Finanzwissenschaften

Finanzwissenschaften

Die Finanzwissenschaft ist neben der Wirtschaftstheorie und der Wirtschaftspolitik eine dritte klassische Disziplin innerhalb der Volkswirtschaftslehre und hat die wirtschaftlichen Aspekte der öffentlichen Haushalte zum Gegenstand. Im weiteren Sinne umfasst Finanzwissenschaft die ökonomische Analyse der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit. Dabei spielen kollektive Entscheidungen eine gewichtige Rolle.

Im engeren Sinne beleuchtet sie die Einnahmen- (z. B. Steuern, Abgaben) und Ausgabenseite (z. B. Subventionen, öffentliche Einrichtungen) eines Staates sowie das Verhältnis der verschiedenen staatlichen Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden) zueinander (Finanzausgleich). Sie bezeichnet also die Finanzwirtschaft der öffentlichen Hand und stützt sich auf die Daten der Kameralistik und der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

Die traditionelle Bezeichnung Finanzwissenschaft beschreibt den Untersuchungsgegenstand nur unzureichend. Neben den eigentlichen finanzwirtschaftlichen Fragestellungen (z. B. Optimale Ausgestaltung des Steuersystems) beschäftigt sich die moderne Finanzwissenschaft zusätzlich noch mit der Verwendung der realen Ressourcen einer Volkswirtschaft (Allokationsproblem), der Beeinflussung von Einkommen und Beschäftigung (Stabilisierungsproblem) und der Verteilung von Einkommen und Vermögen (Distributionsproblem). Außerdem werden institutionelle Rahmenbedingungen (z. B. Gebote, Verbote, gesetzliche Regelungen) in die ökonomische Analyse einbezogen. Die Frage, welche Handlungsalternativen der öffentlichen Hand aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive vorzuziehen sind, versucht die Wohlfahrtsökonomik zu bestimmen.

Weitere Bereiche, die in der Finanzwissenschaft behandelt werden, sind:

Die Finanzwissenschaft überlappt sich zu großen Teilen mit der Wirtschaftspolitik, auch wenn diese im Vergleich stärker theoriegeleitet ist . Diese Trennung ist eine deutsche Eigentümlichkeit und international wenig gebräuchlich.

Inhaltsverzeichnis

Bekannte Finanzwissenschaftler

Geschichte der Finanzwissenschaft

Im 16. Jahrhundert im Zeitalter des Kameralismus stand vor allem der fiskalische Zweck der Besteuerung im Vordergrund. Verteilungspolitische Ausrichtung erhielt die Finanzwissenschaft im 17. und 18. Jahrhundert im sogenannten Akzisestreit. Dieser wurde durch Johann Heinrich Gottlob von Justi geschlichtet: eine allgemeine Verbrauchssteuer belaste ärmere Bevölkerungsschichten stärker Angehörige höherer Einkommensklassen und sei daher abzulehnen.

Mit der Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Sozialismus im 19. Jahrhundert wurden wieder verteilungspolitische Aspekte in den Vordergrund: Adolph Wagner forderte, die Besteuerung auch in den Dienst sozialpolitischer Ziele zu stellen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die öffentlichen Haushalte einen Umfang angenommen, dass ihre Einflüsse auf die ökonomischen Aktivitäten nicht länger vernachlässigt werden konnten. Die Weltwirtschaftskrise 1929 und die von John Maynard Keynes aufgestellte These, dass eine einmal eingetretene Unterbeschäftigung nicht unbedingt wieder zu einer Vollbeschäftigung führe, gaben den Anstoß, ein kunjukturelles Ziel in die Finanzpolitik aufzunehmen.

Im Jahr 1970 wurde das Grundgesetz um Artikel 20a ergänzt, welcher den Umweltschutz als umweltpolitisches Ziel der Finanzwissenschaft verankert.[1]

Literatur

  • Norbert Andel: Finanzwissenschaft. C.H.B. Mohr, Tübingen, ISBN 3-16-344645-0
  • Charles B. Blankart: Öffentliche Finanzen in der Demokratie Vahlen Verlag, ISBN 978-3-8006-3490-3
  • Berthold U. Wigger: Grundzüge der Finanzwissenschaft. Springer Verlag, ISBN 3-540-00929-9
  • Horst Zimmermann, Klaus-Dirk Henke: Finanzwissenschaft. Verlag Vahlen, ISBN 3-8006-3256-X
  • Wiesner, Leibinger, Müller: Öffentliche Finanzwirtschaft. R.v. Decker, ISBN 978-3-7685-0555-0

Einzelnachweise

  1. Horst Zimmermann, Klaus-Dirk Henke: Finanzwissenschaft. Verlag Vahlen, ISBN 3-8006-2676-4

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