Friedenserziehung

Friedenserziehung

Friedenserziehung, auch Friedenspädagogik oder Friedensbildung, ist eine bewusste Erziehung zum Frieden. Sie leitet dazu an, alle Gewalt fördernden Muster und Strukturen frühzeitig wahrzunehmen und in konfliktlösendes Verhalten umzuwandeln. Ziel ist die Überwindung des Krieges, ausgehend von der Erkenntnis, dass alle Kriege in den „Köpfen der Menschen“ entstehen (UNESCO, The Nature of Conflict, 1958).

Inhaltsverzeichnis

Wurzeln

Der Grundgedanke der Friedenserziehung, Menschen durch bewusste Bildung zum Erkennen und Umwandeln von Gewalt anzuleiten, geht auf die europäische Philosophie der Neuzeit im Zeitalter der Aufklärung zurück. Sie wurde seit etwa 1830 als eine der wichtigsten Aufgaben der internationalen Friedensbewegung erkannt und definiert.

Pionier dieser Idee war der Schweizer Jean-Jacques de Sellon (1782-1839). Er wuchs auf in der Tradition des Genfer Calvinismus und war als adeliger Philanthrop Anhänger der Demokratie-Idee von Jean-Jacques Rousseau und der Rechtsstaats-Idee Cesare Beccarias. Wie dieser ging er vom Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit aus und lehnte darum die Todesstrafe ab.

Er übertrug diese Ablehnung auch auf zwischenstaatliche Konflikte und schlug deshalb 1828 erstmals die Abschaffung aller stehenden Heere und ihre Ersetzung durch Milizen vor. 1830 forderte er dies und ein internationales Schiedsgericht in einem offenen Brief. Im selben Jahr gründete er dazu die Societè de la Paix, deren Statut festlegte: Die Abschaffung des Krieges könne nur auf dem „Willen der Völker“ beruhen und sei darum nur durch stetige „Aufklärungsarbeit und bewusste Erziehung zum Frieden“ zu erreichen.

In der Bundesrepublik wurde Friedenspädagogik trotz der Erfahrung der Weltkriege nur zögerlich als Ansatz verfolgt. Zuerst griff sie explizit Ende der 1950er Jahre die Studiengesellschaft für Friedensforschung München als Aufruf zur Völkerverständigung auf. Vorurteile und individuelle Aggression galten als Ursachen für Krieg und Gewalt. Hartmut von Hentig hielt 1967 auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover eine nachwirkende Rede zum Thema Friedenserziehung.[1] In den 1970er Jahren kam die sozialwissenschaftliche Wende auch in der Friedenspädagogik zur Geltung. Die Ursachen für Gewalt wurden in gesellschaftlichen Strukturen gesehen, z. B. von Johan Galtung und in Deutschland Dieter Senghaas. Eine kritische Friedenserziehung entstand, z. B. bei dem Pädagogen Christoph Wulf.[2] Einen Höhepunkt erreichte sie in der Friedensbewegung in Ost und Westdeutschland. Nach 1990 verlagerte sich das Interesse vom Ost-West-Konflikt auf rechtsextreme Gewalt, die Globalisierung, die Bildung zur Nachhaltigkeit und die praktische Erziehung zur gewaltlosen Konfliktlösung, z. B. durch Mediation. Besonders die Probleme einer Befriedung von eroberten Territorien wie Irak und Afghanistan legten die Frage nach den Voraussetzungen einer gesellschaftlichen Friedenskultur nahe.

Konfliktmanagement

Durch die Förderung der Kommunikationskompetenz, das Vertrauen in die eigenen Emotionen und dem Erlernen von konkreten Lösungsansätzen wird ermöglicht, Konflikte gezielt anzugehen, konstruktiv zu bearbeiten und ihr Potential zu nutzen.

In der Schweiz bieten verschiedene Organisationen Ausbildungen in Konfliktmanagement an. Dies geht von Peacemaker -Projekten des NCBI, wo in Schulklassen Friedensstifter gewählt und geschult werden, zu Ausbildungen wie Go for Peace für Jugendgruppenleiter, Lehrkräfte und Sozialarbeiter bis zu Nachdiplomkursen. Christliche Vereine haben schon eine lange Tradition im Friedensdienst, ebenso wie der Internationale Versöhnungsbund IFOR.

Das Werk von Marshall B. Rosenberg ist in Gewaltfreie Kommunikation bedeutend geworden.

Siehe auch

Literatur

  • Elisabeth Gusdek Petersen: Grosny – Zürich und zurück. Porträts von fünf Jugendlichen aus Tschetschenien. Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2009, ISBN 978-3-280-06105-3
  • Renate Grasse, Bettina Gruber, Günther Gugel (Hg.): Friedenspädagogik. Grundlagen, Praxisansätze, Perspektiven, rororo Reinbek 2008 ISBN 9783499556982
  • Karl Ernst Nipkow: Der schwere Weg zum Frieden. Geschichte und Theorie der Friedenspädagogik von Erasmus bis zur Gegenwart, Gütersloh 2007
  • UNESCO: Integrierter Rahmenplan zur Erziehung für Frieden, Menschenrechte und Demokratie 1995, Bonn 1997
  • Franz Pöggeler: Erziehung für die eine Welt - Plädoyer für eine pragmatische Friedenspädagogik : Frankfurt am Main ; Bern ; New York ; Paris : Lang, 1990, ISBN 3-631-41941-4
  • Hermann Röhrs: Frieden - eine pädagogische Aufgabe. Idee und Realität der Friedenspädagogik, Braunschweig 1983

Weblinks

Einzelbelege

  1. Erziehung zum Frieden, Hannover 1967
  2. Christoph Wulf: Friedenserziehung in der Diskussion, München 1973; ders.: Kritische Friedenserziehung, Frankfurt/M. 1973

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