Flick-Konzern

Flick-Konzern
Friedrich Flick als Angeklagter während der Nürnberger Prozesse (1947)

Friedrich Flick (* 10. Juli 1883 in Ernsdorf; † 20. Juli 1972 in Konstanz) war ein deutscher Unternehmer und verurteilter NS-Kriegsverbrecher. Nach beiden Weltkriegen wurde er zum reichsten Deutschen.

Seine Söhne waren Otto-Ernst Flick, Rudolf Flick und Friedrich Karl Flick. Der zweitgeborene Sohn Rudolf starb während des Zweiten Weltkrieges.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bis zum Ersten Weltkrieg

Die Charlottenhütte in Niederschelden heute

Friedrich Flick kam am 10. Juli 1883 als Sohn eines Landwirts und Grubenholzhändlers in Ernsdorf (heute Ortsteil von Kreuztal, Kreis Siegen-Wittgenstein) zur Welt. Flick besuchte das Realgymnasium (das heutige Gymnasium Am Löhrtor) in Siegen, absolvierte eine Lehre zum Kaufmann bei der Bremer Hütte im heutigen Siegener Stadtteil Weidenau, leistete seinen Wehrdienst ab und begann ein Studium an der Handelshochschule Köln. Seit seiner Jugend las Flick eifrig Unternehmensbilanzen. Flick war einer der ersten Studenten, die nicht nur ein Betriebswirtschaftsstudium, sondern auch ein Studium der Volkswirtschaft absolvierten. Einer seiner Lehrer war dort Eugen Schmalenbach, der „Entwickler“ der dynamischen Bilanztheorie. Seine erste Anstellung bekam er, nachdem er 1906 sein Diplom als Kaufmann erhalten hatte, wieder bei der Bremer Hütte. Zum 1. Juli 1913 wechselte er dann in den Vorstand der Eisenindustrie zu Menden und Schwerte in Schwerte/Ruhr, einem kombinierten Werk mit Stahlerzeugung und Weiterverarbeitung. Bereits zum 31. März 1915 verließ er das Unternehmen auf eigenen Wunsch.

Sein Aufstieg begann 1915 als Vorstandsmitglied bei der Charlottenhütte in Niederschelden, in die er sich mit der Zeit einkaufte. Dies finanzierte er durch Gewinne an Betrieben, die er überteuert als Vorstandsmitglied kaufte, nachdem er sich zuvor an ihnen beteiligt hatte, oder indem er privat Schrott aufkaufte und an seine eigene Firma weiterverkaufte. Im Ersten Weltkrieg mit seinem Rüstungsboom führte er den Betrieb zu großen wirtschaftlichen Erfolgen und wurde schließlich 1917 sein Generaldirektor.

Weimarer Republik

Der Versuch, sich einen Stand im Ruhrgebiet zu verschaffen, scheiterte zunächst an den dortigen Industriemagnaten. Allerdings konnte er verhindern, dass sich diese ihrerseits im Siegerland etablierten. Über geschickte Betriebsaufkäufe in Oberschlesien und Mitteldeutschland, die er dank der hohen Inflation durch günstige Kredite finanzierte, baute er sein Unternehmen aus.

Als im September 1923 Friedrich Flick den Firmensitz nach Berlin verlegte, wurden in der Zeit der Inflation von Flick nicht wahllos Unternehmen aufgekauft, sondern zielstrebig das Kerngeschäft im Eisen- und Stahlgewerbe sowie in der Kohlebranche ausgebaut.[1] Die Bismarckhütte, die Kattowitzer AG für Bergbau und der Eisenhüttenbetrieb, der wichtigste Kohleförderer der Region in Oberschlesien, und die Oberschlesische Eisenindustrie AG waren weitere Meilensteine auf dem Weg zu einem der größten Stahlkonzerne Deutschlands.[2] Dieses Engement in Oberschlesien erwies sich als Fehlentscheidung und Schulden häuften sich auf. In der Folge gerieten weitere Werke Flicks in erhebliche finanzielle Schieflagen.

1926 wurden die verschuldeten mitteldeutschen und oberschlesischen Werke abgegeben und im Ausgleich eine Mehrheitsbeteiligung in der neuen Vereinigte Stahlwerke AG erworben. Die Charlottenhütte blieb als Holding in Flicks persönlichen Besitz und 1929 übernahm die Charlottenhütte die Aktienmehrheit der Maxhütte. 1931 erfolgte der Konzernaufbau der Unternehmen Maxhütte und Mitteldeutsche Stahlwerke in der Holdinggesellschaft Charlottenhütte AG, die sich in Flicks persönlichen Besitz befand und er trennte sich von den Vereinigten Stahlwerken. In Folge dieser Maßnahmen, der Weltwirtschaftskrise und der hohen Verschuldung von Flick drohte die Zahlungsunfähigkeit.

Es gelang Flick der Reichsregierung im Juli 1932 die Aktienmehrheit der Gelsenkirchener Bergwerks-AG, die die Mehrheit an den Vereinigten Stahlwerke hielt, zu einem dreifach überhöhten Verkehrswert an den Staat zu verkaufen.[3] Damit war Flick saniert. Dieses Geschäft, die Gelsenberg-Affäre, kam in der Presse nicht nur wegen des Börsenskandals, sondern auch wegen der Wahlkampfspenden an Parteien im Vorfeld dieser Entscheidung im Spektrum von SPD bis NSDAP in der Presse hoch, wobei die bürgerlichen Parteien bevorzugt wurden. Sechsstellige Wahlkampfspenden erhielten: Kurt von Schleicher (Reichskanzler), Alfred Hugenberg (Medienunternehmer; DNVP) und Heinrich Brüning (Zentrumspartei)[4] 1932 wurde sein Privatsekretär Otto Steinbrinck Mitglied im Keppler-Kreis.[5]

Nationalsozialismus

Friedrich Flick mit Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Maxhütte (1937). Obere Reihe von links: Hans Krugmann ,Karl Raabe, Hermann Terberger; untere Reihe von links: Konsul Heinrich von Stein, Eugen Böhringer, Friedrich Flick, Carl Schneider (abgeschnitten); sitzend: Robert Röchling.

Der Erwerb der Essener Steinkohlenwerke bot nicht nur die Ausgangsbasis für den Einstieg in die Herstellung von synthetischen Benzin,[6] sondern war für die Verhüttung von Erzen als Selbstversorgung der eigenen Stahl- und Eisenwerke vor strategischer Bedeutung. 1933 kaufte Mittelstahl die Allgemeine Transportgesellschaft AG, die aus der Deutschen Flugzeugwerke AG nach dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen war und damit war der Flick für das aufkommende Rüstungsgeschäft mit den Nationalsozialisten positioniert.

Flick war Mitglied des konservativen Deutschen Herrenklubs. 1934 wurden die Mitteldeutschen Stahlwerke Pflichtmitglied in der „Pflichtgemeinschaft in der Braunkohlenwirtschaft“ und damit Gründungsunternehmen der BRABAG.

Nach 1933 konzentrierte er die Spenden, rund 100.000 Reichsmark im Jahr, auf die NSDAP. Nach Ablauf der vierjährigen Eintrittssperre trat er 1937 der NSDAP bei. 1934 oder 1935 wurde er Mitglied des etwa 40 Personen umfassenden Freundeskreises Reichsführer SS. Am 20. Februar 1933 wurde er zusammen mit Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Georg von Schnitzler, Fritz Springorum, Ernst Tengelmann, Albert Vögler und anderen Vertretern der deutschen Wirtschaft zum neuen Reichskanzler Adolf Hitler eingeladen. (Geheimtreffen vom 20. Februar 1933) Dieser wollte den Anwesenden seine Wirtschaftspolitik erläutern und gleichzeitig Bedenken gegen ihn aus dem Weg räumen. So war er sehr darum bemüht, das Image des Bierzelt-Agitators abzulegen und versicherte den Wirtschaftsvertretern, entgegen nur propagandistisch gemeinten Enteignungsankündigungen würden die Eigentumsverhältnisse in der Wirtschaft bei einer Machtübernahme unangetastet bleiben. Zudem sicherte er zu, den Einfluss der Arbeiterbewegung zu beseitigen und umfangreiche Rüstungsmaßnahmen einzuleiten.

Nachdem den Nationalsozialisten und ihren Verbündeten die Macht übertragen worden war („Kabinett Hitler“ aus NSDAP, DNVP und Stahlhelm), schickte Flick im April des Jahres 1933 den Aufsichtsratsvorsitzenden der Mitteldeutschen Stahlwerke, Heinrich Koppenberg, in das Reichsluftfahrtministerium. Dort wurden ihm größere Aufträge in Aussicht gestellt. Im Dezember war der Aufbau der Luftwaffe beschlossene Sache, und die dem Konzern gehörende Allgemeine Transportanlagen Gesellschaft erhielt die ersten Aufträge für den Bau von Flugzeugen. Es folgte im März 1934 ein Auftrag für die Herstellung von Bomben, Granaten und Munition. Am 15. März desselben Jahres besuchte Friedrich Flick den Stabschef des Heereswaffenamtes, Georg Thomas.

Im Januar 1934 erhielt Friedrich Flick den Aufsichtratsposten der Harpener Bergbau AG. Nach Erwerb dieser AG war der Konzern in der Lage Werke mit ausreichend eigener Kohle zu versorgen. 1934 wurde die Siegener Eisenindustrie AG, in die Firmen Mittelstahl, Maxhütte und Harpener Bergbau AG überführt.[7] 1937 wandelte er die Harpener AG in die Friedrich Flick KG um. Dies bedeutete, dass an der Spitze kein Vorstand einer AG, sondern eine Personengesellschaft stand, die sich zu 95 Prozent im Eigentum der Familie Flick befand.

Arisierung

Bereits 1934 verfolgten das Preußische Innenministerium, Wilhelm Keppler und Heinrich Himmler das Waffenwerk Simson zu arisieren und Otto Steinbrick war als Verhandlungsführer von Flick zu dieser Zeit nur an einer juristisch einwandfreien Überführung ins Eigentum Flicks interessiert, denn es gab damals keine gesetzliche Grundlage für Enteignungen. Die Enteignung vollzog der Staat nach dem politischen Druck auf den jüdischen Eigentümer Simson, den die Thüringer Gauleitung unter Federführung von Gauleiter Fritz Sauckel erzeugte, bis dieser einem Verkauf zustimmte. Flick erreichte auf diesem Weg, dass er nicht als Käufer von Simson auftrat bzw. diesen zum Verkauf genötigt hatte, sondern einen Kaufvertrag mit dem Staat als Eigentümer abschloss. Ein weiteres Beispiel für Arisierungen in diesem Stil, den Flick prägte, erfolgte 1938 im Falle des Essener Bankhauses Hirschfeld, wobei die Essener Gauleitung den Verkaufdruck ausübte und die Essener Steinkohlenwerke Aktienanteile übernahm und Flick seinerseits dem Steinkohlenwerk den erforderlichen Kredit zum Kaufsabschluss gewährte.[8]

Aufgrund dieser Erfahrungen mit Arisierungen zunächst in kleineren Maßstab durch den Flick-Konzerns arbeitete 1938 der Jurist des Flick-Konzerns Hugo Dietrich die Verordnung über das jüdische Vermögen vom 3. Dezember 1938 für die Nationalsozialisten aus[9], die die Enteignung im großen Stil und auf gesetzlicher Grundlage ermöglichte. Der Flickkonzern forcierte anschließend die Enteignung des Hochofenwerks Lübeck und der Werke der Petschek-Gruppe skrupellos, um seine Interessen im Stahl- und Braunkohlesektor zu erweitern.

Die guten Kontakte zu Hermann Göring trugen dazu bei, dass Flick stärker als mancher seiner Konkurrenten von der Enteignung der jüdischen Minderheit profitierte. Als einziger deutscher Industrieller unterstützte er die Pläne zum Aufbau der Reichswerke Hermann Göring. Er lieferte im Gegensatz zu den Unternehmen von Rhein und Ruhr Steinkohle an die Konkurrenz aus Salzgitter. Dafür erhielt er die schriftliche Zusage, dass er bei der „Arisierung“ begünstigt werde. Flick war besonders an der Hochofenwerke Lübeck AG der jüdischen Familie Hahn und an der damit verbundenen Erzimportfirma Rawack & Grünfeld AG der jüdischen Familie Eisner interessiert. Beide Familien hielten 80 Prozent der Aktienanteile der Hochofenwerke Lübeck, die hochwertige Roheisen herstellte. Bereits 1927 versuchte Flick vergeblich eine Übernahme durch zweifelhafte Aktiengeschäfte. 1937 erwirkte er zusammen mit dem Heereswaffenamt, dass die Firma für den Preis von 3,4 Millionen Reichsmark von ihm übernommen werden konnte. Drei Jahre zuvor hatte der Aktienwert noch 14,3 Millionen betragen. Weitere Beispiele umfangreicher Teilhabe an Großarisierungen sind die Übernahme des Julius-Petschek-Konzerns (1938) und des Ignaz-Petschek-Konzerns (1939) mit u. a. einem Drittel der mitteleuropäischen Braunkohlefelder.

Besetzte Gebiete

  • Im besetzten Polen wollte Flick die Bismarckhütte in Kattowitz, die sich früher in seinem Besitz befand, nach der Besetzung Polens als Treuhänder übernehmen. Dieses Werk schlug die Reichsregierung allerdings dem Krupp-Konzern zu.[10]
  • Nach langen Verhandlungen mit der Reichsregierung über die Aufteilung der Stahlunternehmen in der besetzten Ukraine, in denen vor allem die Hermann-Göring-Werke berücksichtigt wurde, konnte im Januar 1943 die Dnjepr-Stahl GmbH neu gegründet werden, wobei die Flick KG und die Reichswerke-Hermann-Göring je zur Hälfte am Kapital beteiligt waren. Das Werk musste aufgrund der Kriegslage nach kurzer Zeit nach Oderberg in Oberschlesien verlagert werden.
  • Ebenso wenig erfolgreich war die beabsichtigte Expansion im Baltikum in der Firma Vairog, die Eisenbahnwaggons und Lafetten produzieren sollte.[11]
  • Im besetzten Westen war der Flick-Konzern betriebswirtschaftlich erfolgreicher. Nach der Besetzung Frankreichs im Juni 1940 konzentrierte sich Flick auf die Rombacher Hütte, die Karl Raabe aufgrund eines früheren Aufenthalts in Frankreich kannte und er wurde am 1. März 1941 als Treuhänder eingesetzt. Rombach brachte Flick einen bedeutenden Kapazitätszuwachs. Das Werk wurde am 31. August 1944 vor den Alliierten geräumt.[12]

Insgesamt konnte Flick seinen Firmenanteil nicht wesentlich in den eroberten Gebieten, bis auf Lothringen, mit Erfolg erweitern. Dennoch boten die Firmen in den besetzten Gebieten für Flick eine Basis für seine in Deutschland erweiterte Kapazitätsausweitung durch die erfolgten Firmenkäufe und -erweiterungen. Erstmals zog die Flick KG in der Stahlproduktion im Jahre 1941 mit seinem Konkurrenten Krupp gleich, dies war vor allem durch das Produktionsvolumen im Rombacher Hüttenwerk möglich geworden.

Zwangsarbeit

Im Verlauf des Krieges stieg der Anteil der Zwangsarbeiter stetig an. Innerhalb des Flick-Konzerns waren im Kriegsjahr etwa 1944 insgesamt zirka 130.000 Arbeitnehmer und davon waren etwa die Hälfte als Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge beschäftigt und wurden ausgebeutet. Nach Einbezug der Fluktuation unter den Zwangsarbeitern dürften 80.000 - 100.000 beschäftigt gewesen sein.[13]

Anfänglich bestand, wie bei anderen Unternehmungen, aus verschiedenen Gründen weniger Interesse an der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer. Dies änderte sich im Verlauf Krieges durch den entstehenden Arbeitskräftemangel ab Ende 1939/40. Der Anteil ausländischer Arbeiter stieg laufend an. Besonders in den Unternehmungen die Rüstungsgüter herstellten oder im Kohleabbau tätig waren, war der Anteil der Zwangsarbeiter ab 1942 besonders hoch und bereits im November 1943 erreichte die Maxhütte der Flick KG einen Anteil von 44 Prozent.[14] Während des Zweiten Weltkriegs wurden in den zahlreichen Betrieben Flicks zehntausende Zwangsarbeiter vor allem aus Osteuropa und Sklavenarbeiter aus Konzentrationslagern eingesetzt (darunter Ignatz Bubis). Schätzungen gehen von über 10.000 Opfern aus, die in diesen Jahren mit Unterernährung und brutaler Behandlung zu Tode geschunden wurden. Die Bedingungen hier waren äußerst schlecht und die Behandlungen sehr brutal. Selbst die Behörden wiesen auf diese besonders unmenschlichen Bedingungen hin. So schrieb eine staatliche Untersuchungskommission im Dezember 1942 nach einer Besichtigung der Essener Steinkohle AG: "Die Ostarbeiter sind gegenwärtig in Baracken für Kriegsgefangene mit schwerstem Stacheldraht und vergitterten Fenster untergebracht. Entwesung mangelhaft. Viel Ungeziefer. Strohmatratzen mussten entfernt werden, daher Schlafen nur auf Drahtmatratzen. Zuweilen Prügel. Lohnfrage ungeklärt. Essen nicht besonders."

Seit 1938 war Flick Wehrwirtschaftsführer. Zudem gelangte er in einigen Großbetrieben der Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie in die Aufsichtsräte und Verwaltungsvorstände. Er war Mitglied im vierköpfigen Verwaltungsrat der Berg- und Hüttenwerke Ost (BHO), einer staatlich-privaten Monopolgesellschaft, die in den besetzten Gebieten der Sowjetunion die systematische Ausschlachtung der Rohstoffvorkommen und die Aufnahme einer gewaltigen Kriegsproduktion mit erbeuteten Produktionsmitteln zu organisieren hatte. Friedrich Flick war einer der größten Profiteure des von den Nationalsozialisten eingeleiteten Rüstungsbooms und der anschließenden Kriegskonjunktur. Das Konzernvermögen erhöhte sich im Zeitraum von 1933 bis 1943 um das Vierfache von 225 Millionen auf 953 Millionen Reichsmark.[15] Die Flick KG wuchs im Laufe des Zweiten Weltkriegs auf 132 Gesellschaften mit einem Jahresumsatz von 550 Millionen Reichsmark an. Sein privates Vermögen wurde auf rund zwei bis drei Milliarden Reichsmark geschätzt.

Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus

Entnazifizierung und Dekartellisierung

Als sich das Ende des Krieges abzeichnete, versuchte Flick, der die Nr. 3 auf der Liste des Kilgore Committee der 42 an den NS-Verbrechen am meisten schuldigen Industriellen war, sich auf die Folgen vorzubereiten. Seinen Söhne Otto-Ernst und Friedrich Karl, die bereits 1941 die Mehrheit des Flick-Konzern hielten, stockte Flick den Anteil bis auf 90 Prozent auf.[16] Noch in den letzten Kriegstagen verlegte er die Konzernzentrale von Berlin in den von den Westalliierten kontrollierten Teil Deutschlands nach Düsseldorf, verlagerte die Zentralakten in den Westen und ließ belastende Akten in großen Mengen vernichten. Um darüber hinwegzutäuschen, wie tief er in den Nationalsozialismus involviert war, ließ er bereits ab 1944 die Spendenquittungen für die demokratischen Weimarer Parteien sammeln. Am 8. Mai 1945 verschwand er auf seinen Landsitz in Oberbayern. Dort wurde er am 13. Juni 1945 verhaftet.

Nach dem Sieg der Alliierten verlor der Flick-Konzern etwa 75 Prozent seines industriellen Eigentums, das er in der Zeit des Nationalsozialismus besaß. Im Nürnberger Fall V, dem nach ihm benannten „Flick-Prozess“, wurde er am 22. Dezember 1947 wegen Sklavenarbeit, Verschleppung zur Sklavenarbeit, Ausplünderung der besetzten Gebiete und Teilnahme an Verbrechen der SS zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Im Flick-Prozess stellte sich Flick mit seinen fünf angeklagten Führungsleuten (Otto Steinbrinck, Bernhard Weiß, Konrad Kaletsch, Hermann Terberger und Odilo Burkart) mithilfe Ihrer Rechtsanwälte als Leidtragender des NS-Systems dar und nach Verurteilung und Haft als Opfer. Da Flick und sein Führungspersonal am 22. Dezember 1947 relativ glimpfliche Urteile erhielten und es im Rahmen der allgemeinen Begnadigungswelle unter dem amerikanischen Hochkommissar John J. McCloy vorzeitige Entlassungen gab, hatten die Verurteilten Zeit, nach der Haft die Neuordnung des früheren Flick-Besitzes vorzunehmen.

Die Alliierten hatten in der letzten Kriegskonferenz in Potsdam im August 1945 beschlossen eine Entnazifizierung und Dekartellierung vorzunehmen, die sich vor allem gegen die Montanunternehmen richtete, um die Rüstungsindustrie zu zerschlagen. Dies sahen die Zonengesetze der Briten und Angloamerikaner in der Präambel 75 und die Nachfolgeregelung Nr. 27 des Gesetzes zur Umgestaltung des Deutschen Kohlenbergbaus und der deutschen Stahl- und Eisenindustrie vor. Die Konzernführung argumentierte, dass der Flick-Konzern keine mächtige Wirtschaftsmacht war, keine Gefahr für Frieden und für Marktfreiheit darstelle und Flick und der Führungsstab hätten die Nationalsozialisten in keiner Weise unterstützt. [17] Dabei wies die Führungsriege auf das milde Urteil von Friedrich Flick hin und da Flick inhaftiert war, führte Konrad Kaletsch ab 1948 die Verhandlungen mit den Alliierten. Als den amerikanischen Behörden die Liquidierungsplanung der Friedrich Flick KG fertiggestellt hatten, intervenierte Kaletsch bei der Bundesregierung erfolgreich. 1952 wurde eine Einigung erzielt, die lediglich den Verkauf der Steinkohlegesellschaften vorsah und dies innerhalb von 5 Jahren zu üblichen Marktpreisen. Die Eisen- und Stahlwerke blieben voll in der Verfügungsgewalt der Flick KG und die Entflechtungsmaßnahmen erbrachten liquide Geldmittel in Höhe von insgesamt einer Viertelmilliarde DM.[18] Nach der Entflechtung hatte der Flick-Konzern nahezu alle Verfügungsrechte seines westdeutschen Besitzes gewahrt und der Aufstieg zu einem der größten Nachkriegskonzerne war vorgezeichnet.

Enteignung und Rückforderungsansprüche

Nachdem die Entflechtung im Sinne des Konzerns geregelt war, mussten die Rückerstattungsansprüche der enteigneten jüdischen Unternehmer befriedigt werden.

  • Die Familie Hahn und Eisner, die früheren Besitzer der Hochofenwerke Lübeck, wurden nach einer Restitutionsforderung von Aktien im Wert von etwa 1,6 Millionen DM in Form von Aktien befriedigt, was hinsichtlich ihres früheren Einflusses eine unbedeutende Minderheitsbeteiligung war.[19]
  • Nach langen rechtlichen Auseinandersetzungen über eine Dauer von 10 Jahren einigte man sich auf die Rückgabe der Aktien der Anhaltinischen Kohlewerke und der Salzdetfurth AG an die Erben von Julius Petschek. Die Kohlewerke lagen damals in der DDR und damit waren diese Aktien nicht valutierbar. Der nominale Wert der Salzdetfurther Aktien betrug 2,5 Millionen DM.[20]
  • Beim Eigentum von Ignaz Petschek kam es im Jahre 1957 zu einem Ausgleich zwischen drei Parteien, wobei der Flick-Konzern den Reichswerken Aktien in Höhe von 47,5 Millionen DM und die Hälfte des Stammkapitals der Anhaltinischen Kohlewerke abgab, wovon die Petscheks 60 Prozent erhielten. Im Gegenzug erhielt der Flick-Konzern die Zeche Victoria-Lünen, die er für 45,5 Millionen DM an die Harpener Bergwerke AG verkaufte. Damit hatte der Konzern auch hier die Abgabe der an sich wertlosen Kohlewerke-Aktien durch den Liquidationszufluss mehr als kompensiert.[21]

Im Ergebnis dieser Verhandlungen waren die früheren jüdischen Besitzer großer und bedeutsamer Konzerne der Vorkriegszeit in ihrem Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen, im Vergleich zu früher, bedeutungslos geworden und der Flick-Konzern hatte mit diesen Vergleichslösungen kein Schuldgeständnis seiner Verflechtung mit dem NS-Regime und Erpressung der ehemaligen Besitzer gegeben. Im Gegenteil: Der Konzern konnte mit dem Überschuss an Barmitteln aus dem Ignaz-Petschik-Vergleich seine Zukunft zu Beginn der 1960er Jahre weiter wirtschaftlich gestalten.

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt dieser erzielten Vergleichsregelungen im Sinne von Flick war, dass die Entschädigung der jüdischen Zwangsarbeiter durch den Flick-Konzern mit dem Hinweis auf die erfolgten Vergleiche stets mit dem Argument zurückgewiesen wurde, dass keinerlei Schuldeingeständnis vorliege.

Aufstieg

Friedrich Flick war in den 1950er Jahren wieder einer der reichsten Männer Westdeutschlands geworden. Er wurde bald zum größten Aktionär bei Daimler-Benz und hatte Beteiligungen bei der Feldmühle, Dynamit Nobel, Buderus und Krauss-Maffei. 1955 besaß er wieder 100 Firmen mit einem Umsatz von rund 8 Milliarden DM. Sein persönliches Vermögen war wieder auf 88 Millionen DM angewachsen. Bis Ende der 1960er Jahre wurde Flick unumstritten der reichste Mann Deutschlands. Zu Beginn der 60er Jahre bestimmte er seinen jüngsten Sohn Friedrich Karl zu seinem Nachfolger. Der älteste Sohn Otto Ernst klagte erfolglos dagegen und schied schließlich 1966 aus der Unternehmensführung aus. In diesem Jahr verstarb auch seine Frau Marie.

1963 wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen.

Als im Jahre 1981 der Flick-Konzern eine Steuerermäßigung in Höhe von knapp 1 Milliarde DM beim Bundeswirtschaftsministerium beantragte und diese eine Genehmigung erteilten, fanden Steuerfahnder heraus, dass der Flick-Konzern an Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien Zahlungen geleistet hatte. Es kam zur sogenannten Flick-Affäre und in einem Prozess wegen Bestechlichkeit vor dem Landgericht Bonn wurden Hans Friderichs, Otto Graf Lambsdorff (beide Wirtschaftsminister der FDP) zu Geldstrafen und Eberhard von Brauchitsch zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden.

Aufsehen erregte in den 1980er Jahren ein Artikel des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, der von Kreuztal als der gekauften Stadt sprach. In seiner Heimatstadt Kreuztal war er zu Lebzeiten zum Ehrenbürger ernannt worden. Zudem war bis 2008 das dortige städtische Gymnasium nach ihm benannt („Friedrich-Flick-Gymnasium“), welches er mit 3 Millionen DM über eine Stiftung teilweise finanzierte. Nachdem im April 2008 ehemalige Schüler eine Initiative gegründet hatten, um eine Debatte über den Namen der Schule anzustoßen[22], wurde das Gymnasium am 6. November 2008 durch Ratsbeschluss in „Städtisches Gymnasium Kreuztal“ umbenannt.[23] In Rosenberg ist das dortige Stadion des ehemaligen Landesligavereins TuS Rosenberg, das Dr.-Friedrich-Flick-Stadion, und ein Flick-Park nach ihm benannt.

Als er am 20. Juli 1972 in Konstanz starb, hinterließ er seinem Sohn und seinem Enkel Friedrich Christian Flick einen Konzern mit 330 Unternehmen, rund 300.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von circa 18 Milliarden DM. Flick wurde in seiner Geburtsstadt Kreuztal beerdigt. Dort steht auch noch sein Geburtshaus, das nach dem Tod von Friedrich Karl Flick von seinen Erben am 4. April 2007 an die Kreuztaler Stiftung Diakoniestation verkauft wurde.

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Ramge: Die Flicks. Eine deutsche Familiengeschichte um Geld, Macht und Politik. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-593-37404-8.
  • Günter Ogger: Friedrich Flick der Grosse. 3. Auflage, Scherz Verlag, Bern-München-Wien 1971.
  • Manfred Ohlsen: Milliarden für den Geier oder der Fall des Friedrich Flick. 3., erweiterte Auflage, Verlag der Nation, Berlin 1985.
  • Kim Christian Priemel: Flick - Eine Konzerngeschichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. Wallenstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 3-8353-0219-1.
  • Johannes Bähr, Axel Drecoll, Bernhard Gotto, Kim Christian Priemel, Harald Wixforth: Der Flick-Konzern im Dritten Reich. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008. ISBN 978-3-486-58683-1.

Einzelnachweise

  1. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 10 f.
  2. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 13 f.
  3. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 47.
  4. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 52.
  5. Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler Verlag, Berlin 1985, S. 299 f.
  6. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 75.
  7. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 82.
  8. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 302 ff.
  9. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 730.
  10. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 466.
  11. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, 430 ff.
  12. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 463 f.
  13. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 511 und 531.
  14. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 524.
  15. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 740.
  16. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 90.
  17. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 663.
  18. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 677.
  19. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich S. 684.
  20. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 692.
  21. Bähr: Der Flick-Konzern im Dritten Reich, S. 711.
  22. flick-ist-kein-vorbild.de – Homepage der Initiative zur Umbenennung des Friedrich-Flick-Gymnasiums
  23. Flick-Gymnasium ist Vergangenheit in Westfälische Rundschau vom 07. November 2008

Weblinks


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