Freigelassener

Freigelassener
Grabstein des Freigelassenen Gaius Messelenus (Römisch-Germanisches Museum, Köln)

Ein Freigelassener ist ein ehemaliger Sklave, der durch einen rechtlichen Akt aus seinem bisherigen Zustand der Unfreiheit entlassen wurde.

Inhaltsverzeichnis

Römisches Reich

Der freigelassene Sklave (servus) im Alten Rom hieß lateinisch libertus nach seiner Freilassung (manumissio). Der Freigelassene stand weiter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem früheren Herrn, dem patronus, er war sein Klient und musste gewisse Dienste leisten, seinem Herrn jeden Tag die Aufwartung machen und ihn bei Wahlen unterstützen. Erst die Kinder des Freigelassenen waren Vollbürger, die jedoch das Stigma der ehemaligen Sklaven in ihrer Ahnenreihe forttrugen.

Es gab verschiedene Arten der Freilassung von Sklaven:

  • per testamentum durch letztwillige Verfügung im Testament
  • per vindictam durch Rechtsakt vor dem Magistrat
  • per censum mit Eintragung durch den Herrn in die Bürgerrolle als freier Bürger (dies erfolgte selten und bedurfte der Zustimmung durch Amtsträger)
  • per epistulam durch Zusendung eines Freibriefes
  • inter amicos, per mensam, per convivium durch eine einfache Willenserklärung vor Zeugen.
  • Unter dem Freikauf verstand man den Kauf eines Sklaven mit sofort anschließender Freilassung.

Offiziell Freigelassene hatten die meisten Bürgerrechte, sie durften aber keine politischen oder militärischen Ämter ausüben und keine Frauen oder Männer aus dem Senatorenstand heiraten. Diesbezüglich war ihr Status dem der peregrini (freie Menschen ohne römisches Bürgerrecht) vergleichbar. In der zweiten, spätestens dritten Generation wurden Freigelassene gleichberechtigte Bürger.

Die inoffizielle Freilassung gab einem Sklaven die Freiheit, ohne ihn mit politischen Rechten auszustatten.

Mit der Freilassung übernahm der Sklave den Vornamen und Gentilnamen seines Herrn, während er den bisherigen Sklavennamen als cognomen weiterführte. So hieß Tiro, der ehemalige Sklave von Marcus Tullius Cicero, nach der Freilassung Marcus Tullius Tiro.

Siehe auch: Römischer Name

Gebrauch

Freilassungen waren in Rom sehr häufig. Kaiser Augustus versuchte dies einzuschränken, indem er 30 Jahre als Mindestalter für einen Freigelassenen festsetzte. Es gab aber Ausnahmen, wenn ein Freigelassener seine Kinder freikaufen wollte. Zahlreiche Grabinschriften belegen, dass das Mindestalter oft nicht eingehalten wurde. Die Freilassung bot den Herren mehrere Vorteile: Zum einen konnten sie ihren Sklaven durch die Aussicht auf spätere Freilassung einen Anreiz bieten, ihnen besonders eifrig zu dienen; zum anderen waren die Pflichten eines Freigelassenen gegenüber seinem Patron erheblich (zumal individuell zusätzliche Dienstleistungen festgesetzt werden konnten), während die Fürsorgepflicht, die ein Herr nach römischem Verständnis gegenüber seinem Sklaven hatte, mit der Freilassung wegfiel. Auch der Umstand, dass vielen Unfreien die Möglichkeit eingeräumt wurde, Geld anzusparen, um sich schließlich selbst freizukaufen, bot dem Sklavenhalter einen zusätzlichen Anreiz.

Generell hatten gerade im Haushalt eingesetzte Sklaven eine sehr gute Chance, freigelassen zu werden, wenn sie alt genug wurden. Anders war das für Sklaven in der Landwirtschaft und im Bergbau. Viele Grabinschriften belegen, dass die Familien städtischer Freigelassener und Sklaven oft sehr eng zusammenhielten, so dass ehemals versklavte Familienmitglieder nach ihrer Freilassung wieder zusammenfanden.

Die meisten Sklaven erlangten zwischen ihrem 30. und 40. Lebensjahr die Freiheit. Ihre zuvor geborenen Kinder blieben unfrei, die später gezeugten waren dagegen bereits vollberechtigte römische Bürger, und der Enkel eines Freigelassenen durfte Senator werden. Da die Sklaven aus verschiedenen Gebieten stammten, erhielt die römische Bürgerschaft durch die Freigelassenen stetig „frisches Blut“ aus anderen Völkern des Imperiums und seiner Nachbarstaaten. Zugleich wurde das Bürgerrecht auf diese Weise natürlich immer weniger exklusiv, bis es Kaiser Caracalla schließlich 212 allen freien Reichsbewohnern verlieh (Constitutio Antoniniana).

Leben der Freigelassenen

Was die Berufswahl betrifft, gab es im Prinzip keine Einschränkungen. Zum Beispiel gab es Ärzte sowohl unter Freien als auch unter Freigelassenen und Sklaven. Der soziale Status des Freigelassenen hing vom sozialen Status seines bisherigen Herrn ab. Der Freigelassene eines armen Handwerkers war meist ebenfalls arm, der Freigelassene eines kinderlosen Reichen konnte mit Glück gleich noch zum Erben eines ansehnlichen Vermögens werden. Einige Freigelassene brachten es zu geradezu sprichwörtlichem Reichtum, die fiktive Figur Trimalchio im Roman Satyrica von Titus Petronius Arbiter. Narcissus, Freigelassener des Kaisers Claudius, stieg sogar zu einer Art Minister auf. Insgesamt spielten im Prinzipat kaiserliche Freigelassene oft eine wichtige Rolle am Kaiserhof, da sie dem Imperator zu besonderer Treue verpflichtet und zugleich aufgrund ihrer sozialen Stellung vollständig von seiner Gunst abhängig waren.

Die Gräber der ehemaligen Sklaven zierten oft Abbildungen ihrer selbst in bürgerlicher Kleidung (Toga und Tunika). Oft befanden sich auch Angehörige auf den Abbildungen, Söhne, Töchter und deren Ehepartner. Die Familie wurde damit im Tode vereint. Dargestellt wurden die Verstorbenen oft als scheinbare Büsten, die aber eigentlich Halbkörperdarstellungen waren. Diese sahen aus einem Fenster hinaus, von oben auf die Betrachter hinab. Die Kleidung bestand aus Tunika und Toga als Zeichen des Standes des Freien.

Siehe auch

Weblinks


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