Flynn-Effekt

Flynn-Effekt

Der Flynn-Effekt bezeichnet die Tatsache, dass bis in die 1990er Jahre die Ergebnisse von IQ-Tests in Industrieländern im Mittel immer höhere Werte erbrachten, die gemessene Intelligenz also offenbar zunahm. Dieser Trend wurde erstmals 1984 vom neuseeländischen Politologen James R. Flynn für die Vereinigten Staaten beschrieben und 1994 von Charles Murray und Richard Herrnstein Flynn-Effekt genannt.[1]

Flynn (1987) zeigte anhand von Testergebnissen aus 14 Industrienationen, dass die Zunahmen der IQ-Werte zwischen 5 und 25 Punkten pro Generation betrugen.[2] In weiteren Studien fand Flynn, dass der Zuwachs der Testergebnisse über Zeit vor allem bei nonverbalen, kulturell reduzierten Tests auftrat. Flynn zog den Schluss, dass die Intelligenz im engen IQ-Sinn in den ersten drei Vierteln des 20. Jahrhunderts zugenommen habe, äußerte sich aber skeptisch bezüglich einer Zunahme der Intelligenz im weiteren Sinn (er glaubte nicht, dass die Menschen deutlich intelligenter waren als ihre Vorfahren).[1]

Der Flynn-Effekt wird großteils auf die Verbesserung der Umweltbedingungen zurückgeführt z. B. Bildung, Ernährung, Gesundheitsversorgung und Massenmedien. (siehe auch: Euthenics).[3][4][5][6] Mingroni (2004, 2007) macht hingegen genetische Faktoren verantwortlich. So sei ein Heterosiseffekt aufgrund einer im Zuge von Urbanisierung und erhöhter Mobilität erfolgten Durchmischung ehemals separierter Subpopulationen wahrscheinlich.[7][8][9] Einen wissenschaftlichen Konsens über die Ursachen des Flynn-Effekts gibt es nicht.

Inhaltsverzeichnis

Ende des Flynn-Effekts?

Sundet und Kollegen (2004) studierten die Testergebnisse von zwischen Mitte der 1950er Jahre und 2002 getesteten norwegischen Wehrdienstpflichtigen. Während bis Anfang der 1970er Jahre starke Zuwächse verzeichnet wurden, wurden die Zuwächse danach kleiner, bis sie Mitte der 1990er Jahre verschwanden. Die durchschnittlichen Zuwächse wurden hauptsächlich durch eine Abnahme niedriger Testergebnisse verursacht. Die Autoren schließen, dass der Flynn-Effekt in Norwegen ein Ende erreicht haben könnte.[10] Laut Sundet und Kollegen (2008) ist dieses Ende des Flynn-Effekts in Norwegen nicht leicht zu erklären, möglich sei aber, dass ein höherer Anteil von Einwanderern (die in den Niederlanden durchschnittliche schlechtere Ergebnisse erzielen) unter den Wehrdienstpflichtigen verantwortlich sei.[3]

Teasdale und Owen (2005) zeigten anhand von Testergebnissen von 500.000 jungen dänischen Männern zwischen 1959 und 2004, dass der IQ Ende der 1990er Jahre einen Höchstand erreichte, von dem er seitdem wieder auf das Niveau vor 1991 zurückgefallen ist. Eine mögliche Erklärung für die sinkenden IQ-Werte in Dänemark ist laut Teasdale und Owen ein Rückgang des Anteils der 16- bis 18-Jährigen in weiterführenden Schulen. Da aus Korrelation keine Kausalität abgeleitet werden könne, seien jedoch auch andere Erklärungen möglich.[4] Ein weiterer Faktor könne Immigration sein. So zeigen niederländische Daten, dass Kinder von Immigranten schlechter bei Intelligenztests abschneiden als ethnisch niederländische Kinder.[11]

Neben diesen Ergebnissen aus Norwegen und Dänemark stellten auch Studien aus Australien (2005) und dem Vereinigten Königreich (2007) eine Stagnation bzw. einen Rückgang des gemessenen IQs fest. Lynn und Harvey zufolge würden dieser Entwicklung auch andere Industriestaaten folgen, sobald umweltbedingte Verbesserungen nicht mehr die dysgenischen Effekte aufgrund der negativen Korrelation zwischen Intelligenz und Fruchtbarkeit kompensieren können.[12]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Earl Hunt: Human Intelligence. Cambridge University Press, 2010. ISBN 0521707811. S. 265
  2. Flynn, J. R. (1987). Massive IQ gains in 14 nations: What IQ tests really measure. Psychological Bulletin 101 (2), 171-191.
  3. a b Jon Martin Sundet, Ingrid Borren, Kristian Tambs: The Flynn effect is partly caused by changing fertility patterns. Intelligence 36 (2008) 183–191.
  4. a b Teasdale, T. W., & Owen, D. R. (2005): A long-term rise and recent decline in intelligence test performance: The Flynn Effect in reverse. Personality and Individual Differences, 39, 837-843
  5. Flynn, J. R. (1984). The mean IQ of Americans: Massive gains 1932 to 1978. Psychological Bulletin
  6. Flynn, J. R. (1987). Massive IQ gains in 14 nations: What IQ tests really measure. Psychological Bulletin
  7. Michael A. Mingroni (2004): The secular rise in IQ: Giving heterosis a closer look. Intelligence 32 (1) S. 65-83.
  8. Michael A. Mingroni (2007): Resolving the IQ Paradox: Heterosis as a Cause of the Flynn Effect and Other Trends. Psychological Review 114 (3), S. 806–829.
  9. Amelang, M. et al.: Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, Stuttgart: Kohlhammer, 2006, S. 199
  10. Sundet, J. M., Barlaug, D. G., & Torjussen, T. M. (2004): The end of the Flynn effect? A study of secular trends in mean intelligence test scores of Norwegian conscripts during half a century. Intelligence, 32, 349-362
  11. Thomas W. Teasdale & David R. Owen. Secular declines in cognitive test scores: A reversal of the Flynn Effect. Intelligence 36 (2008) 121–126.
  12. Richard Lynn, John Harvey: The decline of the world's IQ. Intelligence 36 (2008) 112–120

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