Albert Friedlander

Albert Friedlander

Albert Hoschander Friedlander (* 10. Mai 1927 in Berlin; † 7. Juli 2004 in London) war ein Rabbiner und Gelehrter.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Friedlander wurde als Sohn des Textilkaufmanns Alex Friedlander (gest. 1955) und der Sali Friedlander (gest. 1965) in Berlin geboren, wo er die ersten zwölf Kindheitsjahre verbrachte. 1933 erfuhren er und seine Geschwister erste Anfeindungen in der Schule und entgingen mehrfach nur knapp schlimmeren Verfolgungen. Die Reichspogromnacht brachte die Eltern endgültig zur Einsicht, die Emigration der Familie zu forcieren. Diese gelang dann auch Anfang 1939 zunächst nach Kuba und schließlich in die USA. In Vicksburg, Mississippi schloß Albert Friedlander seine Schulausbildung ab. Dank der guten intellektuellen und sportlichen Leistungen bekam Albert ein Stipendium für ein Studium in Religionswissenschaft, Geschichtswissenschaft und Jüdische Studien, das er an der University of Chicago begann, nebenher arbeitete er in allerlei Nebenjobs.

Sein Studium als Rabbiner schloß Albert H. Friedlander 1952 am Hebrew Union College in Cincinnati ab, wurde danach zunächst Rabbiner in Fort Smith in Arkansas, und dann in Wilkes Barre in Pennsylvania, wo es eine Synagoge aufzubauen galt. Später wechselte er auf die Stellen des Studentenrabbiners an der Columbia University sowie als Rabbiner in East Hampton, N.Y., um so seine Dissertation Leo Baeck: Teacher of Theresienstadt ausarbeiten zu können, mit der er 1956 den PhD erwarb. 1961 heiratete er Evelyn Philipp, sie haben drei Kinder. 1966 nahm Albert H. Friedlander den Ruf als liberaler Rabbiner in London an, wo er zunächst in der Wembley Gemeinde und seit 1971 in der Westminster Synagoge tätig war. Von 1975 bis 1995 war er Vizepräsident der World Union for Progressive Judaism.

Wirken

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Albert H. Friedlander lassen sich in drei Schwerpunkte gliedern: Ohne Zweifel ist er der bedeutendste Interpret und auch Nachfolger von Leo Baeck, der großen Leitfigur des liberalen Judentums in Deutschland. Leo Baeck hat das Leid der deutschen Juden bis in die schwerste Zeit der Verfolgung hinein mitgetragen: er überlebte im KZ-Theresienstadt. Trotz dieser Leidenszeit gehörte Leo Baeck nach dem Krieg zu den ersten, die den christlich-jüdischen Dialog in Deutschland wiedereröffneten. Albert H. Friedlander hat mit seinem Buch Leo Baeck: Teacher of Theresienstadt und mit der Leo-Baeck-Werkausgabe in sechs Bänden Leben und Werk dieses bedeutenden deutsch-jüdischen Denkers bleibend erschlossen. Ein zweites Thema kreist um die geschichtliche und religionsphilosophische Aufarbeitung der Shoah. Hier sind vor allem die Bücher Out of the Whirlwind: The Literature of the Holocaust (1968, 1996), Das Ende der Nacht: Jüdische und christliche Denker nach der Shoah (1995) und zusammen mit Elie Wiesel The Six Days of Destruction (1988) zu nennen. Albert H. Friedlander geht es dabei um die gedankliche Besinnung und Bewältigung der Erfahrung unserer jüngsten Geschichte, damit eine Shoah in Europa nicht mehr möglich wird. Hieran knüpfen drittens Friedlanders Bemühungen um den christlich-jüdischen Dialog an. Seit 1979 ist er als jüdischer Dialogpartner auf allen Kirchentagen in Deutschland, aber auch im Dialog mit der Anglikanischen Kirche in England aktiv. Hierzu gehören vor allem die Bücher Ein Streifen Gold (1989; engl. 1991) sowie Riders Toward the Dawn: from Pessimism to Tempered Optimism (1993).

Für sein Engagement auf dem Gebiet des christlich-jüdischen Dialogs erhielt er sowohl vom Bundespräsidenten das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen als auch von der Queen den Orden Officer of the Royal Order of the British Empire (OBE).

Lehrtätigkeit

Rabbiner Friedlander wirkte seit 1967 am Leo-Baeck-College in London und war seit 1982 Leiter (principal) dieses bedeutendsten Lehrinstituts des progressiven Judentums in Europa. Er lehrte als Gastprofessor in Atlanta, Berlin, Wuppertal, Basel und Potsdam, zweimal war er Martin-Buber-Gastprofessor an der Universität in Frankfurt am Main. 1999 wurde er auf die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur der Universität Kassel berufen. Im Jahre 1997 war er Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin.

Ehrungen

1977 erhielt er die Ehrendokterwürde des Hebrew Union College in Cincinnati, Ohio. 1993 wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz verliehen[1] und 2001 wurde er als Officer des Order of the British Empire (OBE) geehrt.

Schriften

  • Early Reform Judaism in Germany: An Introduction, two parts, 1954-55
  • Reform Judaism in America: The Pittsburgh Platform, 1958
  • Leo Baeck: Teacher of Theresienstadt (1968), 1991, ISBN 0879513934
  • Leo Baeck. Leben und Lehre (1973), 1990, ISBN 3-459-01855-0.
  • Das Schweigen der Christen und die Menschlichkeit. Gottesgläubige Existenz nach Auschwitz, 1980
  • Versöhnung mit der Geschichte, gem. mit Friedrich-Wilhelm Marquardt, 1985
  • The Six Days of Destruction, gem. mit Elie Wiesel, 1988
  • Ein Streifen Gold – Auf Wegen zur Versöhnung, 1989
  • A Thread of Gold: Journeys towards Reconciliation, 1990
  • Die sechs Tage der Schöpfung und der Zerstörung. Ein Hoffnungsbuch, 1992, ISBN 3-451-22596-4
  • Riders Towards The Dawn, 1993.
  • Von der Sintflut ins Paradies, gem. mit Walter Homolka, 1993
  • The Gate to Perfection, with Walter Homolka, 1994, ISBN 3-534-80147-4
  • Das Ende der Nacht: Jüdische und Christliche Denker nach dem Holocaust, 1995
  • From Darkness towards the Light: The Human Predicament. The Annual Sacks Lecture, 1999
  • Autobiographische Gedanken. In: Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Hrsg.): Auseinandersetzungen mit dem zerstörten jüdischen Erbe. Franz-Rosenzweig-Gastvorlesungen (1999–2005). Kassel 2004, ISBN 3-89958-044-3
  • Albert H. Friedlander, Bertold Klappert, Werner Licharz (Hrsg.): Leo Baeck Werke. Gütersloher Verlagshaus.
    • Band 1: Das Wesen des Judentums. 1998, ISBN 3-579-02334-9.
    • Band 2: Dieses Volk. 1996, ISBN 3-579-02335-7.
    • Band 3: Wege im Judentum. 1997, ISBN 3-579-02336-5.
    • Band 4: Aus drei Jahrtausenden. Das Evangelium als Urkunde der jüdischen Glaubensgeschichte. 2000, ISBN 3-579-02337-3.
    • Band 5: Schriften aus der Nachkriegszeit. 2002, ISBN 3-579-02338-1.
    • Band 6: Briefe, Reden, Aufsätze. 2003, ISBN 3-476-01833-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Autorendatenbank des Gütersloher Verlagshauses

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Albert Friedlander — Albert Hoschander Friedlander (10 May 1927 8 July 2004) was a Rabbi and teacher.Friedlander, born on 10 May 1927 in Berlin was the son of a textile broker, Alex Friedlander (d. 1956) and Sali Friedlander (d. 1965). In 1961, he married Evelyn… …   Wikipedia

  • Albert Friedländer — (1888 in Berlin, Germany – 1966 in Zürich, Switzerland) was a German bank director, later French and Swiss author. Albert Friedländer owned the then prestigious private bank Bankhaus Friedländer Berlin . He also served as chairman of the Berlin… …   Wikipedia

  • Albert H. Friedlander — Albert Hoschander Friedlander (* 10. Mai 1927 in Berlin; † 7. Juli 2004 in London) war ein Rabbiner und Gelehrter. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wirken 3 Lehrtätigkeit …   Deutsch Wikipedia

  • Friedländer — (or Friedlander) is a surname and may refer to:Places* a citizen of Friedland in Ostpreußen , modern Pravdinsk, Russia. * a citizen of one of the German towns or villages called Friedland. Friedländer * Albert Friedländer, German bank director,… …   Wikipedia

  • Friedlander — ist der Familienname folgender Personen: Albert H. Friedlander (1927 2004), Rabbiner und Gelehrter Erik Friedlander (* 1960), US amerikanischer Cellist, Komponist und Bandleader des Free und Creative Jazz Henry Friedlander (* 1930),… …   Deutsch Wikipedia

  • Albert van Ouwater — (c. 1410/1415–1475) was one of the earliest artists of Early Netherlandish painting working in the Northern Netherlands, as opposed to Flanders in the South of the region. He was probably born in Oudewater, and is mentioned by Karel van Mander… …   Wikipedia

  • Albert Widmann — Born June 8, 1912(1912 06 08) Stuttgart, German Empire Died December 24, 1986(1986 12 24) (aged 74) Stuttgart, West Germany …   Wikipedia

  • Albert S. D’Agostino — (* 27. Dezember 1892 in New York; † 14. März 1970 in Los Angeles, Kalifornien) war ein US amerikanischer Szenenbildner beim Film. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Filmografie (Auswahl) …   Deutsch Wikipedia

  • Albert Rum — Albert Franz Rum (* 8. Juni 1890 in Berlin; † 1970) war ein deutscher SS Unterscharführer und an der „Aktion T4“ sowie der „Aktion Reinhardt“ im Vernichtungslager Treblinka beteiligt. Rum wurde für seine im Vernichtungslager Treblinka begangenen… …   Deutsch Wikipedia

  • Albert van Ouwater — La resurrección de Lázaro. Albert van Ouwater fue uno de los primeros artistas de la pintura holandesa que trabajó en el norte del país. Probablemente nació en Oudewater en torno a 1410 1415 y murió en 1475. Contenido …   Wikipedia Español

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”