Frauenhaus

Frauenhaus

Unter Frauenhäusern versteht man heutzutage in westlichen Industrieländern Einrichtungen, die Frauen und ihren Kindern im Falle von häuslicher Gewalt Hilfe, Beratung und vorübergehend eine geschützte Unterkunft anbieten.[1]

Inhaltsverzeichnis

Arbeitsansatz

Aus Sicherheitsgründen werden die Adressen der Gebäude nicht in öffentlichen Verzeichnissen publiziert. Männern wird normalerweise grundsätzlich der Zutritt verweigert. Die Beratung erfolgt durch die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser sowie durch mit den Frauenhäusern kooperierende Psychologinnen, Rechtsanwältinnen und Sozialarbeiterinnen. In der Regel werden Frauenhäuser von Verbänden und Vereinen geführt. In der Trägerschaft wird generell zwischen autonomen und nichtautonomen Frauenhausträgern unterschieden.[2] Die Autonomie bezieht sich jedoch nicht auf die Finanzierung: Frauenhäuser werden durch öffentliche Zuwendungen finanziell unterstützt oder auch vollständig getragen. Der Aufenthalt ist je nach Bundesland für die betroffenen Frauen, Mädchen und Jungen kostenfrei oder wird nach den Leistungen entsprechend dem Sozialgesetzbuch abgerechnet.

Geschichte der Frauenhäuser

Schutzräume für Frauen sind keine Erfindung der Moderne. In vergangenen Jahrhunderten wurde diese Aufgabe beispielsweise in Europa von Klöstern wahrgenommen. Ein Beispiel für den außereuropäischen Raum sind die 'Fluchttempel' in Japan, die geflohenen Frauen Schutz vor häuslicher Gewalt boten.[3]. Das erste Frauenhaus modernen Zuschnitts wurde 1964 von einer Ortsgruppe der Anonymen Alkoholiker in Kalifornien gegründet, um den Familienangehörigen von Alkoholikern eine Zuflucht zu bieten. [4] Das erste Frauenhaus in Westeuropa entstand 1971 im britischen Chiswick. Die Gründerin Erin Pizzey hatte von der Stadtverwaltung ein Haus für eine Begegnungsstätte für Frauen zur Verfügung gestellt bekommen, die so viele Frauen mit Gewalterfahrungen in Ehe und Partnerschaft anzog, dass sie bald ein neues größeres Haus speziell für diesen Bedarf suchen musste.

1976 wurden in Berlin und Köln, in den darauf folgenden Jahren auch in anderen deutschen Städten Frauenhäuser gegründet. Sie waren Projekte der autonomen Frauenbewegung und sollten der gleichberechtigten Begegnung von Frauen mit und ohne Gewalterfahrungen, dem gemeinsamen Lernen und politischer Erfahrung dienen. Dieser Anspruch entsprach jedoch nicht den Erwartungen und Bedürfnissen der Zuflucht suchenden Frauen, so dass Elemente der klassischen Sozialen Arbeit bald in den Vordergrund traten.

Die darauffolgend gegründeten Frauenhäuser der Wohlfahrtsverbände und der kirchlichen Verbände waren von Anfang an rein karitativ und sozialarbeiterisch orientiert. So geht aus den 1982 veröffentlichten Arbeitsgrundlagen der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Frauen- und Kinderschutzhäuser als Schwerpunkt die Unterstützung und Stabilisierung der Familie und die Zusammenarbeit mit den gewalttätigen Männern hervor.[5] Mit ihrer Etablierung sollte explizit ein nicht feministisches Angebot für hilfsbedürftige Frauen geschaffen werden. Neben konzeptionellen Unterschieden unterscheiden sich nichtautonome von autonomen Frauenhäuser in ihrer hierarchischen Organisation und ihrer Finanzierungsausstattung. Die konzeptionelle Rivalität zwischen beiden Formen von Frauenhäusern wurde dadurch gestärkt, dass den finanziell besser ausgestatteten Trägern der verbandlich organisierten Frauenhäuser Übernahmen autonomer Frauenhäuser gelangen. Mittlerweile haben sich autonome und verbandliche Frauenhäuser in ihren Konzepten einander jedoch angenähert und arbeiten auch auf politischer Ebene eng zusammen. Nach dem Zweiten Frauenhausbericht der Bundesregierung sind grundsätzlich folgende Hilfsangebote bezeichnend für beide Trägerformen:

  • Hilfe für die misshandelte Frauen und ihre Kinder durch Unterstützungsleistungen zur Wiedergewinnung des psychischen Gleichgewichts,
  • Beratung in familien- und sozialrechtlichen Angelegenheiten sowie der psychischen und körperlichen Gesundheit,
  • pädagogische Kinderbetreuung und
  • Hilfe bei der Wohnungssuche und Beratung nach der Frauenhauszeit.

Seit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes in 2002, nach dem Gewalttäter aus der Wohnung gewiesen werden können, sind Bedarf und Zahl der Frauenhäuser zurückgegangen. 2002 gab es in Deutschland ca. 400 Frauenhäuser, davon 153 in autonomer Trägerschaft[6]. 2009 waren es nur noch insgesamt 362 Frauenhäuser. Durch die jeweiligen Finanzierungsvorgaben der Haushaltsordnungen von Ländern und Kommunen befinden sich die Frauenhäuser mittlerweile auch in direkter Trägerschaft der Kommunen oder werden über staatliche Zuwendungen von Verbänden und Vereinen betrieben. Ein besonderer Ansatz zur Erfassung und Koordinierung von Problemen betroffener Frauen ist die Berliner Interventionszentrale gegen Häusliche Gewalt, BIG.

In der Schweiz wurde die erste Notunterkunft für geschlagene Frauen 1977 in Zürich eingerichtet. Bern und Genf folgten 1980, Basel 1981, St. Gallen 1982, Brugg 1983, Luzern und Winterthur 1984. Getragen wurden die Schweizer Frauenhäuser vorerst ohne die öffentliche Hand, sondern ausschließlich von autonomen Frauengruppen. Finanziert wurden sie privat über Spenden.

Kritik an Frauenhäusern

Der Verein Väteraufbruch für Kinder e.V. kritisiert, auf Basis „deutlicher Hinweise“ durch „vereinsinterne Falldokumentationen“,„dass viele Frauen aus egoistischen Beweggründen ihre (Ehe-)Partner fälschlich der häuslichen Gewalt bezichtigen, um den Umgang des Vaters mit seinen Kindern boykottieren zu können und um somit eine bessere Ausgangssituation in Sorgerechts- und Unterhaltsstreitigkeiten zu haben. Oftmals stellt sich die Situation sogar so dar, dass sich die Frau – physisch oder psychisch – gewalttätig verhält und die Kinder, sowie oft auch den Ehe-/Partner bedroht, schlägt bzw. tyrannisiert. [...] Besondere ‚Verdienste‘ erwerben sich dabei die Frauenhäuserverantwortlichen, die eine Täterschaft von Frauen von vornherein ausschließen und die Frau in ihrer verschobenen Wahrnehmung bestätigen.“ [7]

Der Soziologe Gerhard Amendt bezeichnet Frauenhäuser als Orte des politisch motivierten institutionalisierten Männerhasses und fordert ihren Ersatz durch „Familienhäuser“, in denen nicht nur von häuslicher Gewalt Betroffene jeden Geschlechts Zuflucht finden, sondern die auch eine professionelle familienorientierte Aufarbeitung der Geschehnisse und ihrer Hintergründe durch alle Beteiligten ermöglichen.[8][9]

Abweichende Bedeutungen

  • In der Ethnologie werden als Frauenhäuser Gemeinschaftshäuser bezeichnet, in denen junge Mädchen zur Vorbereitung auf ihre Hochzeit leben, meist unter Aufsicht älterer Frauen, zum Beispiel in Indien und Ostafrika.
  • Das Frauenhaus war im Spätmittelalter eine Sonderform des Bordells, siehe Prostitution im Mittelalter. In der Brockhaus Enzyklopädie wurde das Wort noch 1954 entsprechend definiert.[10].
  • Im 19. Jahrhundert verstand man unter Frauenhäusern Erziehungsanstalten für sogenannte gefallene Mädchen und mittellose Frauen ohne legale Verdienstmöglichkeiten, in denen die Insassinnen meist unter kirchlicher Aufsicht mit harter Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen mussten. Das erste derartige evangelische Frauenhaus wurde von Berta Lungstras 1873 in Bonn gegründet.

Literatur

  • Lisa Glahn: Frauen im Aufbruch. 20 Jahre Geschichte Autonomer Frauenhäuser. Unrast, Münster 1998, ISBN 3-928300-48-2

Einzelnachweise

  1. Fachlexikon der sozialen Arbeit, 2002,S.348
  2. Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Lage der Frauenhäuser, 1988
  3. http://www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/daigoji/wandtexte_d+e.pdf 5.2 Die Rolle buddhistischer Tempel in der Gesellschaft
  4. Haven House
  5. Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Lage der Frauenhäuser, 1988
  6. Fachlexikon der sozialen Arbeit, 2002, S.348
  7. Väteraufbruch für Kinder e.V.: „Die Frauenhauslüge - Ein Ratgeber für Männer und Väter“ , 2005
  8. http://www.brigitte.de/gesellschaft/politik-gesellschaft/frauenhaeuser-gerhard-amendt-1031207/ BRIGITTE.de: Gerhard Amendt: Schafft die Frauenhäuser ab
  9. http://www.welt.de/politik/article3936899/Warum-das-Frauenhaus-abgeschafft-werden-muss.html WELT ONLINE: Hort des Männerhasses": Warum das Frauenhaus abgeschafft werden muss
  10. Der große Brockhaus, sechzehnte Auflage 1954, Band 4, Seite 264

Weblinks


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