Fortsetzungsfestellungsklage

Fortsetzungsfestellungsklage

Als Fortsetzungsfeststellungsklage, in der rechtswissenschaftlichen Literatur häufig mit FFK abgekürzt, bezeichnet man im öffentlichen Recht eine Klage vor dem Verwaltungsgericht, dem Finanzgericht oder Sozialgericht, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts begehrt wird.

Der Begriff beruht darauf, dass gegen Verwaltungsakte grundsätzlich eine Anfechtungsklage zu erheben ist. Erledigt sich der Verwaltungsakt (oder ist er bereits von Anfang an erledigt), ist die Anfechtungsklage jedoch unzulässig. In diesem Fall müsste die Klage abgewiesen werden, wenn § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht die Möglichkeit vorsähe, dass die Rechtswidrigkeit dennoch festgestellt werden kann. Der ursprüngliche Prozess wird also als Feststellungsklage fortgesetzt – zumindest, wenn eine Anfechtungsklage bereits erhoben war.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in § 113 Abs. 1 Satz 4, in der Finanzgerichtsordnung in §100 Abs.1 Satz 4 und im Sozialgerichtsgesetz (SGG) in § 131 Abs. 1 Satz 3 geregelt. In allen drei Prozessordnungen wird jedoch nur, wie die systematische Stellung der Vorschriften erhellt, der Fall der Erledigung nach Klageerhebung behandelt. Weil das Gesetz nach (noch) herrschender Meinung eine Klage bei vorprozessualer Erledigung eines Verwaltungsaktes nicht vorsieht, wird die Fortsetzungsfeststellungsklage bei einer Erledigung vor Klageerhebung analog angewendet. Aus der Rechtsweggarantie in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ergebe sich, dass Rechtsschutz gegen alle belastenden Akte staatlicher Gewalt gewährleistet sein müsse.

Die im vordringen befindliche Gegenauffassung verneint hier jedoch eine planwidrige Regelungslücke, welche Voraussetzung für die Analogie ist. Vielmehr sei die Feststellungsklage nach § 43 VwGO einschlägig. Diese Meinung kann sich auf ein obiter dictum eines Senats des Bundesverwaltungsgerichts stützen (BVerwGE 109, 203).

Nach allgemeiner Ansicht ist die Änderung des Klagebegehrens einer erledigten Anfechtungsklage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts jedenfalls dann wegen bestehenden Rechtsschutzinteresses zulässig, wenn von dieser Feststellung eine präjudizierende Wirkung für einen nachfolgend tatsächlich angestrebten Amtshaftungprozess ausgeht.

Im Polizeirecht ist die Fortsetzungsfeststellungsklage sehr häufig, da sich Maßnahmen der Polizei (die oft auch Verwaltungsakte darstellen) mit ihrem Vollzug typischerweise erledigen; wer z. B. nach einem Platzverweis den jeweiligen Ort verlassen hat, ist durch den Verweis später nicht mehr betroffen.

Rechtsnatur

Umstritten ist die Rechtsnatur der Fortsetzungsfeststellungsklage. Sie kann als Anfechtungsklage, als Feststellungsklage oder als Klage eigener Art (lat. sui generis) gesehen werden.

Sachurteilsvoraussetzungen

Bisher gingen Rechtsprechung und Lehre wohl überwiegend davon aus, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage der Anfechtungsklage jedenfalls sehr nahe steht und daher die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der Anfechtungsklage zu beachten sind.

Eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ist jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Ein solches Interesse erkennt die Rechtsprechung in folgenden Fällen an:

  • Wiederholungsgefahr: Die Behörde lässt erkennen, dass sie einen gleichartigen Verwaltungsakt wieder erlassen wird, wenn sie dies für notwendig erachtet. Entscheidend ist, dass dieser Verwaltungsakt wieder gegenüber dem Kläger ergehen würde. Nicht ausreichend ist der drohende Erlass eines gleichartigen Verwaltungsakts gegenüber Dritten.
  • Präjudizinteresse: Die Klage ist zulässig, wenn sie der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses dient. Dies wird jedoch nur dann anerkannt, wenn sich das Gericht bereits mit der Sache befasst hat; nicht erforderlich ist nach ganz h.M., dass bereits verwertbare Prozessergebnisse vorliegen. Das präjudizielle Interesse betrifft damit nur die Fälle der Erledigung nach Klageerhebung.
  • Rehabilitationsinteresse: Der Verwaltungsakt oder dessen Vollziehung haben eine besonders diskriminierende Wirkung. Dies kann nur der Fall sein, wenn Dritte davon Kenntnis erlangt haben.
  • Tiefgreifender Grundrechtseingriff: Bei besonders belastenden Maßnahmen wird angenommen, dass auch bei Nichtvorliegen der übrigen Fallgruppen eine gerichtliche Überprüfung staatlicher Akte möglich sein muss, z.B. bei einer Auflösung einer Versammlung oder der Durchsuchung einer Wohnung.

Analoge Anwendung/Tendenzen in der Rechtsprechung des BVerwG

Die Fortsetzungsfeststellungsklage regelt nach dem Gesetzeswortlaut lediglich den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat. Dem Bürger soll dann noch zumindest der Weg der Feststellung der Rechtswidrigkeit offen bleiben, wenn gegen die Maßnahme selbst nichts mehr unternommen werden kann, weil sie bereits durchgeführt wurde.

Man wendet diese Klageart aber auch für Fälle analog an, in denen noch gar keine Anfechtungsklage erhoben war. Der Grund liegt darin, dass bei manchen Maßnahmen eine Klage gar nicht möglich ist (etwa wenn die Polizei eine sofortige Maßnahme vornimmt). Dem Bürger sollte aber trotzdem der Weg vor die Gerichte ermöglicht werden und nicht nur deshalb verschlossen sein, weil hierfür nicht genügend Zeit für eine Klageerhebung zwischen Bekanntgabe und Erledigung der Maßnahme war. Im Weiteren ist die Fortsetzungsfeststellungsklage auch für Verpflichtungssituationen analog angewandt worden (sog. doppelte Analogie). Wenn also der Bürger die Behörde zum Handeln verpflichten wollte, dies aber nicht mehr möglich war, weil die Handlung nicht mehr vorgenommen werden kann (Beispiel: Sondernutzungserlaubnis für Straßen im Rahmen einer bestimmten Veranstaltung, die zwischenzeitlich bereits stattgefunden hat), sollte er ebenfalls die Möglichkeit haben, feststellen zu lassen, dass die Erlaubnis hätte erteilt werden müssen.

In der neueren Rechtsprechung zeichnet sich jedoch die Tendenz ab, diese analogen Anwendungsgebiete der Fortsetzungsfeststellungsklage zukünftig als gewöhnliche Feststellungsklage nach § 43 VwGO zu behandeln sind (siehe BVerwG NVwZ 2000, 63). Entscheidend gegen eine solche Feststellungsklage spricht aber, dass sie zu Systemwidersprüchen im verwaltungsprozessualen Klagesystem führen würde; danach würde dem letztlich zufälligen Zeitpunkt der Erledigung eines Verwaltungsaktes entscheidende Bedeutung für die Abwicklung des Rechtsschutzes kommen (Kopp/Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung Rnd. 99 zu § 113, 14. Auflage). Die Klagebefugnis bei der Fortsetzungsfeststellungklage erfordert z.B. die unmittelbare Betroffenheit der Rechtstellung des Adressaten eines Verwaltungsaktes, während es für Zulässigkeit einer Feststellungsklage gem. § 43 VwGO die mittelbare Relevanz eines Rechtsverhältnisses ausreicht (Koppp/Schenke ebd.; §§ 113 Abs. 1 Satz 4, 42 Abs. 2, 43 Abs. 1 VwGO).Ein Senat des Bundesverwaltungsgerichts deutete an, dass es angesichts der marginalen Unterschiede in den Voraussetzungen und Möglichkeiten der beiden Klagearten nicht erforderlich sei, eine andere Klageart entsprechend anzuwenden. Dies wäre auch überzeugend: Es kann in all diesen (oben erläuterten) Fällen auf die ja bereits gesetzlich geregelte Feststellungsklage nach § 43 VwGO zurückgegriffen werden. Einer Auffüllung einer Gesetzeslücke durch analoge Anwendung der Fortsetzungsfeststellungsklage bedarf es daher gar nicht. Gegner dieser Ansicht verweisen jedoch gerade auf die bestehenden Unterschiede beider Klagearten und begründen damit die Erforderlichkeit einer analogen Anwendung.

Für den Kläger wird es aber zunächst nicht komplizierter: Auch das BVerwG erkennt an, dass sich die analoge Anwendung der Fortsetzungsfestellungsklage soweit etabliert hat, dass es sinnvoll ist, auch diese Klageart als zulässig und statthaft zu behandeln. Es bietet sich angesichts dieser Lage also auch weiterhin an, im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage vorzugehen.

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