Fibrosierung

Fibrosierung

Unter dem Sammelbegriff Bindegewebe versteht man verschiedene Gewebetypen, denen vor allem ein Reichtum an Interzellularsubstanz[1] bei - im Vergleich zu Epithelien - relativ geringer Zellzahl[2] gemeinsam ist.

In der Fachliteratur herrscht keine Einigkeit darüber, welche Gewebe im Einzelnen dem Bindegewebe zuzuordnen sind. Konsens besteht im Allgemeinen darüber, dass im engeren Sinne lockeres, straffes, retikuläres, gallertiges und spinozelluläres Bindegewebe Typen des Bindegewebes darstellen[1][2], Knorpel- und Knochengewebe zählen als Stützgewebe im etwas weiteren Sinne ebenfalls zum Bindegewebe. Meist wird auch das Fettgewebe als Sonderform des Bindegewebes betrachtet, teilweise auch das Blut und die verschiedenen Typen des Muskelgewebes.

Alle diese Bindegewebstypen entwickeln sich aus dem Mesenchym, das zusammen mit dem gallertigen Bindegewebe auch als „embryonales Bindegewebe“[3] bezeichnet wird.


Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

In der Embryonalentwicklung des Menschen entwickeln sich aus dem Mesoderm 34-35 Somiten. Aus dem ventralen und medialen Anteil dieser entwickeln sich die Sklerotome, die sich zum Mesenchym weiterentwickeln[4]. Anteil an der Bildung des Mesenchyms hat aber auch das Neuroektoderm[2]. Das Mesenchym besteht aus multipotenten Zellen, deren zahlreiche Fortsätze untereinander mit Nexus (auch gap junctions), einer Form von Zell-Zell-Kontakten, verbunden sind. Die Zellen sind teilungsfreudig und amöboid beweglich. Aus dem Mesenchym entwickeln sich im Laufe der weiteren Embryonalentwicklung die einzelnen Typen des Bindegewebes.


Gemeinsame Merkmale

Das Bindegewebe besteht aus fixen (ortsansässigen) und mobilen Zellen, sowie einer reichen Zwischenzellsubstanz, auch Extrazellularmatrix, die aus einer Grundsubstanz besteht, in die kollagene, retikuläre und elastische Fasern eingelagert sein können. Die Zwischenzellsubstanz wird von den Fibroblasten sezerniert, die die aktive Form der Fibrozyten darstellen.

Bindegewebsfasern

Siehe auch: Kollagen

Die zugfesten aber kaum dehnbaren kollagenen Fasern sind 1-10μm, selten bis 20μm dick[5]) und weisen im Elektronenmikroskop eine Querstreifung auf, die durch die überlappende Anordnung der Kollagenmoleküle bei der Synthese von Kollagenfibrillen zustandekommt. Die zur Stabilisierung der Fibrillen wichtige Hydroxylierung von Prolinresten ist Vitamin C-abhängig[6]. Bei Vitamin C-Mangel kommt es deshalb zu einer Störung der Kollagensynthese, was sich im Krankheitsbild des Skorbut äußert. In den Geweben finden sich eine Vielzahl von verschiedenen Kollagentypen, die wichtigsten sind die Kollagen-Typen I-IV:

Kollagentyp Form Vorkommen
Typ I fibrillenbildend kommt in den meisten Bindegewebsformen vor, z. B. in Haut, Knochen, Organstromata
Typ II fibrillenbildend Knorpel
Typ III fibrillenbildend retikuläres Bindegewebe
Typ IV netzwerkbildend Basallaminae

Verzweigte Netzwerke aus Kollagen Typ III werden als retikuläre Fasern bezeichnet. Mit einem Durchmesser von 20-40nm[7] sind sie deutlich dünner als kollagene Fasern. Sie kommen insbesondere in retikulärem Bindegewebe, aber auch in weiteren Geweben vor, beispielsweise im Disse-Raum der Leber.

Elastische Fasern bestehen aus dem Glykoprotein Fibrillin und dem darin eingelagerten Protein Elastin. Sie lassen sich - in jede Richtung - um ein Vielfaches ihrer Ausgangslänge dehnen, aufgrund der geknäuelten Anordnung des Elastins[6] kehren sie danach wieder in ihre Ausgangslänge zurück. Die Dehnbarkeit wird aber durch im selben Gewebe vorkommende Kollagene, die deutlich weniger elastisch sind, begrenzt. Elastische Fasern lassen sich lichtmikroskopisch mit speziellen Elastika-Färbungen sichtbar machen. Elastische Fasern finden sich in fast jedem Bindegewebstyp, vor allem aber in Lungengewebe, elastischen Arterien und elastischen Bändern (ligamenta flava).

Mobile Zellen

Zwischen den Fasern und den fixen Zellen kommen auch amöboid bewegliche, freie Zellen vor. Diese stehen vor allem im Dienst des Immunsystems. Die Zellen stammen aus dem Knochenmark und sind aus dem Blut in das Bindegewebe eingewandert. Teilweise handelt es sich auch um typische Blutzellen (z. B. Granulozyten). An freien Zellen kommen im Bindegewebe

Bei Entzündungsvorgängen wandern vor allem die Granulozyten vermehrt ins Bindegewebe ein und sind dementsprechend im Präparat in größerer Zahl zu erkennen.

Spezielle Merkmale von Bindegewebstypen

Lockeres Bindegewebe

Lockeres Bindegewebe findet sich als „Füllung“ von Freiräumen im Körper und bildet das Stroma, also den bindegewebigen Teil, vieler Organe. Im lockeren Bindegewebe überwiegt die Grundsubstanz. In diese sind Kollagenfasern und dünne Bündel elastischer Fasern eingelagert. Funktionell dient es nicht nur als Füllmaterial, sondern auch als Wasserspeicher, Verschiebeschicht und als Aufenthaltsraum für zahlreiche freie Zellen.

Straffes Bindegewebe

Das straffe Bindegewebe zeichnet sich durch einen Reichtum an Kollagenfasern aus - deutlich mehr als im lockeren Bindegewebe. Im Gegensatz dazu ist die Menge an Grundsubstanz stark vermindert, außerdem finden sich viel weniger Zellen. Es kann nach der Richtung der Kollagenfasern unterteilt werden in das straffe geflechtartige und das straffe parallelfasrige Bindegewebe.

Im straffen geflechtartigen Bindegewebe überkreuzen sich die Kollagenfaserbündel vielfach, wodurch Zugfestigkeit in verschiedenen Richtungen erreicht wird[8]. Dieser Typ bildet dementsprechend z. B. Organkapseln, die Lederhaut des Auges und der Haut sowie die harte Hirnhaut.

Das straffe parallelfasrige Bindegewebe bildet Sehnen und Bänder. Die Kollagenfasern sind parallel in Zugrichtung angeordnet. Die Fibrozyten des Sehengewebes werden auch als Tendozyten oder „Flügelzellen“ bezeichnet. Sie besitzen flache und flächige, dreidimensional flügelähnliche Ausläufer, zwischen denen und an denen entlang sich die Kollagenfaserbündel ausrichten.

Retikuläres Bindegewebe

Das retikuläre Bindegewebe kommt nur in den sekundären lymphatischen Organen (Lymphknoten, Milz und Schleimhaut-assoziiertes lymphatisches Gewebe) und im Knochenmark vor. Aufgabe dieses Gewebes ist es, freien Zellen, vor allem Zellen des Immunsystems, einen Aufenthaltsraum zur Verfügung zu stellen.

Die Fibroblasten des retikulären Bindegewebes werden fibroblastische Retikulumzellen genannt. Sie bilden ein weites dreidimensionales Netz aus retikulären Fasern. Diese sind aber immer von Ausläufern der Retikulumzellen umhüllt, und haben keinen Kontakt zum Interzellularraum[9]. Dies steht im Gegensatz zu anderen Gewebstypen, bei denen zwar auch retikuläre Fasern vorkommen, die aber von den dortigen Fibrozyten in den Interzellularraum abgegeben werden.

Gallertiges Bindegewebe

Das gallertige Bindegewebe ist typisch für die Nabelschnur (hier auch Wharton-Sulze genannt), tritt aber auch in der Pulpa junger Zähne auf. Die Zellen sind flache, verzweigte Fibrozyten, die miteinander ein weitmaschiges Netzwerk bilden. Die Extrazellulärmatrix enthält feine kollagene und retikuläre Fasern sowie Hyaluronsäure. Diese kann eine große Menge Wasser an sich binden, wodurch die gallertige Konsistenz zustandekommt, die diesem Bindegewebetyp seinen Namen verliehen hat. Die starke Einlagerung von Wasser gewährleistet die Hauptaufgabe dieses Gewebes, die Gefäße der Nabelschnur vor Abschnürung zu schützen, ohne dass die Nabelschnur in ihrer Flexibilität eingeschränkt wird.

Spinozelluläres Bindegewebe

Spinozelluläres Bindegewebe eines menschlichen Ovars

Das spinozelluläre Bindegewebe kommt in der Rinde des Eierstocks vor. Die Fibrozyten liegen dicht beieinander und sind häufig „fischzugartig“ angeordnet. In der spärlichen Interzellularsubstanz kommen einige wenige retikuläre Fasern vor. Aus Fibrozyten des spinozellulären Bindegewebes entstehen bei der Reifung der Eizellen im Ovar die Thecazellen, die die Theca Folliculi bilden. Teilweise wird auch die Schleimhaut des Uterus (Endometrium) als eine Form des spinozellulären Bindegewebes angesehen[10].

Stützgewebe

Knorpelgewebe

Hauptartikel: Knorpel

Knorpelgewebe ist eine spezielle Form des Bindegewebes: Es ist fest, aber druckelastisch, verform- und schneidbar. Die Knorpelbildenden Zellen werden Chondrozyten genannt, die die Knorpelmatrix bilden. Diese enthält hauptsächlich Kollagen Typ II, aber auch weitere, seltenere Kollagentypen. Weiterhin sorgen Aggrecan und unter anderem die daran gebundene Hyaluronsäure für eine Wasserspeicherung, die für die Konsinstenz des Knorpels verantwortlich ist. Auch hier spielt die Konsistenz für die Funktion eine wichtige Rolle: Knorpel hat formgebende Aufgaben (z. B. in der Ohrmuschel), hält die Atemwege offen (Knorpelspangen der Luftröhre) und sorgt in Form von Gelenkknorpel für eine verminderte Reibung. Außerdem werden die meisten Knochen in der Entwicklung zunächst als Knorpelmodell angelegt und erst später verknöchert. Knorpel weist keine Versorgung durch Nerven und Blutgefäße auf (Ausnahme: Fetaler Knorpel), sondern wird per Diffusion von der Knorpelhaut (Perichondrium) ernährt.

Man unterscheidet im Einzelnen drei bzw. vier verschiedene Knorpeltypen:

  • hyaliner Knorpel
  • fetaler Knorpel (lässt sich auch als hyaliner Knorpel mit Blutgefäßen betrachten[11])
  • elastischer Knorpel
  • Faserknorpel

Knochengewebe

Lamellenknochen mit Havers-Kanälen (dunkle Flächen)

Hauptartikel: Knochen

Knochengewebe besteht aus einer verkalkten Matrix (Interzellulärsubstanz), die von Osteoblasten gebildet und von Osteoklasten abgebaut wird. Weiterhin kommen Osteoprogenitorzellen (Vorläufer der Osteoblasten)[12] und Osteozyten vor. Die Knochenmatrix besteht zu rund 1/3 aus organischer Substanz (vor allem Kollagen Typ I), 2/3 der Matrix bestehen aus Hydroxylapatit, einem kristallinen Kalziumsalz, das für die Härte des Knochengewebes verantwortlich ist. Man unterscheidet den Geflechtknochen vom Lamellenknochen, bei dem die Kollagenfasern lamellenförmig um zentrale Kanälchen (Havers-Kanäle) angeordnet sind.

Fettgewebe

Univakuoläres (weißes) Fettgewebe

Hauptartikel: Fettgewebe

Im Gegensatz zu anderen Bindegewebstypen ist beim Fettgewebe kaum Interzellulärsubstanz vorhanden. Die spezialisierten Zellen heißen Adipozyten und speichern in ihrem Zytoplasma große Mengen an Fett (Triacylglycerine). Man unterscheidet univakuoläres (weißes) Fettgewebe und plurivakuoläres (braunes) Fettgewebe, wobei der Anteil an weißem Fettgewebe bei weitem überwiegt und bau- oder speicherfunktion haben kann.

Erkrankungen

Viele Immunreaktionen sowie Heilungsprozesse bei Verletzungen spielen sich, zumindest teilweise, im Bindegewebe ab. Daneben gibt es eine Reihe von Erkrankungen, die speziell das Bindegewebe betreffen.

Erworbene Krankheiten

Wie bereits erwähnt, kommt es bei ausgeprägtem Vitamin C-Mangel zum Krankheitsbild des Skorbut.

Zum Abbau von Kollagen kommt es in Hungerperioden, bei Immobilisation oder Schwerelosigkeit, wie auch bei rheumatoider Arthritis und längerer, hochdosierter Cortisongabe[7].

Bei der Fibrose und Sklerose kommt es zu einer gesteigerten Kollagen(-Typ I)-Synthese, was zu Funktionseinschränkungen oder -verlust des betroffenen Gewebes führt.

Gut- und bösartige Tumoren kommen auch im Bindegewebe vor. Gutartige Tumoren sind hier beispielsweise das Fibrom oder das Lipom, bösartige Tumoren werden unter dem Begriff Sarkome zusammengefasst. Im Einzelnen sind dies z. B. das Fibrosarkom, das Liposarkom oder das Rhabdomyosarkom.[13]

Erbliche Krankheiten

Bei der sogenannten Glasknochenkrankheit (osteogenesis imperfecta) liegt eine Genmutation vor, die zu einer gestörten Bildung einer Kollagenuntereinheit führt, oder diese ganz verhindert[6]. Die Folge ist eine stark erhöhte Bruchneigung von Knochen.

Die Gruppe der mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom beschriebenen Krankheiten sind ebenfalls erbliche Krankheiten. Durch einen Enzymdefekt können Kollagenfibrillen nicht korrekt zusammengebaut werden, was sich in einer Verletzungsneigung und gesteigerten Elastizität der Haut sowie einer Überstreckbarkeit von Gelenken äußert.


Einzelnachweise

  1. a b Herbert Lippert: Lehrbuch Anatomie. 7. Auflage. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2006, ISBN 3-437-42362-2, S. 25ff. 
  2. a b c Ulrich Welsch: Lehrbuch Histologie. 2. Auflage. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2006, ISBN 3-437-44430-1, S. 108. 
  3. Norbert Ulfig: Kurzlehrbuch Histologie. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-135572-7, S. 44. 
  4. Ulrike Bommas-Ebert, Philipp Teubner, Rainer Voß: Kurzlehrbuch Anatomie und Embryologie. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-135532-8, S. 46. 
  5. Ulrich Welsch: Lehrbuch Histologie. 2. Auflage. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2006, ISBN 3-437-44430-1, S. 118. 
  6. a b c Werner Müller-Esterl: Biochemie. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag bei Elsevier, München 2004, ISBN 3-8274-0534-3, S. 126ff. 
  7. a b Ulrich Welsch: Lehrbuch Histologie. 2. Auflage. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2006, ISBN 3-437-44430-1, S. 121. 
  8. Norbert Ulfig: Kurzlehrbuch Histologie. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-135572-7, S. 41. 
  9. Ulrich Welsch: Lehrbuch Histologie. 2. Auflage. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2006, ISBN 3-437-44430-1, S. 125. 
  10. Ulrich Welsch: Lehrbuch Histologie. 2. Auflage. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2006, ISBN 3-437-44430-1, S. 126. 
  11. Norbert Ulfig: Kurzlehrbuch Histologie. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-135572-7, S. 47. 
  12. Ulrich Welsch: Lehrbuch Histologie. 2. Auflage. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2006, ISBN 3-437-44430-1, S. 135. 
  13. Werner Böcker, Helmut Denk, Phillip U. Heitz (Hrsg.): Pathologie. 3. Auflage. Urban & Fischer bei Elsevier, München 2004, ISBN 3-437-44470-0, S. 205f. 

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