Al Sadr

Al Sadr

Muqtada as-Sadr, auch Muktada al-Sadr (arabischمقتدى الصدر‎, DMG Muqtadā aṣ-Ṣadr; * 12. August 1974 im Irak), ist ein radikaler irakischer Geistlicher und Schiiten-Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Schreibweise

Der arabische Name Muqtada as-Sadr / ‏مقتدى الصدر‎ wird auch Moqtada, Muktada oder (französisch) Mouktada geschrieben, as-Sadr meist al-Sadr oder al Sadr. In der aktuellen deutschsprachigen Berichterstattung wird sein Name meist mit Muktada al-Sadr wiedergegeben.

Leben

Muqtada ist der jüngste Sohn des 1999 ermordeten Ajatollah Muhammad Sadiq as-Sadr und Kopf der nicht-staatlichen schiitischen Mahdi-Armee, die im Juni 2003 formiert wurde. Die al-Mahdi-Armee ist der bewaffnete Arm der sogenannten Sadr-Front (auch: Sadr-Gruppe), al-Sadrs radikale Bewegung. Die Angaben über die Zahl der Mitglieder schwanken erheblich zwischen 1.500 („harter Kern“) und über 10.000, die New York Times bezifferte ihre Stärke Dezember 2006 gar auf 60.000 Mann. Viele Anhänger kann er unter den Jugendlichen aus den Slums von Basra und Bagdad rekrutieren, wo er auch sein Hauptquartier hat und auf das von seinem Vater geschaffene Netz der schiitischen Wohltätigkeitsorganisationen zurückgreifen kann.

Er gilt als Gegner jedweder Kooperation mit den USA solange diese Truppen im Irak stationiert hat und – anfangs auch – mit dem irakischen Regierungsrat. Dadurch bildet er einen Gegenpol zu Großajatollah Ali as-Sistani, der wichtigsten schiitischen religiösen Autorität im Irak.

2003

Auslandsbesuch

Im Frühjahr 2003 bereiste as-Sadr den Iran, wo ihn Ajatollah Seyyed Alī Chāmene'ī und Alī Akbar Hāschemī Rafsandschānī empfingen. Arabische Quellen berichteten, dass die iranische Führung auf as-Sadr als „neuen Hassan Nasrallah“ setze. Die Beziehungen verschlechterten sich später deutlich, als as-Sadr in einem Interview mit dem Fernsehkanal al-Dschazira den iranischen höchsten Geistlichen Ayatollah Ali Chamenei scharf kritisierte.[1]

„Sadr-City“

Bagdads nord-östlicher Distrikt, der insbesondere von Schiiten bewohnt wird, war während der Herrschaft Saddam Husseins „City of Revolution“ getauft worden, aber nach kurzer Zeit inoffiziell nur noch als „Saddam-City bekannt. Nach dem Fall des irakischen Diktators erlangte as-Sadr die Kontrolle über den Stadtteil, der kurze Zeit später in „Sadr City“ umbenannt wurde.[2]

Muqtada as-Sadr führte in Sadr City zunächst ein Regime mit strengen islamischen Regelungen, kontrolliert durch eine eigene Polizei und eigene Gerichte. Seine Anhänger sollen in der Folgezeit Alkohol verkaufende Getränkeläden, Videogeschäfte und Kinos angegriffen haben. Auch seien Frauen zum Tragen eines Schleiers gezwungen worden. Um jedoch die US-Amerikaner nicht zu provozieren, setzte sich bei As-Sadr schnell pragmatisches Denken durch. Daher distanzierten sich seine Sprecher schnell von religiöser Gewalt in Sadr-City.[3]

2004

Im April 2004 probte as-Sadr in Nadschaf mit seinen Anhängern den Aufstand, der im Juni desselben Jahres mit einem Kompromiss endete.[4] Bis zur Beilegung des Konflikts waren ab Mai US-Truppen mit der Bekämpfung beschäftigt.[5]

Am 4. April wurden in der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf 20 Anhänger as-Sadrs bei ausschreitenden Protesten durch eine spanische Brigade getötet. Der Protest richtete sich gegen die Verhaftung von Mustafa Yakubi, eines Vertrauten as-Sadrs. Yakubi stand in Zusammenhang mit der Ermordung des islamistischen Predigers al-Chu'i.[6]

Wenige Tage später begann as-Sadr mithilfe seiner Milizionäre schwere Unruhen im mittleren Irak auszulösen.

Am 7. April eroberte Muktada al-Sadrs Privatarmee die bisher von ukrainischen Soldaten bewachte Stadt Kut. US-Truppen konnten das Gebiet jedoch bereits am 9. April wieder sichern.[7]

Nachdem as-Sadr sich jetzt vor der amerikanischen Armee verstecken mußte, vermutete ihn der US-Kommandeur General Ricardo Sanchez in Nadschaf. Sanchez versuchte as-Sadr „zu fassen oder zu töten.“ Daher setzte die US-Armee die schiitischen Radikalen ab dem 13. April 2004 verstärkt unter Druck.[8] Die Kämpfe um Nadschaf nahmen in der Folge zu. Bei den bis dahin schwersten Kämpfen in der Nacht zum 27. April 2005 gelang es den Alliierten 64 Angehörige von al-Sadrs „Mahdi-Armee“ zu töten.

Am 5. Mai 2004 begann eine große amerikanische Offensive, die sunnitischen Widerstandsburgen auszuheben und den Widerstand zu brechen. Dabei wurde in der in Kufa gelegenen Sahla-Moschee, eine der heiligsten Stätten der irakischen Schiiten, ein Waffenlager der Aufständischen aufgefunden.[9]

Am 27. Mai konnte in Nadschaf und Kufa eine längere Waffenruhe erzielt werden, [10] die as-Sadr jedoch wieder aufkündigte. Ab Juni 2004 lieferte er sich in Kufa und im Raum Bakuba wieder Gefechte mit den US-Amerikanern[11] und irakischen Sicherheitskräften. Ab 5. August wurde auch in Nadschaf wieder gekämpft. Doch dort konnten die Kämpfe nach einem Schlichterwort von Großayatollah Ali al Sistani am 26. August 2004 wieder eingestellt werden. Insgesamt sind allein in diesem dreiwöchigen Gefecht um Nadschaf 570 Menschen getötet und fast 800 verletzt worden.[12]

2006

Anfang 2006 hatte sich die Situation etwas beruhigt. In der neuen irakischen Regierung sitzen drei Anhänger as-Sadrs, und auch in der Nationalversammlung sind einige seiner Anhänger vertreten, vor allem als Kandidaten der Vereinigten Irakischen Allianz, angeblich besteht auch die Partei National Independent Cadres and Elites, die bei der Wahl drei Sitze gewann, aus Anhängern as-Sadrs.

Im Oktober 2006 kam es abermals zu Unruhen, als US-Truppen Scheich Mazin al-Sa'idi verhafteten, einen Vertrauten Sadrs, den sie für die Leitung von Todesschwadronen der Mahdi-Miliz verantwortlich machen. Auf persönliche Intervention des schiitischen Premierministers Maliki wurde er wieder freigelassen; dieses Eingreifen soll bei den US-Amerikanern großen Unmut hervorgerufen haben.

2007

Als sich der Sturz von Saddam Hussein am 9. April 2007 zum vierten Mal jährte, rief as-Sadr zu Demonstrationen gegen die Präsenz ausländischer Truppen im Irak auf. Diesem Aufruf folgten vor allem in Kufa und Nadschaf, den heiligen Städten der Schiiten, mehrere hunderttausend Menschen. Sie schwenkten irakische Flaggen und riefen „Ja zum Irak“, „Tod den USA“ und „Besatzer sollen den Irak verlassen“. [13]

2008

Laut einem Bericht von Newsweek Anfang 2008 betrieb as-Sadr damals Studien, um in den Besitz des Titel eines Ajatollahs zu gelangen[14].

Im März 2008 kam es in Basra zu schweren Gefechten zwischen Anhängern as-Sadrs und der irakischen Armee[15].

As-Sadr rief 2008 zudem die Arabische Liga und die Organisation der Islamischen Konferenz auf, die radikalen Kräfte im Irak zu unterstützen.

Einzelnachweise

  1. Welche Verbindungen pflegt der irakische Milizenführer Muqtada as-Sadr zum Iran?, 23. Mai 2008
  2. Behnam Said: Muqtada as-Sadr – ausgewählte Beispiele seiner Ideologie im Jahr 2003, GRIN Verlag, München und Ravensburg 2008, ISBN 3-638-91858-0, S. 9
  3. Behnam Said: Muqtada as-Sadr – ausgewählte Beispiele seiner Ideologie im Jahr 2003, GRIN Verlag, München und Ravensburg 2008, ISBN 3-638-91858-0, S. 16
  4. Christian Kreß: Neorealistische Erklärung der Motive für die militärische Intervention der USA in den Irak 2003", GRIN Verlag, München und Ravensburg 2007, ISBN 3-638-66281-0, S. 12
  5. Guido Steinberg: Der nahe und der ferne Feind", C.H.Beck Verlag, München 2005, ISBN 3-406-53515-1, S. 204
  6. Ernst Christian Schütt: Chronik 2004", Wissen Media Verlag, 2005, ISBN 3-577-14104-2, S. 68
  7. Ernst Christian Schütt: Chronik 2004", Wissen Media Verlag, 2005, ISBN 3-577-14104-2, S. 64
  8. Ernst Christian Schütt: Chronik 2004", Wissen Media Verlag, 2005, ISBN 3-577-14104-2, S. 64
  9. Ernst Christian Schütt: Chronik 2004", Wissen Media Verlag, 2005, ISBN 3-577-14104-2, S. 68
  10. Ernst Christian Schütt: Chronik 2004", Wissen Media Verlag, 2005, ISBN 3-577-14104-2, S. 68
  11. Ernst Christian Schütt: Chronik 2004", Wissen Media Verlag, 2005, ISBN 3-577-14104-2, S. 106
  12. Ernst Christian Schütt: Chronik 2004", Wissen Media Verlag, 2005, ISBN 3-577-14104-2, S. 147
  13. Der Spiegel: Sadr stachelt Miliz auf, Hunderttausende folgen Protestaufruf; 9. April 2007
  14. Babak Dehghanpisheh: The Great Moqtada Makeover in Newsweek, 19. Januar 2008
  15. http://www.n-tv.de/939804.html?270320082250

Weblinks


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