Flann O'Brien

Flann O'Brien

Flann O’Brien (* 5. Oktober 1911 in Strabane, County Tyrone, Nordirland; † 1. April 1966 in Dublin; eigentlich englisch Brian O’Nolan oder irisch Brian Ó Nualláin) war ein irischer Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Flann O’Brien wurde als drittes von zwölf Kindern geboren. Von 1929 bis 1935 studierte er am University College Dublin Irisch, Englisch und Deutsch. Schon während des Studiums veröffentlichte er Artikel unter zahlreichen Pseudonymen und war Herausgeber der Zeitschrift Blather. Ab 1935 arbeitete er als Regierungsbeamter, lehrte zeitweilig am University College Dublin und schrieb für verschiedene Zeitungen. Um 1940 herum schrieb er drei seiner Romane, darunter Auf Schwimmen-zwei-Vögel und Der dritte Polizist. Ab 1940 veröffentlichte er in der Irish Times unter dem Pseudonym Myles na gCopaleen (Myles von den Pferdchen) die satirische Kolumne Cruiskeen Lawn (anglisierte Version von irisch Cruiscín Lán, „Voller Krug“; dt. Auswahl publiziert als Trost und Rat). Daneben schrieb er mehrere englischsprachige Romane und, ebenfalls als Myles na gCopaleen, einen irischsprachigen Roman.

Die Kolumne Cruiskeen Lawn ist ein Beispiel für den bilingualen Humor, den man bei O’Brien häufig findet. Üblicherweise war die Kolumne auf Englisch verfasst, manchmal aber auch auf Irisch oder Latein, und manchmal in einer von ihm selbst erfundenen englisch-irischen Mischform. Damit wollte O’Brien „linguistische Nationalisten“ und ihr Trugbild von irischer Unabhängigkeit lächerlich machen. Auch beschrieb er in der Kolumne ironisch zahlreiche geniale Erfindungen und Pläne zur Verbesserung der Lage der irischen Nation. In den frühen 1940er-Jahren kritisierte O'Brien die Politik der damaligen irischen Fianna-Fail-Regierung und trug so zur Meinungsbildung bei.

1953 musste Flann O’Brien den Öffentlichen Dienst verlassen, nachdem er in seiner Zeitungskolumne eine Satire über einen Minister verfasst hatte. Obwohl er fortan mehr Zeit zum Schreiben hatte, konnte O’Brien zunächst nicht an seine erfolgreiche Zeit als Schriftsteller anknüpfen.

Flann O’Brien ist als einzigartiger Schöpfer bizarrer Charaktere und als Meister des Wortspiels in die Literaturgeschichte eingegangen. Zentrale Themen seiner Werke sind: Irisches Leben, der Tod, „wissenschaftliche“ Theorien, Trunksucht und Fahrräder (und besonders zu erwähnen: die Schafe als Gegenstand molekularphysikalischer Gedankenexperimente als Teil O'Brien'scher Wissenschaftsparodie).

Flann O’Brien als Romanautor

Flann O’Briens Romane haben dank ihres bizarren Humors und ihrer kunstvollen, der Moderne zugehörigen Metafiktion eine große Leserschaft gefunden. Auf Schwimmen-zwei-Vögel, benannt nach der Furt Snámh-dá-éin, englisch: Swim-Two-Birds, am Shannon, basiert vollständig auf entliehenen (und gestohlenen) Charakteren aus anderen Romanen und Legenden. Flann O’Briens Begründung war, dass es schon zu viele fiktive Charaktere gebe. Der dritte Polizist hat hingegen eine vordergründige Handlung über die Höllenvision eines jungen, auf dem Lande lebenden Iren, dargestellt vor dem Hintergrund einer als akademische Debatte verkleideten Satire über einen exzentrischen Naturwissenschaftler und Philosophen namens de Selby. Im selben Werk fand O’Brien auch noch Raum, die Atomtheorie des Fahrrades einzuführen. Der Protagonist in Aus Dalkeys Archiven, ein weiterer junger Mann, begegnet einem bußfertigen, ältlichen James Joyce, der angeblich nie eines seiner Bücher schrieb und lediglich versucht, von den Jesuiten aufgenommen zu werden. Bis dies gelingt, arbeitet Joyce als Aushilfskellner in einem Ferienort. Wie in Der dritte Polizist taucht auch in diesem Buch der rätselhafte Wissenschaftler de Selby auf, der hier plant, die gesamte Luft aus der Welt zu saugen. Das Fahrradmotiv wird in Aus Dalkeys Archiven wiederum durch einen Polizisten eingeführt.

Andere Romane O’Briens sind Das harte Leben, eine fiktive Autobiografie, und Irisches Tagebuch bzw. Das Barmen, das O'Brien auf Irisch verfasste und selber ins Englische übersetzte. Auch hierbei handelt es sich um eine fiktive Autobiografie, die eine Parodie der Autobiografie von Tomás Ó Criomhthain namens An t-Oileánach ist.

Als Romanautor war O’Brien stark von James Joyce beeinflusst. Er hatte sich sogar bemüht, dasselbe College wie Joyce zu besuchen, und benutzte dazu ein gefälschtes Interview mit Joyces Vater. O’Brien blieb trotzdem skeptisch, was den Kult um Joyce anging: Ich erkläre vor Gott, dass ich Schaum vor dem Maul haben werde, wenn ich den Namen Joyce noch einmal höre!

Rezeption Flann O’Briens

Flann O’Brien wird als bedeutender irischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts angesehen. Der britische Schriftsteller Anthony Burgess sagte über ihn: Wenn wir das Werk von Flann O'Brien nicht wertschätzen, sind wir dumme Narren, die es nicht verdient haben, bedeutende Männer zu haben. Flann O'Brien ist ein sehr bedeutender Mann. Burgess nahm Auf Schwimmen-zwei-Vögel in seine Liste der 99 großartigen Romane auf.

Auf Schwimmen-zwei-Vögel wird heute als einer der wichtigsten Romane der Moderne vor 1945 anerkannt. Es kann sogar als Pionierroman der Postmoderne gesehen werden, obwohl der Akademiker Keith Hopper überzeugend argumentierte, dass Der dritte Polizist – oberflächlich weniger radikal – in Wirklichkeit ein sehr subversives und proto-postmodernes Buch ist. Auf Schwimmen-zwei-Vögel war eines der letzten Bücher, das Joyce las. Er lobte es O’Briens Freunden gegenüber. Dieses Lob wurde anschließend für viele Jahre auf den Buchdeckeln von O’Briens Büchern benutzt. Der Titel des während des Osteraufstands 1916 spielenden Romans At Swim, Two Boys von Jamie O’Neill (2001) ist ein Verweis auf Flann O’Brien.

Der Science-Fiction-Schriftsteller und Satiriker Robert Anton Wilson nahm den fiktiven, von O’Brien erfundenen Wissenschaftler de Selby in seine Illuminatus-Trilogie auf. Dies ist angemessen, da O’Brien selbst häufig Gebrauch von Charakteren machte, die andere Schriftsteller erfunden hatten.

Werke (Auswahl)

  • At Swim-Two-Birds, 1939 (dt. In/Auf Schwimmen-Zwei-Vögel bzw. (fehlerhaft) Zwei Vögel beim Schwimmen) ISBN 3453206622 oder ISBN 3036951040
  • An Béal Bocht/The Poor Mouth, 1941 (dt. Das Barmen bzw. Irischer Lebenslauf) ISBN 3518374869
  • The Hard Life, 1961 (dt. Das harte Leben)
  • The Dalkey Archive, 1964 (dt. Aus Dalkeys Archiven) ISBN 3036951156
  • The Third Policeman, 1940/1967 (dt. Der dritte Polizist) ISBN 3518383108

Viele der Werke Flann O’Briens wurden von Harry Rowohlt ins Deutsche übersetzt.

Literatur

  • Albrecht Behmel: Ist das Ihr Fahrrad, Mr. O'Brien? [1] Saarländischer Rundfunk 2003
  • Anne Clissman: Flann O'Brien; A critical introduction to his writings. Dublin 1975
  • Anthony Cronin: Flann O'Brien. Eine Biographie. FVA, Frankfurt 1991 (deutsche Ausgabe von No Laughing Matter: The Life and Times of Flann O’Brien, 1989)
  • Keith Hopper: Flann O'Brien: A Portrait of the Artist As a Young Post-Modernist. Cork 1995. ISBN 1859180426
  • Christian Schuldt: Selbstbeobachtung und die Evolution des Kunstsystems. Bielefeld 2005. ISBN 3899424026 (systemtheoretische Analyse von O'Briens metafiktionalen Romanen At Swim-Two-Birds & The Third Policeman)

Weblinks


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