Flateyarbok

Flateyarbok
Initiale „I“ aus der Flateyjarbók.

Die Flateyjarbók ist die umfangreichste Handschrift der isländischen Frühzeit. Sie besteht aus 225 Folioblättern. 25 Blätter davon wurden im 15. Jahrhundert eingefügt.[1] Sie enthält einige Gedichte und eine ganze Reihe unterschiedlicher Prosaliteratur.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Die Sammelhandschrift enthält folgende Sagas:

Die beiden Ólafs sagas enthalten eine ganze Reihe von weiteren Geschichten, die nur in dieser Handschrift enthalten sind.[2]

Wenn zumindest ein Teil der kürzeren Texte wahrscheinlich schon in einer Sammelhandschrift vorlagen, so können doch bis zu 44 verschiedene Handschriften verwendet worden sein.[3]

Geschichte

Beginn der „Ólafs saga hins helga“ mit der Darstellung seines Todes in Stiklestad.

Die Flateyjarbók wurde zwischen 1387 und 1390 für Jón Hákonarson, einen reichen Bauern, gefertigt. Es wird vermutet, dass sie ursprünglich als Geschenk für König Olaf Hákonarson bestimmt war. Danach sollten nur die beiden Ólafs sagas enthalten sein, aber ausführlicher als alle Vorlagen, indem aus allen Vorlagen Informationen zusammengestellt wurden. Außerdem soll die Eiríks saga viðförla übernommen worden sein.[4]

Verfasser

Geschrieben wurde sie möglicherweise im Reynistaðaklaustur in Skagafjörður oder in dessen Nähe oder in Víðitalstunga im Landkreis Vestur-Húnavatnssýsla, einem Bauernhof, den der Großbauer Jón Hákonarson (1390 – zwischen 1398 und 1416) 1385 erworben hatte. Auch das Kloster Þingeyrar wird als Quelle der Informationen genannt.[5] Jedenfalls muss sie in oder in unmittelbarer Nähe zu einem Kloster mit umfangreicher Bibliothek entstanden sein.

Ein Verfasservermerk auf der Rückseite des ersten Blattes weist Jón Þórðarson als ersten Verfasser aus. Er schrieb „fra Eiríki viðførla ok Ólafssögurnar báðar“. Jón wird in einem Brief von 1384, der in Víðitalstunga verfasst wurde, als Zeuge erwähnt. 1394 verzeichnen die Annalen der Flateyarbók eine Rückkehr Jóns von Norwegen nach sechsjährigem Aufenthalt dort, woraus zu entnehmen ist, dass er 1388 nach Norwegen gereist ist.

Als König Olaf 1388 gestorben war, wurde die Arbeit zunächst unterbrochen. Das übrige außer den 25 eingeschobenen Blättern schrieb 1389 auf Grund einer neuen Zielsetzung der Priester Magnús Þorhallsson.[4][6] Er malte auch alle Illustrationen und Initiale. Magnús schrieb auch das Vorwort und die ersten 10 Spalten auf den drei dem Text vorangesetzen Bögen.[1] Da in seinem Vorwort die Gefangennahme Albrechts III. von Mecklenburg erwähnt wird, kann er diese Bögen frühestens 1389 eingefügt haben.[5]

Spätere Ergänzung

Die im 15. Jahrhundert eingefügten Bögen enthalten die „Magnús saga hins goða“ (über Magnus den Guten) und „Harald harðráða“ sowie verschiedene Gedichte (Þættir). Sie müssen vor 1498 geschrieben sein, da ein Teil daraus in ein 1498 verfasstes anderes Werk übernommen worden ist. Die spätere Hinzufügung dieser Texte wird darauf zurückgeführt, dass sie der ursprüngliche Auftraggeber bereits in einer anderen Handschrift besaß, nicht aber der spätere Besitzer des 15. Jahrhunderts. Er wird mit dem Lehnsherr (Hirðstjóri) Þorleifur Björnsson (Amtszeit 1481–1484) identifiziert, der in Skarð á Skarðsströnd (Skarð am Skarðstrand im Landkreis Dalasýsla) lebte, aber 1480 nach dem Tod seiner Mutter Flatey erbte.[7] Sein Enkel Jón Björnsson, dem Flatey gehörte, schenkte es seinem Enkel Jón Finnson. An den eingeschobenen Blättern haben mehrere Schreiber gearbeitet mit unterschiedlicher Orthographie und Illumination.

Der Weg in die königliche Bibliothek Kopenhagen

Die Flateyjarbók war von Jón Finnsson an Bischof Brýnjólfur Sveinsson von Skálholt geschenkt worden und wurde 1656 von diesem dem dänischen König Friedrich III. geschenkt. In Kopenhagen wurde sie der königlichen Bibliothek „Det Kongelige Bibliotek“ übergeben. Dort hatte sie die Bezeichnung „Gl. kgl. sml. 1005 fol. I-II“. Im 18. Jahrhundert wurde sie in zwei große Bände gebunden. Sie wurde nur für wenige Jahre nach Norwegen an den Geschichtsschreiber Þormóður Torfason (1636–1719) ausgeliehen, der sie für seine 1711 erschienene Geschichte Norwegens benutzte. Er übersetzte die Flateyjarbók auf dänisch. Diese Übersetzung befindet sich noch in Kopenhagen.[8] Sie galt aber bald als größter Schatz der Bibliothek, so dass sie aus Sicherheitsgründen nicht an die Weltausstellung 1893 in Chicago ausgeliehen wurde, obgleich die USA für den Transport das sicherste Kriegsschiff anboten.[9]

Quellenwert

Die Flateyjarbók hatte nicht immer diese hohe Wertschätzung erfahren. Sie galt lange Zeit als unzuverlässige Quelle minderen Wertes. Als erster stellte der Handschriftensammler Árni Magnússon (1663–1730) eine Reihe historische Ungenauigkeiten fest. Er schrieb am 4. September 1690 an Þormóður, die Flateyarbók sei voller Quatsch, falschen Überlieferungen und Geschwätz.[10] Dieses Urteil einer damals anerkannten Autorität, die diese Auffassung auch in weiteren Briefen auch an seinen Amtskollegen Páll Vídalín (1667–1727) vertrat, minderte das Ansehen der Schrift erheblich.

Edition

Die Flateyjarbók wurde vielmals herausgegeben, und Finnur Jónsson (1858–1934) hat eine große Abhandlung über sie verfasst,[11] in der er den Inhalt besonders auf diejenigen Textstücke untersuchte, die anderweitig nicht überliefert waren. Aber keine der Ausgaben war im Hinblick auf die Textphilologie zufriedenstellend.

Die Rückkehr nach Island

Diese Handschrift wurde auf Grund des dänischen Gesetzes dansk lov nr. 194 vom 26. Mai 1965 § 2 und dem Vertrag zwischen Dänemark und Island vom 1. Juli 1965 am 21. Juli 1971 zusammen mit weiteren Manuskripten dem isländischen Staat zur Aufbewahrung in der Universität Reykjavík übergeben.[8]

Heutige Wertschätzung

Die Flateyjarbók wurde in der Blütezeit der isländischen Schreibkunst niedergeschrieben. Es wurde besonderer Wert auf die Ästhetik des Schriftbildes und der Anordnung des Textes auf dem jeweiligen Blatt gelegt.

Einzelnachweise

  1. a b Westergård-Nielsen S. 434.
  2. Simek/Pálsson S. 93.
  3. Würth S. 172.
  4. a b Würth S. 173.
  5. a b Würth S. 171.
  6. Magnús wird nur in einem Dokument 2. April 1397 über einen Landkauf in Snæfellsnes als Zeuge erwähnt. Sonst weiß man nichts von ihm.
  7. Westergård-Nielsen S. 435.
  8. a b Westergård-Nielsen S. 432.
  9. Westergård-Nielsen S. 433.
  10. „Flateyiarboc, sem full er med þvætting, traditiones falsas og mælge.“ Zitiert in Westergård-Nielsen S. 433.
  11. Finnur Jónsson: Aarbøger for nordisk Oldkyndighet og Historie. 1927 S. 139–190.

Literatur

  • Corpus Codicorum Islandicorum Medii Aevi I. Flateyjarbók (Codex Flateyensis) with Introduction by Finnur Jónsson. Kopenhagen 1930. Faksimile-Ausgabe.
  • Rudolf Simek / Hermann Pálsson: Lexikon der altnordischen Literatur. Kröner, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-520-49002-5. 
  • Chr. Westergård-Nielsen: Nogle bemærkninger til Flatøbogens historie. In: Nordiska Studier i Filologi och lingvistik. Festskrift tillägnad Gösta Holm på 60-årsdagen den 8 juli 1976.. Studentlitterarur AB, Lund 1976, S. 432-444. 
  • Stefanie Würth: Flateyjarbók. In: Heinrich Beck u.a. (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band. 9. De Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-014642-8, S. 171–174. 

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