Franziskaner-Observanten

Franziskaner-Observanten

Die Franziskaner OFM, lat. ordo fratrum minorum, dt.: Orden der Minderen Brüder, sind ein franziskanischer Reformorden. Sie bilden heute - neben den Kapuzinern (OFMCap) und den Minoriten (OFMConv) - einen der drei Zweige des ersten Ordens des Hl. Franziskus.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die heutigen Franziskaner gingen aus der Observanzbewegung innerhalb des Franziskanerordens hervor, deren erste Gruppen etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Italien entstanden, bald aber auch in Spanien und Frankreich auftauchten. Kennzeichnend für diese Bewegung, die zu dieser Zeit auch in anderen Orden auftrat, war die Rückkehr zu einer strengeren Beachtung (lat. Observanz) der ursprünglichen Ordensregel. Dazu gehörten eine strenge Befolgung des Armutsideals und eine Abwendung von den Städten und die Niederlassung in Einsiedeleien. Sie nahmen auch die ursprüngliche franziskanische Wanderpredigt wieder auf, in der sie die sozialen Missstände der damaligen Zeit anprangerten. Diese Gruppen, zu denen im 15. Jahrhundert z.B. Bernhardin von Siena, Johannes von Capestrano, Albert von Sarteano und Jakobus von der Mark gehörten, erhielten regen Zulauf und wurden, auch bedingt durch die Schwächung des ursprünglichen Stammordens, der sog. Konventualen, durch verschiedene äußere Einflüsse (Hundertjähriger Krieg, die Pest in den Städten, das Abendländische Schisma), schnell zu einer Mehrheit im Orden.

Ihr religiöser Eifer, die strenge Beachtung des Armutsideals und ihr Eintreten für die Belange der ärmeren Schichten brachte den Observanten bald die Anerkennung der kirchlichen und weltlichen Fürsten und der Bevölkerung ein. Im Jahre 1415 erhielten die französischen Observanten die Erlaubnis, einen eigenen commissarius zu wählen, der zwar dem Generalminister der Franziskaner unterstellt blieb, faktisch aber ein eigener Oberer war. Auch in anderen Ländern erhielten sie eigene Rechte. Diese Selbständigkeit, die eine Gefährdung der Einheit des Ordens darstellte, führte in der Folge zu Rivalitäten und Streitigkeiten innerhalb der verschiedenen Gruppen im Gesamtorden. Zwar wurden immer wieder Einigungs- und Reformversuche unternommen, die jedoch nicht zum Erfolg führten, so dass eine Trennung unausweichlich war.

Diese Trennung wurde am 19. Mai 1517 durch Papst Leo X. mit der Bulle Ite et vos in vineam meam (dt. Geht auch ihr in meinen Weinberg, Matth. 20,4) vollzogen und bestätigt. Mit dieser Bulle wurde der Franziskanerorden in zwei selbständige Zweige geteilt: die Konventualen (Minoriten) und die Observanten (Franziskaner).

Unterschiedliche Auffassungen über die Anwendung der Regel und die Verwirklichung der Armut und die verschiedenen äußeren Umstände in den einzelnen Staaten (z. B. die Reformation) führten in den folgenden Jahrzehnten zur weiteren Aufteilung der Observanten (aber auch der Konventualen) in verschiedene Gruppierungen. In Spanien kam es 1566/67 sogar zur Wiedervereinigung einer Gruppe reformierter Konventualen mit den Observanten.

Durch die schon im 15. Jahrhundert vollzogene Einteilung des Franziskanerordens in eine cismontane (Italien, Österreich, Ungarn und Polen) und eine ultramontane Familie (Spanien, Frankreich, Deutschland und Amerika), blieben weitere Reformimpulse auf die jeweiligen Familien und die Landesgrenzen beschränkt.

In Spanien entstanden aus einer Eremitenbewegung in den Jahren nach der Spaltung ein reformierter Zweig, die Franziskaner-Barfüßer (Discalceaten), die von Petrus von Alcántara gegründet wurden und sich bald zu einem selbständigen Orden entwickelten. In den übrigen ultramontanen Ländern entstand gegen Ende des 16. Jahrhunderts ein weiterer Reformzweig, der sich Rekollekten (Zurückgezogene) nannte (zu diesem Zweig gehörten auch die meisten deutschen Franziskaner). Auch in Italien entwickelten sich Reformzweige der Observanten, deren wichtigster die Kapuziner (seit 1619 selbständig) waren, die als dritter Zweig des ersten Ordens bis heute existieren. Die anderen, kleineren Gruppen vereinigten sich später zum eigenen Zweig der Reformaten, die sich gleich ihren spanischen Brüdern die Selbständigkeit erkämpften, aber zur cismontanen Familie gehörten. Am Ende dieser Entwicklung standen also vier selbständige Gruppen, die sich aus dem Zweig der Franziskaner-Observanten entwickelt haben: die Observanten selbst, die Discalceaten, die Reformaten und die Rekollekten.

In den folgenden Jahrhunderten teilten die Franziskaner-Observanten-Familien das Schicksal aller franziskanischen Männerorden. Sie beteiligten sich an der Mission, mussten durch die Französische Revolution und die folgende Säkularisation erhebliche Einschränkungen hinnehmen und profitierten von der Aufbruchsphase in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, blieben aber die ganze Zeit über geteilt. Erst im Jahre 1897 wurden die auf vatikanischen Druck neu entstandenen Unions-Konstitutionen durch das Generalkapitel approbiert und Papst Leo XIII. konnte am 4. Oktober 1897 die vier Familien mit der Unionsbulle Felicitate quadam zum neuen „Orden der Minderen Brüder“, Franziskaner OFM, vereinen. Am folgenden Tag trat die gesamte Ordensleitung mit ihrem Generalminister Aloysius Canali da Parma zurück. Der erste Generalminister des vereinten Ordens wurde der deutsche Franziskaner Aloysius Lauer, der auch schon in der Kommission zur Ausarbeitung der neuen, gemeinsamen Generalkonstitution den Vorsitz geführt hatte.

Franziskanerprovinzen im deutschsprachigen Raum

Heute hat der Orden in Deutschland vier Provinzen, in Österreich und in der Schweiz je eine.

Deutschland

  • die Bayerische Franziskanerprovinz vom hl. Antonius von Padua (Bavaria) mit dem Provinzialat in München, etwa 120 Brüder
  • die Kölnische Provinz von den hl. drei Königen (Colonia) mit dem Provinzialat in Düsseldorf, etwa 80 Brüder
  • die Sächsische Franziskanerprovinz vom Heiligen Kreuz (Saxonia) mit dem Provinzialat in Hannover, einem Teil der Provinzverwaltung in Werl und dem gemeinsamen Noviziat aller vier Provinzen in Wiedenbrück, ca. 200 Brüder
  • die Thüringische Provinz von der hl. Elisabeth von Thüringen (Thuringia) mit dem Provinzialat in Fulda, ca. 130 Brüder

Am 1. Juli 2010 sollen sich die vier Provinzen zur Deutschen Franziskanerprovinz von der Heiligen Elisabeth mit Sitz in München (St. Anna-Kloster) vereinigen. Schon heute kooperieren die vier deutschen Provinzen sehr eng miteinander: So werden z.B. die Ausbildungsstufen (Postulat, Noviziat, Juniorat) gemeinsam organisiert. Der Kooperationsrat der deutschen Franziskaner und zahlreiche Kommissionen bereiten die Vereinigung vor.

Außerdem gibt es in Deutschland Niederlassungen polnischer (Kloster Marienweiher, Bensheim), kroatischer und brasilianischer (Kloster Mörmter, Kloster Bardel) Franziskanerprovinzen in Deutschland.

Österreich und Südtirol

Die südtiroler und österreichische Provinz vom hl. Leopold (Austria) mit Provinzialat in Salzburg, etwa 140 Brüder in 27 Klöstern

Im Oktober 2007 wurden die Tiroler Franziskanerprovinz vom Seligen Engelbert Kolland mit Provinzialat in Innsbruck und die Wiener Franziskanerprovinz zum hl. Bernardin von Siena mit Provinzialat in Wien vereint.[1]

Schweiz

Franziskanerprovinz mit dem Provinzialat in Näfels

Generalminister der Franziskaner

siehe auch Liste franziskanischer Generalminister

Weblinks


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