Freilichtmuseum Hechingen-Stein

Freilichtmuseum Hechingen-Stein
Rekonstruiertes Hauptgebäude

Das Römische Freilichtmuseum Hechingen-Stein beherbergt eine der wichtigsten Fundstätten aus der Römerzeit in Süddeutschland. Es liegt auf einem Waldgrundstück nahe dem kleinen Dorf Stein, einem Stadtteil der Stadt Hechingen im Zollernalbkreis in Baden-Württemberg.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Bedeutung der Fundstätte

Rekonstruierte Schmiede
Fußbodenheizung

Die Stätte wurde 1972 durch den Bürgermeister von Stein Gerd Schollian entdeckt und zwischen 1978 und 1981 durch Ausgrabungen erschlossen. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um eine besonders prächtig ausgebaute, mit 5 ha sehr großzügig bemessene, römische Villa rustica handelt, mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, einer rundum geschlossenen Mauer. Seit 1992 wird wieder gegraben. Bislang wurde ein heiliger Bezirk, ein Mühlengebäude, ein Speicherbau, Das Eingangstor zur Anlage sowie eine Schmiede, ein weiteres Wohnhaus und ein Eckturm ausgegraben.

Das Anwesen wurde wahrscheinlich zur Zeit des Kaisers Domitian Ende des 1. Jahrhunderts erbaut, als die Römer ihren Machtbereich von der Donau Richtung Nordosten ins Neckarland ausdehnten. Im 2. Jahrhundert wurde es stark erweitert. Das Ende kam Mitte des 3. Jahrhunderts, als die Alamannen den obergermanischen Limes, die römische Grenzbefestigung, überrannten und das Gebiet besetzten.

Auf dem Gelände wurden zahlreiche hauswirtschaftliche, handwerkliche und landwirtschaftliche Gerätschaften, Einrichtungs- und Kultgegenstände und Schmuckstücke gefunden.

Noch Anfang der 2000er Jahre wurde oberhalb des bereits erschlossenen Grabungs- und Museumsgeländes ein neuer großer Fund entdeckt: Ein mit zwei Essen außergewöhnlich groß bemessenes Schmiedehaus.

Weiter oberhalb wird seit 2001 ein großer Gebäudekomplex ausgegraben, dessen ursprüngliche Bestimmung noch nicht bekannt ist.

Sondierungsgrabungen (die derzeit ausschließlich durch ehrenamtliche Helfer erfolgen) zeigen, dass innerhalb der Mauern der Villa rustica noch eine Reihe weiterer Gebäude, darunter ein zweiter Badekomplex, unter der Erde liegen. Dies zeigt, dass der größere Teil der Anlage noch nicht ausgegraben wurde. Hinzu kommen weitere Gebäude in der Umgebung der Anlage. Diese Vielfalt der Funde führt verstärkt zu der Frage, welche Funktion diese umfangreiche Siedlung in ihrem Endausbau hatte.

Da die Siedlung im Mittelalter aufgegeben wurde und bewaldete, bietet sie eine sehr gute Qualität der Funde, die weder durch sekundäre Besiedlung noch durch landwirtschaftliche Tätigkeiten, insbesondere tiefgehende Pflüge, geschädigt wurde.

Das Museum

Aktuelle Ausgrabung

Von den römischen Gebäuden sind nur die Fundamente und Mauerfragmente erhalten geblieben. Das Museum zeigt zum einen diese Ausgrabungen, einschließlich der original römischen Fußbodenheizung, deren Grundstrukturen teilweise erhalten geblieben sind.

Zum anderen wird versucht, durch Rekonstruktionen die Römerzeit lebendig zu machen: In dem rekonstruierten Haupthaus sind Original-Fundstücke aus dem Ausgrabungsgelände ausgestellt. Im Obergeschoss kann man ein Triclinium besichtigen, das Speisezimmer des Hausherrn, in dem die Mahlzeiten im Liegen eingenommen wurden, sowie die Schlafstätte eines Kindes. Das Haupthaus wurde von 2005 bis Sommer 2006 erweitert, um weitere Räume möglichst vollständig darzustellen. Bei diesen Arbeiten wurde der Innenhof überdacht, um die neuesten archäologischen Erkenntnisse umzusetzen.

Des Weiteren wurden auf dem Gelände die Mahl- und Backstube rekonstruiert. Besucher können, nach Voranmeldung, dort Gerste zu Mehl mahlen und Fladenbrot backen, so wie es die Römer taten. In einem rekonstruierten Gerätehaus können rekonstruierte Karren, Wagen und Landwirtschaftsgeräte der Römer besichtigt werden. Eine weitere Hütte zeigt Spiele, mit denen sich die römischen Kinder außerhalb der Schulzeit vergnügten.

Latrinensprüche

Sogar die Latrine wurde wieder hergerichtet. Die Römer pflegten ihr „Geschäft“ in Gemeinschaft, auf einem Reihenklosett sitzend, zu verrichten. Auch der Brauch, die Latrinenwände mit Sinnsprüchen und Parolen zu verzieren, war schon zur Römerzeit gang und gäbe. Einige der damals üblichen Wandsprüche wurden als Rekonstruktion angebracht.

Der untere Teil des Geländes schließlich gibt, wiederum anhand von Fundstücken aus dem Gelände, einen Einblick in die reichhaltige Götter- und Mythenwelt der Römer. Neben den bekannten Großgottheiten Jupiter, Minerva und Merkur huldigten die Bewohner auch den importierten Gottheiten unterworfener Völker, beispielsweise dem persischen Lichtgott Mithras und der keltischen Pferdegöttin Epona. Des Weiteren spielten mindere Gottheiten wie die Glücksgöttin Fortuna und die Früchtegöttin Herecura sowie der namenlose Genius des Hausherrn und die Matronen des Feldes eine wichtige Rolle in ihrem religiösen Kosmos.

Ansatz des Freilichtmuseums

Das Freilichtmuseum beruht auf Grabungsfunden wie den Resten von Mauern, der Hypocaust-Heizung sowie vielfältigen Einzelfunden wie Scherben, Verputzresten, Alltagsgegeständen und behauenen Steinen. Im Gegensatz zu vielen anderen Orten, an denen nur die Mauern im Grabungszustand fixiert und die Fundgegenstände in einem Museum zusammengefasst wurden, versucht das Römische Freilichtmuseum anhand wissenschaftlicher Befunde und Vorlagen beispielsweise aus Pompeji eine nach dem Stand der Archäologie wahrscheinliche Rekonstruktion von Gebäuden auf den originalen Fundamenten wieder aufzubauen. Diese Rekonstruktion beinhaltet auch Kopien von Funden anderer Orte. So wurden beispielsweise in Stein Reste einer Jupitergigantensäule gefunden, die aber nicht für eine Rekonstruktion ausreichten. Deshalb wurde die Kopie einer anderen, ähnlichen Säule aufgestellt. Ziel dieser Form der Darstellung ist es, ein möglichst konkretes Bild des Lebens in der damaligen Zeit für die Besucher darzustellen.

Römerfest

Jedes zweite Jahr (geradzahlig) findet im August in Hechingen-Stein ein großes Römerfest statt. Dies ist laut Aussage der Veranstalter „das größte Römerfest nördlich der Alpen“.

Literatur

  • Stefan Schmidt-Lawrenz: Die römische Gutsanlage von Hechingen-Stein. Theiss, Stuttgart 1999 (Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg, 21), ISBN 3-8062-1484-0

Siehe auch

Weblinks

48.376048.935057Koordinaten: 48° 22′ 34″ N, 8° 56′ 6″ O


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