Fersina

Fersina
Lage des Fersentals im Trentino

Das Fersental (ital. Val Fersina oder auch Val dei Mocheni, zimbrisch: Bersntol) ist eine der deutschen Sprachinseln der Zimbern in Oberitalien.

Das Fersental liegt in der Region Trentino-Südtirol, Provinz Trient, ist ein nördliches Seitental des oberen Valsugana bei Pergine auf einer Höhe von 700 - 1000 m über NN.

Ca. 1000 Menschen einschließlich der in Trient lebenden Fersentaler Familien sprechen heute aktiv das Fersentaler Zimbrisch.

Die zimbrischen Dörfer Eichleit (ital. Roveda) und Gereut (ital. Frassilongo) bilden eine Gemeinde, die Gemeinde Florutz (ital. Fierozzo) besteht aus den Weilern St. Franz und St. Felix. Den Talschluss bildet Palai (ital. Palù del Fersina). Der auf der rechten Talseite gelegene Hauptort Sant'Orsola Terme ist italienisch.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Siedlungsspuren und Nachweise des Bergbaus sind bereits für die Bronzezeit nachweisbar, es gibt aber keine Nachweise von kontinuierlicher und fester Besiedlung. Das Fersental wurde im 13./14. Jahrhundert durch Zuwanderung aus verschiedenen Tälern Nord- und Südtirols besiedelt, eventuell in zwei Schritten: Zunächst wurden Bergwerkssiedlungen zum Abbau von Kupfer, Silber und Gold (früheres Silberbergwerk am Talschluss) angelegt, später siedelten sich Bauern an. Da das Fersental nur ein geringes Auskommen ermöglichte, betrieben vor allem die Männer mindestens seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert Wanderhandel. Die sogenannten Krämer ("Krumern") übten ihren Beruf im gesamten Gebiet der damaligen habsburgischen bzw. österreichisch-ungarischen Monarchie aus.

Seit 1865 bis zur Machtergreifung der Faschisten (1922) gab es im Fersental eine deutsche Schule.

Im Ersten Weltkrieg lag das Fersental auf der österreichisch-ungarischen Seite knapp hinter der Dolomitenfront, die unmittelbar südlich von Lusern verlief und mitten durch die Sieben Gemeinden führte.

1919 kam das Fersental mit Welschtirol (dem heutigen Trentino) an Italien.

Während der Faschistenzeit (1922-1943) wurden alle zimbrischen Traditionen und die Sprache nicht nur im öffentlichen, sondern sogar im privaten Bereich unterdrückt und verboten: Mussolini und Ettore Tolomei betrieben wie in Südtirol so auch in allen anderen zimbrischen Gemeinden eine rücksichtslose Politik der Italianisierung. Die ab 1939 von Hitler und Mussolini erzwungene Option nötigte einen Großteil der Einwohner des Fersentals zur Aussiedlung nach Böhmen (Bezirk Budweis), was nach der endlich ermöglichten Rückkehr die wirtschaftliche Rückständigkeit verschärfte. Als Gastarbeiter in der Schweiz, in Deutschland und vor allem in den Wirtschaftszentren Oberitaliens konnten sich die Fersentaler in den letzten Jahrzehnten einen bescheidenen Wohlstand erarbeiten.

Auch nach dem Ende des Faschismus und der Rückkehr aus Böhmen führte eine jahrzehntelange Abwanderung und Pendeln vor allem der jungen Fersentaler in die trentinischen Industrieorte wie in vielen anderen Sprachinseln zu einem ständigem Rückgang der Zahl der Zimbrisch Sprechenden und zu einer langsamen Auszehrung.

Heute ist das Zimbrische im Fersental noch in Palai, Florutz und Eichleit im Alltag verbreitet, während es in Gereut nur mehr von einer Minderheit gesprochen wird. In den letzten Jahren jedoch konnte der Rückgang des Zimbrischen gestoppt werden, weil inzwischen sowohl die Provinz Trient als auch die Region Trentino-Südtirol teilweise mit Mitteln der EU nicht nur die Erhaltung von Sprache fördern, sondern auch Fremdenverkehrsprojekte und die Wirtschaft unterstützen, so dass sich für immer mehr junge Fersentaler auch in ihrer Heimat wirtschaftliche Perspektiven eröffnen. Im Jahr 1987 wurde von der Provinz Trient das Kulturinstitut Bersntol-Lusérn gegründet. Der Hauptsitz befindet sich in Palai, eine Außenstelle dagegen in Lusern, jenem zimbrischen Dorf auf der Hochebene von Lavarone südlich des Val Sugana, das vom Fersental in Luftlinie zwar nur ca. 10 - 15 km entfernt ist, wobei aber der abenteuerliche "Kaiserjägerweg" (ital. Monterovere) überwunden werden muss. Lusern hat das Zimbrische am besten bewahren können und kann in vieler Hinsicht als idealtypisch, aber auch als vorbildlich für alle Sprachinseln der Zimbern gelten. Die Fersentaler unterhalten zu Lusern sehr enge Kontakte (ausführliche Informationen im Hauptartikel Lusern). Mittlerweile gibt es auch eine überregionale Zusammenarbeit mit den anderen Sprachinseln der Zimbern (Sieben Gemeinden, Sappada, Sauris, Dreizehn Gemeinden, Timau).

Sprache

Das Fersentaler Idiom wurde schon in der Frühen Neuzeit als alemannisch oder bairisch erkannt. Die zimbrische Mundart des Fersentales ist stark von Tiroler Einflüssen geprägt und unterscheidet sich in Lautstand und Wortschatz deutlich von den anderen zimbrischen Sprachinseln. Daher wird verschiedentlich die Ansicht vertreten, die Fersentaler seien nicht zu den Zimbern zu rechnen. Die Fersentaler selbst allerdings pflegen intensive Beziehungen zu den anderen Zimbernorten und fühlen sich auch überwiegend diesen zugehörig. Da viele Fersentaler jahrhundertelang als Wanderhändler durch den Verkauf von Waren aller Art in Tirol und darüber hinaus tätig waren, bestand ein kontinuierlicher Kontakt zum geschlossenen deutschen Sprachraum. Das unterscheidet das Fersental von allen anderen zimbrischen Sprachinseln (siehe unten).

Laut Volkszählung 2002, bei der erstmals Daten zur Muttersprache erfasst wurden, wird in folgenden Gemeinden mehrheitlich Fersentaler Deutsch gesprochen (Angaben beziehen sich auf "Zugehörigkeit zur Fersentaler Sprachgruppe"): Florutz/Fierozzo/Vlarotz (423 Personen, 95,92%), Palai/Palù/Palae (184 Personen, 95,34%), Gereut/Frassilongo/Garait (340 Personen, 95,24% - umfasst auch den Ort Eichleit/Roveda). In anderen Gemeinden des Trentino gaben 1331 Personen an, zur Fersentaler Sprachgruppe zu gehören, insgesamt 2278 im Trentino. Nach anderen Angaben wird die Fersentaler Mundart von fast allen in Eichleit und Palai, der Mehrheit in Florutz, aber nur einer kleinen Minderheit im Dorf Gereut als tatsächliche Umgangssprache verwendet[1].

Namensgebung

Abgesehen von einigen romanischen bestehen überwiegend deutsche Namen, die aber mangels einer genormten Schriftsprache verschieden geschrieben werden, z.B. Hos, Oss, Haas für "Hase". Die Familiennamen, die heute im Fersental häufig vorkommen (z.B. Marchl, Moar, Hoss, Korn, Toller, Stefani, Laner, Moltrer), sind auf die Erstbesiedler zurückzuführen. Die Höfe wurden nach Natur oder Topografie der Umgebung (z.B. Habichthof, Hoslerhof, Puechhof) oder nach dem Namen der Familie benannt, die den Hof gegründet hatte (z.B. Turrerhof, Prighelhof usw.).

Palai ist eine frühe Verdeutschung aus ital. palude (dt. Sumpf).

Die Fersentaler werden von den Italienern Mocheni genannt, weil sie häufig das Verb mochen (dt. "machen") verwenden. Die Bezeichnung ist teilweise in die allgemeine und wissenschaftliche Terminologie übernommen worden.

Tradition

Der Erzabbau hat Kultur und Tradition in Vorstellungswelt, Erzählungen, Legenden und Sagen stark beeinflusst.

Alljährlich wird zur Fastnacht ein archaisches Zeremoniell veranstaltet.

In neueter Zeit wurde eine alte Kupfermine restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die Grua vo Hardömbl in Palai. Im Inneren der Mine ist ein Teil der tragenden Strukturen, der Stollen und Holztreppen zu sehen, die aus dem 16. Jahrhundert stammen.

Die typische Bauform für das Fersental ist der Blockbau, der aus einzelnen Stämmen mit einem Durchmesser von etwa 25-40 cm besteht, die quadratisch zugeschnitten sind, übereinandergeschichtet werden und sich durch Kerben gegenseitig blockieren und sich so miteinander verankern. Meist sind die Ecken im unteren Bereich vermauert. Der Hof besteht aus zwei Stockwerken: Im Erdgeschoss liegen der Stall (Stòll), der gemauerte Wohnbereich und Arbeitsbereiche. Im oberen Stock befindet sich der aus Holz gebaute Heuschober und darüber das schindelgedeckte Dach.

Ein eindrucksvoller Hof im traditionellen Baustil ist der Filzerhof in Florutz (ital. Fierozzo), dessen Restaurierung in erster Linie dem Kulturinstitut Bersntol-Lusérn zu verdanken ist. Auch heute noch sind verschiedene typische Höfe erhalten geblieben.

Literatur

  • Hans Mirtes, Das Fersental und die Fersentaler. Zur Geographie, Geschichte und Volkskunde einer deutschen Sprachinsel im Trentino, Regensburg: Inst. für Geographie an der Univ. Regensburg (Regensburger geographische Schriften; zugl. Univ. Regensburg, Diss., 1996.
  • Volkskundliche Untersuchungen von R. Wolfram
  • Sprachwissenschaftliche Untersuchungen von C. Battisti, M. Hornung, A. Rowley
  • A. Rowley, Fersentaler Wörterbuch, Hamburg 1982
  • F. Faganello, A. Gorfer, Das Tal der Mocheni, Calliano 1972

Quellenangaben

  1. Angaben auf der Website "Bersntol", http://www.kib.it/pag_cms/articolo.asp?IDcms=374

Weblinks


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