Fiebertherapie

Fiebertherapie

Hyperthermie (griech. Überwärmung) nennt man in der Medizin eine Behandlung, bei der die Temperatur des Körpergewebes künstlich erhöht wird. Sie ist ein Teilbereich der Thermotherapie. Es gibt Überwärmungen des ganzen Körpers und solche von Regionen oder einzelnen Organen. Unter die Bezeichnung fallen nicht die einfachen äußeren Wärmeanwendungen, die vor allem die Temperatur der Hautschichten erhöhen (Fango, Infrarot-Behandlung) usw.

Bei der Überwärmungstherapie wird im Gegensatz zur Fiebertherapie die Wärmeabgabe des Körpers künstlich eingeschränkt, beispielsweise durch Bäder oder wärmestauende Wickel.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Hyperthermie

Erstmals erwähnt wurde die heilende Wirkung der Wärme schon in den altägyptischen Hochkulturen (2400 v. Chr.), aber erst Mediziner der griechischen Antike haben diesen therapeutischen Ansatz konsequent angewandt, anerkannt und benannt: Überwärmung (griechisch: Hyperthermie). „Gebt mir die Macht, Fieber zu erzeugen, und ich heile jede Krankheit“ (Parmenides, griechischer Arzt und Philosoph, 540-480 v. Chr). Im Laufe der Jahrhunderte fanden sich verschiedene Anwendungsgebiete. So war zeitweise bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten die künstliche Erzeugung von Fieber mit Hilfe pyrogener Stoffe als Fiebertherapie üblich. Diese Eingriffe in Organismus und Körperfunktionen lassen sich als aktive Hyperthermie bezeichnen. Die passive Hyperthermie bezeichnet hingegen die Erhöhung der Körpertemperatur mittels Geräteeinsatzes von außen. Sie kommt heute vor allem in der Krebsbehandlung zum Einsatz.

Als Pionier der modernen „Fiebertherapie“ darf Julius Wagner von Jauregg gelten. Zunächst beobachtete von Jauregg zufällig bei einem Patienten mit Erysipel eine Heilung für eine generalisierte Paralyse bei systemischer Lues; später entwickelte er dann die Fiebertherapie mittels Malaria-infiziertem Blut, auch Malariatherapie genannt. Von Jauregg erhielt 1927 den Medizinnobelpreis für die Behandlung von Lues mittels Fiebertherapie. Das Verfahren hat mit dem Aufkommen der Antibiotikatherapie seine Bedeutung verloren.

Hyperthermie in der Krebsbehandlung

Hinweis: Eine im Hinblick auf die Krebsbehandlung weiterentwickelte Hyperthermieform wird gelegentlich auch als Onkothermie oder Oncothermie bezeichnet (Zusammensetzung mit dem Begriff Onkologie).

Ganzkörper-Hyperthermie

1886 veröffentlichte der deutsche Chirurg Wilhelm Busch einen Artikel „über die Wirkungen, welche heftige Erysipeln (die mit hohem Fieber einher gehen) auf bösartige Neubildungen haben“. Zunächst wurde versucht bösartige Tumoren mit künstlich erzeugtem Fieber zu heilen. In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kamen mehr und mehr Apparate zum Einsatz. Anfang der 1960er Jahre wurde diese bereits bekannte und angewandte Methode als Ganzkörperhyperthermie wiederentdeckt. Interesse ist dabei allgemeine Leistungssteigerung, Steigerung der Immunabwehr, Ergänzung von Krebstherapien. Seit den 1970er Jahren laufen Studien zu dieser Therapieform. In Ost-Deutschland war es vor allem der Physiker und Krebsforscher Manfred von Ardenne, der eine Ganzkörper-Hyperthermie entwickelte. Hohe Eindringtiefe erzielte er mit langwelligem Infrarotlicht. Mangels einer genauen Kontrollmöglichkeit der inneren Körpertemperatur war es zu Anfang schwierig, die Methode zu optimieren. Zur Unterstützung wird sie in der Regel mit anderen Therapien kombiniert, zum Beispiel fast immer mit einer Sauerstoffinhalation, analog zum Einsatz von Sauerstoff in der evidenzbasierten Medizin. Er verband daher diese Infrarotlicht-Therapie mit seiner Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie zur Krebs-Mehrschritt-Therapie – inklusive erhöhter Zufuhr von Traubenzucker, um das in Bezug auf den Stoffwechsel abweichende Verhalten der Krebszellen nutzbar zu machen, da der „Glykolysestoffwechsel“ in diesen Fällen dominiert. Die vor allem von seinem Institut beziehungsweise der entsprechenden Nachfolgefirma entwickelte moderne Gerätetechnologie ermöglicht eine gute Steuerung der Überwärmung und erleichtert so die Anwendung in der medizinischen Praxis. Von Ardenne konnte nie den klinischen Beweis für die Wirksamkeit in Bezug auf Krebs durch Doppelblindstudien bei einer Therapie, die mit der Inhalation zu tun hat, erbringen. Im Tierversuch gibt es Untersuchungen die positiv verlaufen sind. Die beschriebenen Erfolge der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie und der Krebs-Mehrschritt-Therapie sind Gegenstand von Diskussionen gewesen. Beide Methoden sind in diesem Sinn aktuell der alternativen Medizin zuzurechnen. Die heilende Wirkung der Überwärmung in Form des Fiebers und auch des künstlich herbei geführten so genannten „Heilfiebers“ ist unbestritten. Die Hyperthermie ahmt nach und nutzt ein Prinzip, das von der Natur vorgegeben ist.

Bei einer modernen Ausführung, die bei der Ganzkörper-Hyperthermie von Interesse ist (Ardenne), wird die Wärme als gefilterte Infrarotstrahlung zugeführt. Ein Teil der Wärmestrahlung wird, bevor sie den Patienten erreicht, über eine Schicht zirkulierenden Wassers absorbiert. Der Vorteil besteht darin, dass die Strahlung relativ gleichmäßig eindringt, Überhitzung der Hautschichten daher weitest gehend vermieden wird. Der Patient liegt mit dem Rücken auf einer IR-durchlässigen Matte. Die Wärmestrahlung kommt von unten und wird an der Oberseite des Körpers reflektiert. Die Reflexion erfolgt an einer dünnen Metallfolie (ähnlich einer Rettungsdecke), mit der der Patient zugedeckt wird. Sie ermöglicht es, die IR-Strahlung besser auszunützen, sie passiert den Körper zweifach. Alternativ zur offenen Anwendungsform gibt es auch Anlagen, bei denen sich der Patient (ebenfalls in liegender Position) in einer isolierten Kammer befindet, die elektrisch beheizt wird. Der Kopf befindet sich dabei außerhalb der Heizzone (Vorteil = diese Anlage ist technisch einfacher zu realisieren und daher preisgünstiger).

Die Ganzkörper-Hyperthermie wird innerhalb der evidenzbasierten Medizin selten eingesetzt, zunehmend in der Komplementärmedizin (vor allem im Bereich „Wellness“ und Krebstherapie in Kombination mit anderen Methoden – zum Beispiel Sauerstoffinhalation). Die mit der extremen Ganzkörper-Hyperthermie erreichten Temperaturen von maximal 41,8 °C erhöhen das Risiko für Komplikationen erheblich. In diesem Fall kann auch die Gabe eines Beruhigungsmittels erforderlich sein. Im Extremfall wird eine Narkose eingeleitet. Verbreiteter sind Anwendungsformen, bei denen etwas niedrigere Temperaturen angewendet werden. Dabei sind keine oder nur geringe Nebenwirkungen zu erwarten – insbesondere im Verhältnis zu den Nebenwirkungen bei einer Chemo- oder Strahlentherapie. Die Übererwärmung dauert in der Regel nicht länger als eine Stunde. Die Temperatur wird stufenweise und unter ständiger Beobachtung des Patienten (Puls, Blutdruck, Körpertemperatur) gesteigert und reduziert.

In den GUS-Staaten wird die Ganzkörper-Hyperthermie häufig eingesetzt. Dort wird die Körpertemperatur der Patienten unter Kühlung des Gehirns auf Temperaturen von bis zu 43 °C erhöht.

Teilkörper-Hyperthermie

Die Anwendung als Oberflächen- Tiefen- oder Teilkörper-Hyperthermie wird vielerorts weiterentwickelt und in klinischen Studien erprobt. Fast immer wird die Hyperthermie mit Strahlen- oder Chemotherapie kombiniert, wenn es um Krebserkrankungen geht. In der Behandlung von Krebserkrankungen wird sie vor allem dann eingesetzt, wenn andere Verfahren (Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie) keinen ausreichenden Erfolg mehr versprechen, das heißt, wenn die Patienten austherapiert sind.

Unterschiedliche Verfahren

Die Überwärmung auf 40–44°C wird gezielt im Tumorgebiet erzeugt, meist von außen mit Hilfe von Mikrowellen, Radiowellen oder Ultraschall. Andere Gruppen experimentieren mit implantierten Antennen, magnetisch angeregten Thermoseeds oder mit heißem Wasser gespeiste Röhren. Einzelne Organe können vom Blutkreislauf vorübergehend getrennt und mit erwärmter Lösung gespült werden. Es gibt auch experimentelle Ansätze, Heizspulen direkt in einen Tumor hineinzubringen oder magnetische Flüssigkeiten zu injizieren und diese dann induktiv zu erwärmen.

Ein aktueller Ansatz beruht z.B. auf der Injektion einer Suspension von superparamagnetischen Eisenoxid-Partikeln mit einem Durchmesser von etwa 15 nm und einer Umhüllung aus Aminosilanen in den Tumor. Diese Teilchen werden relativ selektiv von Tumorzellen aufgenommen und erhitzen sich im magnetischen Wechselfeld.

Die klinische Erprobung, vorwiegend in der Arbeitsgruppe des Berliner Radioonkologen Peter Wust, hat das Stadium von Kleinserien und Machbarkeitsstudien erreicht.[1] Je nach dem verwendeten Zielverfahren (Injektion unter Computertomographie, Durchleuchtung, oder Ultraschall) und dem Tumorsitz ist die ungleichmäßige Temperaturverteilung noch problematisch. Eine möglichst homogene Hyperthermie von 42°C im gesamten Zielvolumen ist bisher nicht erreicht worden.

Ein Wirksamkeitsnachweis der vom Hersteller (MagForce Nanotechnologies AG) Nano-Krebstherapie genannten Methode ist noch nicht erbracht worden. Die erste Phase-II-Studie mit Prostatakarzinomen mittleren Risikos hat erst im Januar 2007 begonnen. In den Medien wird für diese Form der Hyperthermie oft der unspezifische Ausdruck „Nanotherapie“ verwendet.

Bei der laserinduzierten Thermotherapie (LIT) wird der Tumor per LASER gezielt lokal überhitzt, um die Krebszellen abzutöten. Die LIT wird unter computertomographischer Kontrolle vorbereitet und durchgeführt. Lasersonden werden dabei zum Tumorherd geführt.

Wirkungsweise

Die erhöhten Temperaturen begünstigen eine verstärkte Durchblutung im Tumorgewebe und damit eine signifikant verbesserte Wirkung von Strahlen- und Chemotherapie. Der sogenannte synergistische Effekt der Hyperthermie führt zu einer Potenzierung der Wirksamkeit bei Kombination der Standardtherapien mit therapeutischer Hyperthermie. Eine aktuelle Studie der Berliner Charité („Influence of neoadjuvant radiochemotherapy combined with hyperthermia on the quality of life in rectum cancer patients“), die Rektumkarzinom-Patienten untersuchte, kam darüber hinaus zu folgendem Ergebnis: Der zusätzliche Einsatz von Hyperthermie in Kombination mit Strahlen- und Chemotherapie hat eine positive Wirkung auf die Lebensqualität von Krebspatienten gegenüber denjenigen, die keine Behandlung mit Hyperthermie erhielten.

Man hat festgestellt, dass Zytostatika (Chemotherapiesubstanzen) bei Temperaturen über 40° C deutlich aggressiver wirken als bei der normalen Körpertemperatur. Darüber hinaus sind die thermisch vorgeschädigten Tumorzellen leichter durch die Strahlentherapie zu bekämpfen, weil ihre Reparaturfähigkeiten herabgesetzt sind.

Bei Temperaturen bis 46 °C innerhalb des Tumors wird die Wirkung einer gleichzeitig angewandten Strahlen- oder Chemotherapie verstärkt. Die Wirkungsverstärkung gegenüber einer Strahlentherapie erfolgt dabei beispielsweise durch den wärmebedingten Funktionsverlust von Reparaturenzymen, die normalerweise Strahlenschäden an der DNA reparieren und so das weitere Überleben von Tumorzellen ermöglichen. Werden diese wichtigen Enzyme durch Wärme geschädigt, sterben die Tumorzellen bereits bei kleineren Strahlendosen ab und somit werden auch strahlenresistente Tumorzellen von der Kombinationsbehandlung erfasst. Wärme beeinträchtigt aber auch andere Proteine, die zum Beispiel dafür verantwortlich sind, dass chemoresistente Tumorzellen die für sie schädlichen Zytostatika aus den Zellen wieder herausschleusen können. Fallen diese „Pumpen“ durch Wärmeeinwirkung aus, sterben selbst chemoresistente Tumorzellen, weil die Wirkstoffe weiterhin in den Zellen verbleiben.

Bei Temperaturen über 46 °C werden nahezu alle Biomoleküle der Zellen betroffen und die Zelle stirbt direkt an den Folgen der Überhitzung.

Gegenwärtiger Stand

Es gibt viele Geräte mit unterschiedlicher Funktionsweise am Markt, aber noch kaum größere Behandlungsserien mit echter Vergleichbarkeit zu den klassischen Krebstherapien. Das erklärt, warum Hyperthermie-Behandlungen noch nicht als Standardtherapien eingesetzt werden. Die BSD-Geräte sind derzeit nur in onkologischen Zentren verfügbar. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es solche Programme an 14 onkologischen Zentren in Deutschland (zum Beispiel München/Großhadern, Universitätsklinik Tübingen, Berlin/Charité). Die knapp 100 Geräte des Typs EHY-2000 finden sich vor allem bei niedergelassenen Ärzten, die vor allem Krebspatienten in den späteren Stadien der Krankheit therapieren.

Hyperthermie ist in Deutschland keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung, aber auf Antrag können dort im Rahmen einer individuellen Fallentscheidung die Kosten übernommen werden.

Hochrisiko-Sarkome: In einer aufwändigen Studie des Universitätsklinikums München konnte für fortgeschrittene Weichteilsarkome eine dreifach höhere Überlebenszeit nachgewiesen werden, wenn Patienten zusätzlich zur Standardtherapie auch eine Hyperthermiebehandlung erhalten hatten.[2]

Einzelnachweise

  1. P. Wust u. a.: Magnetic nanoparticles for interstitial thermotherapy--feasibility, tolerance and achieved temperatures. In: Int J Hyperthermia 22/2006, S. 673–85. PMID 17390997
  2. Studie zur Hyperthermie bei Hochrisikosarkomen von 2007

Weblinks

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