundplätze überwiegend mit dem Alleröd-Interstadial zu korrelieren sind, sind einige Fundplätze älter (Ältere Dryaszeit) und legen eine Überlappung mit der späten Hamburger Kultur (Havelte-Gruppe) nahe.

Der Begriff wurde 1933 von H. J. Popping eingeführt, nach dem häufigsten Werkzeugtyp aus Feuerstein, dem Federmesser. Die Federmesser-Gruppen können ihrerseits in drei Gruppen untergliedert werden: die Tjonger Gruppe, verbreitet in Nord-Belgien und in den Niederlanden (an das englische Creswellien anknüpfend), die Rissener Gruppe (Nordwestdeutschland und Nordöstliche Niederlande) und die Wehlener Gruppe (Süd-Schleswig und Nordost-Niedersachsen). In Südschweden und Dänemark wird die zeitgleiche Erscheinung Bromme-Kultur genannt.

Inhaltsverzeichnis

Gräber

Das Doppelgrab von Oberkassel datiert mit ca. 12.000  v. Chr. in die Federmessser-Gruppen, nachdem es zuvor lange Zeit dem Magdalénien IV zugeschrieben worden war.

Siedlungsweise

Die nomadischen Gruppen richteten ihre Wohnplätze an strategisch günstigen Durchlass-Stellen der bejagten Tiere ein; außerdem sind zyklische Wanderungen zwischen norddeutschem Flachland und der Mittelgebirgsschwelle wahrscheinlich. Siedlungsplätze der Federmessergruppen im Rheinland weisen mit der Tephra des Laacher Vulkans oft einen charakteristischen stratigraphischen Marker auf.

Wichtigstes Jagdwild sind Hirsch, Elch, Biber und Auerochse, vereinzelt Ren und Riesenhirsch. Huftierherden (Wildpferd) des Offenlandes sind weitgehend verschwunden. Wollhaarmammut und Wollnashorn sind im Zuge der Quartären Aussterbewelle am Ende der letzten Eiszeit weitgehend verschwunden und nur noch in den Steppenzonen Osteuropas und Sibiriens vertreten.

Inventar

Leitformen sind Federmesser (Rückenspitzen), Rückenmesser, Stichel, Spitzen und Kratzer aus Feuerstein.

In den Federmesser-Horizont datiert das Bernsteintier von Weitsche als eines der seltenen Kleinkunstwerke.[4] Dabei handelt es sich um die Darstellung einer Elchkuh.

Literatur

  • Gerhard Bosinski: Die große Zeit der Eiszeitjäger. Europa zwischen 40.000 und 10.000 v. Chr. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 34, 1987, S. 13–139.

Einzelnachweise

  1. M. Beck, S. Beckert, S. Feldmann, B. Kaulich, C. Pasda: Das Spätpaläolithikum und Mesolithikum in Franken und der Oberpfalz. Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 50, 2009, S. 269-291
  2. Werner Schönweiss: Letzte Eiszeitjäger in der Oberpfalz: Zur Verbreitung der Atzenhofer Gruppe des Endpaläolithikums in Nordbayern. Pressath, Verlag E. Bodner, 1992, 124 S. ISBN 9783926817167
  3. O. Jöris, B. Weninger: 14C-Alterskalibration und die absolute Chronologie des Spätglazials. In: Archäologisches Korrespondenzblatt. 30, 2000, S. 461–471.
  4. Stephan Veil, Klaus Breest: The archaeological context of the art objects from the Federmesser site of Weitsche, Ldkr. Lüchow-Dannenberg, Lower Saxony (Germany) – a preliminary report. In: Eriksen, Bratlund: Recent Studies in the Final Palaeolithic of the European Plain. Aarhus University, 2002, S. 129–138

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